Bewegung ist für Kinder eine Ausdrucksform der Lebensfreude und gleichzeitig ein wichtiges Mittel zur Förderung ihrer Entwicklung. Spiel und Bewegung stellen für Kinder Erfahrungsmedien dar, welche die Entwicklung ihrer Persönlichkeit positiv beeinflussen. Kinder erschließen sich über Bewegung die Umwelt und können deren materialen und sozialen Gegebenheiten erkennen und verstehen (vgl. Zimmer 1997).
In diesem Zusammenhang vermag die Psychomotorik ganzheitlich auf die Persönlichkeit eines Kindes einwirken, da sie die enge Beziehung von geistig-seelischen und körperlich-motorischen Prozessen betont (vgl. ebd.).
Das Anliegen dieser Arbeit besteht darin, die Problematik ADS/ADHS zu erläutern und einige Möglichkeiten aufzuzeigen, über welche die Psychomotorik in der Arbeit mit betroffenen Kindern verfügt.
Die Bewegungsunruhe hyperaktiver Kinder wird von PASSOLT (1996) nicht als Krankheit angesehen, sondern als mögliche Reaktion auf Interaktionsstörungen und als Versuch der Konfliktbewältigung. Hyperaktivität kann somit eine „gesunde Reaktion auf eine krankmachende Lebenswelt“ (Voß 19983, 18) sein und als Auseinandersetzung mit schwierigen Lebenssituationen das Kind vor schweren Störungen und Erkrankungen schützen (vgl. Passolt 1996).
In der Intervention sowie im Umgang mit Kindern mit ADS/ADHS gibt es keine Rezepte, keine einfachen Wege und keine Schubladen (vgl. Passolt 1997). Vielmehr liegt die Einsicht zugrunde, dass diese Kinder auf den nötigen Respekt, Anerkennung und Achtung ihrer sozialen Umgebung, im Kampf um die Hyperaktivität, angewiesen sind.
„ Das Wichtigste bei der Behandlung emotional gestörter Kinder ist dies: daß man sie und ihre Probleme mit dem größten Respekt behandelt.“
(Bruno Bettelheim)
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitorische Grundlagen
2.1 Psychomotorik
2.2 Motologie
2.3 Verhaltensauffälligkeit
2.4 Verhaltensstörung
2.5 Verhaltensoriginalität
2.6 ADS / ADHS
3 Psychomotorik
3.1 Entwicklung der Psychomotorik
3.2 Ziele und Inhalte der Psychomotorik
3.3 Institutionalisierung der Psychomotorik
3.4 Abgrenzung der Psychomotorik von Motopädagogik und Mototherapie
3.5 Ansätze in der Psychomotorik
3.5.1 Die Psychomotorische Übungsbehandlung
3.5.2 Der lern- und kompetenztheoretische Ansatz
3.5.3 Der Ansatz der Sensorischen Integrationsbehandlung
3.5.4 Der systemisch–konstruktivistische Ansatz
3.5.5 Der kindzentrierte Ansatz
3.5.6 Der verstehende Ansatz
4 Bedeutung des Spiels in der Psychomotorik
4.1 Bedeutung des Spiels für Entwicklung des Kindes
4.2 Merkmale des Spiels
4.2.1 Individuelle Sinngebung und Bedeutungsoffenheit
4.2.2 Umkehrung üblicher Einfluss- und Machtbeziehungen
4.2.3 Entscheidungsfreiheit und Freiwilligkeit
4.2.4 Ambivalenz
4.3 Funktionen des Spiels
4.4 Formen des Spiels
4.4.1 Funktionsspiele
4.4.2 Konstruktionsspiele
4.4.3 Fiktions- und Illusionsspiele (Symbolspiele)
4.4.4 Rollenspiele
4.4.5 Regel- /Wettspiele
4.5 Regeln und Prinzipien
5 Selbstkonzept und Identität
5.1 Entwicklung des Selbstkonzeptes
5.2 Bedeutung des Selbstkonzeptes für die Entwicklung
5.3 Möglichkeiten zur Veränderung des Selbstkonzeptes
6 ADS / ADHS
6.1 Ätiologische Erklärungsmöglichkeiten
6.1.1 (Psycho-) soziale Einflüsse
6.1.2 Organische Einflüsse
6.1.3 Genetische Einflüsse
6.2 Symptome
6.3 Diagnostik
6.4 Multimodale Therapie
7 Möglichkeiten der Psychomotorik bei ADS/ADHS
7.1 Dialogische Abklärung
7.2 Rahmenbedingungen und Organisation
7.3 Ziele der Förderung
7.4 Bedeutung der Persönlichkeit des Therapeuten
7.5 Maßnahmen in der Psychomotorik
7.6 Didaktik und Methodik
7.7 Möglichkeiten der praktischen Umsetzung
7.8 Grenzen der Psychomotorik
8 Schlussbetrachtung
9 Literaturverzeichnis
10 Neue Medien
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Selbstkonzept in der Übersicht (Weibel 2000, 25)
Abbildung 2 Entwicklung positiver Verstärker (Weibel 2000, 26)
Abbildung 3 Ursachen für definitorische und diagnostische Probleme beim ADS / ADHS (Wolff et. al. 2000, 91)
Abbildung 4 Inhalt eines Anamnesegespräches (vgl. Krowatschek 2003)
Abbildung 5 Kriterien der Bewegungsbeobachtung (Irmischer 1983 zit. In Naschwitz-Moritz 2000, 63)
Abbildung 6 Übersicht der psychomotorischen Diagnostik (Weibel 2000, 15)
Abbildung 7 Ziele der psychomotorischen Abklärung (Weibel 2000, 7)
Abbildung 8 Zugang zum Kind (Weibel 2000, 9)
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Spielentwicklung (Zimmer 1990 In Sportjugend Hessen 2003, 31)
Tabelle 2 soziales Spielvermögen und Alter (Sportjugend Hessen 2003, 33)
Tabelle 3 Methoden der Psychomotorik (vgl. Köckenberger 2001)
1 Einleitung
Bewegung ist für Kinder eine Ausdrucksform der Lebensfreude und gleichzeitig ein wichtiges Mittel zur Förderung ihrer Entwicklung. Spiel und Bewegung stellen für Kinder Erfahrungsmedien dar, welche die Entwicklung ihrer Persönlichkeit positiv beeinflussen. Kinder erschließen sich über Bewegung die Umwelt und können deren materialen und sozialen Gegebenheiten erkennen und verstehen (vgl. Zimmer 1997).
In diesem Zusammenhang vermag die Psychomotorik ganzheitlich auf die Persönlichkeit eines Kindes einwirken, da sie die enge Beziehung von geistig-seelischen und körperlich-motorischen Prozessen betont (vgl. ebd.).
Das Anliegen dieser Arbeit besteht darin, die Problematik ADS / ADHS zu erläutern und einige Möglichkeiten aufzuzeigen, über welche die Psychomotorik in der Arbeit mit betroffenen Kindern verfügt.
Die Bewegungsunruhe hyperaktiver Kinder wird von PASSOLT (1996) nicht als Krankheit angesehen, sondern als mögliche Reaktion auf Interaktionsstörungen und als Versuch der Konfliktbewältigung. Hyperaktivität kann somit eine „gesunde Reaktion auf eine krankmachende Lebenswelt“ (Voß 19983, 18) sein und als Auseinandersetzung mit schwierigen Lebenssituationen, das Kind vor schweren Störungen und Erkrankungen schützen (vgl. Passolt 1996).
In der Intervention, sowie im Umgang mit Kindern mit ADS / ADHS gibt es keine Rezepte, keine einfachen Wege und keine Schubladen (vgl. Passolt 1997). Vielmehr liegt die Einsicht zugrunde, dass diese Kinder auf den nötigen Respekt, Anerkennung und Achtung ihrer sozialen Umgebung, im Kampf um die Hyperaktivität, angewiesen sind.
„ Das Wichtigste bei der Behandlung emotional gestörter Kinder ist dies: daß man sie und ihre Probleme mit dem größten Respekt behandelt.“
(Bruno Bettelheim)
Zugunsten der Lesbarkeit wurde auf eine zweigeschlechtliche Schreibweise verzichtet. Der Inhalt bezieht sich sowohl auf die weibliche wie auch auf die männliche Form.
2 Definitorische Grundlagen
2.1 Psychomotorik
Die Psychomotorik ist eine humanistische, entwicklungs – und kindgemäße Art der Bewegungserziehung und berücksichtigt die Einheit von Erleben und Sich – Bewegen. Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen der psychischen und der motorischen Entwicklung des Menschen. Es werden also Gefühle durch Bewegung ausgedrückt, und demgegenüber Empfindungen durch die Bewegung beeinflusst. Diese Aspekte werden im Konzept der Psychomotorik vorrangig berücksichtigt.
Die Psychomotorik ist keine einheitliche Methode, sondern besteht aus verschiedenen pädagogisch – therapeutischen Inhalten, die von der Theorie ausgehen, durch Bewegung motorische, kognitive und soziale Prozesse zu beeinflussen bzw. zu fördern. Es werden Zusammenhänge zwischen perzeptuellen, psychischen und motorischen Prozessen dargeboten. Einerseits findet die Psychomotorik im pädagogischen Terrain als psychomotorische Erziehung und andererseits im therapeutischen Kontext in der Arbeit mit behinderten und verhaltensauffälligen Kindern, Anwendung. Der Begriff der „psychomotorischen Übungsbehandlung“ wurde geprägt von E. J. Kiphard, der die Bewegung als therapeutisches Mittel in der Arbeit mit entwicklungsverzögerten und –auffälligen Kindern einsetzte (vgl. Mertens 2002). Demnach ist die Aufgabe der Psychomotorik auf der einen Seite die Förderung der Persönlichkeitsentwicklung bei Kindern und andererseits der Ausgleich motorischer Defizite. Mittlerweile wird die Psychomotorik in der Prävention, der Therapie und in der Rehabilitation, sowie in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, Erwachsenen und auch alten Menschen angewendet (vgl. Eggert 1994 In Naschwitz-Moritz 2000). KIPHARD (2000) versteht unter Psychomotorik:
„Psychomotorik erfaßt das Kind in seiner Gesamtheit mit all seinen Stärken und Schwächen. Die Schwächen werden anfangs bewußt übersehen, um das ungeschickte Kind nicht gleich zu entmutigen. Statt dessen gibt man ihm Gelegenheit, seine Stärken bei der erfolgreichen Durchführung selbstgewählter motorischer Unternehmungen zu nutzen. Psychomotorik, das bedeutet auf der einen Seite stille, tief empfundene Freude am eigenen schöpferischen Tun. Andererseits gehört dazu auch das Gemeinschaftserlebnis. Insofern schlägt Psychomotorik eine Brücke vom Ich zum Wir, zum sozialen Umfeld.“ (zit. In Mertens 2002, 15)
Auf die Grundlagen der Psychomotorik, deren geschichtliche Entwicklung sowie auf Inhalte, Ziele und Methoden der Psychomotorik wird in den folgenden Kapiteln noch näher eingegangen. Aus der Verwissenschaftlichung der Psychomotorik heraus entstand das Fachgebiet der Motologie (vgl. Naschwitz-Moritz 2000).
2.2 Motologie
Die Motologie wird als „persönlichkeitsorientierte Wissenschaft“ (Röthig et. al. 1992, 318) verstanden, die sich mit der „Motorik des Menschen als Funktionseinheit von Wahrnehmen, Erleben, Denken und Handeln“ (Röthig et. al. 1992, 318) beschäftigt. Als wissenschaftliche Fundierung der Psychomotorik wird die Motologie in die Teilgebiete Motogenese (Bewegungsentwicklung), Motopathologie (Bewegungsstörung), Motodiagnostik (Bewegungsdiagnostik), Motopädagogik und Mototherapie eingeteilt (vgl. Bielefeld 1987 In Naschwitz-Moritz 2000).
Überdies wird die „Motologie als Lehre der Motorik als Grundlage der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit des Menschen, ihrer Entwicklung, ihrer Störungen und deren Behandlung“ (RÖTHIG et. al. 1992, 318) definiert[1]. Im Großen und Ganzen wird die Motologie als Wissenschaft der menschlichen Bewegung im Zusammenhang von Motorik, Persönlichkeit und Umwelt bezeichnet (vgl. Philippi – Eisenburger 1991).
2.3 Verhaltensauffälligkeit
Um verhaltensoriginelle Kinder zu „definieren“, wurden gegenwärtig 2 Oberbegriffe geprägt. Verhaltensauffälligkeit und Verhaltensstörung. Hierbei ist der Begriff der Verhaltensauffälligkeit als Oberbegriff für eine wissenschaftliche und auch alltägliche Anwendung ungeeignet. Die Gründe dafür sollen im Folgenden erläutert werden. Die Begriffsbestimmung der Verhaltensstörung ist irreführend und ungenau. Da man bei dem Wortgebrauch „Auffälligkeit“ meist automatisch von einem negativen Merkmal ausgeht, besonders wenn es um die Begriffsbestimmung von „Verhaltensauffälligkeit“ geht, ist eine Unterscheidung von positiver und negativer Verhaltensauffälligkeit notwendig, die in dieser Auslegung jedoch nicht gegeben ist. Demnach gibt es durchaus Kinder und Jugendliche, welche in ihrem Verhalten „auffällig“ sind aber dennoch keine Schwierigkeiten mit sich selbst oder/und der Umwelt haben. In diesem Zusammenhang sind beispielsweise hochbegabte oder besonders talentierte Kinder und Jugendliche zu nennen. Weiterhin gibt es Problemstellungen mit resignativen, ängstlichen, gehemmten oder regressiven Erscheinungsformen, die eine Förderung benötigen, aber in ihrem Verhalten nicht auffällig sind. Im übrigen ist jeder Mensch ab und an in seinem Verhalten auffällig, wenn er übermüdet, überarbeitet, angetrunken, gestresst o.ä. ist. Daher ist der Begriff „Verhaltensauffälligkeit“ nicht aussagekräftig genug, die Probleme und Schwierigkeiten der Kinder und Jugendlichen zu kennzeichnen (vgl. Myschker 2002).
2.4 Verhaltensstörung
In den vergangenen Jahren wurden die unterschiedlichsten Titulierungen für Kinder und Jugendliche verwendet, die Schwierigkeiten mit sich (selbst) oder im Umgang mit der Umwelt haben bzw., die ihrer Umwelt Probleme bereiten. Es traten Begriffe auf wie z. B. entwicklungsgehemmt, entwicklungsgestört, erziehungsschwierig, fehlentwickelt, führungsresistent, gemeinschaftsschwierig, integrationsbehindert, neurotisch, psychopathisch, schwererziehbar, schwersterziehbar, verwahrlost, verwildert etc. Seit ca. 1960 hat sich die Bezeichnung Verhaltensstörung mehr und mehr durchgesetzt, da sie die Problematik relativ verständlich ausdrückt und außerdem interdisziplinär verwendet wird bzw. werden kann. Bereits 1950 wurde der Begriff international geprägt[2] als Sammelbegriff für alle
„Abwegigkeiten und Handlungen und Haltungen von den einfachsten ‚Ungezogenheiten’, dem Ungehorsam, dem Jähzorn, den Tics, den Ess- und Schlafstörungen bis zu den schwersten Formen der Verwahrlosung und Kriminalität“ (Wiesenhüter 1964, 138 zit. In Myschker 2002, 42).
Im Laufe der Zeit ist eine Eingrenzung dieser Auslegung nötig geworden. Es muss die Tatsache verdeutlicht werden, dass es sich hierbei nicht um ein gewolltes und willkürliches Verhalten handelt, um seinen Willen durchzusetzen. Denn die Betroffenen werden fast ununterbrochen, von unterschiedlichen Bedingungen in verschiedenen Situationen überreizt bzw. überströmt. Das bedeutet, wenn ein Kind temporär ungezogen, unartig, aufsässig, aufmüpfig, unartig ist, oder wie man diesen „Zustand“ auch beschreiben möchte (es gibt viele Bezeichnungen von „nicht duldbarem“ Verhalten), kann man nicht von einer Verhaltensstörung sprechen. In diesem Zusammenhang wird kurz auf den Begriff „Störung“ eingegangen. Von Störung, in bezug auf das Verhalten, kann ausgegangen werden, wenn die Gefahr einer Beeinträchtigung des individuellen und sozialen Lebens auf lange Sicht besteht und es voraussichtlich zur Nichterreichung von Mündigkeit, Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung kommen kann bzw. kommen könnte. Es besteht bei einer Störung allerdings auch die Möglichkeit die Störfaktoren zu eliminieren und damit die Beeinträchtigung aufzuheben (vgl. Myschker 2002). Im Alltag kommt es oft, vermutlich durch Unwissenheit oder Desinteresse, zur Stigmatisierung im Umgang mit dem Begriff Verhaltensstörung im Sinne von „asozial“, „minderwertig“ oder allgemein „charakterlich negativ“ oder „schlecht“. Des öfteren wird in einen Menschen verhaltensgestörtes oder –auffälliges Verhalten hineininterpretiert, ohne dass der Betroffene störendes bzw. auffälliges Verhalten zeigt, sondern dieses nur durch den Betrachter empfunden wird. In diesem Fall ist die Zuschreibung von Verhaltensauffälligkeit oder –störung eher subjektiv als objektiv abgeleitet (vgl. Ortner & Ortner 1997). Um eine geeignete Definition für Verhaltensstörung zu finden, muss weiterhin darauf verwiesen werden, dass sich der Mensch sein gesamtes Leben lang verhält, dass man also nicht von einem gestörten Verhalten reden kann, sondern von einer Abweichung von einer qualitativen oder quantitativen Norm. Daher wäre die Bezeichnung psychosoziale oder psychophysische Störung angemessener (vgl. Myschker 2002). Allgemein wird von vielen Autoren gestörtes Verhalten als eine Abweichung von einer bestimmten Norm bezeichnet. Das kann auf schulische, altersgemäße, soziale, statistische, funktionale oder die Idealnorm zutreffen. In diesem Zusammenhang stellt sich nun die Frage, nach welchen Richtlinien diese Normen auferlegt werden (vgl. Ortner & Ortner 1997). Die Beantwortung dieser Frage würde vermutlich den Inhalt eines Buches füllen. Ausgehend von genannten Kritikpunkten bzw. die erwähnten Betrachtungen berücksichtigend, kann man verschiedene Definitionen von Verhaltensstörungen nachlesen, die meines Erachtens, geeignet sind. Nach MYSCHKER (2002) wird Verhaltensstörung definiert als
„ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch – therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann“ (S.44).
Ein Mensch wird dann als verhaltensgestört bezeichnet[3], wenn er „auf Grund organischer, vor allem hirnorganischer Schädigungen oder eines negativen Erziehungsmilieus in seinem psychosozialen Verhalten gestört ist“ (zit. In Ortner & Ortner 1997, 4). Eine Verhaltensstörung wird von KLOEHN (1977) definiert als
„die äußerlich sichtbare Reaktion des Körpers (vegetative Symptome) oder des Verhaltens (motorische, affektive soziale Symptome) auf belastende, krankmachende Erziehungseinflüsse, Umweltsituationen oder auch auf Fehleinstellungen der Umwelt gegenüber versteckten Hirnschädigungen“ (zit. In Ortner & Ortner 1997, 3).
2.5 Verhaltensoriginalität
Die Beurteilung von bestimmtem Verhalten ist oft von subjektiven Einstellungen geprägt. Das heißt, „daß nicht in jedem Fall die verhaltensauffällige Person bestimmte Merkmale aufweist, sondern der Beobachter Verhalten als auffällig wahrnimmt“ (Barkey 1986 zit. In Ortner & Ortner 1997, 4). Die Definitionen Verhaltenauffälligkeit und –störung sind an bestimmten Normen orientiert, welche einer bestimmten Richtlinie folgen (vgl. Ortner & Ortner 1997), die nicht ganz deutlich nachzuvollziehen und einleuchtend ist. Außerdem ist der Gebrauch dieser Begriffe, vor allem in der Umgangssprache oft sehr negativ belastet, so dass ich mich, im Rahmen meiner Arbeit und darüber hinaus, für den Wortlaut „Verhaltensoriginalität“ entschieden habe. Der Blick für die positiven Eigenschaften von Kindern mit ADS / ADHS geht im Umgang mit betroffenen Kindern (aber auch in Helferberufen, die sich (nur) an den Störungen der Kinder orientieren) oft verloren (vgl. Skrodzki 2002). Man muss erkennen, dass die Kinder oftmals höchst aufgeschlossen, neugierig, wissbegierig, begeisterungsfähig, energiegeladen, witzig, kreativ, spontan, hilfsbereit und sehr sensibel sind. „Unter ADHS – Kindern finden sich ausgesprochene Last – Minute – Spezialisten, Macher mit Multitaskingbegabung und Improvisationskünstler“ (Rothenberger & Banaschewski 2004, 61). Diese Kinder zeigen einfach Fähigkeiten anderer Art und bringen mit ihrer Spontanität, Kreativität, Innovation und Begeisterungsfähigkeit, Leben in den grauen Alltag und halten originelle Problemlösungen bereit (vgl. Skrodzki 2002). Wir müssen unseren Blick für die positiven Seiten der Kinder erweitern und uns bewußt machen, dass nicht nur „wir“ unter ihrem oft negativ dargestelltem Verhalten „leiden“, sondern sie selbst auch. Es ist nicht abzustreiten, dass das Leben mit einem hyperaktiven Kind nicht immer einfach ist, aber die betroffenen Kinder haben ebenfalls auf ihre Art mit verachtenden Behandlungsweisen, wie Abneigung, Ausgrenzung und Missfallen zu kämpfen (vgl. Passolt 1997). Und „kann denn nicht auch die Möglichkeit bestehen, mit dem Kind und an den umfassenden Problemen zu reifen? Ist es nicht eine Chance, [...] bewußter zu leben, mehr Verständnis und Einfühlungsvermögen zu entwickeln?“ (Passolt 1997, 8). Die positiven Eigenschaften der Kinder sollten von Eltern, Pädagogen, Therapeuten, etc. unterstützt, verstärkt, hervorgehoben und auch erwähnt werden, „damit sie sich nicht immer nur angegriffen fühlen“ (Rothenberger & Banaschewski 2004, 61).
2.6 ADS / ADHS
In den letzten Jahren ist die Zahl der Beschwerden von Erziehern, Lehrern, Eltern und anderen Bezugsgruppen in Hinsicht auf ungehorsame, störende und verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche enorm in die Höhe gegangen. Die Kinder und Jugendlichen werden dann häufig auf ADS oder ADHS diagnostiziert. Die Ursachen hierfür will ich später näher erläutern. Zunächst wird auf die Begrifflichkeiten eingegangen, die in diesem Kontext verwendet werden. ADS ist die Abkürzung für Aufmerksamkeitsdefizit – Syndrom und wenn außerdem Hyperaktivität auftritt, was nicht zwingend der Fall ist, spricht man von einem Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitäts – Syndrom, kurz ADHS. Synonyme, die zur Beschreibung des gleichen Syndroms in Deutschland verwendet werden, sind zum Beispiel das Hyperkinetische Syndrom (HKS) oder Attention – Deficit – Hyperactivity – Disorder, also ADHD, welcher von der WHO als Begrifflichkeit festgelegt wurde. In den USA wird das Syndrom als Attention – Deficit – Disorder plus Hyperactivity (ADD + H) bezeichnet (vgl. Skrodzki, Mertens 2000).
In der vorliegenden Arbeit wird in den weiteren Passagen die Abkürzung ADS / ADHS für den beschriebenen Störungskomplex verwendet.
3 Psychomotorik
Die Psychomotorik wird auch als Erfahrungswissenschaft bezeichnet. Ziel ist nicht die Symptombeseitigung ist, sondern die Entwicklungsförderung gesunder und in ihrer Entwicklung beeinträchtigter Kinder. Dabei werden alle Persönlichkeitsbereiche betrachtet (vgl. Köckenberger/Hammer 2004).
3.1 Entwicklung der Psychomotorik
Die Ursprünge der Psychomotorik sind in Frankreich zu finden. Bereits 1909 erkannte der als „Vater der französischen Psychomotorik“ geltende Psychiater Dupré einen Zusammenhang zwischen motorischen Auffälligkeiten und geistigen Störungen (vgl. Naschwitz-Moritz 2000). Über Frankreich und Luxemburg ist der Begriff Psychomotorik dann Mitte des 20. Jahrhunderts nach Deutschland gelangt, wo er seit 50 Jahren in die Praxis umgesetzt wird und seit fast 25 Jahren fest etabliert ist (vgl. Mertens 2002). Dieser Umstand ist vor allem dem „Gründervater der Psychomotorik“ E.J. Kiphard zu verdanken, der als junger Sportstudent in einer Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Gütersloh entwicklungsverzögerte und auffällige Kinder beobachtete. Zusammen mit dem Kinderpsychiater Hünnekens entwickelte er die „psychomotorische Übungsbehandlung“, die sich an der Ganzheitlichkeit der Kinder orientiert. Kiphard erkannte, dass sich das psychische Befinden der Kinder in ihrem Bewegungsverhalten ausdrückt und umgekehrt, dass man durch „freie bzw. unmerklich gelenkte [...] “ (Kiphard 1998, 88) Bewegungsangebote auf die Psyche der Kinder einwirken kann. Aus dieser Arbeit entstand 1960 die erste Veröffentlichung von Hünnekens und Kiphard mit dem Titel „Bewegung heilt: Psychomotorische Übungsbehandlung bei entwicklungsrückständigen Kindern“ (Zimmer 1999, 15). Die Bewegungsangebote für Kinder wurden als psychomotorische Übungen bezeichnet, da man durch „Übungen im leiblichen Bereich, einen besonders guten und kindgemäßen Zugang zum Psychischen“ (Hecker 1960 zit. In Mertens 2002, 7) der Kinder gewinnt.
Es dauerte lange Zeit bis die Psychomotorik in der Bewegungserziehung in Kindergärten, Sonder- und Grundschulen auf Zustimmung stieß. Auf zwei Kongresse, 1973 in Luxemburg und 1975 in Berlin mit den Titeln „Motorik im Vorschulalter“ und „Kind in Bewegung“, folgten internationale Psychomotorik – Symposien in Lüttich, Brüssel, Amsterdam, Nizza, Florenz und Straßburg. Den Bemühungen vieler Autoren um die theoretische Fundierung des Fachgebietes ist der Umstand zu verdanken, dass die Psychomotorik in Deutschland an Anerkennung gewinnt, obwohl es immer noch kritische Bewertungen von anderen Fachgebieten in bezug auf den statistischen Nachweis der Effizienz gibt. Allerdings muss man anmerken, dass es in der jahrelangen Praxis versäumt wurde, diesen Nachweis in wissenschaftlichen Forschungsprojekten darzulegen. Dennoch hat die Psychomotorik in Deutschland einen hohen und stetig wachsenden Stellenwert, besonders in Zeiten von mangelnder Gesundheit und fehlender Aktivitäten der Kinder. Das ist auch den zahlreichen Veröffentlichungen Kiphards zu verdanken. Mittlerweile ist E.J. Kiphard Autor, Co-Autor und Herausgeber von 15 Fachbüchern und mehr als 190 Aufsätzen und Zeitschriftenartikeln für Eltern, Erzieher, Kindergärtnerinnen, Lehrer sowie dem wissenschaftlichen Diskurs. Weiterhin wirkte er bei 4 Dokumentar- und Lehrfilmen mit und half bei der Entwicklung und Konstruktion der Testverfahren Trampolin-Koordinationstest (TKT) und Körperkoordinationstest für Kinder (KTK) (vgl. Mertens 2002). In den letzten Jahren kamen Erkenntnisse aus der Neurophysiologie hinzu. Diese können die Basis für die Strukturierung von Lern- und Förderkonzepten bilden und eventuell dazu beitragen, die spezifischen Wirkungen der Psychomotorik zu belegen. So könnte die Psychomotorik auch bei den Krankenkassen mehr Anerkennung finden, um somit möglichst vielen Menschen helfen zu können (vgl. ebd.).
3.2 Ziele und Inhalte der Psychomotorik
Die Inhalte der Psychomotorik überschneiden sich mit denen der Medizin, also der Behebung von körperlich – muskulären Störungen, und der Psychotherapie, die sich mit dem Seelenleben, den Emotionen und den psychischen Befindlichkeiten des Menschen beschäftigt. Das bedeutet, dass die Grundlage der Psychomotorik in der wechselseitigen Beeinflussung von Bewegung, Wahrnehmung, Verhalten und Selbsterleben besteht. Es wird also eine ganzheitliche Förderung der gesamten Persönlichkeitsentwicklung durch das Medium Bewegung angestrebt (vgl. Zimmer 1999). Die Förderung der Eigentätigkeit des Kindes, die Anregungen des selbständigen Handelns und die Erweiterung der Handlungskompetenz und der Kommunikationsfähigkeit, vor allem durch das Handeln in einer Gruppe, sind die übergeordneten Ziele und Möglichkeiten, die durch die Psychomotorik angestrebt werden (vgl. ebd.). Die Umsetzung erfolgt durch den Aufbau einer intrinsischen Motivation, also aus eigenem Antrieb heraus aktiv und kreativ zu werden. Weiterhin durch den Abbau von Frustrationen, das Ablösen von Negativerlebnissen sowie der Hervorhebung der jeweiligen Stärken und der Erfahrung der Leistungssteigerung aus der Sicht des Kindes (vgl. Kiphard 1992 In Naschwitz-Moritz 2000).
Nach KIPHARD (1992) müssen 4 Persönlichkeitsbereiche einbezogen werden, um das Erreichen der genannten Ziele zu gewährleisten. Durch die Erweiterung des eigenen Erfahrungsbereiches werden sensomotorische Prozesse gefördert. Der affektive Bereich wird durch die Vermittlung von Selbstvertrauen, Erlebnisfreude und Motivation angesprochen. Auf die sozialen Fähigkeiten kann durch eine Verbesserung der Verhaltenssteuerung, der Kontaktaufnahme, der Kooperation, Interaktion und Kommunikation eingewirkt werden. Und schließlich fördert man kognitive Prozesse durch Erfahren von Handlungsintelligenz, Problemlösung und Kreativität (vgl. Naschwitz-Moritz 2000).
Zu den Inhalten der Psychomotorik zählen neben den Körper-, Selbst- und Materialerfahrungen auch Sozialerfahrungen in Form von erlebnisorientierten Bewegungsangeboten. Körper- und Selbsterfahrungen können durch die Wahrnehmung und das Erleben des eigenen Körpers, der Sinne und der Erfahrung des Körpers als Ausdrucksmöglichkeit gemacht werden. Die Auseinandersetzung mit räumlichen und dinglichen Konstellationen durch erkundendes und experimentelles Lernen über Bewegung ermöglicht eine Verbesserung der Materialerfahrung. Dadurch das die Kinder mit anderen über die Bewegung kommunizieren und mit- und gegeneinander spielen haben sie die Möglichkeit Erfahrungen auf dem Gebiet der Sozialerfahrung wird durch den Umstand eingegangen das die Kinder (vgl. Zimmer 1999).
Das Kind soll eine Zugehörigkeit zur Gruppe erfahren, sich als wichtigstes Mitglied der Gruppe sehen um so ein positives Selbstkonzept aufbauen zu können und dadurch eine Selbstwirksamkeit vermittelt bekommen (vgl. ebd.).
ZIMMER (1999) stellte fest, dass der heutige Ansatz der Psychomotorik nicht übungszentriert, sondern vielmehr erlebnisorientiert ist. Das Kind eignet sich die Welt, als eigenständiges, aktives und selbstbestimmtes Wesen, über die Bewegung an.
3.3 Institutionalisierung der Psychomotorik
Zunächst wurde eine interdisziplinäre Interessengemeinschaft gegründet, um das steigende Interesse an der Psychomotorik in der Fachwelt zu befriedigen. So wurde 1974 der „Arbeitskreis für spezielle Bewegungspädagogik und psychomotorische Therapie“ ins Leben gerufen. Zwei Jahre später, also 1976, entwickelte sich daraus der „Aktionskreis Psychomotorik e.V.“ Zu diesem Zweck und im Sinne der Förderung der kindlichen Psychomotorik schlossen sich Pädagogen, Psychologen, Ärzte und Therapeuten zusammen. Sie machten sich die Information, Beratung, Veranstaltung von Fortbildungen und die Entwicklung von Ausbildungsgängen zur Aufgabe. Dem Umstand der Nachfrage und des Wunsches der Lehrbarmachung der Psychomotorik verdankte die Motologie ihr Bestehen. Der Begriff der Psychomotorik wurde nach und nach durch den Wortgebrauch Motopädagogik und/oder Mototherapie ersetzt beziehungsweise ergänzt. Bereits 1977 entstand der erste Ausbildungsberuf in der Motopädagogik in Form einer einjährigen Ausbildung zum Motopädagogen. Der Studiengang Motologie existiert schließlich seit 1983 an der Universität Marburg. Die Einsatzbereiche der Psychomotorik finden sich in der Frühförderung, im Kindergarten und in der Grund- und Sonderschule, bis hin zur Arbeit mit Erwachsenen und alten Menschen in Form der Motogeragogik (vgl. Zimmer 1999).
3.4 Abgrenzung der Psychomotorik von Motopädagogik und Mototherapie
Es besteht eine Vielzahl von unterschiedlichen Begriffen und Erläuterungen im Kontext von Psychomotorik, Motopädagogik und Mototherapie. Um die Definitionen, deren Bezugssysteme und die Abgrenzung voneinander etwas deutlicher zu machen, wird im Folgenden näher auf die Begrifflichkeiten Psychomotorik, Motopädagogik und Mototherapie eingegangen.
Motopädagogik entstand aus der Professionalisierung der Psychomotorik heraus und schien zunächst den Begriff der Psychomotorik abzulösen. Heute werden beide Wortlaute gleichrangig aber nicht gleichbedeutend verwendet. Im Gegensatz zur Motopädagogik und zur Mototherapie ist der Begriff der Psychomotorik im Laufe der Zeit historisch gewachsen, international gebräuchlicher und inhaltlich klarer definiert worden. Man könnte sagen, die Motopädagogik und –therapie arbeiten im Sinne der Psychomotorik und sind Anwendungsbereiche der Motologie, die als „Lehre von der Motorik als Grundlage der Handlungs- und Kommunikationsfähigkeit der Menschen, ihrer Entwicklung, ihrer Störungen und deren Behandlung“ (Röthig u. a. 1992, 318) bezeichnet wird. Im Gegensatz zur Motopädagogik, die als „ganzheitliches Konzept der Erziehung durch Wahrnehmung, Erleben und Bewegen“ (Zimmer 1999, 19) charakterisiert wird, stellt die Mototherapie eine „bewegungsorientierte Methode zur Behandlung von Auffälligkeiten, Retardierungen und Störungen im psychomotorischen Verhaltens- und Leistungsbereich“ (Schilling 1986 zit. In Zimmer 1999, 19) dar. Zur näheren Erörterung werden die beiden Teilbereiche der Motologie eingehender betrachtet (vgl. Zimmer 1999). Die Motopädagogik wird zusammenfassend als ganzheitliches Konzept zur Unterstützung der kindlichen Entwicklung betrachtet, deren Förderansatz über die Bewegung als Medium der Erziehung auf die Persönlichkeitsbildung über motorische Lernprozesse abzielt. Dadurch soll das Kind befähigt werden, sich mit sich selbst, der dinglichen und personalen Umwelt auseinandersetzen zu können sowie imstande sein, eintretende Umweltanpassungen zu verändern bzw. an sich selbst anzupassen, wodurch die Handlungsfähigkeit und die Umweltbewältigung gefördert werden. Weiterhin zielt das Konzept der Motopädagogik auf den Erhalt bzw. den Erwerb von Ich-, Sach- und Sozialkompetenz ab (vgl. Naschwitz-Moritz 2000). Ihren Einsatz hat die Motopädagogik im Präventivbereich, also im Kindergarten-, Vorschul- und Grundschulalter und ebenso im schulischen und außerschulischen wie auch im sonder- und heilpädagogischen Bereich. Die Grundlage für mototherapeutische Maßnahmen ist motopädagogisches Handeln (vgl. ebd.).
Die Mototherapie, als ganzheitlich – psychomotorische Behandlungsmaßnahme in Form von bewegungsorientierten Angeboten, beschäftigt sich mit Auffälligkeiten und Störungen im psychomotorischen Leistungs- und Verhaltensbereich. Durch verschiedene Förderangebote bei einer verzögerten Bewegungsentwicklung, die sich an Beeinträchtigungen und Störungen im physischen und psychischen Bereich des Einzelnen orientieren, besteht eine Wechselbeziehung zwischen der Physio- und der Psychotherapie. Vornehmlich bei Vorschul- und Schulkindern mit minimalen zerebralen Funktionsstörungen im Bereich der Bewegung, der Wahrnehmung und des Verhaltens findet die Mototherapie ihre Anwendung. Es werden manifeste Zielstellungen, wie zum Beispiel, Sachbezogenheit und Funktionsbestimmtheit verfolgt. Außerdem wird Wert auf kindgemäßes, entwicklungsbezogenes, lernbezogenes, handlungs- und kommunikationsorientiertes Arbeiten gelegt (vgl. Naschwitz-Moritz 2000).
In bezug auf den Begriff Psychomotorik bestehen Missdeutungen. ZIMMER (1999) beschreibt 3 Sichtweisen, die im folgenden erläutert werden.
Auf der einen Seite stellt die Psychomotorik einen Begriff aus der Psychologie dar, genauer genommen wird sie der experimentellen psychologischen Wahrnehmungsforschung zugeordnet. Andererseits meint Psychomotorik die Einheit körperlich – motorischer und psychisch – geistiger Prozesse. Jeder Mensch wird demnach als eine psychomotorische Einheit betrachtet und die kindliche Entwicklung als psychomotorische Entwicklung. Die dritte Beschreibung von Psychomotorik ist die Angabe als pädagogisch – therapeutisches Konzept, die mit Hilfe der Bewegung versucht einen Menschen in seiner Gesamtentwicklung zu unterstützen (vgl. Zimmer 1999). In diesem Sinne wird psychomotorisch definiert als funktionelle Einheit von psychischen und motorischen Vorgängen, die eine enge Verknüpfung des Körperlich–motorischen mit dem Geistig–seelischen aufweisen. Mit psychomotorischer Förderung kann einerseits auf die Stabilisierung der Persönlichkeit durch Bewegungserlebnisse und andererseits auf die Behebung motorischer Schwächen und Störungen sowie auch auf die Auseinandersetzung mit sich und der Umwelt eingewirkt werden (vgl. ebd.).
3.5 Ansätze in der Psychomotorik
Sowie sich die Einsatzbereiche der Psychomotorik in den letzten Jahren erweitert haben, sind auch unterschiedliche konzeptionelle Ansätze entstanden. Alle Positionen in der Psychomotorik verfolgen das Ziel der ganzheitlichen Förderung von Kindern mit den verschiedensten Problemen, z. B. Entwicklungsdefizite oder Verhaltensprobleme. Dennoch unterscheiden sich die unterschiedlichen Richtungen der Psychomotorik in theoretischen oder praktischen Standpunkten (vgl. Zimmer 1999).
3.5.1 Die Psychomotorische Übungsbehandlung
Die Psychomotorische Übungsbehandlung (PMÜ) nach Kiphard steht in engem Zusammenhang mit den Anfängen der Psychomotorik in Deutschland und ist demnach schon einer der „älteren“ Ansätze. Dennoch prägte die PMÜ nach Kiphard die Psychomotorik und soll aus diesem Grund hier auch kurz erwähnt werden (vgl. Zimmer 1999). Die Psychomotorische Übungsbehandlung entstand aus dem Bewusstsein heraus, dass das Medium Bewegung eines der grundlegendsten und wichtigsten Maßnahmen zur Unterstützung der ganzheitlichen Persönlichkeitsentwicklung von Kindern ist. Die PMÜ orientiert sich nicht an Defiziten, Symptomen oder Störungen, sondern betrachtet das Kind in seiner Gesamtheit mit all seinen Persönlichkeitsmerkmalen (Stärken + Schwächen) und deren Wechselwirkungen. Mit verbesserten motorischen Fähigkeiten wurden positive Veränderungen hinsichtlich des Selbstbewusstseins deutlich, wodurch die Kinder in der Lage waren, ihre Handlungskompetenzen besser einzusetzen und sich daraufhin auch eine steigende soziale Kompetenz auszeichnete (vgl. Kiphard 2004).
3.5.2 Der lern- und kompetenztheoretische Ansatz
SCHILLING (1997) erkannte durch empirische Untersuchungen, dass Kinder mit verschiedenen Störungsbildern Probleme mit der Anpassung an die Umwelt in ihren Wahrnehmungen und Bewegungen haben (vgl. Seewald 1997). Auf diesem Grundgedanken basiert der Ansatz von Schilling. Er fand heraus, dass man die motorische Lernfähigkeit der Kinder „nicht nur quantitativ, sondern strukturell qualitativ“ (Seewald 1997, 5) verbessern muss, um ihnen zu helfen. Damit prägte er auch das entsprechende Motopädagogik-Konzept. Er formulierte, die Anforderungen an die Kinder so zu stellen, dass sie von selbst angeregt werden, um sich über die Wahrnehmung und Bewegung mit der Umwelt auseinanderzusetzen und sich dieser anzupassen. Schilling erkannte damit den engen Zusammenhang von Bewegung und Handlungsfähigkeit und trug damit ein Stück zur wissenschaftlichen Fundierung der Psychomotorik bei (vgl. Seewald 1997).
3.5.3 Der Ansatz der Sensorischen Integrationsbehandlung
Die Sensorische Integrationsbehandlung (SIB) nach J. Ayres hat ihren Ursprung eigentlich im medizinisch – naturwissenschaftlichen Bereich, wird dennoch als Bereicherung für die Psychomotorik angesehen und gewinnt dort zunehmend an Bedeutung (vgl. Seewald 1997). Bei der SIB spielt der Zusammenhang von motorischen und sensorischen Systemen, hinsichtlich der Herkunft und der Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten, eine bedeutende Rolle (vgl. Zimmer 1999). J. Ayres vertritt mit ihrem Ansatz die These, dass Verhaltensauffälligkeiten und andere Störungen, die mit der Beeinträchtigung der Entwicklung einhergehen, als Folge „einer unzulänglichen und unregelmäßigen Verarbeitung von Sinneseindrücken im Gehirn“ (Ayres 1984, 83) anzusehen sind. Ihr Hauptaugenmerk liegt damit in der Funktionsweise des Zentralnervensystems und der Bedeutung der Wahrnehmung über die Sinne bei der Auseinandersetzung mit der Umwelt. „Die sensorische Integration als Funktionsprinzip des Gehirns ist der Prozeß des Ordnens, Sortierens und Verarbeitens sinnlicher Eindrücke, damit das Verhalten eines Menschen sinnvoll für ihn bedeutsam werden kann.“ (Kesper & Hottinger 1992, 42) Einige Autoren sehen aber auch Hindernisse in der sensorischen Integrationsbehandlung. Nach SEEWALD (1997) wird zu wenig auf die Wünsche, Ängste und Hoffnungen eingegangen und ZIMMER (1999) bemängelt, dass die familiären und sozio – kulturellen Gegebenheiten und Erfahrungen bzw. Erlebnisse des Kindes nicht genügend Beachtung finden. Dennoch ist festzuhalten, dass Kinder mit Störungen der Wahrnehmung auch Bestandteil der psychomotorischen Förderung sind und somit auch die sensorische Integrationsbehandlung in der Psychomotorik ihre Anwendung findet (vgl. Zimmer 1999).
3.5.4 Der systemisch–konstruktivistische Ansatz
Grundlage dieses Ansatzes, der erst seit kurzer Zeit in der Psychomotorik eine Rolle spielt, ist einerseits die Systemtheorie und andererseits der Konstruktivismus (vgl. Balgo 1999 In Zimmer 1999). Ausgangspunkt dieses Ansatzes ist die Theorie, dass es die Wirklichkeit an sich nicht gibt. Jeder Mensch schafft sich seine Wirklichkeit, was mit dem Begriff „Konstruktivismus“ ausgesagt werden soll. Demnach dienen „Differenzen wie krank / gesund, gestört / normal in erster Linie dem Funktionieren von Systemen“ (Seewald 1997, 7). Bewegungs- oder Wahrnehmungsstörungen sind also keine reellen Störungen, sondern vom Beobachter, durch den Vergleich mit anderen Menschen bzw. mit Normen getroffene Unterscheidungen, die für sein System einen Sinn ergeben, um Informationen zu verarbeiten und die Welt zu begreifen (vgl. Seewald 1997). Fachleute, wie z. B. Motopäden oder Motologen werden in diesem Zusammenhang als sog. „Professionell Störungssensible“ (Klaes & Walthes 1995 zit. In Zimmer 1999, 48) bezeichnet, die Störungen hervorrufen, indem sie diese Störungen diagnostizieren. Ausgehend von diesem Ansatz ist eine Therapie dann sinnvoll, wenn sich das Kind als gestört ansieht und diese Störung von sich aus beheben will (vgl. Klaes & Walthes 1995 In Zimmer 1999). Nach BALGO (1998) ergeben sich folgende Konsequenzen für die praktische Umsetzung in der Gestaltung der psychomotorischen Praxis:
„Eine sich an systemisch-konstruktivistischen Haltungen orientierende psychomotorische Praxis versteht sich als bewegungsdialogischer, kommunikativer Prozeß zwischen autonomen, voneinander unabhängigen, gleichberechtigten Menschen (Kind/Helfer). Hierbei stellt der Therapeut seine Erfahrungen, sein Können und sein Wissen zur Verfügung, um in einer partnerschaftlichen, dialogischen Ko-operation das Kind beim Auffinden und Ausprobieren von Alternativen zu unterstützen“ (zit. In Zimmer 1999, 48).
[...]
[1] Diese Definition von Motologie ist in der Grundlagenkommission von 1977–1979 des Aktionskreises Psychomotorik e.V. festgelegt.
[2] Auf dem 1. Weltkongress für Psychiatrie in Paris 1950
[3] Definition des Deutschen Bildungsrates
- Arbeit zitieren
- Bachelor Melanie Könnecke (Autor:in), 2005, ADS und ADHS. Möglichkeiten der Psychomotorik im Umgang mit verhaltensoriginellen Kindern., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66387
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