Aus eigenem Erleben und mit Hilfe der deutschen Wehrmachtberichte sowie der Regimentsberichte der 104. US-Infanteriedivision berichtet der Verfasser über die letzten Phasen des Zweiten Weltkriegs von November 1943 an. Die Musterung des Volkssturms, Bombenabwürfe in der Brehnaer Umgebung, die Einschränkung des Schulunterrichts, ein Zwischenfall mit SS-Männern, die Verkündung des Panzeralarms, der Bau von Panzergräben, die kampflose Besetzung Brehnas, der Kampf um Bitterfeld und um Gebiete in der Umgebung, der Abzug der Amerikaner am 1. Juli, die Besetzung durch sowjetische Truppen und die Wiedereröffnung der Schule am 1. Oktober 1945 werden dargestellt. Am Ende ist ein Quellenverzeichnis angefügt. Die Arbeit wurde bereits in den Bitterfelder Heimatblättern Heft XXVI/2005 veröffentlicht.
Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Brehna und dem westlichen Kreis Bitterfeld
Von Armin Feldmann
Es war unausbleiblich, dass auch Brehna Spuren des Krieges tragen würde. Da sich dieser Krieg fast bis Ende 1944 außerhalb der deutschen Grenzen abgespielt hatte, gab es keine Zerstörungen infolge von Kampfhandlungen, wie sie inzwischen zahlreiche europäische Länder erlitten hatten. Aber Kriegstote an den Fronten waren zu beklagen. Auf dem Friedhof wurde im November 1943 ein Ehrenhain für 62 Gefallene aus Brehna eingeweiht.
Wenige Tage später wurde Brehna von den Luftangriffen erstmals berührt. In der Nacht vom 3. zum 4. Dezember fielen hinter der Gartenstadt am Tornaer Weg Brandbomben; sie richteten keinen Schaden an.
Im Mai 1944 wurden die größeren Schuljungen unter Aufsicht eines Lehrers an der Straße nach Glebitzsch zur Arbeit an „Behelfsheimen“ eingesetzt. Es entstanden primitive Lehmbauten für Ausgebombte aus deutschen Städten. Gegen Ende des Schuljahres durften wegen der Bombengefahr niemals mehr als 300 Kinder in der Schule anwesend sein, weshalb auch Nachmittagsunterricht erteilt wurde.
Am 29. Oktober 1944 erfolgte die Musterung des Brehnaer Volkssturms, alle vier männlichen Lehrkräfte wurden dem I. Aufgebot zugeordnet. Zwei Tage später wurde die ländliche Fortbildungsschule Roitzsch in das Brehnaer Schulgebäude verlegt, da das Gebäude in Roitzsch als Krankenhaus (sicher Lazarett) genutzt wurde. Am 12. November wurde der Volkssturm in zwei Kompanien vereidigt, Kompanieführer der 4. Kompanie wurde Lehrer Hartmann, der 7. Kompanie Rektor Brosowsky.
Am 12. Dezember fielen erneut Bomben. Einige größere Sprengbomben gingen bei Torna nieder, zum Glück war der einzige Schaden ein zerstörter Geräteschuppen.
Im Januar 1945 wurde die Brehnaer Schule teilweise als Lazarett mit Beschlag belegt, für den Unterricht standen nur noch drei Klassenräume zur Verfügung. Ein Raum wurde im Gasthof „Zum Pelikan“ genutzt, insgesamt wurden 12 Klassen in 4 Räumen von 8 bis 18 Uhr unterrichtet. Täglich meldeten sich Kinder an, deren Familien aus Gebieten im Osten Deutschlands ausgesiedelt worden waren, „Flüchtlinge“. Ein weiterer Klassenraum musste abgegeben werden, wofür ein Raum im „Schützenhaus“ zur Verfügung gestellt wurde. Schließlich mussten am 20. Februar zwei Räume an der Nordseite der Schule für „Schwarzmeerdeutsche“ freigemacht und hergerichtet werden. Weitere Flüchtlinge mit Pferd und Wagen zogen mit ihren Trecks aus Richtung Delitzsch und weiter in Richtung Halle fast täglich durch den Ort, übernachteten teilweise hier und empfingen Verpflegung. In der Schmiedewerkstatt meines Vaters haben wir nie zuvor und nie danach so viele Reifen auf Ackerwagenräder, aber auch auf Räder von Handwagen neu aufgezogen.
An der Autobahnbrücke Richtung Halle wurde von Tieffliegern ein LKW in Brand geschossen (25.2.). In der Nacht vom 7. zum 8. März 1945 konnte man in Brehna während des Bombenangriffs auf Dessau heftige Erschütterungen wahrnehmen. Inzwischen musste der Volkssturm die Autobahnbrücken bewachen und tagelang eine Fahndung nach Deserteuren durchführen. Am 17. März fielen zur Tageszeit zwischen der Autobahn und Carlsfeld 50 Sprengbomben und etwa 1 000 Brandbomben. Sollten sie das mit dem roten Kreuz auf seinen Dächern gekennzeichnete Lazarett treffen, oder waren sie auf Brehna gezielt? Außer den Bombentrichtern im Ackerboden richteten sie keinen Schaden an. Der Ortsgruppenleiter der NSDAP verpflichtete Brehnaer Frauen, täglich vier Stunden lang die Löcher zuzuschippen. Bei Nichtbefolgung sollte es keine Lebensmittelkarten geben.
In den Schulklassen reichten inzwischen die Sitzplätze nicht mehr aus, aber weitere Bänke konnten nicht aufgestellt werden. Am Sonntag, dem 15. April, wurde Panzeralarm ausgelöst, worauf die Bewohner an zwei Häusern in der Winkelgasse Nr. 1 (steht nicht mehr) und gegenüber Nr. 17 weiße Fahnen hissten. Da fuhren zwei SS-Männer mit einem Pferdewagen vom Markt durch die Bahnhofstraße. Vorn an der Kurve hielten sie an, sprangen mit Maschinenpistolen herunter, liefen auf die dort stehenden Menschen zu, unter denen sich auch zwölfjährige und noch jüngere Kinder befanden, beschimpften diese, entsicherten ihre MPs. Einer hatte eine Eierhandgranate in der Hand. Bei der Winkelgasse 1 wurde die weiße Fahne heruntergerissen, gegenüber war sie zu hoch, aber ein Bewohner ging in das Haus und holte die Fahne ein. Damit zogen sich die SS-Männer zu ihrem Fuhrwerk zurück und fuhren in Richtung Delitzsch weiter. Glück gehabt!
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- Dipl.-Lehrer Armin Feldmann (Autor), 2005, Das Ende des Zweiten Weltkriegs in Brehna und dem westlichen Kreis Bitterfeld, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66363