Jeder Mensch ist im Alltag Konflikten ausgesetzt, die er durch eine klare Entscheidung oder durch Zufall lösen kann. Bei einem normalen Konflikt geht es also darum, eine Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten zu treffen. Ist ein Neurotiker in einen Konflikt verwickelt, hat er jedoch keine freie Wahl. Eine Entscheidung im herkömmlichen Sinne ist für ihn nicht möglich. Seine Situation scheint dem Neurotiker aussichtslos. Aufgrund solcher inneren ungelösten Konflikte entstehen seine Neurosen als Störungen des seelischen Gleichgewichts. Diese äußern sich in Angstzuständen, Depressionen, Teilnahmslosigkeit oder völliger Absonderung. Die destruktiven und konstruktiven Kräfte eines Neurotikers stehen dabei in einem Spannungsverhältnis. Seine Wünsche streben in Form von zwingenden, gleich starken Kräften in entgegengesetzte Richtungen. Er spürt z.B. Begehren und Furcht zugleich und wird somit innerlich gespalten.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist eine Neurose?
2. Die Aktualneurosen
3. Die Abwehrneurosen
3.1 Hysterie
3.2 Phobie
3.3 Zwangsneurose
4. Die Neurosen des Kindes
5. Fallbeispiele
5.1 Waschzwang
5.2 Entscheidungsschwierigkeiten
Literaturverzeichnis
1. Was ist eine Neurose?
Jeder Mensch ist im Alltag Konflikten ausgesetzt, die er durch eine klare Entscheidung oder durch Zufall lösen kann. Bei einem normalen Konflikt geht es also darum, eine Wahl zwischen mehreren Möglichkeiten zu treffen. Ist ein Neurotiker in einen Konflikt verwickelt, hat er jedoch keine freie Wahl. Eine Entscheidung im herkömmlichen Sinne ist für ihn nicht möglich. Seine Situation scheint dem Neurotiker aussichtslos. Aufgrund solcher inneren ungelösten Konflikte entstehen seine Neurosen als Störungen des seelischen Gleichgewichts. Diese äußern sich in Angstzuständen, Depressionen, Teilnahmslosigkeit oder völliger Absonderung[1]. Die destruktiven und konstruktiven Kräfte eines Neurotikers stehen dabei in einem Spannungsverhältnis. Seine Wünsche streben in Form von zwingenden, gleich starken Kräften in entgegengesetzte Richtungen. Er spürt z.B. Begehren und Furcht zugleich und wird somit innerlich gespalten. Eine sinnvolle Therapie wäre, den Patienten dazuzubringen, beide Tendenzen zu akzeptieren und auszuleben, da eine einseitige Tendenz sogar Gefahren birgt. Eine neurotische Spaltung kann in Einzelfällen auch mit „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ verglichen werden[2]. Oft verleugnet ein Neurotiker seine Konflikte und Ängste. Er konstruiert einen Schutzwall aus Lügen um sich herum, der oft sehr zerbrechlich ist, was meist nur neue Ängste zur Folge hat, da der Neurotiker befürchtet, der Schutzwall könnte plötzlich in sich zusammenbrechen[3].
Neurosenentstehungen werden nicht nur, wie früher angenommen, durch sexuellen Missbrauch in der Kindheit, sondern auch durch verwöhnende oder einengende Erziehung gefördert. Durch genannte Umstände kann die Selbstentfaltung gestört werden. Unter Umständen ist ein Neurotiker Zeit seines Lebens auf der Suche nach Kompensation, um sich eines Tages innerlich wieder frei und unbeschwert zu fühlen[4].
Jeder gute Arzt sollte sich instinktiv so gut wie möglich mit den Klagen seines Patienten auseinandersetzen – seien die Beschwerden physisch belegbar oder psychisch bedingt. Die Neurose ist eine dieser Beschwerden, die physische Ausmaße hat aber psychisch bedingt ist. „Neurose“ ist ein Sammelbegriff für viele psychische Störungen. Diese haben unterschiedliche Erscheinungsformen und auch die Ursachen sind sehr weitläufig. Eine Neurose ist eine länger anhaltende psychische Störung des Verhaltens und der Einstellungen des Betroffenen. Ausgelöst wird die Neurose durch bestimmte Erlebnisse oder Konflikte. Der Neurotiker kann sein neurotisches Verhalten nicht kontrollieren ist sich dessen aber bewusst.
Ein geschichtlicher Überblick weist im 19. Jahrhundert ein negatives Verständnis der Neurose auf. Nach Charcot wird die Neurose beschrieben als „ein Krankheitszustand, der sich augenscheinlich im Nervensystem abspielt und an der Leiche keine feststellbaren Spuren hinterlässt“[5]. Dies bedeutet, dass die Neurose als eine Krankheit ohne Auffindbarkeit von physischen Schädigungen angesehen wurde. Krankheiten, die darum auch zu den Neurosen gezählt wurden, sind Taubheit, Tetanus, Doppeltsehen, Blindheit, Erbrechen, Heimweh, Wasserscheue u.s.w.. Nach 1894 zählte man auch die Parkinsonsche und die Basedowsche Krankheit dazu[6]. Mit der Entwicklung der Medizin und der medizinischen Psychologie änderte sich auch das Verständnis der Neurosen. So verließen die Neurosen den somatischen (physisch kranken) Bereich, und Definitionen wurden psychologisch umfassender. So zählten jetzt auch Symptome wie Zwangsvorstellungen, Phobien, Hysterien und Charakteränderungen zu den Neurosen, während somatische Krankheiten wie Parkinson nicht mehr dazuzählten[7].
Um sich weiter mit der Neurose befassen zu können, ist eine Abgrenzung wichtig. So ist eine Neurose nicht gleich einer Psychose oder Dementia. Die Symptome der Neurosen sind nicht wie bei der Psychose vom Ich integriert, sondern der Neurotiker weiß, dass die Symptome krankhaft sind. Er ist sich des Problems bewusst. Der Neurotiker behält darüber hinaus Kontakt mit der persönlichen und objektiven Wirklichkeit und ist so in der Lage, Selbstkritik zu üben. Der Psychotiker dagegen ist nicht in der Lage, die Realität wahrzunehmen. Er ist sich seines Problems nicht bewusst. Eine Abgrenzung der Neurose zur Dementia ist wesentlich einfacher. Beim dementen Patienten ist ein Zerfall von intellektuellen und affektiven Funktionen festzustellen. Dies ist beim Neurotiker nicht der Fall. Die somatischen Symptome sind psychisch bedingt[8]. Die Neurose kann als eine „Störung der symbolischen Funktionen“[9] betrachtet werden. In diesem Fall ist die Neurose eine Anpassungsschwierigkeit an die aktuellen Lebensumstände. Die aktuellen Lebensumstände sind ständig im Wandel (sei es Kleidung, Schule, soziales Umfeld, Sexualität u.v.m.). Jeder Mensch ist dem individuellen Wandel seines Lebens, aber auch den sich ändernden Normen der Gesellschaft unterlegen. Das Individuum muss sich also ständig neu anpassen und mit der Zeit verändern. Eine Störung dieser Anpassung tritt besonders in der Pubertät häufig auf, da dies die Phase der Selbstfindung und des Erwachsenwerdens ist. So sind Neurosen, die mit der Pubertät anfangen, besonders häufig und können auf eben diese Anpassungsschwierigkeiten zurückzuführen sein.
Die Grundlagen für Neurosen hingegen werden häufig schon viel früher gelegt. Besonders die frühkindliche Erziehung und Entwicklung hat Einfluss auf das Unterbewusstsein. Härte, Verwahrlosung und Verwöhnung können gleichermaßen ein Kind verstören[10].
2. Die Aktualneurosen
Sigmund Freud (1856-1939) hat in seiner Lehre der Psychoanalyse zwei Neurosengruppen, die Aktualneurosen und die Abwehrneurosen auch Psychoneurosen genannt, unterschieden. Zunächst nahm er an, dass Aktualneurosen keine psychischen Ursachen sondern Störungen im Sexualleben in Verbindung mit organischen oder toxischen Schädigungen zu Grunde liegen (mechanische Libidostauung). Diese Theorie wird heute als falsch angesehen. Es wird vielmehr das organische und psychische Zusammenwirken betrachtet. Wenn der Neurose keine kindlichen Triebstörungen zugrunde liegen und sie infolge einer belastenden Umweltsituation im Erwachsenenleben entsteht, spricht man heute von einer Aktualneurose[11].
Es gilt folgender Merksatz: „Je ausgeglichener die Triebentwicklung und Entfaltung des Selbst in der Kindheit ist, um so belastender muss die Umweltsituation sein, damit es im Erwachsenenalter noch zu einer Aktualneurose kommt“[12]. Der Begriff Aktualneurose ist heute allerdings weniger gebräuchlich, es wird eher von Angstneurosen gesprochen. Bei angstneurotischen Anfällen handelt es sich um diffuse Ängste, die sich im Gegensatz zu Phobien weniger auf konkrete Situationen oder Objekte beziehen[13]. Außenstehende bewerten diese Ängste eher als irrational. Die Ängste haben somatische Begleitsymptome, wie erhöhten Blutdruck, Schweißausbrüche, Herzrasen, Schwindel, Kurzatmigkeit oder sogar Atemnot, Übelkeit und Beklemmungsgefühle in der Brust. Den Betroffenen befällt eine nervöse Unruhe, er erleidet Sprachstörungen und sogar motorische Verkrampfungen[14].
[...]
[1] vgl. Horney, S. 28
[2] vgl. Horney, S. 31ff.
[3] vgl. Horney, S. 124
[4] vgl. Battegay, S. 201
[5] vgl. Dongier, S. 11
[6] vgl. Dongier, S. 11
[7] vgl. Dongier, S. 12
[8] vgl. Dongier, S. 13 f.
[9] vgl. Dongier, S. 15
[10] vgl. Dongier, S. 15 f.
[11] vgl. Battegay, S. 206 ff.
[12] vgl. Battegay, S. 208
[13] vgl. Mentzos, S. 172 f.
[14] vgl. Kleiter, S. 26
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