Einleitung
"Wir sind das Volk!"(1) riefen hunderttausende von Demonstranten auf den Straßen der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) 1989. Dieser schlichte Satz faßte unterschiedliche Interessen zu einem gemeinsamen Aufbegehren zusammen und ist in die Weltgeschichte eingegangen. Er steht stellvertretend für die Ereignisse in der DDR 1989, die den zentralen Punkt meiner Zwischenprüfungsarbeit
darstellen. Es soll jedoch nicht der zeitgeschichtliche Ablauf
vom Zerfall des sozialistischen Systems oder der Formierung einer politisch organisierten Opposition im Jahre 1989 beschrieben werden.(2) Im Vordergrund stehen vielmehr die Bürger der DDR, die sich 1989 spontan und unorganisiert zu einer Bewegung formiert haben und durch ihre Forderungen entscheidend zum Sturz des sozialistischen Systems beigetragen haben. Die Fragestellung
meiner Arbeit lautet somit, ob die vom Volk ausgehende Bürgerbewegung in der DDR eine soziale Bewegung war. Zur Beantwortung soll die Bürgerbewegung in der DDR anhand bestimmter Merkmale einer sozialen Bewegung untersucht werden.
Einig war sich ‚das Volk‘ in der Ablehnung der alten Verhältnisse, in denen eine Führung ihren Herrschaftsanspruch mit gefälschten Wahlen sicherte und behauptete, ganz im Sinne des Volkes zu handeln. Mit den Forderungen nach Reformen und mehr Demokratie verlangte ‚das Volk‘, endlich selbst entscheiden zu können. Es ging dabei nicht mehr nur um den Wechsel von Figuren an der Spitze des Staates, sondern um eine grundlegende Neugestaltung der politischen
Verhältnisse. Ohne den Mut des Einzelnen, öffentlich und mit großem
persönlichen Risiko für Veränderungen einzutreten, hätten sich die Bürger der DDR wahrscheinlich nie zu einer Bewegung formiert, um sich der Herrschaft einer Diktatur zu entledigen.
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1 Die Herkunft dieser Losung ist unklar. Gerufen wurde sie erstmals auf der Leipziger Montagsdemonstration
am 2. Oktober 1989. Vgl.: Bernd Lindner: Die demokratische Revolution in der DDR 1989/90, Bonn 1998 (Bundeszentrale für politische Bildung), S. 79.
2 Diese zeitgeschichtlich orientierte Vorgehensweise wird in der Literatur zu diesem Themenkreis überwiegend angewandt.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Merkmale einer sozialen Bewegung
- Die Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990
- Unzufriedenheit
- Mobilisierung
- Massenflucht
- Massendemonstrationen
- Evangelische Kirche
- Oppositionsgruppen
- Kollektiver Akteur
- Ziele
- Schlußbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht, ob die Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990 als soziale Bewegung im soziologischen Sinne klassifiziert werden kann. Die Analyse konzentriert sich auf die Spontanität und Unorganisiertheit der Bewegung, ihre Ursachen, Ziele und die Rolle verschiedener Akteure bei der Mobilisierung.
- Definition und Merkmale sozialer Bewegungen
- Analyse der Unzufriedenheit in der DDR vor 1989
- Untersuchung der Mobilisierungsstrategien der Bürgerbewegung
- Rolle der Evangelischen Kirche und Oppositionsgruppen
- Die Ziele und das kollektive Handeln der Bürgerbewegung
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung führt in das Thema der Bürgerbewegung in der DDR 1989 ein und stellt die zentrale Forschungsfrage: War die Bürgerbewegung eine soziale Bewegung? Sie beschreibt den Kontext des Aufbegehrens, unterstreicht die Spontanität und Unorganisiertheit der Bewegung und skizziert den methodischen Ansatz der Arbeit, der auf der Analyse bestimmter Merkmale sozialer Bewegungen basiert. Die Einleitung umreißt den weiteren Aufbau der Arbeit und benennt die zu behandelnden Unterfragen, die sich mit den Ursachen, Zielen und der Mobilisierung der Bewegung befassen.
Merkmale einer sozialen Bewegung: Dieses Kapitel definiert den Begriff der sozialen Bewegung und beleuchtet dessen Entwicklung im Laufe der Zeit. Es werden verschiedene Beschreibungen und Merkmale sozialer Bewegungen vorgestellt, unter anderem das Konzept des „kollektiven Akteurs“, die Rolle der Unzufriedenheit als Auslöser und die Bedeutung der Mobilisierung für den Erfolg einer solchen Bewegung. Der Fokus liegt auf der Notwendigkeit, potentielle Teilnehmer durch gemeinsame Werte und die Aussicht auf Erfolg zu gewinnen, um die Risiken der Beteiligung zu kompensieren und Kontinuität zu gewährleisten. Das Kapitel betont die Entwicklung eines „Wir-Gefühls“ als wichtigen Faktor für die Stabilität und Dauerhaftigkeit der Bewegung.
Die Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990: Dieses Kapitel analysiert die Bürgerbewegung in der DDR im Lichte der zuvor definierten Merkmale einer sozialen Bewegung. Es untersucht die verschiedenen Aspekte der Bewegung, beginnend mit der weitverbreiteten Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Anschließend wird die Mobilisierung der Bürger detailliert betrachtet, inklusive Massenflucht, Massendemonstrationen, die Rolle der evangelischen Kirche und verschiedener Oppositionsgruppen. Der Aspekt des „kollektiven Akteurs“ wird ebenso beleuchtet, ebenso wie die zentralen Ziele der Bewegung, die über einen einfachen Machtwechsel hinausgingen und eine grundlegende politische Neugestaltung anstrebten. Das Kapitel integriert die Erkenntnisse aus den Unterkapiteln zu einem zusammenhängenden Bild der Bürgerbewegung.
Schlüsselwörter
Bürgerbewegung, DDR, 1989, soziale Bewegung, Mobilisierung, Unzufriedenheit, Kollektiver Akteur, Evangelische Kirche, Oppositionsgruppen, Massenflucht, Massendemonstrationen, Demokratie, deutsche Vereinigung.
Häufig gestellte Fragen zur Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die Bürgerbewegung in der DDR im Jahr 1989/1990 und analysiert, ob sie den soziologischen Kriterien einer sozialen Bewegung entspricht. Der Fokus liegt auf der Spontanität und Unorganisiertheit der Bewegung, ihren Ursachen, Zielen und der Rolle verschiedener Akteure bei der Mobilisierung.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Definition und Merkmale sozialer Bewegungen, analysiert die Unzufriedenheit in der DDR vor 1989, untersucht die Mobilisierungsstrategien der Bürgerbewegung, beleuchtet die Rolle der Evangelischen Kirche und Oppositionsgruppen sowie die Ziele und das kollektive Handeln der Bürgerbewegung.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die die Forschungsfrage und den methodischen Ansatz beschreibt. Es folgt ein Kapitel zur Definition und den Merkmalen sozialer Bewegungen. Das Hauptkapitel analysiert die Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990 anhand der zuvor definierten Merkmale. Die Arbeit schließt mit einer Schlussbemerkung.
Welche Merkmale sozialer Bewegungen werden untersucht?
Die Arbeit untersucht Merkmale wie die Unzufriedenheit als Auslöser, die Bedeutung der Mobilisierung, die Rolle eines „kollektiven Akteurs“, die Notwendigkeit, potentielle Teilnehmer durch gemeinsame Werte und Erfolgsaussichten zu gewinnen, und die Entwicklung eines „Wir-Gefühls“.
Welche Aspekte der Mobilisierung werden betrachtet?
Die Analyse der Mobilisierung umfasst Massenflucht, Massendemonstrationen, die Rolle der Evangelischen Kirche und verschiedener Oppositionsgruppen.
Welche Rolle spielten die Evangelische Kirche und Oppositionsgruppen?
Die Arbeit untersucht den Beitrag der Evangelischen Kirche und verschiedener Oppositionsgruppen zur Mobilisierung der Bürgerbewegung.
Welche Ziele verfolgte die Bürgerbewegung?
Die Ziele der Bürgerbewegung reichten über einen einfachen Machtwechsel hinaus und umfassten eine grundlegende politische Neugestaltung.
Welche Schlüsselwörter beschreiben die Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Bürgerbewegung, DDR, 1989, soziale Bewegung, Mobilisierung, Unzufriedenheit, Kollektiver Akteur, Evangelische Kirche, Oppositionsgruppen, Massenflucht, Massendemonstrationen, Demokratie, deutsche Vereinigung.
Wie wird die Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990 klassifiziert?
Die Arbeit untersucht, ob die Bürgerbewegung in der DDR 1989/1990 als soziale Bewegung im soziologischen Sinne klassifiziert werden kann. Die Schlussfolgerung ergibt sich aus der Analyse der im Text beschriebenen Merkmale und der jeweiligen Kapitel.
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- Andrea Becker (Author), 1999, Wir sind das Volk, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/660