Bilingualismus und Frankophonie klingt zuerst sehr paradox da es in Frankreich eigentlich nur eine offizielle Sprache gibt. Dies ist aber nur eine Halb-Wahrheit. Denn in Frankreich existieren noch sehr viele Dialekte, die fester Bestandteil der französischen Sprachlandschaft sind. Daher wirft diese Hauptseminararbeit im theoretischen Teil einen Blick auf Begriffe wie z.B. Bilingualismus, Trilingualimus, Diglossie und Triglossie. Anschließend wird auf die Geschichte des Elsass und seinen Dialekt eingegangen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die verschiedenen Aspekte des Bilingualismus
1.1. Was ist Bilingualismus?
1.2. „... on n’est pas bilingue tout seul.“
1.3. Varianten des Bilingualismus
1.4. Bilingualismus und Trilingualismus
1.5. Diglossie und Triglossie
2. Das Elsass
2.1. Geographische Lage
2.2. Die Geschichte der Region und ihrer Sprachen
2.3. Der Ursprung des Dialektes und seine Varianten
2.4. Sprachkarte des Elsass
2.5. Die Situation des Elsässerditsch
3. Zukunftsaussichten - Förderung trotz Dialektschwund
3.1. Die Entwicklung der Sprachen im Elsass
3.2. Fazit
3.3. Gründe des Dialektrückganges
3.4. „Für“ den elsässischen Dialekt
4. Conclusio
6. Literaturverzeichnis
Einleitung
In unserem Hauptseminar haben wir gesehen wie weitverbreitet die französische Sprache ist. Bilingualismus und Frankophonie klingt zwar zunächst sehr paradox, da Frankreich nur eine offizielle Sprache hat, aber dies ist nur eine Halb-Wahrheit, denn: „Au sein même de l‘hexagone, il existe non pas un mais plusieurs bilinguismes intérieurs à la francophonie. ...analyse la conjoncture bilingue alsacienne. Ce ne sont pas les deux seul cas de „bilinguisme intérieur“: la Corse est bilingue, il y a une ethnie basque et des ethnies bretonnes partiellement bilingues, on trouve même quelques vestiges du flamand à la frontière belge, le catalan est parlé aussi en France; et il ne faudrait pas oublier les patois d’oïl, franco-provençaux. Zum besseren Verständnis sollen die ersten beiden Kapitel das Phänomen des Bilingualismus näher erläutern. Danach wird auf die bewegte Geschichte des Elsass und den Ursprung des Dialektes eingegangen. Die Entwicklung sowie die Zukunft des elsässischen Dialektes bestimmen die letzen beiden Kapitel. Anhand dieser Hausarbeit soll gezeigt werden wieso es zu einem enormen Rückgang des elsässischen Dialektes kam und wie wichtig dennoch Mehrsprachigkeit und Dialekte im Hinblick auf ein vereintes Europa sind. Denn uns wird gerade aufgrund der wachsenden, interkulturellen und internationalen Kommunikation von Individuen, Gruppen, Institutionen, Gesellschaften und Medien die Unterschiedlichkeit oder auch die Gemeinsamkeit durch Sprachen immer stärker bewußt. Daher ist es wichtig Mehrsprachigkeit zu fördern, besonders wenn sie in einigen Regionen wie dem Elsass schon eine lange Tradition hat.
1. Die verschiedenen Aspekte des Bilingualismus
1.1. Was ist Bilingualismus?
In dieser Arbeit soll nicht auf die äußerst komplexen Aspekte, Probleme und definitorischen Kriterien eines lupenreinen Bilingualismus eingegangen werden, da die Problematik bereits mit der Definition des Begriffes (Beherrschungsgrad, aktiver und passiver Gebrauch zweier Sprachen, wechselseitige Sprachbeeinflussung etc.) beginnt. Seine Komplexität wird schon an den folgenden Definitionen deutlich, die versuchen dieses Phänomen zu präzisieren und begreiflich zu machen. Bloomfield versuchte diese sprachliche Besonderheit durch folgende Definition zu erklären: « ... maîtrise de deux langues si elles étaient toutes deux langue maternelle ».1 Weinreich ist in seiner Begriffsbestimmung toleranter: « Est bilingue celui qui possède au moins une des quatre capacités (lire, écrire, comprendre, parler) dans une langue autre que sa langue maternelle.2 Eine weitere Definition sagt aus: «Dans l’usage ordinaire, est bilingue celui qui est censé manier avec une égale aisance deux langues nationales. »3 Hier fällt sofort eine Abgrenzung der Nationalsprachen von Dialekten auf. Nach Martinet kann also nur jemand zweisprachig sein, wenn er zwei Nationalsprachen beherrscht. Allerdings erweiterte er seine Definition später: « On a une situation bilingue dans ce sens que les deux parlers en présence sont des parlers complètement distincts avec des phonologies des morphologies et naturellement des lexiques différents. »4. Die bisherigen Definitionen betrachten Bilingualismus vornehmlich von linguistischer Seite aus. Marcel Cohen’s Definition beinhaltet aber auch die gesellschaftliche Seite: « ...Chaque individu, s’il fait partie à la fois de groupes bien distincts, peut avoir plus d’un langage, chacun avec sa norme: c’est le phénomène du bilinguisme qui peut être un multilinguisme. »5 Durch die Äußerung „chaque individu“ legt er fest, das Bilingualismus ein Phänomen jedes Individuum sein kann. Diese Situation wird auch noch durch die persönlichen Fähigkeiten einer Person beeinflußt: « ... le bilinguisme dépendra entr’autre de la capacité personnelle de l’individu, de son degré d’adaptabilité au groupe ou aux communautés dans lesquels il est en contact ».6 Einar Haugen differenziert einsprachige Personen von mehrprachigen Personen: „Bilingual is a cover term for people with a number of different language skills, having in common that they are not monoliguals.7 Allerdings wird Bilingualismus auch hier sehr allgemein dargestellt. Schließlich sieht Wiliam F. Mackey den Bilingualismus als: „ L’altérnance de deux langues ou plus chez le même individu.“8 An diesen Definitionen, wird ersichtlich wie schwer es ist Bilingualismus zu definieren, da er viele Aspekte beinhaltet und jeder ihn von einer anderen Warte aus sieht. Doch bevor ich die verschiedenen Varianten des Bilingualismus beschreibe, soll zunächst ein Blick auf einen weiteren Aspekt des Bilingualismus geworfen werden.
1.2. „... on n’est pas bilingue tout seul.“
Eine Person wird nicht durch Zufall zweisprachig, sondern weil eine bestimmte Situation dies erfordert; dadurch erfüllt die Sprache einen Nutzen.9 Daher wird eine „fremde“ Sprache vor allem aus sozialen, wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Gründen erlernt. Diese individuelle Situation wird dann zu einem sozialen Phänomen, wenn eine ganze Gesellschaft oder ein überwiegender Teil von ihr, diese Sprache anwendet. Darüber hinaus ist die Sprache nicht nur ein Instrument der Kommunikation sondern auch ein Zeichen der Identifikation bzw. der Abgrenzung mit/von einer Gruppe.10 Der individuelle Bilingualismus tritt ein, sobald eine Person zwei Sprachen (in verschiedenen Abstufungen) beherrscht. Einer Sprache fähig sein, impliziert verschiedene Könnensstufen - wie gut die Sprache und ihr Code (phonologisch, grammatisch, lexikalisch, semantisch und stilistisch) beherrscht wird. Darüber hinaus hängt der Grad des Könnens auch noch von verschiedenen Funktionen ab, d.h. wann, wo, wie und unter welchen Bedingungen die Sprache verwendet wird. Weitere Faktoren die die Sprache beeinflussen können, sind das Thema, die Personen und das soziale Umfeld. All diese Faktoren bestimmen die Kapazität des Individuums zwei unterschiedliche und voneinander getrennte Codes zu beherrschen.11 Allerdings gibt es den „perfekten Bilingualismus“ eher selten, meistens handelt es sich um einen differenzierten Bilingualismus der von der Kommunikationssituation abhängig ist. Beim „bilinguisme alterné“ können beide Sprachen in der gleichen Kommunikationssituation gleichermaßen benutzt werden. Bei einem „bilinguisme mixte ou composé“ werden sie gemischt angewendet. Man spricht von einem „bilinguisme coordonné“ wenn beide Sprachen systematisch und funktionell je nach Kommunikationssituation verwendet werden Währenddessen ein „bilinguisme á dominance unique“ vorliegt, wenn immer die gleiche Sprache in der gleichen Kommunikationssituation benutzt wird.12
1.3. Varianten des Bilingualismus
Die Bedingung sine qua non für eine bilinguale Situation ist : „...la rencontre d’au moins deux codes chez un individu ou une communauté.13 Darüber hinaus kann man nun die vier Kompetenzen (schreiben, lesen sprechen, verstehen) unterschiedlich miteinander kombinieren. Daraus entstehen viele mögliche bilinguale Situationen, von denen einige aber unrealistisch sein können (z.B. eine Sprache schreiben aber sie nicht lesen zu können). Ein kleiner Einblick in die zahlreichen Möglichkeiten einer bilingualen Situation sollen die nachfolgenden Schaubilder geben.
Perfekter Bilingualismus
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Schaubild14 zeigt den Fall (Totaler Bilingualismus) von Bloomfield. Es kennzeichnet die optimale Situation in der eine Person alle Kompetenzen beider Sprachen gleich gut beherrscht. In einer solchen Situation ist der Sprecher in der Lage beide Sprachen unabhängig von der Gesprächssituation anzuwenden15: « Il y aura un bilinguisme parfait si “les deux langues ont le même pouvoir de communication sur l’ensemble des rôles sociaux“; chez l’individu parfaitement bilingue, les deux langues sont, en principe, utilisées indifférement dans n’importe quelle situation, avec la même rapidité dans la mémoire, la même qualité d’expression et le même pouvoir créateur. Bref le bilingue parfait utilise deux codes de façon tout à fait distincte sans mêler les langues. »16
Dies ist aber ein sehr seltener Fall und existiert weniger in einer Gesellschaft als bei einzelnen Personen. Alle nachfolgenden Schemata zeigen den „bilinguisme asymétrique“, d.h. eine Sprache wird weniger gut beherrscht als die andere Sprache.
Situation von Einwanderern
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Beispiel17 entspricht einer der zahlreichen Möglichkeiten die von Weinreich beschrieben werden. Dieses Schema entspricht häufig Immigrantenkindern, die zwar ihre Muttersprache beherrschen, die neu hinzukommende Sprache aber nur verstehen und noch nicht schriftlich wiedergeben können.
Situation von Kindern im Vorschulalter
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Obwohl diese Situation18 auf den ersten Blick merkwürdig aussieht, existiert sie. In einer solchen sprachlichen Situation befinden sich zweisprachige Kinder im Vorschulalter. Aber es kann sich z.B. auch um den Eintritt in eine zweite Sprache handeln die keinen code écrit besitzt (z.B. das Erlernen des elsässischen Dialektes)
Rückgang der Muttersprache
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dieses Schema19 zeigt das sukzessive Verschwinden der Muttersprache. Es zeigt z.B. die Situation von Immigranten bei denen die Muttersprache durch den Einfluß der neu hinzukommenden Sprache verdrängt wird.
Situation im Elsass
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Dies20 ist eine der zahlreichen bilingualen Möglichkeiten im Elsass. Viele jüngere Generationen befinden sich in einer solchen Lage. Sie verstehen und sprechen noch Elsässisch, können die Sprache aber nicht mehr schriftlich wiedergeben. Eine weiterer Fall ist, wenn eine der beiden Sprachen verstanden (elsässisch) aber nicht mehr gesprochen wird, dann sieht daß Schaubild wie folgt aus:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In dieser Hausarbeit können natürlich nicht alle Möglichkeiten der Zweisprachigkeit beschrieben werden. Dennoch gibt diese Typologie einen kleinen Einblick in die fast unzähligen Varianten des Bilingualismus. Nun soll herausgefunden werden warum man im Elsass vom Bilingualismus spricht.
1.4. Bilingualismus und Trilingualismus
„Il est courant, et facile, de caractériser la situation linguistique de l`Alsace comme bilingue.“21 Doch die sprachliche Situation im Elsass zu beschreiben ist weitaus schwieriger da es sich eigentlich um ein Nebeneinander von drei Sprachen handelt. Und tatsächlich kann die Sprachensituation als „dreisprachig“ angesehen werden, da der dortige deutsch- französische Bilingualismus eine zusätzliche dritte Komponente beinhaltet: den Elsässischen Dialekt in seinen zahlreichen Varianten. Die Situation ist sehr speziell, da mehrere Sprachen nebeneinander koexistieren und sich auch gegenseitig beeinflussen, aber: „...sans être toutes parlées dans toutes les occasions ni surtout par chacun.“22 Emile Baas definierte daher die elsässische Situation als bilingual; aber nicht als deutsch-französischen Bilingualismus sondern französisch-elsässischen Bilingualismus, also als : „...pratique parallèle du français est du dialecte alsacien.“23 Diesen wechselnden Ansichten über Trilingualismus oder Bilingualismus versuchte Pierre Deyon (ehemaliger Recteur der Académie de Straßbourg) im Jahre 1985 ein Ende zusetzen, indem er dazu wie folgt Stellung nahm: „Es gibt in der Tat nur eine wissenschaftliche korrekte Definition der Regionalsprache im Elsass: sie bezeichnet die elsässischen Dialekte, deren schriftliche Entsprechung das Deutsche ist. Deutsch ist somit eine der Regionalsprachen Frankreichs.24 Für Deyon gibt es daher einen deutsch-französischen Bilingualismus. Doch trotz der offiziellen Erklärung -die richtungsweisend ist- gibt es kein genaueres, rechtliches Sprachenstatut und es kommt immer noch zu Einwänden und Widerständen weil Ideologisches und Emotionales mitspielt.25 Daher wird für das Elsass oft auch der Begriff der Diglossie bzw. der Triglossie angewendet.
1.5. Diglossie und Triglossie
Der Begriff der Diglossie wurde zum ersten Mal durch J. Psichari verwendet. Er gebrauchte den Begriff um damit das Verhältnis in Griechenland, zwischen dem gesprochenen Griechisch und dem geschriebenen Griechisch darzustellen. Darunter wird folgendes verstanden: « Lorsque deux langues dans une communauté sont utilisées alternativement dans des situations sémio-culturelles différentes, où encore lorsqu‘elles remplissent des fonctions communicatives complémentaires, on parle de situation diglossique. »26 Dies bedeutet, das Diglossie auch eine Situation des Bilingualismus beschreibt. Bilingualismus und Diglossie können auch nebeneinander existieren: „Une situation bilingue n’exclut pas une situation de diglossie“.27 In Frankreich gibt es in der Bretagne, sowie eben auch im Elsass eine solche Gegebenheit. Im Elsass könnte man aber auch von Triglossie- wenn man stellenweise den Trilingualismus erwähnt- sprechen. Dieser Begriff bezeichnet das Nebeneinander dreier kulturhistorisch berechtigter Sprachen: des Französischen, des Deutschen und des in sich wiederum geographisch differenzierten Dialektes (Elsässerditsch). Letzteres soll aber als Erscheinungsform des Deutschen angesehen werden:28
[...]
1 http//averrman.free.fr/aplv/num54-bilinguisme.htm[13.0701] S. 2
2 ebda.
3 Martinet, A.: Eléments de linguistique Générale. Paris 1970. S.146.
4 Mattion J-C./Zaiane, Mohamed: Le Bilinguisme : Aspects linguitique, psychologique, sociologique et philosophique. Freiburg 1978. S. 146
5 Cohen, M. : Le langage-Structure et évolution. Paris 1950. S. 21.
6 Mattion / Zaiane.a.a.O.,S.146.
7 Mattion / Zaiane.a.a.O.,S.146.
8 http//www.ciralulaval.ca/alx/amlxmonde/langues/3cohabitatonphenom-universel.[20.04.01]S.1.
9 ebda. S.2.
10 ebda. S.2f.
11 ebda. S.1f.
12 ebda..S. 2.
13 Mattion /Zaiane,a.a.O.,S.180.
14 http//averrman.free.fr/aplv/num54-bilinguisme.htm[13.07.01] S. 3.
15 Benanni/Boukous/Bounfour/Cheng/Formentelli/Hassoun/Khatibi/Meddeb/Todorov: Du bilinguisme.Paris 1985. S42f.
16 http//www.ciral.ulaval.ca/alx/amlxmonde/langues/3cohabitationphenomen-universel. S.2.
17 http//averrman.free.fr/aplv/num54-bilinguisme.htm[13.07.01] S. 3
18 ebda.
19 ebda.
20 http//averrman.free.fr/aplv/num54-bilinguisme.htm[13.07.01] S. 4.
21 Finck/Philipp:L’Allemand en Alsace. Die deutsche Sprache im Elsass. 1985.S.82.
22 Finck/Philipp,a.a.O.,S.84f.
23 ebda. S. 83.
24 Marti, Roland: Sprachenpolitik in Grenzregionen. Politique linguistique dans les régions transfrontalières. Saarbrücken 1996. S. 205f.
25 ebda. S. 205.
26 Bounfour/Benanni/Boukous/Bounfour/Cheng/Formentelli/Hassoun/Khatibi/Meddeb/Todorov a.a.O.S.43.
27 Mattion/Zaiane, a.a.O.,S. 179.
28 Trouillet, Bernard: Das Elsass- Grenzland in Europa. Sprachen und Identitäten im Wandel. Köln 1997.S.24.
- Arbeit zitieren
- Tanja Geminn (Autor:in), 2001, Das Aussterben des Elsässisch - die Entwicklung des Dialektes im bilingualen Elsass, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/66080
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