„Wir erfüllen Träume durch das Erlebnis »Motorradfahren«.“ (Harley Davidson 2006). Mit diesem beziehungsorientierten Grundsatz stellt sich der amerikanische Motorradhersteller Harley Davidson als Erlebnismarke dar und versucht auf diese Weise, eine Marken-Konsumenten-Beziehung aufzubauen.
Das klassische Marketingkonzept wurde in den 1970er Jahren entwickelt und diente der Befriedigung des Massenkonsums,welcher aufgrund des Prosperitätsanstieges entstanden war. „Damals waren es die grundlegenden Prinzipien wie der Einsatz der Marketinginstrumente oder Segmentierung, die dem Marketing als Leitidee einer marktorientierten Unternehmensführung zum Durchbruch verhalfen.“. Vor diesem Hintergrund entstanden Mitte der 1980er Jahre die ersten Vorschläge für eine neue Akzentuierung des Marketing unter dem Begriff des Relationship Marketing. „Relationship Marketing bezeichnet die Ausrichtung der unternehmerischen Marketingaktivitäten auf die dauerhafte Bindung ausgewählter Kunden und stellt einen Gegenentwurf zu einem Marketing dar, in dessen Mittelpunkt die kurzfristige Realisierung einzelner Kaufabschlüsse steht.“. Diese Ansätze wurden in den 1990er Jahren weiterentwickelt und schliesslich im Jahre 2000 auf deutschsprachigen Konsumgütermärkten eingeführt. So griff das Konzept des Relationship Marketing eine für andere Branchen schon bekannte Regel auf: „stabile und langfristige Kundenbeziehungen sind essentiell für den Erfolg eines Konsumgüterherstellers.“. Ausgehend von der Erfolgskette ist klar erkennbar, dass langfristige Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer zu ökonomischem Erfolg führen.
Durch diese allgemeine Tendenz von einem transaktions- zu einem beziehungsorientierten Marketingverständnis hat die Unternehmenskommunikation in den letzten Jahren einen umfassenden Funktionswandel erfahren: Zwar ist gemäss O’Malley/Tynan der Konsumgütermarkt mit seinen fast homogenen Produkten und dem einhergehenden Konkurrenzdruck nach wie vor vom Transaktionsmarketing geprägt, jedoch kann eine Veränderung hin zum Beziehungsmarketing beobachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Vom Transaktionsmarketing zum Relationship Marketing auf Konsumgütermärkten
1.2 Problemschichten und Ziele der Arbeit
1.3 Gang der Untersuchung
2. Konzeptionelle Grundlagen
2.1 Wandel vom Bedarfs- zum Erlebniskonsum
2.2 Marken als Beziehungspartner auf Konsumgütermärkten
2.3 Konstitutionelle Elemente einer Marken-Konsumenten-Beziehung
2.3.1 Herleitung der konstitutiven Merkmale einer Marken-Konsumenten-Beziehung
2.3.2 Interaktion
2.3.3 Intimität
2.3.4 Reziprozität
3. Bestandsaufnahme und Systematisierung kommunikationsbezogener Ansätze der Praxis zum Aufbau von Marken-Konsumenten-Beziehungen auf Konsumgütermärkten
3.1 Herleitung der Einordnung und Systematisierung
3.2 Mehrmalig, standardisierte Instrumente
3.2.1 Flagship Stores
3.2.2 Concept Stores
3.2.3 Shop in the Shop
3.2.4 Brand Museum
3.2.5 Sponsoring
3.3 Mehrmalig, konsumentenbezogene Instrumente
3.3.1 Brandlands
3.3.2 Communities
3.3.3 Kundenclubs
3.3.4 Fanclubs
3.3.5 Brand Games
3.4 Einmalig, standardisierte Instrumente
3.4.1 Direct Marketing
3.4.2 Verkaufsförderung
3.4.3 Mediawerbung
3.5 Einmalig, konsumentenbezogene Instrumente
3.5.1 Event Marketing
3.5.2 Messen/Ausstellungen
4. Kritische Würdigung kommunikationsbezogener Ansätze der Praxis zum Aufbau von Marken-Konsumenten-Beziehungen auf Konsumgütermärkten
4.1 Bezugsrahmen zur Herleitung der Evaluierungskriterien
4.2 Interaktionsbezogene Anforderungen
4.2.1 Übersicht
4.2.2 Kritische Würdigung
4.3 Intimitätsbezogene Anforderungen
4.3.1 Übersicht
4.3.2 Kritische Würdigung
4.4 Reziprozitätsbezogene Anforderungen
4.4.1 Übersicht
4.4.2 Kritische Würdigung
4.5 Ökonomische Anforderungen
4.5.1 Übersicht
4.5.2 Kritische Würdigung
5. Ableitung von kommunikationsbezogenen Handlungsempfehlungen
5.1 Einmalig, standardisierte Instrumente
5.2 Mehrmalig, standardisierte Instrumente
5.3 Einmalig, konsumentenbezogene Instrumente
5.4 Mehrmalig, konsumentenbezogene Instrumente
6. Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Vom Transaktionsmarketing zum Relationship Marketing auf Konsumgütermärkten
„Wir erfüllen Träume durch das Erlebnis »Motorradfahren«.“ (Harley Davidson 2006). Mit diesem beziehungsorientierten Grundsatz stellt sich der amerikanische Motorradhersteller Harley Davidson als Erlebnismarke dar und versucht auf diese Weise, eine Marken-Konsumenten-Beziehung aufzubauen.
Das klassische Marketingkonzept wurde in den 1970 er Jahren entwickelt und diente der Befriedigung des Massenkonsums, welcher aufgrund des Prosperitätsanstieges entstanden war (vgl. Grönroos 2000, S. 22f.). „Damals waren es die grundlegenden Prinzipien wie der Einsatz der Marketinginstrumente oder Segmentierung, die dem Marketing als Leitidee einer marktorientierten Unternehmensführung zum Durchbruch verhalfen.“ (Bruhn 2001a, S. V). Vor diesem Hintergrund entstanden Mitte der 1980 er Jahre die ersten Vorschläge für eine neue Akzentuierung des Marketing unter dem Begriff des Relationship Marketing (vgl. Kotler 2003, S. 13). „ Relationship Marketing bezeichnet die Ausrichtung der unternehmerischen Marketingaktivitäten auf die dauerhafte Bindung ausgewählter Kunden und stellt einen Gegenentwurf zu einem Marketing dar, in dessen Mittelpunkt die kurzfristige Realisierung einzelner Kaufabschlüsse steht.“ (Bruhn/Hennig-Thurau/Hadwich 2004, S. 393). Diese Ansätze wurden in den 1990 er Jahren weiterentwickelt und schliesslich im Jahre 2000 auf deutschsprachigen Konsumgütermärkten eingeführt (vgl. Olbrich 2001, S. 17). So griff das Konzept des Relationship Marketing eine für andere Branchen schon bekannte Regel auf: „stabile und langfristige Kundenbeziehungen sind essentiell für den Erfolg eines Konsumgüterherstellers.“ (Bruhn/Hennig-Thurau/Hadwich 2004, S. 398). Ausgehend von der Erfolgskette ist klar erkennbar, dass langfristige Beziehungen zwischen Käufer und Verkäufer zu ökonomischem Erfolg führen (vgl. Abbildung 1).
Durch diese allgemeine Tendenz von einem transaktions- zu einem beziehungsorientierten Marketingverständnis hat die Unternehmenskommunikation in den letzten Jahren einen umfassenden Funktionswandel erfahren: Zwar ist gemäss O’Malley/Tynan (1998, S. 808f.) der Konsumgütermarkt mit seinen fast homogenen Produkten und dem einhergehenden Konkurrenzdruck nach wie vor vom Transaktionsmarketing geprägt, jedoch kann eine Veränderung hin zum Beziehungsmarketing beobachtet werden. So versuchen die Hersteller heute bspw. mit Hilfe der „Maggi Kochstudios“ oder den „Nivea-Häusern“ in direkten Kontakt mit den Konsumenten zu treten, um das Produkt professionell zu erklären und eine Interaktion zu initiieren (vgl. Maggi 2006; Nivea 2006). Weiter wird auf dem Konsumgütermarkt verstärkt über einen „Paradigmenwechsel“ von einem reinen Transaktionsmarketing zu einem Relationship Marketing diskutiert, bei welchem der Aufbau und Erhalt von dauerhaften Konsumentenbeziehungen im Mittelpunkt der Marketingaktivitäten steht (vgl. Bruhn/Eichen 2006, S. 2f.). Entsprechend steht auch das Konstrukt der Kundenbindung im Mittelpunkt der Betrachtung, da für Unternehmungen die Kosten einer Neukundenakquisition fünfmal höher einzustufen sind als jene zur Bindung eines Konsumenten (vgl. Bruhn/Hennig-Thurau/Hadwich 2004, S. 398ff.; Diller 1996, S. 82).
Die Umsetzung dieser Prinzipien des Relationship Marketing ist auf Konsumgütermärkten jedoch mit zahlreichen Problemen behaftet: Insbesondere die räumliche Distanz zwischen Konsumenten und Hersteller und das einhergehende Informationsdefizit über mögliche Konsumentenwünsche stellen eine grosse Herausforderung dar. Des weiteren zeichnen sich Konsumgütermärkte durch eine Vielzahl an standardisierten Produkten, kurzen Innovationszyklen und einer Tendenz zu „Me-Too“-Produkten aus (vgl. Bruhn 2001a, S. 242f.). Zudem lassen sich eine Priorisierung von Konsumenten und ein Beziehungsaufbau nur schwer gestalten, da eine Mehrheit der Konsumenten meist anonym bleibt. Der dialogorientierten Form der Unternehmenskommunikation kommt eine besondere Rolle zu, da sie als Grundlage für die Etablierung eines individuellen Dialogs zwischen Konsumenten und Hersteller dient. Schmitt/Mangold (2004, S. 16) betonen, dass Kunden das einzig wahre Kapital eines Unternehmens sind und dementsprechend behandelt werden sollen.
Als übergeordnete Problemschicht dieser Arbeit stellt sich die Frage, wie ein Hersteller eine längerfristige Beziehung zu einem Konsumenten initiiert und erhält, und welche kommunikationsbezogene Ansätze in der Praxis angewandt werden, um sich von anderen Anbietern differenzieren zu können.
1.2 Problemschichten und Ziele der Arbeit
Der steigende Konkurrenzdruck und die zunehmende Bedeutung von langfristigen Konsumentenbeziehungen zwingen die Markenhersteller vermehrt, neue Instrumente für die Interaktion mit den Konsumenten einzuführen. Da die Praxis der Theorie immer einen Schritt voraus ist, leitet sich hieraus die erste Problemschicht dieser Arbeit ab.
Eine weitere Problemschicht stellen die konstitutiven Merkmale einer Marken-Konsumenten-Beziehung dar, die als Basis zur Operationalisierung bei der folgenden Dichotomie dienen. Zwar existiert durchaus Literatur im Bereich der Sozialpsychologie, welche die Beziehungstheorie wissenschaftlich behandelt, jedoch stellt die Marken-Konsumenten-Beziehung in der Marketingwissenschaft ein noch kaum erforschtes Themengebiet dar. Deshalb soll in der folgenden Arbeit die Beziehungstheorie der Sozialpsychologie auf die Marketingwissenschaften übertragen und angewandt werden. Durch diese Transformation entsteht eine neue Problemschicht.
Auch die theoretische Fundierung der einzelnen Kundenbindungsansätze, die von Konsumgütermarken angewendet werden, kann als weitere Problemschicht betrachtet werden. Zwar scheinen die diversen Ansätze zum Aufbau einer längerfristigen Marken-Konsumenten-Beziehung immer wie erfolgreicher zu sein, jedoch fehlt eine genaue Definition dieser einzelnen Interaktionstypen. So setzen zahlreiche Konsumgüterhersteller diese Konzepte in der Praxis um und geben ihnen eigene Bezeichnungen: Bspw. eröffnete die Schuh- und Kleidermarke Nike im vergangenen April ein Flagship Store („Niketown“) in Bern, Puma den ersten Concept Store in Oensingen oder das von Nivea als Brandland konzipierte „Nivea-Haus“ in Hamburg (vgl. Nike 2006; Puma 2006; Nivea 2006). In der Praxis herrscht folglich eine grosse Begriffsvielfalt der einzelnen interaktionsbezogenen Verkaufs- und Erlebnisformen. In der Theorie hingegen sind diese bis anhin noch nicht kategorisiert und systematisiert worden. Deshalb erscheint es umso schwieriger, eine klare Abgrenzung zwischen den einzelnen Formen zu vollziehen. Es stellt sich zudem die Frage, nach welchen Kriterien die einzelnen Kategorien gebildet werden sollen, und wie sinnvoll diese Abgrenzungen im Bezug auf eine geeignete Gruppenbildung erscheinen.
Ebenfalls liegt zur Zeit noch keine wissenschaftliche Literatur vor, welche die Typologisierung und Systematisierung bestehender kommunikationsbezogener Ansätze der Praxis kritisch würdigt und Handlungsempfehlungen ableitet. Somit stellt sich die Frage, inwiefern der Konsument einen Zusatznutzen erfährt, wenn er mit einem Markenhersteller interagiert, und welche Vorteile der Hersteller und der Konsument sich dadurch erhoffen.
Vor dem Hintergrund, dass auch auf dem Konsumgütermarkt Beziehungen immer wichtiger werden, ist es Ziel der vorliegenden Arbeit, eine ganzheitliche Auflistung der bestehenden Ansätze zum Aufbau einer Marken-Konsumenten-Beziehung darzulegen und diese anschliessend in sinnvolle Interaktionstypen aufzuteilen. Dabei sollen nur kommunikationsbezogene Ansätze aus der Praxis betrachtet werden. Das heisst, dass z.B. vertriebliche Aspekte zum Aufbau einer Marken-Konsumenten-Beziehung bewusst nicht thematisiert werden.[1] Anhand der gebildeten Kategorien sollen die Interaktionstypen mit Hilfe verschiedener Merkmale einer Beziehung und deren Anforderungen operationalisiert werden, so dass sich Handlungsempfehlungen anhand des dichotomen Merkmalpfeils ableiten lassen. Als Basis dazu dienen die verschiedenen Merkmalskategorien, die für eine Marken-Konsumenten-Beziehung als konstitutiv gelten. Die Untersuchung wird aus Sicht des Konsumenten betrachtet und leitet anschliessend markenbezogene Handlungsempfehlungen für den Anbieter ab.
1.3 Gang der Untersuchung
Aufgrund der vorher beschriebenen Problemschichten ist es für Markenartikel ebenso wichtig wie essentiell, eine dauerhafte Beziehung zu den Konsumenten aufzubauen. In Kapitel eins werden deshalb der Wandel vom Transaktions- zum Beziehungsmarketing auf Konsumgütermärkten und die daraus resultierenden Implikationen erläutert.
Vor dem Hintergrund des Relationship Marketing wird in Kapitel zwei auf die konzeptionellen Grundlagen eingegangen. Dabei wird in Kapitel 2.1 aufgezeigt, wie sich durch die steigende soziale Wohlfahrt ein Wandel vom Bedarfs- zum Erlebniskonsum vollzogen hat. Um sich von der Konkurrenz abgrenzen zu können, stellt die Markierung der Konsumgüter ein wichtiges Instrument dar, wodurch eine Marke sogar als Beziehungspartner fungieren kann. Dies wird in Kapitel 2.2 erläutert. Ausgehend von dieser Marken-Konsumenten-Beziehung werden in Kapitel 2.3 die konstitutionellen Elemente einer solchen Beziehung herausgearbeitet, wobei in den folgenden vier Unterkapiteln auf die Herleitung dieser Merkmale sowie auf die einzelnen Merkmale (Interaktion, Intimität, Reziprozität) selbst eingegangen wird. Da es sich um ein wenig erforschtes Themenfeld der Marketingwissenschaft handelt, werden die Konzepte und Forschungsansätze aus der Sozialpsychologie übernommen. Dabei werden bewusst nur die Merkmale von engen positiven Beziehungen zwischen Personen (auf freiwilliger Basis) betrachtet, da diese Perspektive in Bezug auf den Aufbau einer Marken-Konsumenten-Beziehung als besonders interessant erscheint. Unfreiwillige oder durch ökonomischen Druck erzeugte Beziehungen werden bewusst ausser Acht gelassen.
Das dritte Kapitel stellt den aktuellen Bezug zur Praxis her und dient der Bestandsaufnahme und Systematisierung von kommunikationsbezogenen Ansätzen bei Marken-Konsumenten-Beziehungen. Dabei wird die Vielfalt an Interaktionstypen auf Konsumgütermärkten untersucht, aufgrund derer eine systematische Einordnung erfolgt. Mit Hilfe einer zwei-mal-zwei Matrix soll eine Unterteilung so vorgenommen werden, dass die einzelnen Interaktionstypen innerhalb einer Gruppe möglichst homogen, die Gruppen unter sich möglichst heterogen sind. Den daraus entstandenen vier Gruppen wird in Kapitel 3.1 jeweils ein Oberbegriff zugeordnet. In den folgenden Kapitel 3.2 bis 3.5 werden die einzelnen Oberbegriffe vorgestellt, wobei in den jeweiligen Unterkapiteln die bestehenden Ansätze aus der Praxis erläutert werden.
In Kapitel vier werden die vorgestellten, kommunikationsbezogenen Ansätze der Praxis (aus Kapitel drei) einer kritischen Würdigung unterzogen. Als erstes wird in Kapitel 4.1 der Bezugsrahmen der Anforderungen hergeleitet. Basierend auf diesem Bezugsrahmen und den (in Kapitel 2.3) eruierten, konstitutiven Merkmalen einer Marken-Konsumenten-Beziehung werden die einzelnen Evaluierungskriterien erläutert. Währenddem in den Kapiteln 4.2 bis 4.4 auf die effektivitätsbezogenen Anforderungen einer Beziehung wie die Interaktion, Intimität und Reziprozität eingegangen wird, wird in Kapitel 4.5 der Hintergrund einer effizienzbezogenen Anforderung einer Marken-Konsumenten-Beziehung erläutert. Demzufolge handelt es sich in Kapitel 4.5 um ein ökonomisches Merkmal einer Marken-Konsumenten-Beziehung, das vor allem ein Abwägen von Nutzen und Kosten beinhaltet. Ausgehend von diesen vier effektivitäts- resp. effizienzbezogenen Anforderungen wird in dem jeweils dazugehörigen Unterkapitel zuerst eine kurze Übersicht gegeben, bevor dann eine kritische Würdigung folgt.
In Kapitel fünf werden die gebildeten Interaktionstypen (aus Kapitel 3) auf dem dichotomen Merkmalspfeil (aus Kapitel 4) so eingeordnet, dass aufgrund der kritischen Würdigung eine Ableitung von Handlungsempfehlungen erfolgt.
In Kapitel sechs werden zum Schluss die wesentlichen Punkte im Fazit nochmals aufgegriffen. Anschliessend werden in einem Ausblick offene Fragen diskutiert und auf etwaige, weitere Forschungsbedürfnisse hingewiesen.
Der Gang der Untersuchung ist als Abbildung graphisch dargestellt (vgl. Abbildung 2). Dabei wird auf die expliziten Ziele der einzelnen Kapitel eingegangen, und es werden die forschungsleitenden Fragen abgeleitet.
2. Konzeption elle Grundlagen
2.1 Wandel vom Bedarfs- zum Erlebniskonsum
Das Verbraucherverhalten hat sich in den letzten Jahren grundlegend verändert: Gaben die Konsumenten in den 1940er Jahren in Europa rund ein Viertel ihres Einkommens für Essen und Kleidung aus, so ist dieser Prozentsatz heute signifikant kleiner (vgl. Penn World Table 2006). Im Gleichzug mit dem Wandel vom Bedarfs- zum Erlebniskonsum entwickelte sich eine funktionale Angleichung der verschiedenen Produkte, so dass eine objektive Produktdifferenzierung sukzessiv schwieriger wurde (vgl. Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 23ff.). Andererseits streben die Konsumenten verstärkt nach einem Zusatznutzen, so dass Unternehmungen vermehrt emotionale Zusatzerlebnisse anbieten, um sich differenzieren zu können. Ansatzpunkt für eine solche Markendifferenzierung bildet das Erlebnismarketing, denn gemäss Schmitt/Mangold (2004, S. 24) besteht ein enger positiver Zusammenhang zwischen dem Kundenerlebnis und Kundenverhalten.
Unter einem Erlebnis wird der subjektiv wahrgenommene und durch die Marketingmassnahmen vermittelte Beitrag zur Lebensqualität der Konsumenten verstanden (vgl. Weinberg/Diehl 2000, S. 267). Dabei sollen Marken als sinnliche Erlebnisse die Gefühls- und Erfahrungswelt der Konsumenten prägen. Der Schokoladenriegelhersteller Milka z.B. verkörpert seit Jahren das Erlebnis einer Alpenwelt und ist so stark im Gedächtnis der Konsumenten verankert, dass bereits Kleinkinder die lila Milka-Kuh erkennen (vgl. Milka 2006). Gemäss Wöhler (2004, S. 220f.) definiert sich jedes Individuum über Erlebnisse, wobei das emotional-subjektive Empfinden darüber entscheidet, wie stark die Erlebnisorientierung ausfällt. Durch diese bewusste Schaffung emotionaler Erlebniswerte, die in ihrer Summe ganze Erlebniswelten für Marken schaffen, werden Produktleistungen psychologisch und subjektiv differenziert (vgl. Weinberg/Diehl 2000, S. 267). Somit werden durch die bewusste Erfüllung neuer Erlebnisansprüche markenpsychologische Wettbewerbsvorteile im Markt begründet (vgl. Becker 1998, S. 620ff.). Ebenso sind die Wertevorstellungen bzw. Wertetrends der Konsumenten wichtige Faktoren bei der Realisierung eines Erlebnismarketing. Gemäss Schulze (1996, S. 43ff.) verhält sich die Gesellschaft erlebnisorientiert, was den wachsenden Grad an Erlebniswelten auf dem Konsumgütermarkt erklärt. Vor allem Schlüsselbilder und Wunschvorstellungen sind für den langfristigen Aufbau eines Markenbildes wichtig. So ist die „Wild West“- Erlebniswelt des Zigarettenherstellers Marlboro ein Beispiel für eine erfolgreiche Erlebniswelt, die für den Konsumenten relevante Gefühle wie Freiheit und Abenteuer vermittelt (vgl. Marlboro 2006).
Für die Entwicklung der nächsten Jahre zeichnet sich eine deutliche Veränderung in der Bedürfnisstruktur der Konsumenten ab: Laut Opaschowski (2000, S. 12f.) verstärkt sich die Polarisierung von Versorgungs- und Erlebniskonsum. Durch die Entwicklung neuer Technologien hat sich die Alltagsorganisation in gravierender Weise verändert, wodurch die Unterhaltung einen grösseren Stellenwert bekommen hat. Der Konsument neigt zunehmend dazu, sich selbst verwirklichen zu wollen und stellt somit den subjektiven Genuss in den Vordergrund. Viele Sozial- und Konsumentenforscher sehen in der Erlebnisorientierung den grundlegenden Wertewandel der heutigen Gesellschaft (vgl. Opaschowski 2000, S. 11ff.; Schulze 1996, S. 23ff.). „Dauerte der typische Besuch einer Shopping Mall in den 1960er Jahren zwanzig Minuten, so ist die individuelle Verweildauer in den 1990er Jahren auf nahezu drei Stunden angestiegen.“ (Vogelmayr 2006).
Umso mehr gilt es die Erlebniskomponente zu beachten, die in bildlicher, sprachlicher oder sensorischer Form das Erlebnisprofil bildet. Dazu zählt gemäss Weinberg (1992, S. 38ff.) die sinnlich wahrnehmbare Gestaltung durch Form, Farbe, Geruch, Geschmack und Geräusch. Ähnlich unterscheiden auch Schmitt/Mangold (2004, S. 38ff.) fünf verschiedene Typen von Erlebnissen (vgl. Abbildung 3): Bei den sensorischen Erlebnissen entsteht die Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne. Sie bieten Kundennutzen, indem sie den Sinn für Ästhetik ansprechen oder dem Konsumenten ein Erlebnis mit der Marke garantieren. Die Bandbreite affektiver Erlebnisse reicht von positiver Stimmungen bis hin zu Freude und Stolz. Der Nutzen ist dabei die Befriedigung, die der Konsument erlebt, wenn er sich gut fühlt. Kognitive Erlebnisse hingegen sprechen den Intellekt des Kunden an und generieren einen Mehrwert, weil sich der Konsument gedanklich mit der Marke auseinandersetzt. Bei verhaltensbezogenen Erlebnissen geht es darum, dem Kunden physische Erlebnisse und Nutzungsarten zu zeigen, die das Produkt bietet. Weiter erzeugen soziale Erlebnisse einen Mehrwert, indem sie eine soziale Identität und Interaktionsmöglichkeiten ermöglichen.
Die Markierung resp. die Marke stellt somit eine Grundvoraussetzung für den Aufbau einer Erlebniswelt dar. So ist es die Marke, die dem Konsumenten eine schnelle Wiedererkennung in einer späteren Kaufsituation ermöglicht, und dank welcher sich der Hersteller von den Konkurrenten differenzieren lässt (vgl. Weinberg/Diehl 2000, S. 266; Backhaus et al. 2002, S. 4). Dadurch wird die Marke zum Beziehungspartner auf Konsumgütermärkten.
2.2 Marken als Beziehungspartner auf Konsumgütermärkten
Durch die starke Zunahme der werbenden Markenartikel sieht sich der heutige Konsument einer starken Informationsflut gegenüber: Laut Bruhn (2004, S. 26) lag 1987 in Deutschland eine durchschnittliche Informationsüberlastung von 98 Prozent vor und dürfte seither noch einmal angestiegen sein. Gemäss einer anderen Studie in den Vereinigten Staaten sieht der Durchschnittsbürger über 86'500 Werbungen pro Jahr (vgl. Lindstrom 2005, S. 8). Ähnliche Beobachtungen von Roberts (2004, S. 27) zeigen, dass der Konsument an einem durchschnittlichen Tag sogar mit 1’500 Markenartikeln in Kontakt kommt. Als Folge werden gemäss Schnetzer/Becker (2006, S. 65) nur noch wenige Konsumenten durch Werbekampagnen beeinflusst.
Vor diesem Hintergrund ist die Profilierung der eigenen Marke sowie die Schaffung von Kundenbindung eine Grundvoraussetzung für ein erfolgreich unternehmerisches Agieren. Gemäss Bruhn (2005, S. 71) können die Konsumenten bei 85 Prozent der Verbrauchsgüter keine differenzierte Produktbeurteilung mehr abgeben, weshalb auf die Marke als Differenzierungsinstrument zurückgegriffen wird. „Grundsätzlich werden als Markenartikel solche Leistungen bezeichnet, die aus Sicht der Zielgruppe wirkungsbezogene Kriterien und aus Sicht der Anbieter erfolgsbezogene Kriterien erfüllen, die ein Qualitätsversprechen geben und zugleich die Anforderungen an markierte Leistungen erfüllen.“ (Bruhn/Hennig-Thurau/Hadwich 2004, S. 393). Schon seit geraumer Zeit haben die Hersteller begriffen, dass sich der Konsument mit Hilfe einer Marke schneller und effizienter orientieren kann. Gemäss Backhaus et al. (2002, S. 4f.) zeigt die Entwicklung der neuen Markenanmeldungen, dass sich der Trend zur Markenführung in den letzten Jahren noch verstärkt hat.
Damit eine Marken-Konsumenten-Beziehung aufgebaut werden kann, muss gemäss Fournier (2000, S. 212ff.) die Unabhängigkeit der Partner gewährleistet sein, d.h. die Partner müssen die Beziehung gemeinsam beeinflussen und definieren können. Demzufolge versteht sich die Marke nicht als passives Objekt, sondern als aktiver Teilnehmer beim Aufbau einer Beziehung. So zeichnen sich gemäss Weinberg/Diehl (2000, S. 265) erfolgreiche Marken dadurch aus, dass sie Wertetrends in der Gesellschaft aufgreifen bzw. den Konsumenten Hilfestellung leisten. Blindtests haben ergeben, dass Konsumenten in vielen Produktfeldern nicht mehr zwischen den fast homogenen Produkten unterscheiden können. Wenn allerdings die Marke ins Spiel kommt, werden die Unterschiede erkannt (vgl. Fournier 2000, S. 265; Kroeber-Riel/Weinberg 2003, S. 47ff.). Ein Beispiel dafür ist die Beziehung der Konsumenten zu den Marken Pepsi oder Coca Cola, bei welchen eher das Gefühl der Marke als das Produkt selbst konsumiert wird (vgl. Muniz/Hamer 2001, S. 355ff.). Folglich dient die Marke dem Konsumenten in erster Linie als Orientierungs- und Identifikationsfunktion und stellt eine Entscheidungshilfe beim Einkauf dar (vgl. Bruhn 2001b, S. 35ff.). Zudem kommt der Marke eine Entlastungs- und Vertrauensfunktion zu, wobei der Konsument emotional mit der Marke verbunden sein soll. Kauft z.B. ein Konsument immer wieder dieselbe Schuhmarke, so wird er sich sicher sein, dass auch beim nächsten Einkauf das Qualitätsversprechen des Markenartikelherstellers eingehalten wird.
Beim Betrachten einer Kundenbeziehung können gemäss Bruhn/Hennig-Thurau/Hadwich (2004, S. 394) einer Marke zwei unterschiedliche Rollen zugeteilt werden: Zum einen kann sie die Rolle eines Moderators einnehmen und als Vertrauens- oder Kommunikationsfunktion zwischen Anbieter bzw. Mitarbeiter und Konsument eingesetzt werden. Zum anderen kann die Marke als Beziehungspartner fungieren; d.h., dass die Marke die sich in der Beziehung ergebenden Aufgaben vollständig übernimmt. Dabei tritt der Hersteller selbst in den Hintergrund und wird Teil der Marke (vgl. Abbildung 4). Da auf dem Konsumgütermarkt Interaktionsmöglichkeiten aufgrund der mangelnden Nähe zum Konsumenten und der Anonymität des Herstellers nur beschränkt möglich sind, erscheint die Marke als Beziehungspartner besonders interessant. Die Hersteller versuchen verstärkt, die Marke als persönlichen Beziehungspartner des Konsumenten zu gestalten, um so gezielter auf Markenwünsche eingehen zu können. Der Lebensmittelhersteller Maggi z.B. lancierte die „Maggi Kochstudio Treffs“, bei denen sich die Marke Maggi als Freund und Helfer in allen Fragen rund ums Essen versteht, um so dem Konsumenten eine interaktive Erlebnisplattform zu bieten (vgl. Spitzer 2005, S. 844; Maggi 2006).
Um eine Marke aber als Partner zu legitimieren, muss die Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden, wie eine Marke belebt, vermenschlicht oder personifiziert werden kann. Der Vorgang, unbelebten Objekten menschliche Eigenschaften zu verleihen, ist Gegenstand der Animismustheorie. Gemäss dieser Theorie besteht ein Bedürfnis, Objekten menschliche Eigenschaften zu verleihen, um Interaktionen mit einem Produkt zu ermöglichen (vgl. Fournier 2000, S. 213f.). Im Rahmen von Interaktionen durchdringen die Beziehungspartner die Persönlichkeit des anderen, indem sie immer vertrautere Aspekte ihres Gegenübers kennen lernen (vgl. Bruhn/Hennig-Thurau/Hadwich 2004, S. 396f.). Damit die Marke in die Persönlichkeitstiefe des Konsumenten durchdringen kann, muss sie notwendigerweise über eine Persönlichkeit verfügen. Das daraus abgeleitete Konzept der Markenpersönlichkeit dient der Zuordnung von menschlichen Charakterzügen zu Marken. Der Konsument soll sich nicht an die Marke gebunden fühlen, sondern soll mit ihr emotional verbunden sein. So können bei der Vitalisierung einer Marke drei Arten unterschieden werden (vgl. Fournier 2000, S. 213ff.):
- Vitalisierung durch Fürsprecher: Es wird anhand von Testimonials versucht, den Geist einer prominenten Person aus dem Umfeld der Konsumenten auf eine Marke zu übertragen (z.B. Boris Becker für Rivella).
- Vitalisierung durch andere Nutzer: Durch eine persönliche Assoziation von Bekannten aus dem eigenen Umfeld eines Konsumenten soll die Marke vitalisiert werden (z.B. gleiches Aftershave wie der Vater).
- Vitalisierung durch vollständige Vermenschlichung: Dem Markenobjekt werden Markencharakteren ähnlich den menschlichen Eigenschaften zugeordnet (z.B. „Tiger“ von Kellogs Frostees).
Es muss jedoch klar konstatiert werden, dass eine Interaktion mit der Marke nicht möglich ist, weshalb die Hersteller mit Interaktionssubstituten zu kommunizieren versuchen. Falls die Marke als legitimer Beziehungspartner fungieren soll, muss sie über eine Personifizierung hinausgehen und sich wie ein aktiver Beziehungspartner verhalten. So kritisieren Bruhn/Eichen (2006, S. 15f.), dass sich Menschen von Objekten grundsätzlich unterscheiden; d.h., dass bei Marken eine eingeschränkte Reziprozität und Interaktionsmöglichkeit besteht, und deshalb unterschiedliche Ansätze anzuwenden sind. Eine Marke kann animistische Eigenschaften aufweisen, ohne ein lebendiges Wesen zu sein, schlussendlich bleibt sie aber ein in der Psyche des Konsumenten verankertes Vorstellungsbild (vgl. Backhaus et al. 2002, S. 6; Fournier 2000, S. 214; Schnetzer/Becker 2006, S. 61). Demzufolge kann die Marke weder handeln, noch denken und fühlen. Umso wichtiger ist es für die Hersteller, die Merkmale einer Marken-Konsumenten-Beziehung zu kennen.
2.3 Konstitutionelle Elemente einer Marken-Konsumenten-Beziehung
2.3.1 Herleitung der konstitutiven Merkmale einer Marken-Konsumenten-Beziehung
Im Beziehungsmarketing auf dem Konsumgütermarkt steht die Markenbeziehung im Mittelpunkt der Betrachtung. In der folgenden Arbeit bezieht sich eine Marken-Konsumenten-Beziehung auf eine enge, positive Beziehung. Da die Marke ein Objekt ist und mit Interaktionssubstituten geworben wird, erscheint dies als sinnvoll. Im folgenden Teil wird nun erörtet, was unter einer Beziehung zu verstehen ist, und welche Merkmale sich aus einer Marken-Konsumenten-Beziehung herleiten lassen.
In der Sozialpsychologie wird zwischen den Begriffen der engen und sozialen Beziehung unterschieden. Eine enge Beziehung bezeichnet gemäss Bierhoff/Herner (2002, S. 61f.) eine bestimmte Form des Interaktionsmusters zwischen zwei Beziehungspartnern, die dadurch gekennzeichnet ist, dass die Personen über die üblichen Verhaltensmuster hinausgehen und gemeinsame Interessen entwickeln. „Die enge Beziehung ist durch Rücksicht auf die Vor- und Nachteile des anderen, durch ein Wissen um die persönlichen Gefühle des anderen und durch Normen und Symbole gekennzeichnet.“ (Bierhoff/Herner 2002, S. 62). Dem gegenüber beruht eine soziale Beziehung auf einer Dreiteilung (Selbstbild, Bild der Bezugsperson und Interaktionsskript) des Interaktionsmusters (vgl. Bierhoff/Herner 2002, S. 207). Das heisst, dass eine Person reflexiv ein Bild von sich selber projiziert und dieses dann mit dem Bild des Beziehungspartners vergleicht, auf Basis deren ein Interaktionsskript generiert wird.
In ihrem Kern verfolgen Beziehungen grundsätzlich eine Absicht: Sie bereichern und strukturieren den Lebenssinn einer Person (vgl. Fournier 2000, S. 215). So hängt die Entwicklung eines Individuums teilweise von den erlebten Beziehungen ab. Allgemein konstituiert sich eine Beziehung aus einer Folge von Interaktionen und Transaktionen zwischen mindestens zwei Austauschpartnern, die nicht zufällig sind (vgl. Bruhn/Eichen 2006, S. 9f.). So wird erst dann von einer Beziehung gesprochen, wenn es zu Folgetransaktionen kommt, die mit früheren, aktuellen und zukünftigen Transaktionen einen inhaltlichen Zusammenhang bilden. Kauft z.B. ein Passant am Bahnhofskiosk einmal pro Jahr eine Zeitung, so kann noch nicht von einer Beziehung gesprochen werden, da eine planmässige Verknüpfung der Einkäufe fehlt. Wendet sich jedoch eine Konsumentin bei der Auswahl ihrer Kosmetikprodukte regelmässig an dieselbe Marke, so kann von einer Konsumentenbeziehung gesprochen werden. Gemäss Asendorpf (2004, S. 7f.) wird in der Sozialpsychologie bei solchen Fällen von stabilen Interaktionsmustern gesprochen, wenn diese ein zukünftiges, beziehungsorientiertes Verhalten antizipieren lassen. Fournier (1998, S. 363ff.) geht noch einen Schritt weiter und stellt ein Markenbeziehungs-Qualitäts-Konstrukt auf, bei welchem nicht nur die Art der Beziehung variabel ist, sondern auch die Stärke und Dauerhaftigkeit der Beziehung. Dieses Konstrukt basiert auf sechs Faktoren, aus welchen sich wiederum die konstitutiven Merkmale einer Marken-Konsumenten-Beziehung ableiten lassen: es sind jeweils zwei konative, affektive und kognitive Faktoren (vgl. Abbildung 5).
Zu den konativen Faktoren gehört einerseits ein gewisse Verpflichtung (Commitment), andererseits eine gegenseitige Abhängigkeit. Ersteres zeigt sich darin, dass die Konsumenten eine Marke oft benutzen und mit ihr interagieren wollen, wenn sie mit dem Konsumgut zufrieden sind (vgl. Fournier 1998, S. 365f.). Weiter wird die Qualität einer Beziehung durch die Interaktion determiniert, weshalb die Interaktion als konstitutives Merkmal einer sozialen Beziehung fungiert (vgl. Frey/Greif 1983, S. 207; Bruhn/Eichen 2006, S. 10). Laut O’Malley/Patterson/Evans (1997, S. 552) hat jede Interaktion einen Einfluss auf die Beziehung: So wird die Entwicklung der Beziehung unter anderem von früheren Interaktionserlebnissen sowie von der Prognose zukünftiger Interaktionen abhängig gemacht (vgl. Piontkowski 1976, S. 20ff.).
Bei den kognitiven Faktoren nennt Fournier (1998, S. 363) die Markenpartnerqualität und Intimität. Das heisst, je stärker die Vertrautheit in der Beziehung ist, desto eher räumen die Beziehungspartner individuelle und persönliche Tatbestände ein, und es wird von Vertrauen gesprochen. Somit stellt die Intimität ein weiteres konstitutives Merkmal einer Beziehung dar (vgl. Simmel 1983, S. 350f.).
Zusätzlich zur Interaktion und Intimität wird auch die Reziprozität als konstitutives Merkmal einer Beziehung verstanden (vgl. Frey/Greif 1983, S. 155; Bruhn/Eichen 2006, S. 9f.). Die Reziprozität ist eine soziale Norm, welche besagt, dass jede Person sich gegenüber anderen so verhalten soll, wie diese sich ihr gegenüber verhalten (vgl. Bierhoff/Herner 2002, S. 182). Damit wird unter Reziprozität die gegenseitige Beeinflussung bzgl. der Einstellung und Verhalten verstanden (vgl. Fröhlich 1991, S. 193). Im Markenbeziehungs-Qualitäts-Konstrukt von Fournier (1998, S. 366) kann die Reziprozität aus den beiden affektiven Faktoren des Selbstbezugs und der Liebe/Leidenschaft hergeleitet werden, welche stark subjektiv geprägt sind. Eine Beziehung impliziert immer einen gewissen Grad an Selbstbezug und Leidenschaft für den Beziehungspartner, so dass nur so viel in die Beziehung investiert wird, wie die Person zurückerhält. Dieses Prinzip beinhaltet die gegenseitige Abhängigkeit und kann mit dem Begriff der Reziprozität zusammengefasst werden.
2.3.2 Interaktion
Grundsätzlich bezeichnet eine Interaktion (in der Sozialpsychologie) eine Form von Wechselseitigkeiten im Verhalten zwischen zwei Individuen, wobei letztendlich positive Konsequenzen überwiegen sollten (vgl. Bierhoff/Herner 2002, S. 107). Interaktionen erfolgen in bestimmten Interaktionsmustern, welche die Struktur des sozialen Einflusses zweier Personen bezeichnen und eine Interdependenz herstellen. Somit stellen Interaktionen soziales Handeln dar, welches sich aus einzelnen Kommunikationssequenzen zusammensetzt (vgl. Frey/Greif 1983, S. 107). Asendorpf (2004, S. 87ff.) bezeichnet diese Kommunikationssequenzen als dynamische Interaktionen, welche spezifische Wechselwirkungen beschreiben und abhängig von der Interaktionsintensität resp. der Nähe zum Beziehungspartner sind. Beispielsweise erscheint es für einen Fan als Beziehungspartner wichtig, eine hohe Interaktionsintensität auf einer persönlichen Basis zu erleben, anstatt mit automatisierten Interaktionen gelegentlich in Kontakt zu treten.
Gemäss Piontkowski (1976, S. 7f.) ist Interaktion eine Grundkategorie des menschlichen Verhaltens, das eine fundamentale Bedeutung auf das Verhalten anderer Personen hat. Unter sozialer Interaktion wird folglich das Verhalten von Individuen untersucht, das auf mutmassliche Reaktionen und Lernprozesse abgestimmt ist (vgl. Piontkowski 1976, S. 8). So interagieren bspw. Kinder grundsätzlich anders als Eltern, wobei die Interaktionsmuster der Erwachsenen im Laufe der Zeit von den Kindern adaptiert werden. Gemäss Piontkowski (1976, S. 10ff.) liegt nur dann eine soziale Interaktion vor, wenn die Aktionen einer Person auf das Verhalten des Partners einwirken und umgekehrt.
Gemäss Wiswede (1998, S. 150ff.) können Interaktionen als Austausch, Kooperation oder kommunikatives Handeln verstanden werden.
In der Austauschtheorie werden Interaktionen stets in ihrer Abhängigkeit eines Gleichgewichtes aus Geben und Nehmen interpretiert, welche die wohl umfassendste Theorie darstellt und auf dem Gegenstandsbereich der sozialen Interaktion basiert (vgl. Bruhn 2001a, S. 32f.). So können soziale Beziehungen nur dann von fortlaufender Dauer sein, wenn beide Partner aus der Beziehung längerfristig einen Gewinn erzielen. Daher ist ein rein individualistisches Nutzenmaximierungsmodell mit sozialer Interaktion nicht vereinbar. Kurzfristige Verluste können hingenommen werden, wobei längerfristig der Nutzengewinn überwiegen muss. Dieser muss aber nicht monetärer Natur sein, sondern kann auch aus psychologischen Belohnungen oder sozialen Informationen bestehen (vgl. Wiswede 1998, S. 95; Georgi 2000, S. 11). Folglich ist der Wille zur Fortführung einer Interaktion umso grösser, je höher die individuelle Belohnung ausfällt.
Interaktionen als Kooperation werden vor allem bei Interdependenzansätzen untersucht, welche im Gegensatz zur Austauschtheorie wechselseitige Abhängigkeiten der Interaktionspartner berücksichtigen und deshalb auch Gegenstand spieltheoretischer Überlegungen sind (vgl. Wiswede 1998, S. 150f.). Kooperationsmechanismen zielen darauf ab, ein vorteilhaftes oder zumindest befriedigendes Ergebnis der Beziehungspartner zu erzielen. Auf diese reziproken Strukturen einer Beziehung soll im anschliessenden Kapitel eingegangen werden.
Bierhoff/Herner (2002, S. 107) verstehen die Interaktion als soziale Handlung und Teilaspekt der Kommunikation. Als Motive einer Kommunikation werden individuelle Nutzenerwägungen, soziale Vergleichsprozesse zur Einstufung der eigenen Meinung, Gefühle sowie Attraktivität und Sympathie genannt (vgl. Wiswede 1998, S. 150f.). Piontkowski (1976, S. 8) hingegen teilt die Interaktion in die beiden Motivationssysteme Macht und Affiliation. Ersteres bezieht sich auf das Durchsetzen der eigenen Interessen gegen die Interessen des anderen. Affiliation jedoch bezeichnet den Drang, sich einer Gruppe von Leuten anzuschliessen und mit dieser Gruppe zu identifizieren resp. kommunizieren. Währendem die Kommunikation Gefühle auslöst, determinieren Gefühle wiederum die Kommunikation und Interaktion (vgl. Piontkowski 1976, S. 8). Somit ist die Kommunikation eine notwendige, auch wenn noch nicht hinreichende, Bedingung zur Auslösung von positiven Gefühlen beim Aufbau einer Beziehung. Eine erfolgreiche Kommunikation bedingt dabei, dass sie tatsächlich stattgefunden hat, und nicht nur beabsichtigt worden ist.
2.3.3 Intimität
Gemäss Simmel (1983, S. 351) ist Intimität Bestandteil jeder Beziehung, so dass diese nicht nur auf einen Zweck ausgerichtet ist, sondern die Person als ganzes erfasst und demzufolge von der Individualität des Partners abhängt. Deshalb kann nur von Intimität gesprochen werden, wenn beide Personen die Beziehung aktiv mitgestalten und auch Gefühle in diese einbringen. „Intimacy is an interpersonal process that involves communication of personal feelings and information to another person who responds warmly and sympathecally.“ (Reis/Shaver 1988, S. 375). Demzufolge enthält der Intimitätsaufbau zweier Beziehungspartner auch einen gewissen Grad an Selbstenthüllung (vgl. Ickes/Duck 2000, S. 47ff.).
Diese Selbstenthüllung birgt jedoch auch Risiken: So macht sich bspw. ein Beziehungspartner angreifbar, wenn er intime Gefühle dem Partner anvertraut, da dieser opportunistisch handeln könnte. Dieses Risiko wird in der Sozialpsychologie durch die Konzepte der Vertrautheit und des Vertrauens minimiert (vgl. Stroebe 2004, S. 335f.). Unter dem Begriff der Vertrautheit wird der Zustand verstanden, in dem die Beziehungspartner ihre Gefühle gegenseitig teilen und auf Verständnis des Partners hoffen (vgl. Stroebe 2004, S. 336). Liebe bspw. ist ein Zustand der Vertrautheit, so dass jene Beziehungspaare umso glücklicher sind, bei denen mehr Verständnis für die Anliegen des anderen gezeigt wird: “…intimate pairs with the investments that one person brings to the relationship (e.g. love, intelligence) are the rewards that the other person derives from the relationship, and vice versa.” (Brown 1986, S. 114). Das Ergebnis einer solchen Vertrautheit ist Vertrauen. Demnach kommt es nach einer intimen Selbstenthüllung darauf an, ob der Beziehungspartner positiv reagiert und selbst intime Persönlichkeitsfacetten offenbart. Dabei reduziert das Vertrauen die Komplexität der Kommunikation, wodurch zukünftige Interaktionen effizienter gestaltet werden können. Folglich muss ein Beziehungspartner bestimmte Fähigkeiten der Intimität erfüllen, damit eine Beziehung lange dauern kann. Die wichtige Fähigkeit einer langen Beziehung ist die persönliche Hilfe und Selbstöffnung (vgl. Ickes/Duck 2000, S. 47ff.). Werden diese beiden Faktoren durch eine Indiskretion verletzt, kann dies zur Beendigung der Beziehung führen. Somit bildet das Vertrauen eine notwendige, auch wenn noch nicht hinreichende, Bedingung der Intimität. Kurzfristig kann das Vertrauen einer Beziehung geschwächt werden, ohne dass es zu einer Beendigung der Beziehung kommt.
Längerfristig gelten diejenigen Beziehungen als stabil, die einen gleich grossen Grad der Selbstöffnung beider Beziehungspartner aufweisen. Die Solidarität und der Zusammenhalt wird besonders bei intimen Beziehungen betont, so dass zueinander passende Beziehungspaare als stabiler und glücklicher angesehen werden: „Compatible couples are couples ..., that become stable. In addition, compatible couples are happier and more content, than incompatible couples. There is evidence that matching (or equity) is an important factor in compatibility.” (Brown 1986, S. 113). Vor diesem Hintergrund der Solidarität werden Belohnungen nach dem Gleichheitsprinzip verteilt, währenddem bei oberflächlichen Beziehungen in grossen Gruppen vor allem das Beitragsprinzip zur Anwendung kommt (vgl. Stroebe 2004, S. 336). So gestaltet sich der Aufbau einer Beziehung umso schwieriger, desto grösser die Gruppe ist. Dies erscheint insofern logisch, als dass die Intimität resp. die Selbstenthüllung jedes Einzelnen durch das wachsende Kollektiv eingeschränkt wird (vgl. Stroebe 2004, S. 336f.). Somit ist die reziproke Selbstenthüllung der Kern einer engen, positiven Beziehung. Durch diese reziproke Selbstenthüllung entsteht eine freundschaftliche Gemeinsamkeit, die auf beidseitigem Vertrauen und Intimität basiert.
2.3.4 Reziprozität
Gemäss Bierhoff/Herner (2002, S. 155) ist die Reziprozität ein grundlegendes Merkmal sozialer Beziehungen und manifestiert sich in der Entwicklung des gegenseitigen Mögens. Grundsätzlich bezeichnet die Reziprozität eine soziale Norm, die besagt, dass sich der Mensch gegenüber seinen Mitmenschen so verhalten sollte, wie sich diese ihm gegenüber verhalten haben (vgl. Brown 1986, S. 54). So wird die Norm der Reziprozität bspw. im Bereich des prosozialen Verhaltens angewandt und besagt, dass man jener Person helfen sollte, die einem zuvor geholfen hat oder zukünftig helfen wird (vgl. Stroebe 2004, S. 673). Umgekehrt geht diese Norm davon aus, dass jemandem nicht geholfen wird, wenn er zuvor keine Hilfe angeboten hat. Somit basieren zukünftige Handlungen auf Ereignissen aus der Vergangenheit und stellen einen zeitlichen Bezug zur subjektiven Erlebnisgeschichte her. Geht man bei einer Hilfestellung des Beziehungspartner aus, so wird von einer positiven Reziprozität gesprochen, wobei bei einer Verweigerung der Hilfe von einer negative Reziprozität die Rede ist (vgl. Brown 1986, S. 55f.). So sind gute Freunde motivierter, einander zu helfen und Zeit in die Beziehung zu investieren, da sie das gleiche reziproke Verhalten vom Partner antizipieren.
[...]
[1] Bspw. eine Homepage eines Markenartikelherstellers, der den Vertrieb seiner Produkte ausschliesslich . via Internet-Shopping verkauft und so eine virtuelle Marken-Konsumenten-Beziehung aufbaut.
- Quote paper
- Patrik Weber (Author), 2006, Aufbau von Marken-Konsumenten-Beziehungen - Kritische Würdigung bestehender kommunikationsbezogener Ansätze der Praxis und Ableitung von Handlungsempfehlungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65707
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