"Da ich im Leben nie das eigentliche Glück der Liebe genossen habe, so will ich diesem schönsten aller Träume noch ein Denkmal setzen, in dem von Anfang bis zum Ende diese Liebe sich einmal so recht sättigen soll: ich habe im Kopfe einen Tristan und Isolde entworfen, die einfachste, aber vollblutigste musikalische Konzeption; mit der schwarzen Flagge, die am Ende weht, will ich mich dann zudecken - um zu sterben" schreibt Wagner am 16. Dezember 1854 an Franz Liszt. Hintergrund dieses Briefes ist die unglückliche und unerfüllte Liebe zu Mathilde Wesendonck, der Ehefrau Otto Wesendoncks, dessen Schuldner Wagner ist. So ist der "Tristan" nicht zu unrecht nach Ansicht zahlreicher Wagner-Biographen sein persönlichstes und menschlichstes Werk, läßt er doch seine eigene Liebesqual in die Tristan-Figur einfließen.
Andere wichtige Einflüsse auf "Tristan und Isolde" sind die Philosophie Schopenhauers, die romantischen Gedichte Novalis', insbesondere die Hymnen an die Nacht, die Dramen Calderóns sowie Schlegels Entwicklungsroman "Lucinde".
1865 wird Wagners Musikdrama uraufgeführt. Er selbst versieht es mit der Gattungsbezeichnung "Handlung". Zurückgehend auf die mittelalterliche Vorlage Gottfried von Straßburgs (ca. 1215) zeigt Wagners Bearbeitung jedoch nur den Kern des Epos. Alle äußere Handlung ist auf ein Minimum reduziert, Wagner kommt es auf die "innere" Handlung, auf die Sichtbarmachung der Seelenzustände der Protagonisten an. Diese "innere" Handlung verläuft entlang der Stadien "Liebesnot", "Liebesvollzug" und "Liebestod" und formuliert sich in der Auseinandersetzung der Akteure mit der sozialen Wirklichkeit und ihrer Flucht aus gesellschaftlichen Zwängen. Die großen Themen LIebe und Hass, Treue, Ehre und Verrrat, Liebe und Tod dienen dabei der Darstellung des Hauptthemas, der Liebesqual.
Die Auffassung der Romantik, die die Liebe nur als verbotene oder im Tod realisierbar sieht, prägt das gesamte Drama. So ist auch Tristans schon von Beginn an latent vorhandene Todessehnsucht, die immer offenbarer wird, romantisch motiviert. Ziel dieser Todessehnsucht ist die Vorstellung, im gemeinsamen Liebestod die Einheit von Liebe und Tod zu erreichen und die Liebe dadurch zu transzendieren. Dies nachzuweisen soll das Ziel dieser Interpretation sein.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Die soziale Wirklichkeit und die Realitätsfluch Tristans und Isoldes
2. Die Grundmuster der Kommunikation
3. Tristans Liebestod
Anmerkungen
Literaturverzeichnis
Einleitung
„Da ich im Leben nie das eigentliche Glück der Liebe genossen habe, so will ich diesem schönsten aller Träume noch ein Denkmal setzen, in dem von Anfang bis zum Ende diese Liebe sich einmal so recht sättigen soll: ich habe im Kopfe einen Tristan und Isolde entworfen, die einfachste, aber vollblutigste musikalische Konzeption, mit der schwarzen Flagge, die am Ende weht, will ich mich dann zudecken – um zu sterben“ /1/ schreibt Richard Wagner am 16. Dezember 1854 an Franz Liszt. Hintergrund dieses Briefes ist die unglückliche und unerfüllte Liebe zu Mathilde Wesendonck, der Ehefrau Otto Wesendoncks, dessen Schuldner Wagner ist. So ist der „Tristan“ nicht zu unrecht nach Ansicht zahlreicher Wagner-Biographen sein persönlichstes und menschlichstes Werk, lässt er doch seine eigene Liebesqual in die Tristan-Figur einfließen.
Andere wichtige Einflüsse auf „Tristan und Isolde“[1] sind die Philosophie Schopenhauers /2/, die romantischen Gedichte Novalis’, insbesondere die „Hymnen an die Nacht“ /3/, die Dramen Calderóns /4/ sowie Schlegels Entwicklungsroman „Lucinde“ /5/.
1865 wird Wagners Musikdrama uraufgeführt. Er selbst versieht es mit der Gattungsbezeichnung „Handlung“. Zurückgehend auf die mittelalterliche Vorlage Gottfried von Straßburgs (ca. 1215) zeigt Wagners Bearbeitung jedoch nur den Kern des Epos. Alle äußere Handlung ist auf ein Minimum reduziert, Wagner kommt es auf die „innere“ Handlung, auf die Sichtbarmachung der Seelenzustände der Protagonisten an.
Diese „innere“ Handlung verläuft entlang der Stadien „Liebesnot“ (1. Aufzug), „Liebesvollzug“ (2. Aufzug) und „Liebestod“ (3. Aufzug)[2] und formuliert sich in der Auseinandersetzung der Akteure mit der sozialen Wirklichkeit und ihrer Flucht aus gesellschaftlichen Zwängen. Die großen Themen Liebe und Hass, Treue, Ehre und Verrat, Liebe und Tod dienen dabei der Darstellung des Hauptthemas, der Liebesqual.
Die Auffassung der Romantik, die die Liebe nur als verbotene oder im Tod realisierbar sieht, prägt das gesamte Drama. So ist auch Tristans schon von Beginn an latent vorhandene Todessehnsucht, die immer offenbarer wird, romantisch motiviert. Ziel dieser Todessehnsucht ist die Vorstellung, im gemeinsamen Liebestod die Einheit von Liebe und Tod zu erreichen und die Liebe dadurch zu transzendieren. Dies nachzuweisen soll das Ziel dieser Interpretation sein.
Das Motiv der romantischen Liebe soll dabei ausschließlich werkimmanent betrachtet werden, da die Auseinandersetzung mit allen zu diesem Motiv gehörenden Strömungen den Rahmen dieser Interpretation überschreiten würde. Des Weiteren soll keine musikwissenschaftliche Analyse erfolgen, angemerkt sei nur, dass die Musik den Text häufig kontrapunktiert /6/.
In Kapitel 1 soll der erste und zweite Aufzug dahingehend untersucht werden, inwiefern Tristans Sehnsucht zum Tode in Zusammenhang mit der sozialen Wirklichkeit, die die Liebe der Protagonisten als verbotene definiert und ihrer Realitätsflucht, der Umgehung des Verbots, zu sehen ist.
In Kapitel 2 sollen die Grundmuster der Kommunikation des ersten und zweiten Aufzugs, die sich als Missverstehen, Schweigen und Verschweigen bezeichnen lassen, betrachtet werden. Wie sich die darin ablesbare scheinbare Überwindung der Individuation des Subjekts durch Liebe auf Tristans Todessehnsucht auswirkt, soll dabei im Mittelpunkt des Interesses stehen.
In Kapitel 3 soll gezeigt werden, warum Tristans Todessehnsucht sich im Liebestod vollzieht und warum die Absolution durch König Marke an seinem Todeswunsch auch dann nichts geändert hätte, wenn sie rechtzeitig erfolgt wäre.
1. Die soziale Wirklichkeit und die Realitätsflucht Tristans und Isoldes
Nur retrospektiv erfährt der Leser aus den Dialogen Isoldes und ihrer Dienerin Brangäne und den Isoldes und Tristans, wie es möglich wurde, dass sich eine soziale Wirklichkeit konstituieren konnte, die zunächst scheinbar nur Isolde, später dann auch Tristan antagonistisch gegenübersteht.
Es ist die Tragödie vor der Tragödie, die die Voraussetzungen für den heillosen Konflikt schafft: Tristan, Neffe und Vasall König Markes von Kornwall erschlägt Morold, den Verlobten der irischen Königstochter Isolde, als dieser den fälligen Zins eintreiben will. Doch auch Tristan wird – durch Morolds Schwert – verwundet. Unter falschem Namen lässt er sich von der heilkundigen Isolde gesund pflegen; diese entdeckt jedoch seine wahre Identität und schwört Rache. Das Schwert bereits über sein Haupt hebend, trifft sie sein Blick und ihr Hass verwandelt sich in Liebe. Sie lässt ihn geheilt nach Kornwall ziehen. Noch einmal kehrt Tristan nach Irland zurück, diesmal in der Rolle des Brautwerbers für König Marke.
Aus politischem Kalkül für eine Heirat mit dem greisen König Marke ausersehen, erfährt Isolde die Werbung um ihre Hand als zweifache Demütigung. So muss sie seinen Antrag von Morolds Mörder entgegennehmen, von dem Mann also, den sie aus Liebe verschonte, der sein Leben ihrer Heilkunst verdankt.
„Rache- und Todesgöttin“[3] zugleich, beschließt Isolde, auf der Überfahrt nach Kornwall ihren und Tristans Tod mittels des Todestranks und befiehlt Brangäne, diesen zu bereiten.
Wenn Tristan ihrem Wunsch nach Sühne entspricht und ihr den Becher mit den Worten
„Wohl kenn ich Irlands
Königin
und ihrer Künste
Wunderkraft.
Den Balsam nützt’ ich,
den sie bot:
den Becher nehm ich nun,
daß ganz ich heut genese.
Und achte auch
des Sühneeids,
den ich zum Dank dir sage!
Tristans Ehre –
höchste Treu’!
Tristans Elend –
kühnster Trotz!
Trug des Herzens!
Traum der Ahnung!
Ew’ger Trauer
einz’ger Trost:
Vergessens güt’ger Trank,
dich trink ich sonder Wank!“[4]
entreißt, macht er deutlich, dass er um dessen (vermeintlichen Inhalt weiß und seine Liebe zu Isolde zumindest ahnt.
„Ehre und Treu’, „Elend und Trotz“: diese sich polar gegenüberstehenden und sich ausschließenden Begriffspaare, die aus den Gegenwelten „sozial anerkannter Verhaltenskodex“ und „Flucht aus gesellschaftlichen Zwängen“ stammen, verweisen auf die Bewusstwerdung der schier ausweglosen Lage, in der sich Tristan befindet.
Der Erkenntnis, dass aus seiner unbedingten Treue zu seinem König und der gleichzeitigen erotischen Bindung an dessen Braut ein Zwiespalt erwächst, der ihn sowohl im Aufbegehren gegen alle moralische Konvention, als auch im fatalistischen Verzicht auf Isolde in sein Leiden stürzen wird, folgt der Schluss, den Trank als Heilmittel gegen immerwährende Qual anzunehmen. Tristan weiß, dass eine legitime Verbindung zu Isolde nun, da er sie offiziell als Braut für König Marke gewonnen hat, unmöglich ist, die Entsagung aber die Ursache „ew’ger Trauer“ sein würde.
Warum nun hat Tristan nicht selbst um Isolde geworben?
Die psychoanalytische Interpretation Peter Dettmerings[5] unterstellt Tristan als Motiv für seine Werbung um Isolde zu Gunsten eines anderen eine ödipale Beziehung zu ihr, in der sie die Rolle der erotisch begehrten Mutter einnimmt. Marke fällt dabei die Rolle des Vaters zu, dem Vorrang zu gewähren ist. Diesen Schluss zieht Dettmering aus Tristans häufiger Nennung der Begriffe Treue und Ehre, aus denen er seine mangelnde Geschlechtsidentität, die auf eine idealisierende Vaterfigur angewiesen bleibt, ableitet.
Tristan definiert seine Ehre zwar als „höchste Treu’“ zu seinem König, aber der historische Kontext, in dem diese Begriffe stehen, verlangt Berücksichtigung. Als Ausdruck sozialer Normen kann ihnen eine alltäglichere Verwendung unterstellt werden, die nicht zwangsläufig Rückschlüsse auf eine psychopathische Persönlichkeitsstruktur Tristans ermöglicht.
Tristan selbst gibt im 2. Aufzug Hinweise auf seine Motive. So ist nicht vorrangig die Treue zu Marke Antrieb seines Handelns, sondern „der Ehre Glanz“, „des Ruhmes Macht“[6] Isoldes, mit Hilfe derer er seinen eigenen Ruhm als Held vergrößern will. So sollen seine kriegerischen Erfolge durch ein friedliches Bündnis der beiden Königshäuser gekrönt werden.
Aber nicht nur seine Ruhmessucht reflektiert Tristan, sondern auch die Liebe zu Isolde, die er sich selbst nicht eingestand:
„Was dort in keuscher Nacht
dunkel verschlossen wacht’,
was ohne Wiss’ und Wahn
ich dämmernd dort empfahn:
ein Bild, das meine Augen
zu sehn sich nicht getrauten,
von des Tages schein betroffen
lag mir’s da schimmernd offen.“[7]
Die Verknüpfung von Selbsttäuschung und zu später Erkenntnis lassen die Brautwerbung in Unkenntnis seiner eigenen Bedürfnisse als schicksalhaftes Geschehen erscheinen, das den Grundstein für späteres Leid legt. Peter Wapnewski[8] hat jedoch darauf hingewiesen, dass Tristan als landloser Vasall Markes der irischen Königstochter nicht ebenbürtig ist und somit nicht selbst um sie werben konnte. Seine Vermutung, dass Tristans unbewusster Wunsch, Isolde wieder zu sehen, sich in der Brautwerbung für einen anderen äußert, ist nahe liegend.
Was sich also – oberflächlich betrachtet – darstellt als Ursache für die Liebe der beiden Protagonisten, der von Brangäne vertauschte Todestrank, der der Liebestrank ist, ist somit nicht mehr als der äußere Anlass für beider offenes Eingeständnis ihrer Liebe im Angesicht des Todes.
Tristan und Isolde wenden sich nun von der sozialen Wirklichkeit ab, die sie als Braut und Brautwerber definiert und eröffnen die Konfiguration Dreiecksbeziehung: Braut – Geliebter – Bräutigam (1. Aufzug), Ehefrau – Geliebter – Ehemann (2. und 3. Aufzug). Die Abkehr von der Gesellschaft und ihren Normen ist dabei Voraussetzung für die Aufnahme der Liebesbeziehung, deren Preis Tristan mit dem Verlust seiner Ehre bezahlt. Aber diese Ehre
„enthüllt sich den Liebenden nunmehr als Trug des Tages, als Schablone einer dürftigen Scheinwirklichkeit.“[9]
[...]
[1] Die Textzitate folgen der Reclam-Ausgabe von Richard Wagners „Tristan und Isolde“
[2] Vgl. Wapnewski, Peter: Der traurige Gott. Richard Wagner in seinen Helden, München 1978,
[3] Dettmering, Peter: Die Regression Tristans. In: Dichtung und Psychoanalyse, München 1969,
[4] S. 26, 1. Aufzug, 5. Auftritt
[5] Dettmering, Peter: a.a.O., S. 196 f.
[6] S. 38, 2. Aufzug, 2. Auftritt
[7] S. 38, 2. Aufzug, 2. Auftritt
[8] Wapnewski, Peter: Tristan der Held Richard Wagners, Berlin 1981,
[9] Wapnewski, Peter: a.a.O.,
- Arbeit zitieren
- MA Annette Wallbruch (Autor:in), 1997, Die Todessehnsucht Tristans in Richard Wagners 'Tristan und Isolde', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65137
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