Rückstellungen stellen ein wichtiges Instrument der Bilanzpolitik dar. Auch wenn der Unternehmer nicht beliebig Rückstellungen bilden bzw. auf den Ansatz verzichten kann, gibt gerade die den Rückstellungen inhärente Eigenschaft der Ungewissheit dem Unternehmer einen „gewissen“ Freiraum, Rückstellungen als Mittel der Bilanzkosmetik einzusetzen. So führt die Bildung von Rückstellungen zu einem niedrigeren Gewinn. Ist nach Einschätzung des Unternehmers bspw. keine Passivierung vorzunehmen, weist er einen höheren Gewinn aus, als ein vergleichbarer konservativer Unternehmer, der den gleichen Sachverhalt anders beurteilt und die Rückstellung passiviert hat. Für die Steuerbilanz gilt das sog. Maßgeblichkeitsprinzip. Das bedeutet, dass die Ansätze und Bewertungen in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgeblich sind. Jedoch wird dieses Prinzip zunehmend durch das Steuerrecht durchbrochen, so dass sich die Steuerbilanz immer mehr von der Handelsbilanz unterscheidet. Ein Beispiel für die Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips stellt das steuerrechtliche Bilanzierungsverbot von Drohverlustrückstellungen in § 5 Abs. 4a EStG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1996 enden dar. So müssen Drohverlustrückstellungen in der Handelsbilanz passiviert werden. Im Gegenzug jedoch ist eine Passivierung der Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften steuerrechtlich verboten. Seit der Einführung dieses Bilanzierungsverbotes rückt die Abgrenzung zwischen einer - unzulässigen - Rückstellung für drohende Verluste und einer - unverändert zulässigen - Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten immer mehr in den Vordergrund steuerbilanzrechtlicher Entscheidungen. Im Kfz- Handel spielt diese Abgrenzung gerade bei den Rückkaufsverpflichtungen eine entscheidende Rolle. Strittig ist, ob die Aufwendungen für die Bildung der Rückstellung gewinnwirksam in der Steuerbilanz berücksichtigt werden können. Dies kommt jedoch nur in Betracht, sofern es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten handelt.
Inhaltsverzeichnis
1 Einführung
2 Allgemeines
2.1 Begriff
2.2 Bedeutung
2.3 Abgrenzung zu anderen Passivposten
2.3.1 Abgrenzung gegenüber den Verbindlichkeiten
2.3.2 Abgrenzung gegenüber den passiven Rechnungsabgrenzungsposten
2.3.3 Abgrenzung gegenüber den Wertberichtigungen
2.3.4 Abgrenzung zu den Rücklagen
3 Abgrenzung von Drohverlust- und Verbindlichkeitsrückstellungen
3.1 Drohverlustrückstellungen
3.1.1 Schwebendes Geschäft
3.1.2 Drohender Verlust
3.2 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
3.2.1 Außenverpflichtung
3.2.2 Ungewissheit
3.2.3 Wahrscheinliche Inanspruchnahme
3.2.4 Wirtschaftliche Verursachung
3.3 Unterschiede zwischen Drohverlust – und Verbindlichkeitsrückstellungen
4 Verdeutlichung der Abgrenzungsproblematik anhand der Rückkaufsverpflichtung im Kfz- Handel
4.1 Rückkaufsverpflichtung im Kfz-Handel
4.2 Die Auffassung der Rechtssprechung
4.3 Die Ansichten in der Literatur
4.3.1 Der Ansatz von Kolb
4.3.2 Der Ansatz von Rätke
4.3.3 Der Ansatz von Kossow
4.3.4 Der Ansatz von Wulf / Petzold
4.4 Kritische Würdigung - Befürworter der Verbindlichkeitsrückstellung -
4.4.1 FG Bremen
4.4.2 Ausführungen von Kolb
4.4.3 Ausführungen von Rätke
4.5 Kritische Würdigung – Gegner der Verbindlichkeitsrückstellung
4.5.1 Ausführungen von Kossow
4.5.2 Ausführungen von Wulf und Petzold
5 Eigener Lösungsansatz
6 Zusammenfassung
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einführung
Rückstellungen stellen ein wichtiges Instrument der Bilanzpolitik dar. Auch wenn der Unternehmer nicht beliebig Rückstellungen bilden bzw. auf den Ansatz verzichten kann, gibt gerade die den Rückstellungen inhärente Eigenschaft der Ungewissheit dem Unternehmer einen „gewissen“ Freiraum, Rückstellungen als Mittel der Bilanzkosmetik einzusetzen.[1] So führt die Bildung von Rückstellungen zu einem niedrigeren Gewinn. Ist nach Einschätzung des Unternehmers bspw. keine Passivierung vorzunehmen, weist er einen höheren Gewinn aus, als ein vergleichbarer konservativer Unternehmer, der den gleichen Sachverhalt anders beurteilt und die Rückstellung passiviert hat. Für die Steuerbilanz gilt das sog. Maßgeblichkeitsprinzip. Das bedeutet, dass die Ansätze und Bewertungen in der Handelsbilanz für die Steuerbilanz maßgeblich sind. Jedoch wird dieses Prinzip zunehmend durch das Steuerrecht durchbrochen, so dass sich die Steuerbilanz immer mehr von der Handelsbilanz unterscheidet. Ein Beispiel für die Durchbrechung des Maßgeblichkeitsprinzips stellt das steuerrechtliche Bilanzierungsverbot von Drohverlustrückstellungen in § 5 Abs. 4a EStG für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1996 enden dar. So müssen Drohverlustrückstellungen in der Handelsbilanz passiviert werden. Im Gegenzug jedoch ist eine Passivierung der Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften steuerrechtlich verboten. Seit der Einführung dieses Bilanzierungsverbotes rückt die Abgrenzung zwischen einer – unzulässigen – Rückstellung für drohende Verluste und einer – unverändert zulässigen – Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten immer mehr in den Vordergrund steuerbilanzrechtlicher Entscheidungen. Im Kfz- Handel spielt diese Abgrenzung gerade bei den Rückkaufsverpflichtungen eine entscheidende Rolle. Strittig ist, ob die Aufwendungen für die Bildung der Rückstellung gewinnwirksam in der Steuerbilanz berücksichtigt werden können. Dies kommt jedoch nur in Betracht, sofern es sich um eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten handelt. Das FG Bremen hat das mit Urteil vom 26. August 2004 verneint und ist zu dem Schluss gelangt, dass nur eine Rückstellung für drohende Verluste in Betracht komme. Somit können die Aufwendungen für die Passivierung der Rückstellung steuerrechtlich nicht gewinnmindernd berücksichtigt werden. Der Kfz-Händler weist in der Handelsbilanz einen niedrigeren Gewinn als in der Steuerbilanz aus. Für die Besteuerung ist der höhere steuerrechtliche Gewinn maßgeblich. Im Ergebnis muss der Unternehmer mehr Steuern abführen. Das führt verständlicherweise dazu, dass betroffene Unternehmer nach Argumenten suchen, warum es sich um eine zulässige Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten und nicht um eine Drohverlustrückstellung handelt. Insofern ist es nachvollziehbar, dass der im Rahmen der Diplomarbeit zu untersuchende Kfz-Händler am 22.11.2004 Revision beim BFH gegen das Urteil des FG’ s Bremen eingelegt hat. Wie der BFH entscheiden wird, bleibt abzuwarten. Die Diplomarbeit wird sich insbesondere mit den Problemen bei der Abgrenzung von Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten und den Rückstellungen für drohende Verluste befassen und diese theoretische Frage anhand eines plastischen Beispiels – nämlich der Rückkaufsverpflichtung im Kfz-Handel - verdeutlichen. Dabei werden insbesondere unterschiedliche Standpunkte hinsichtlich der Rückkaufsverpflichtungen gegenübergestellt und analysiert. Da es bei dieser Problematik allein darum geht, ob eine Rückstellung für die im Kfz-Handel üblichen Rückkaufsverpflichtungen überhaupt angesetzt werden darf oder nicht, liegt die Problematik hier im Bilanzansatz. Die Frage der Bewertung stellt sich nur, sofern es überhaupt zum Bilanzansatz kommt. Da aber gerade diese Frage im Rahmen dieser Diplomarbeit erörtert werden soll, würde die Auseinandersetzung mit dem ebenfalls strittigen Thema der Bewertung den Rahmen der Diplomarbeit eindeutig sprengen.
2 Allgemeines
2.1 Begriff
Bei den Rückstellungen handelt es sich um auf der Passivseite ausgewiesene Bilanzpositionen, die zusammen mit den Verbindlichkeiten das Fremdkapital eines Unternehmens bilden.[2] Sie dienen dazu, die bestehenden betrieblichen Verpflichtungen vollständig auszuweisen. Darüber hinaus stellen sie eine besondere Art von Abgrenzungsposten dar und berücksichtigen zukünftig anfallende Ausgaben (z.B. Geldzahlungen, Dienst- und Sachleistungen,…), die wirtschaftlich das abgelaufene Geschäftsjahr betreffen, im Jahr ihrer Verursachung.[3] Das Besondere ist, dass die Verpflichtungen am Bilanzstichtag dem Grunde und /oder der Höhe nach ungewiss sind.[4] Zu unterscheiden ist zwischen Verbindlichkeitsrückstellungen, denen eine ungewisse Verpflichtung gegenüber einem anderen zu Grunde liegt, Verlustrückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften und echten Aufwandsrückstellungen.[5] Die handelsrechtlichen Vorschriften für alle Kaufleute enthält § 249 HGB. § 274 HGB beinhaltet ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften zu den Steuerrückstellungen.[6] Aufgrund der in § 5 Abs. 1 S. 1 EStG verankerten Maßgeblichkeit gilt grundsätzlich, dass Passivierungsgebote in der Handelsbilanz - bis auf die in § 5 Abs. 2a – 4b EStG aufgeführten Ausnahmen- zwingend zur Passivierung in der Steuerbilanz führen. Besteht jedoch handelsrechtlich ein Wahlrecht zur Bildung einer Rückstellung (§ 249 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 HGB), darf die Rückstellung steuerrechtlich nicht gebildet werden.[7]
2.2 Bedeutung
Die Bildung einer Rückstellung führt zu einer Gewinnminderung, bevor die Aufwendungen tatsächlich in Form einer Zahlung geleistet werden. Soweit die Rückstellungsbildung auch steuerlich anerkannt wird, reduziert sich dadurch die Steuerschuld. Im Gegenzug bleiben im Zeitpunkt des tatsächlichen Kostenanfalls die Aufwendungen bis in Höhe des Rückstellungsbetrages ohne Gewinnauswirkung. Wenn die gebildeten Rückstellungen im Optimalfall identisch mit den tatsächlich anfallenden Aufwendungen sind, wird der Aufwand komplett mit den Erträgen aus der Auflösung der Rückstellung kompensiert. Wirtschaftlich gesehen erhält das Unternehmen durch die vorgezogene Aufwandsberücksichtigung einen vorübergehenden Liquiditätsvorteil bzw. einen Zinsgewinn.[8] Weiterhin kann das Unternehmen seine steuerliche Belastung mindern, wenn der Steuersatz im Zeitpunkt des tatsächlichen Kostenanfalls niedriger ist als zum Zeitpunkt der früheren Rückstellungsbildung und zwar durch die steuerliche Berücksichtigung von Aufwendungen in Zeiten hoher Steuersätze. Ferner weisen gerade langfristige Rückstellungen einen Finanzierungseffekt auf und zwar dadurch, das liquide Mittel, die durch den Umsatzprozess zugeflossen sind, für eine bestimmte Zeit – zwischen Bildung und Auflösung / Inanspruchnahme der Rückstellung – im Unternehmen verbleiben. Der Umfang des Finanzierungseffektes hängt neben der Höhe insbesondere von der Fristigkeit der Rückstellung ab. Weiterhin ergeben sich aus dem durch die Rückstellungsbilanzierung beeinflussten bilanziellen Schuldausweis in der Praxis gravierende Folgewirkungen. Der bilanzielle Charakter der Rückstellung als Schuld beeinflusst wesentliche Kennzahlen des Unternehmens. So hängen wichtige Größen wie Eigenkapitalquote und Liquiditätsgrade, die z.B. Bedeutung für das Rating eines Unternehmens haben, vom Umfang der Rückstellungsbilanzierung ab.[9]
2.3 Abgrenzung zu anderen Passivposten
Rückstellungen sind auf der Passivseite der Bilanz auszuweisen und lassen sich von den wichtigsten sonstigen Passivposten wie folgt abgrenzen:
2.3.1 Abgrenzung gegenüber den Verbindlichkeiten
Verbindlichkeiten sind – wie auch die Rückstellungen- passive Wirtschaftsgüter, die Leistungspflichten gegenüber Dritten ausweisen, die am Bilanzstichtag dem Grunde und der Höhe nach gewiss sind.[10] Ganz im Gegensatz zu den Rückstellungen, bei denen es sich um ungewisse Aufwendungen handelt. Ungewiss können dabei die Höhe des Aufwands und /oder die tatsächliche Entstehung von Aufwendungen sein. Die Ungewissheit kommt i.d.R. dadurch zum Ausdruck, dass die ggf. anfallenden Aufwendungen sich nur durch eine Schätzung ermitteln lassen. Die Schätzung umfasst dabei die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme und deren Höhe. Konkretisiert sich die Höhe einer Verpflichtung, z.B. durch einen Steuerbescheid, ist die Rückstellung durch eine Verbindlichkeit zu ersetzen.[11]
2.3.2 Abgrenzung gegenüber den passiven Rechnungsabgrenzungsposten
Die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich ist bestrebt, den periodengerechten Gewinn zu ermitteln. Dies erfordert die Bildung eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens, wenn Einnahmen vor dem Abschlussstichtag anfallen, die wirtschaftlich jedoch erst Erträge für eine bestimmt Zeit nach dem Bilanzstichtag darstellen.[12] In solchen Fällen sind die Einnahmen abzugrenzen. Damit wird sichergestellt, dass nur die Einnahmen als Erträge berücksichtigt werden, die dem Geschäftsjahr auch wirtschaftlich zuzuordnen sind.[13] Eine Rückstellung bezieht sich auf einen in vergangenen Rechnungsperioden entstandenen Aufwand, welcher erst in einer späteren Periode zu einer Ausgabe führt. Betragsmäßig stehen Rechnungsabgrenzungsposten bereits fest, womit eine Rückstellungsbildung ebenfalls nicht in Frage kommt.[14]
2.3.3 Abgrenzung gegenüber den Wertberichtigungen
Wertberichtigungen beziehen sich immer auf einen in der Bilanz auf der Aktivseite ausgewiesenen Vermögenswert. So mindern Wertberichtigungsposten wie EWB’s und PWB’s, die auf den Forderungsbestand gebildet werden, den Gewinn und korrigieren den entsprechenden Vermögensansatz auf der Aktivseite. Die Bildung einer Rückstellung ist gleichfalls erfolgswirksam, jedoch wird durch deren Ansatz kein Vermögenswert korrigiert.[15]
2.3.4 Abgrenzung zu den Rücklagen
Rücklagen stellen Teile des Eigenkapitals dar. Rückstellungen hingegen werden dem Fremdkapital zugerechnet. Im Ertragssteuerrecht wird zwischen offenen und stillen Rücklagen (=stille Reserven) unterschieden. Offene Rücklagen, die in der Bilanz ausgewiesen werden, stellen Eigenkapital dar, soweit sie durch die Abzweigung von Kapital gebildet wurden. Stille Reserven werden nicht in der Bilanz ausgewiesen. Die stillen Reserven werden erst bei der Veräußerung oder der Entnahme des Wirtschaftsgutes aufgedeckt. Durch Rücklagen werden allgemeine Risiken antizipiert, während Rückstellungen auf bestimmte Sachverhalte ausgerichtet sind. Rückstellungen sind Ausprägungen des im Handelsrecht verankerten Vorsichtsprinzips. Rücklagen hingegen sind das Ergebnis der Gewinnverwendung. Sie werden aus dem bereits versteuerten Gewinn gebildet, während Rückstellungen den zu versteuernden Gewinn noch mindern.[16]
3 Abgrenzung von Drohverlust- und Verbindlichkeitsrückstellungen
Rückstellungen sind in der Handelsbilanz gemäß § 249 Abs. 1 S. 1 HGB für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden. Während der Differenzierung in Verbindlichkeits- und Verlustrückstellungen in der Vergangenheit überwiegend dogmatische Bedeutung zugesprochen wurde, hat sie mit dem Steuerreformgesetz von 1997 eine neue Dimension erfahren, da in der Steuerbilanz nur noch Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten anerkannt werden, Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften hingegen wegen des Verbots in § 5 Abs. 4a EStG nicht mehr gebildet werden dürfen.[17] Dieser Hintergrund macht es erforderlich beide Rückstellungsarten genau voneinander abzugrenzen.
3.1 Drohverlustrückstellungen
Im Handelsrecht besteht nach § 249 Abs.1 Satz 1 HGB 2. Alternative eine Passivierungspflicht für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften. Im Steuerrecht hingegen ist die Passivierung von Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften gemäß § 5 Abs. 4 a EStG verboten.[18] Die Regelung bezieht sich auf Einzelrückstellungen und Rückstellungen aus Dauerschuldverhältnissen. § 5 Abs. 4 a EStG ist gemäß § 52 Abs. 6a EStG erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach dem 31.12.1996 enden. Zuvor zulässigerweise gebildete Rückstellungen sind gewinnerhöhend aufzulösen, im ersten nach dem 31.12.1996 endenden Wirtschaftsjahr mit mindestens 25 % und mit jeweils mindestens 15 % im 2. – 6. Wirtschaftsjahr.[19] Die künftigen Aufwendungen bei den Drohverlustrückstellungen hängen mit künftig zu realisierenden Erträgen zusammen.[20]
Voraussetzung für die Passivierung einer Drohverlustrückstellung ist, dass ein schwebendes Geschäft vorliegt, aus dem ein Verlust tatsächlich droht.[21]
3.1.1 Schwebendes Geschäft
Ein schwebendes Geschäft liegt vor, wenn ein gegenseitiger Vertrag abgeschlossen wird (oder ein bindendes Vertragsangebot vorliegt, dessen Annahme sicher ist)[22] und dieser weder von der zu Sach- oder Dienstleistung noch von der zu Geldleistung verpflichteten Vertragspartei erfüllt ist.[23] Sind nur noch unwesentliche Nebenpflichten offen, ist ein schwebendes Geschäft nicht mehr gegeben.[24] Die Ansprüche und Verpflichtungen aus dem schwebenden Geschäft werden während des Schwebezustandes nicht bilanziert, da während dieses Zustandes von der sog. Ausgeglichenheitsvermutung zwischen Leistung und Gegenleistung auszugehen ist. Die Frage nach der Bilanzierung stellt sich in diesem Fall nicht, da der Unternehmer aus dem noch nicht abgewickelten Geschäft wohl im Regelfall Gewinne erwarten dürfte. Schließlich wäre er sonst das „Geschäft“ nicht eingegangen. Da nicht realisierte Gewinne nach dem Realisationsprinzip nicht ausgewiesen werden dürfen, scheidet eine Bilanzierung in diesem Fall aus. Zu einem Bilanzierungsproblem während des Schwebezustandes kommt es nur, wenn ein Verlust aus diesem „Geschäft“ droht.[25] Das Imparitätsprinzip und der Grundsatz der Vorsicht machen dann den Ausweis nicht realisierter Verluste erforderlich (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 erster Teilsatz HGB).[26] Die Berücksichtigung letztgenannter Prinzipien erfordert es, drohende Verluste in der Handelsbilanz abzubilden.
3.1.2 Drohender Verlust
Ein Verlust i.S.d. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB droht, wenn und soweit der Wert der vom Kaufmann im schwebenden Geschäft zu erbringenden Leistung mehr wert ist, als die von ihm zu beanspruchenden Gegenleistung (Verpflichtungsüberschuss). Dazu reicht die bloße Möglichkeit eines Verlusteintritts nicht aus, da sie bei jedem schwebenden Geschäft besteht. Drohen bedeutet vielmehr, dass Anzeichen gegeben sind, die den Eintritt eines Verlustes im konkreten Fall ernsthaft bevorstehend erscheinen lassen. Dabei ist von der Sorgfalt eines gewissenhaften Kaufmanns auszugehen. Eine einseitige übervorsichtige Beurteilung entspricht einerseits nicht dem Sinn einer aussagefähigen Rechnungslegung und damit auch nicht dem Ziel einer den tatsächlichen Verhältnissen entsprechenden Darstellung der Vermögens- und Ertragslage. Weiterhin würde sie dem Grundsatz des § 253 Abs. 1 Satz 2 2. Halbsatz HGB widersprechen, wonach Rückstellungen - auch solche für drohende Verluste - nur in Höhe des notwendigen Betrages angesetzt werden dürfen. Es müssen daher ―nach allgemeinen Grundsätzen der Rückstellungsbildung― mehr Gründe für das Eintreten eines Verlustes sprechen als dagegen.[27] Zu unterscheiden ist zwischen drohenden Verlusten aus schwebenden Einkaufs- und Verkaufsgeschäften sowie aus Dauerschuldverhältnissen.[28] Bei schwebenden Einkaufsgeschäften liegt ein Verlust vor, wenn am Bilanzstichtag der Teilwert des bestellten, aber noch nicht erhaltenen Wirtschafsgutes niedriger ist als der vereinbarte Kaufpreis.[29] Bei noch nicht erfüllten Verkaufsgeschäften muss handelsrechtlich eine Rückstellung gebildet werden, wenn der vereinbarte Verkaufspreis unter den AK/HK des zu veräußernden Wirtschaftsgutes oder wenn das Entgelt für eine Dienst – oder Werkleistung unter den HK liegt.[30]
3.2 Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten sind auch in der Steuerbilanz zu bilden, da § 249 Abs. 1 S.1 HGB aufgrund des Maßgeblichkeitsprinzips nach § 5 Abs. 1 S.1 EStG auch für die Steuerbilanz gilt. Nach ständiger BFH-Rechtssprechung müssen folgende Positivkriterien kumulativ vorliegen:
- Es muss sich um eine Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten oder eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung handeln;
- die dem Grund oder der Höhe nach ungewiss ist;
- es muss eine gewisse Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme bestehen;
- die Verbindlichkeit muss ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag haben.
Darüber hinaus gelten folgende Negativkriterien für Verbindlichkeitsrückstellungen:
- eine Passivierung darf nicht nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften (z.B. § 4 Abs. 5 EStG, § 5 Abs. 3 bis 4 b EStG) unzulässig sein;
- die Verbindlichkeit muss außerhalb eines schwebenden Geschäfts bestehen;
- es darf sich nicht, um privat veranlasste Verbindlichkeiten handeln, vielmehr muss eine betriebliche Veranlassung vorliegen.[31]
[...]
[1] Vgl. Ullrich, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, S. 17
[2] Vgl. P/F/G, Internationale Rechnungslegung, S. 382
[3] Vgl. Maus, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, S.1
[4] Vgl. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, S. 139
[5] Vgl. Schmidt/ Weber-Grellet EStG § 5 Rz 351
[6] Vgl. Endriss, Lb, S. 178
[7] Vgl. BFH vom 25.8.1989 - III R 95/87
[8] Vgl. Maus, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, S. 2
[9] Vgl. Heizmann, Steuer und Studium, 2004, 87
[10] Vgl. Birk, Steuerrecht, S. 243, Rn 780
[11] Vgl. Maus, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, S. 4
[12] Vgl. § 250 Abs. 1 S. 1 HGB, § 5 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 EStG
[13] Vgl. Maus, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, S. 5 ff.
[14] Vgl. Ullrich, Rückstellung in der Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht, S. 37
[15] Maus, Rückstellungen in der Handels- und Steuerbilanz, S. 6
[16] Vgl. Ullrich, Rückstellung in der Handels- und Steuerbilanz nach neuem Recht, S.36
[17] Vgl. Wiesbrock, Die Verlustrückstellung im Steuer- und Verfassungsrecht, S. 67
[18] Vgl. Horschitz, Lb, S. 431
[19] Vgl. Schmidt/Weber-Grellet EStG § 5 Rz 450
[20] Vgl. Moxter, DB97, S. 1479
[21] Vgl. Kossow, StuB 01, 210
[22] Vgl. Weber-Grellet, Steuerbilanzrecht, S. 154
[23] Vgl. FG Bremen, Urteil vom 26. August 2004
[24] A.a.O. (Fn. 18)
[25] Vgl. LBP/Hoffmann, §§ 4,5 EStG, RZ 890
[26] Vgl. Endriss, Bilanzbuchhalter, S. 187
[27] Vgl. BFH-Urteil v. 15.09.2004 – I R 5/04
[28] Vgl. Endriss, Bilanzbuchhalter, S. 187, Rn. 1762
[29] Vgl. Maus, Rückstellungen in der Handels – und Steuerbilanz, S. 69
[30] Vgl. Endriss, Bilanzbuchhalter, S.188, Rn. 1768
[31] Vgl. Winnefeld,Bilanz-HB, Rz. 1005; Vgl. Heizmann, StuS 04, S. 86ff.; Vgl. LBP/Hoffmann, §§4,5 EStG, Rz. 869; Vgl. HHR/Tiedchen,§ 5 EStG, Anm. 490;
- Quote paper
- Dipl. Finanzwirtin Verena Boerner (Author), 2006, Probleme bei der Abgrenzung zwischen Drohverlust- und Verbindlichkeitsrückstellungen insbesondere am Beispiel der Rückkaufsverpflichtung im Kfz-Handel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/65071
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