Die folgende Abhandlung über die Kritik der Politischen Ökonomie von Karl Marx beschäftigt sich sowohl mit der Analyse ihrer Prämissen und Methoden als auch mit deren Verflechtung und soll als Aufforderung zur kritischen Reflexion über diese verstanden werden.
Dabei wird die Funktion von Methoden und Prämissen als elementar für jede Theorie im allgemeinen und für die Marxsche Theorie im besonderen angesehen, da sie Fundament und Metatext einer jeden Theorie bilden, stets mit einem spezifischen Wissenschaftsverständnis verbunden sind und auf ein bestimmtes Paradigma, eine bestimmte ideologische Grundhaltung hinweisen. Die Methoden- und Prämissenreflektion ist somit für die Weiterentwicklung jeder Theorie essenziell. Gerade in dieser Hinsicht scheint die Marxsche Theorie jedoch ein Defizit aufzuzeigen. Dies hat zur Folge, dass eine Weiterentwicklung der Theorie erschwert wird, diese anstatt dessen eher beständig um sich selbst kreist und unter sich bleibt.
Will man also das Verständnis der Marxschen Theorie erhöhen und ihre Funktionsweise offen legen, so muss man sowohl die Herkunft, die Motivation und die unterschiedlichen Interpretationen der Arbeitswertlehre und des Wertbegriffs als auch die Implikationen der Marxschen Methodik und die Kritik an derselben betrachten. Erst im Kontext, im Gegensatz, in der Differenz wird das Untersuchungsobjekt erkennbar, begreifbar und abgrenzbar. Daher soll durch diese Arbeit eine dialektische, dialogische Form verwirklicht werden, indem sowohl Argumentationsmuster und Argumentationsstrategien der Marxschen Theorie in Hinblick auf die Funktion der Prämissen und Methoden für die Theorie aufgezeigt werden als auch die Kritik an der Marxschen Methodik als Absicherungsmechanismus diesen entgegen gestellt wird. Durch die Reflexion über die Annahmen einer Theorie kann ein Erkenntniszuwachs über diese und eine Relativierung ihrer Gültigkeit abgeleitet werden. Des Weiteren stellt die Kenntnis der impliziten Annahmen und Konnotationen der Begriffe die Voraussetzung für die Vermittlung zwischen Theorien und für jede interdisziplinäre Tätigkeit dar.
Zunächst soll im ersten Teil der Arbeit die Arbeitswertlehre der klassischen politischen Ökonomie von Aristoteles über Smith bis hin zu Ricardo anhand ihrer historischen Entwicklung und Veränderung entfaltet und aus dieser die grundlegende Prämisse der Kritik der politischen Ökonomie, die Arbeitswertlehre von Marx, hergeleitet werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Die Grundprämissen der Arbeitswertlehre und des daraus entwickelten Wertbegriffs der Kritik der Politischen Ökonomie
2.1 Ursprung und historische Entwicklung der Arbeitswertlehre
2.2 Die Arbeitswertlehre und der Wertbegriff bei Karl Marx
2.3 Bedeutung und Funktion der Arbeitswertlehre und des Wertbegriffs für die Kritik der Politischen Ökonomie
3 Die Bedeutung der Methoden Dialektik, logische Deduktion und Abstraktion für die Kritik der Politischen Ökonomie
3.1 Dialektik
3.2 Abstraktion
3.3 Logische Deduktion
4 Schlussbemerkung
5 Bibliographische Angaben
1 Einleitung
Die folgende Abhandlung über die Kritik der Politischen Ökonomie von Karl Marx beschäftigt sich sowohl mit der Analyse ihrer Prämissen und Methoden als auch mit deren Verflechtung und soll als Aufforderung zur kritischen Reflexion über diese verstanden werden.
Dabei wird die Funktion von Methoden und Prämissen als elementar für jede Theorie im allgemeinen und für die Marxsche Theorie im besonderen angesehen, da sie Fundament und Metatext einer jeden Theorie bilden, stets mit einem spezifischen Wissenschaftsverständnis verbunden sind und auf ein bestimmtes Paradigma, eine bestimmte ideologische Grundhaltung hinweisen. Die Methoden- und Prämissenreflektion ist somit für die Weiterentwicklung jeder Theorie essenziell. Gerade in dieser Hinsicht scheint die Marxsche Theorie jedoch ein Defizit aufzuzeigen. Dies hat zur Folge, dass eine Weiterentwicklung der Theorie erschwert wird, diese anstatt dessen eher beständig um sich selbst kreist und unter sich bleibt.
Will man also das Verständnis der Marxschen Theorie erhöhen und ihre Funktionsweise offen legen, so muss man sowohl die Herkunft, die Motivation und die unterschiedlichen Interpretationen der Arbeitswertlehre und des Wertbegriffs als auch die Implikationen der Marxschen Methodik und die Kritik an derselben betrachten. Erst im Kontext, im Gegensatz, in der Differenz wird das Untersuchungsobjekt erkennbar, begreifbar und abgrenzbar. Daher soll durch diese Arbeit eine dialektische, dialogische Form verwirklicht werden, indem sowohl Argumentationsmuster und Argumentationsstrategien der Marxschen Theorie in Hinblick auf die Funktion der Prämissen und Methoden für die Theorie aufgezeigt werden als auch die Kritik an der Marxschen Methodik als Absicherungsmechanismus diesen entgegen gestellt wird. Durch die Reflexion über die Annahmen einer Theorie kann ein Erkenntniszuwachs über diese und eine Relativierung ihrer Gültigkeit abgeleitet werden. Des Weiteren stellt die Kenntnis der impliziten Annahmen und Konnotationen der Begriffe die Voraussetzung für die Vermittlung zwischen Theorien und für jede interdisziplinäre Tätigkeit dar.
Zunächst soll im ersten Teil der Arbeit die Arbeitswertlehre der klassischen politischen Ökonomie von Aristoteles über Smith bis hin zu Ricardo anhand ihrer historischen Entwicklung und Veränderung entfaltet und aus dieser die grundlegende Prämisse der Kritik der politischen Ökonomie, die Arbeitswertlehre von Marx, hergeleitet werden. Des Weiteren soll die Kritik an Marx Wertbegriff und dessen Verteidigung einander gegenübergestellt werden.
Hierbei wird deutlich, wie Marx durch die Einführung der dialektischen Bestimmung der Ware und des Wertbegriffs die Synthese des Smithschen Problems des Wertmaßes und des Ricardoschen des Wertursprungs erzeugt. Darüber hinaus wird die Funktion von Warendefinition und Wertbegriff für das Marxsche Gesamtsystem offengelegt.
Anschließend sollen im zweiten Teil der Abhandlung die Methoden Dialektik, logische Deduktion und Abstraktion einer kritischen Reflektion unterzogen und die Vor- und Nachteile der jeweiligen Methode aus der Sicht von Verfechtern und Kritikern dargestellt werden.
Dabei wird erkennbar, wie die Theorie der Kritik der Politischen Ökonomie durch die Elemente der Prämissen und Methoden zu einem undurchlässigen Teppich verwoben wird, der die Einbeziehung anderer Denkansätze und der Kritik in das Gedankengebäude erschwert und damit die Weiterentwicklung der Theorie verhindert.
2 Die Grundprämissen der Arbeitswertlehre und des daraus entwickelten Wertbegriffs der Kritik der Politischen Ökonomie
2.1 Ursprung und historische Entwicklung der Arbeitswertlehre
Zunächst muss die objektive Wertlehre vom subjektiven Wertbegriff abgegrenzt werden.
Die Arbeitswertlehre als Grundlage der objektiven Wertlehre, die sowohl von der klassischen politischen Ökonomie als auch vom Marxismus vertreten wird, geht von der Annahme aus, dass alle Waren durch die Eigenschaft Produkt menschlicher Arbeit zu sein miteinander verbunden sind und dass die Größe des Warenwerts jeweils durch die zur Herstellung der Ware erforderliche Arbeitszeit, also durch eine objektive Zeiteinheit, festgelegt ist.
Sie steht im Gegensatz zur subjektiven Wertlehre der Neoklassik, der zufolge der Wert eines Gutes durch den geldwerten Nutzen und durch die individuelle subjektive Präferenz eines Individuums bestimmt ist. Daher wird einem Produkt, anders als in der objektiven Wertlehre, nicht ein fester Wert zugeschrieben, sondern dieser fällt je nach Person und ihren Präferenzen unterschiedlich aus.[1]
Es gibt jedoch nicht die Arbeitswertlehre, sondern sie, ihre Probleme und die durch sie zu erklärenden Phänomene sind einer historischen Entwicklung unterworfen und wurden mit verschiedenen Interessen und ideologischen Überzeugungen verfolgt.
Da die objektive Wertlehre aufs engste mit der Gebrauchswert-Tauschwert-Relation verknüpft ist, muss mit der Entdeckung der Unterscheidung zwischen beiden begonnen werden, wenn man die wesentlichen Entwicklungsschritte der Arbeitswertlehre nachvollziehen will.
Als Begründer der Arbeitswertlehre kann demnach Aristoteles bezeichnet werden, da die beiden Grundkategorien Gebrauchswert und Tauschwert zum ersten Mal in seiner Staatsphilosophie behandelt werden. Er unterscheidet dabei zwischen der ‚oikonomia’, die mit den Regeln der ‚oikoi’, der einzelnen Hauswirtschaften, zu tun hat, und der ‚chremastia’, die die Tauschbeziehungen des Produktüberschusses zwischen den Hauswirtschaften untersucht, insofern diese in einem größeren gesellschaftlichen Rahmen stattfinden. Somit hat Aristoteles zwei unterschiedliche Verwendungsarten von Gütern entdeckt, die als Gebrauchs- und Tauschwert bezeichnet werden können.[2]
Sein Verständnis des ökonomischen Grundverhältnisses von Gebrauchs- und Tauschwert hat jedoch eine „ethische [...] Färbung: Es ist von Anfang an am [...] Gebrauchswertcharakter der Güter und damit an der menschlichen Bedürfnisbefriedigung orientiert.“[3] Das „Kriterium der Beurteilung des Markttausches wird durch den Grad der Möglichkeit bestimmt, [...] die einzelne Hauswirtschaft [...] auf dem Weg der Selbstversorgung in [...] ihren Bedürfnissen zu befriedigen.“[4] Der Tauschwert, der einer auf dem Markt gehandelten Ware zugeschrieben wird, bemisst sich somit an den Eigenschaften der Ware als Gebrauchswert; er entspricht dem Wert des verwirklichten Gebrauchswerts in spe. Die Waren sollen nur getauscht werden, um ihren Gebrauchswert und damit Befriedigung für andere zu realisieren.
Eine solche „normative Bindung des Tauschwerts von Gütern an ihren Gebrauchswert“[5] werde später vor allem bei Marx zum versteckten Kern der objektiven Wertlehre. Der aristotelische Gebrauchswertbegriff beinhaltet die „Vorstellung einer sozial, ökonomisch und anthropologisch mehr oder weniger festgelegten Konstante“[6], die beliebig gesetzt wird und nach der das Maß der menschlichen Bedürfnisbefriedigung definiert sei. Er kann demnach als normativ bzw. dogmatisch bezeichnet werden, da sich der Wert der im Tausch erworbenen Güter an dieser gesetzten Konstante bemessen soll. Es handelt sich daher bei Aristoteles eher um die „Angabe einer Norm für den ‚gerechten’ Tauschwert“[7] als um die Beschreibung ökonomischer Gesetzmäßigkeiten. So unterscheidet er auch zwischen dem natürlichen Tausch als dem gerechten und dem mit der Absicht des Gewinnerzielens durchgeführten Tausch als dem ethisch verwerflichen. Die Arbeitskraft im Gegensatz zur Bedürfnisbefriedigung als Wertmaß konnte Aristoteles zu seiner Zeit aufgrund der Sklavenarbeit noch nicht erkennen.
In der scholastischen Philosophie des Mittelalters wird das Maß der gerechten Bewertung von Gütern erstmals in der zu ihrer Herstellung erforderlichen Arbeit und Mühe gesehen. Zu dieser Zeit setzt eine Entwicklungsphase des europäischen Wirtschaftslebens ein, in der deutlich wird, „daß die Arbeitsproduktivität sich unter dem Gewinnaspekt vom alten aristotelischen Maßstab der reinen Bedürfnisbefriedigung freimacht.“[8] So muss ein anderer Maßstab als die Bedürfnisbefriedigung für die Bewertung des gerechten Tausches gefunden werden, durch den auch die gerechte Bemessung eines Tauschwertes wie Geldkapital angegeben werden kann. Deshalb beruft man sich auf die Arbeit und Mühe zur Beschaffung des Kapitals als Maß der Einschränkung der Arbeitsproduktivität, „um das neue Prinzip, die mit der Gewinnsucht auf Gedeih und Verderb verschwisterte Arbeitsproduktivität, bekämpfen oder wenigstens in Grenzen halten zu können“[9].
Während sich Aristoteles mit seiner Bindung des Tauschs- an den Gebrauchswert und die Scholastik mit der Bestimmung des Werts durch die zur Herstellung einer Ware erforderlichen Mühe und Arbeit an einem ethischen Postulat für die Ökonomie orientieren, verwenden spätere Ökonomen der klassischen politischen Ökonomie wie Smith und Ricardo die Arbeitswertlehre und die Tausch-Gebrauchswert-Relation als ein die ökonomische Wirklichkeit erklärendes Prinzip.[10]
In Adam Smiths ökonomischem Hauptwerk An Inquiry into the Nature and Causes of Wealth of Nations (1776) „wird – zum ersten Mal in der Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre – die Arbeit in ihrer allgemeinen Form als Hauptquelle des stofflichen Reichtums angesehen”[11] und der Versuch unternommen, die Arbeitswertlehre in ein ökonomisches Gesamtmodell zu integrieren und die Wert- mit der Einkommens- und Verteilungstheorie zu verbinden.
Im Mittelpunkt des Smithschen Erkenntnisinteresses stehen die Angabe einer adäquaten konstanten Maßeinheit für den Warenwert, die er in der „Arbeit als das Maß des ‚realen Tauschwerts aller Waren’“[12] gegeben sieht, und die „Frage nach der Ausdrucks- bzw. Darstellungsweise der Arbeit als Maßeinheit [...] [, die durch] die mit der Arbeitsleistung verbundene Nutzeneinbuße als die gesuchte konstante Größe“[13] bestimmt sei, da der entgangene Nutzen pro Arbeitseinheit stets, unabhängig von den jeweiligen Produktionsverhältnissen, gleich sei.
Bei der Lektüre werden jedoch zwei unterschiedliche Wertbestimmungen offenbar, die sich gegenseitig ausschließen, die vermischt werden und über deren Widersprüchlichkeit nicht reflektiert wird. Der ersten Wertbestimmung zufolge lassen „sich die Werte der Waren mittels der von den Produzenten verausgabten oder in ihren Produkten vergegenständlichten Arbeitsmengen vergleichen [...] bzw. anhand der Mühen und Beschwerden, die zur Erlangung der Güter erforderlich sind“[14]. Die zweite Wertbestimmung legt jedoch im Gegensatz dazu den Warenwert „mittels derjenigen Arbeitsmengen [fest], die man im Austausch dafür erhalten [...] kann“[15] und bezieht sich hiermit auf den reinen durch Angebot und Nachfrage bestimmten Tauschwert der Ware, der nicht mit deren inhärentem Wert identisch sein muss.
Auch „Marx unterscheidet daher zwischen einem ‚esoterischen’ und ‚exoterischen’ Teil seines Gesamtwerks [...], je nachdem, ob er zum Wesen des Gesamtprozesses vordringt, oder sich auf den Standpunkt des Einzelkapitalisten stellt.“[16] So bemerkt Marx in den Theorien über den Mehrwert: „Auf der einen Seite verfolgt [Smith] den inneren Zusammenhang der ökonomischen Kategorien oder den verborgenen Bau des bürgerlichen ökonomischen Systems. Auf der anderen stellt er daneben den Zusammenhang, wie er scheinbar in den Erscheinungen der Konkurrenz gegeben ist und sich also dem unwissenschaftlichen Beobachter darstellt“[17].
Smith macht die Gültigkeit der jeweiligen Wertbestimmung von der Entwicklungsstufe der Arbeitsteilung und der industriellen Produktion abhängig. „Die erste Wertbestimmung gilt ihm uneingeschränkt für vorkapitalistische Gesellschaftszustände, in denen einfache Warenproduktion herrscht und die Produzenten sich als Besitzer ihrer – selbst erstellten – Produkte unmittelbar gegenübertreten.“[18] Bezüglich der entwickelten kapitalistischen Gesellschaften leitet er jedoch aus der Beobachtung, dass „die ‚Inputmenge’ der seitens der Kapitaleigner gekauften [...] Arbeit regelmäßig kleiner ist als der ‚Output’, den sie mittels der hergestellten und angeeigneten Produkte im Austausch dafür zu erhalten vermögen“[19], die These ab, dass „der Wert der Waren in der kapitalistischen Gesellschaft nicht (mehr) durch die in den Produkten unmittelbar enthaltene Arbeitsmenge, sondern durch die im Austausch dafür erzielbare Arbeit bestimmt ist“[20]. Die Arbeitswertlehre hat für ihn als Wertschöpfungstheorie nur Bedeutung für frühere Gesellschaften, in denen noch keine Akkumulation von Kapital und Aneignung von Boden erfolgt ist. Er stützt sich somit nicht auf eine reine Arbeitswertlehre, sondern vertritt bezüglich des Problems der Wertschöpfung kapitalistischer Gesellschaften die Theorie von den traditionellen Hauptproduktionsfaktoren Arbeit, Kapital und Boden.[21]
Jedoch verfängt sich Smith durch das gleichzeitige Vertreten und Vermischen dieser beiden Wertbestimmungen im Verlauf seiner Analyse immer weiter in Widersprüche. Seine Argumentation neigt zur Zirkularität und Inkonsequenz, „da sie entweder zwei unterschiedliche Wertmaßstäbe bedingt oder den einen Maßstab aus dem anderen herzuleiten versucht.“[22] Smith entfernt sich im Lauf der widersprüchlichen Argumentation über die zwei verschiedenen Wertdefinitionen zunehmend vom arbeitswerttheoretischen Ansatz, da „es ihm nicht gelingt, eine mit der ersten oder zweiten Wertbestimmung kompatible Erklärung derjenigen Einkommensformen zu finden, deren Größe, wie er selbst konstatiert, in keiner Relation zu ihrem Arbeitsaufwand steht, nämlich von Kapitalprofit und Bodenrente.“[23] Sein Versuch einer arbeitswerttheoretischen Begründung der Hauptkategorien des arbeitslosen Einkommens scheitert. Aus diesem Grund gelangt er auch zu einem dem arbeitswerttheoretischen Ansatz zuwider laufenden Ergebnis, nämlich zu der „Auffassung, daß Arbeitslohn, Profit und Rente die drei ‚ursprünglichen Quellen’ des Tauschwerts seien“[24].
Die Unfähigkeit Smiths, sowohl das Auseinanderfallen von Lohn und Wert der produzierten Waren als auch die Entstehung des arbeitslosen Einkommens wie Kapital nicht arbeitswerttheoretisch erklären zu können, die beim ihm zur Aufgabe der Arbeitswerttheorie führt, liegt Marx zufolge an der fehlenden Unterscheidung des „zwiespältigen Charakter[s] der Arbeit selbst“[25]. Jedoch ist Smiths Problembewusstsein gerade aufgrund der zwei verschiedenen von ihm vertretenen Wertbegriffe weit ausgeprägter als etwa das seines Nachfolgers Ricardo, da er durch diese die Widersprüchlichkeit der Ware Arbeitskraft zumindest erahnt. So konstatiert Marx: „Es ist das große Verdienst Adam Smiths, daß er gerade in den Kapiteln des ersten Buches [...] zum Ursprung des Mehrwerts ... fühlt, daß hier ein Riß eintritt, daß [...] das Gesetz im Resultat faktisch aufgehoben wird, mehr Arbeit gegen weniger Arbeit (vom Standpunkt des Arbeiters), weniger Arbeit gegen mehr Arbeit (vom Standpunkt des Kapitalisten) ausgetauscht wird [...] [und] scheinbar (und faktisch als Resultat) ein Umschlag des Gesetzes des Werts in sein Gegenteil stattfindet.“[26] Smith hingegen bleibt laut Marx in seiner Existenz des bürgerlichen Theoretikers gefangen und kann durch die verkehrte Form, in der sich ihm die ökonomische Realität präsentiert, nicht begreifen, „wie dieser Widerspruch dadurch eintritt, daß das Arbeitsvermögen selbst zur Ware wird und daß bei dieser spezifischen Ware ihr Gebrauchswert, der also mit ihrem Tauschwert nichts zu tun hat, selbst die den Tauschwert schaffende Energie ist.“[27]
Marx kritisiert darüber hinaus an der Wertbestimmung Smiths wie auch an der anderer Ökonomen der Klassik, dass er den in der ökonomischen Erfahrung äußerlich erscheinenden Kostpreis der Waren mit dem Warenwert gleichsetzt ohne danach zu fragen, „warum sich dieser Wert der Ware für den Einzelkapitalisten in Form von Kosten darstellt.“[28] In der Konkurrenz erscheint auch Smith „nicht der Wert als das ‚Regelnde’ der Marktpreise, sondern vielmehr der Kostpreis als ‚sozusagen immanenter Preis – als Wert der Waren’.“[29]
[...]
[1] Vgl. Burchardt, Michael: Marxistische Wirtschaftstheorie. München/Wien 1997, S. 9. Im Folgenden mit Burchardt 1997 abgekürzt.
[2] Vgl. Becker, Werner: Kritik der Marxschen Wertlehre. Die methodische Irrationalität der ökonomischen Basistheorien des ‚Kapitals’. Hamburg 1972, S. 11. Im Folgenden mit Becker 1972 abgekürzt.
[3] Becker 1972, S. 12.
[4] Becker 1972, S. 13.
[5] Becker 1972, S. 13.
[6] Becker 1972, S. 14.
[7] Becker 1972, S. 14.
[8] Becker 1972, S. 18.
[9] Becker 1972, S. 18.
[10] Vgl. Becker 1972, S. 20.
[11] Burchardt 1997, S. 14.
[12] Becker 1972, S. 30.
[13] Becker 1972, S. 31.
[14] Burchardt 1997, S. 14.
[15] Burchardt 1997, S. 14.
[16] Reichelt, Helmut: Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx. Frankfurt/M. 1970, S. 101. Im Folgenden mit Reichelt 1970 abgekürzt.
[17] Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert. Teil 2. Berlin 1956, S. 156. Zit. nach: Reichelt 1970, S. 101.
[18] Burchardt 1997, S. 14.
[19] Burchardt 1997, S. 15.
[20] Burchardt 1997, S. 15.
[21] Vgl. Becker 1972, S. 31.
[22] Burchardt 1997, S. 15.
[23] Burchardt 1997, S. 16.
[24] Burchardt 1997, S. 15.
[25] Marx, Karl: Das Kapital. In: MEW 24. Berlin 1963, S. 377. Zit. nach: Reichelt 1970, S. 102.
[26] Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert. Teil 1. Berlin 1956, S. 53 f. Zit. nach: Reichelt 1970, S. 107.
[27] Marx, Karl: Theorien über den Mehrwert. Teil 1. Berlin 1956, S. 53 f. Zit. nach: Reichelt 1970, S. 107.
[28] Reichelt 1970, S. 114.
[29] Reichelt 1970, S. 115.
- Citation du texte
- Anne-Christin Sievers (Auteur), 2003, Die Rolle der Arbeitswertlehre, des Marx'schen Wertbegriffs und der Methodik der logischen Deduktion, Abstraktion und Dialektik für Marx' "Kritik der politischen Ökonomie", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64890
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