In der vorliegenden Arbeit wird ein Lösungsansatz zur Interpretation der Darstellungen auf dem Fries der Trajanssäule versucht, der nicht von einem einheitlichen Dekodierungssystem, sondern von einer an die Bedürfnisse verschiedener Adressaten angepassten semiologischen Mehrdeutigkeit ausgeht. Die Darstellungen sind innerhalb des architektonischenn Settings und auf der Säule selbst so angebracht, dass durchaus unterschiedliche Betrachter aus unterschiedlichen Blickwinkeln mit unterschiedlichem kulturellem oder beruflichem Background dazu 'Ja' sagen konnten. Einerseits wird das traditionelle Misstrauen des stadtrömischen Bürgers gegen das Militär beschwichtigt, indem die Darstellung physischer Gewaltakte auf ein Minimum reduziert bleibt und im Gegenzug die logistischen, technischen und wissenschaftlichen Leistungen des Feldzuges gegen die Daker hervorgehoben werden; andererseits werden persönliche Leistungen und Eigenschaften Traians als Voraussetzungen des römischen Sieges propagiert. Das Militär mit dem Kaiser an der Spitze sollte hier in der Rolle eines gesellschaftlichen Vorbildes präsentiert werden, indem es zugleich als Versorger der öffentlichen Hand, als Träger militärischer und ziviler Tugenden, als Beschützer des römischen Volkes und Verbreiter der segensreichen Zivilisation im Barbarenland auftritt. Die monumentale Ausstattung des Forums kann als ein Gesprächsbeitrag verstanden werden, der Kaiser und Heer auf der einen Seite, Senat und Plebs urbana auf der anderen Seite im Hinblick auf die Belastungen durch eine überzogene Kriegspolitik miteinander aussöhnen und auf ein durch gemeinsame Interessen bestimmtes Handeln einschwören sollte.
Gliederung:
I. Teil: Traiansforum
1. Prämisse
2. Topographie
a) Terrain
b) Vorgängerbauten
3. Forum Traiani
a) Befund- und Quellenlage
a) Grundriß und Konzeption
b) Bauschmuck
g) Funktionen und Adressaten
b) Methodische Überlegungen
II. Teil: Traianssäule
1. Funktionsanalyse
a) Das architektonische ‘Setting’
b) Das Problem der Lesbarkeit
a) Mittel der Lesbarkeit
b) Kulturelle Kompetenzen
c) Adressaten
2. Das Reliefband
a) Ansicht aus SW
b) Ansicht aus NO
3. Schlußbemerkungen
III. Anhang
1. Quellen
a) Berichte und Inschriften
b) Münzen
2. Literaturnachweis
I. Das Traiansforum
1. Prämisse
Die Forschung ist sich heute weitgehend1 darin einig, daß dem Traiansforum, d.h. atrium fori, Basilica Ulpia, Bibliotheken und Säule eine “einheitliche Gesamtplanung”2 zugrunde liegt: “It thus seems inevitable to consider the complex formed by the column, libraries and basilica as an autonomous unit, whose insertion between the square and the temple was intended to meet a precise and incontrovertible need. What that need was can be clarified only by specific research, which is still mostly incomplete”3, formuliert Coarelli Prämisse und daraus sich ergebende Aufgabenstellung, der sich auch vorliegende Arbeit anschließt.
2. Topographie
Die Grabungsberichte über die Ausgrabungen des Forums durch die Franzosen 1812-1814 (Traianssäule und mittleres Drittel der Basilica Ulpia) mit weiteren Sondagen 1824 bzw. 1866-1867, durch die Italiener4 zu Anfang des 20. Jhs. sowie im Zuge der Errichtung der Via dei Fori Imperiali 1928-1934 liegen nur sehr summarisch vor5 und konnten im Rahmen dieser Arbeit nicht näher überblickt werden. 1998-2000 wurde auf dem Areal des ehemaligen atrium fori erneut ausgegraben6.
a) Terrain
Auf der südostlichen Seite der Säulenbasis ist über dem Eingang eine Inschrift an- gebracht, die neben den üblichen Informationen über Stifter (“Senatus populusque romanus ”: “Senat und Volk von Rom”) und Empfänger (“Imp [ eratori ] Caesari Divi Nervae f [ iglio ] Nervae Traiano …”: “dem Imperator Caesar Nerva Traian, Sohn des Gottes Nerva, …”) eine weitere, in diesem Zusammenhang außergewöhnliche Information enthält: “Ad declarandum quantae altitudinis / mons et locus tant [ is ope ] ribus sit egestus “7: “Um zu zeigen, von welcher Höhe der Hügel (war), der fortgeschafft wurde für so ein herrliches Werk.” Cassius Dio8 berichtet, der ganze Platz sei hügelig gewesen und in einer der Säule entsprechenden Höhe abgetragen worden, um das Bodenniveau des Forums zu er- reichen.
Aus der Übereinstimmung dieser beiden Quellen hat sich die vorherrschende Lehrmeinung ergeben, daß sich “die Inschrift auf die umfangreichen Terrainbewegungen bei der Erbauung des Forums” beziehe, womit “die Abgrabung des Quirinalshügels gemeint sein”9 dürfte, der den Quirinal mit dem Kapitol verband und den Durchgang zwischen Kaiserfora und Marsfeld blockierte10. So wurden durch das Abtragen des Hügelsattels neue Verkehrswege eröffnet, indem die Straße südlich des Forums das repräsentative Stadtzentrum nun mit dem Marsfeld verband oder die kürzeste Verbindung von diesem zum Colosseum oder zu den Traiansthermen bot, wobei die großzügige Anlage den Flaneur sicher zum Verweilen einlud.
Zu der von der Öffentlichkeit sicherlich begrüßten Erleichterung und Abkürzung der Wege bemerkt Coarelli: “The traumatic elimination of a natural element of such importance in the ancient city’s topography could not happened without profoundly affecting the religious sensibility of the community”11.
Erklärt dies, warum die Plattform der Säule über eine Treppe im Inneren zugänglich war? Die Aussicht von der Plattform ‘ersetzt’, obschon etwas nach Nordost versetzt, die Aussicht, die wohl vordem von dem eliminierten Hügel aus möglich war. Unbe- antwortet bleibt dabei jedoch die Frage, für wen eigentlich diese Aussichtsmöglichkeit geschaffen wurde; da erstens die Zugangssituation mit einer Breite der Wendeltreppe von durchgehend 0,70m12 nur einer Person Platz bietet, und zweitens die Säule zugleich als Grabmonument13 für Traian und seine Frau Plotina diente, kann wohl davon ausgegangen werden, daß die Möglichkeit eines Zugangs zur Plattform von vorneherein nicht für die breite Öffentlichkeit, sondern nur für eine eng umgrenzte Gruppe von Adressaten eingeplant war. Wer jedoch waren diese?
b) Vorgängerbauten
Die Basilica Ulpia wurde vermutlich an Stelle des für den Bau des Traiansforums ab- getragenen atrium libertatis (bzw. der seit augusteischer Zeit mit ihm verbun-denen Bibliothek des Asinius Pollio) errichtet14 ; das atrium libertatis, Amtssitz der Censoren, Aufbewahrungsort wichtiger Staatsdokumente, erste öffentliche Bibliothek Roms und in Ausnahmefällen auch Tagungsort des Senats, befand sich zwischen Porta Fonti- nalis und Forum Iulium und reichte weit in die Geschichte Roms, vermutlich bis ins Jahr 443 v. Chr. zurück15.
Coarelli16 leitet daraus ab, daß in der gleichen Weise, wie die Säule den Hügel ‘ersetzte’, auch die Basilica Ulpia Ersatz für den Vorgängerbau atrium libertatis bot und demgemäß auch einige seiner Funktionen übernahm: Die Funktion einer öffentlichen Bibliothek mit zwei Abteilungen, einer griechischen und einer lateini- schen17 ; sowie die Funktion des tabularium als eines Aufbewahrungsortes für Staats- dokumente, wichtige Gesetze und die Archive der Censoren18. Diese Sichtweise wird durch Fragmente des Severischen Marmorplans (forma urbis) gestützt, auf dem die westliche Apsis der Basilika als [ LI ] BERTA [ TIS ] bezeichnet wird, woraus Coarelli19 schließt, daß die östliche demgemäß die Bezeichnung ATRIUM trug.
3. Forum Traiani
a) Befund- und Quellenlage
a) Grundriß und Konzeption
Nach Richardson gelten als gesichert: die nordöstliche Kolonnade des atrium fori mit Exedra; der mittlere Teil der Basilica Ulpia mitsamt ihrer südwestlichen Apsis; die Traianssäule mitsamt der flankierenden südwestlichen Bibliothek. Daraus hat man folgende Gesamtanlage rekonstruiert: “Die gesamte Anlage besteht aus vier Teilen: dem eigentlichen Platz, atrium fori [116x95m], mit den beiden [12m] tiefen Säulenhallen und Exedren; der fünfschiffigen Basilica Ulpia [159x55m], deren Apsiden in Größe und nach der Lage die Pendants zu den Exedren der Säulenhalle bilden; der Trajanssäule mit den beiden Bibliotheksgebäuden; dem großen Tempel für den Divus Traianus. Mit der Planung und dem Bau wurde spätestens unmittelbar nach Beendigung des zweiten Dakerkrieges und nach dem Triumph 107 n.Chr. be- gonnen. Trajan selbst weihte Forum und Basilica bereits im Januar 112, die Säule im Mai 113 ein.”20
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Rom, Kaiserforen: (2) Augustusforum, (5.) Traiansforum. Die fetten Linien kenn- zeichnen den archäologischen Bestand, alle weiteren Bestandteile sind hypothetisch ergänzt, insbesondere der hier im Nordwesten des Traiansforums rekonstruierte Tempelbezirk (ebenfalls 5.). aus: Nünnerich-Asmus, 97, Abb. 75a
Aus Funden von monumentalen Säulen- und Kapitellfragmenten, einer Dedikations inschrift21 sowie zeitgenössischen Quellen22 hat man auf den erst später von Hadrian errichteten Tempel des Divus Traianus und der Diva Plotina geschlossen, dessen Grundriß und Lage aber “auch auf den neuesten Forumplänen völlig hypothetisch”23 rekonstruiert wurde.
Neueste Ausgrabungen24 haben Zweifel daran aufkommen lassen, ob sich der bis- lang einmütig nordwestlich der Basilica Ulpia vermutete Tempel des Traian und der Plotina wirklich dort befunden hat: “Jenseits der Basilica Ulpia fand sich nämlich - unmittelbar bis an die Platzanlage heran - ausschließlich Wohnbebauung des 2. Jhs. n.Chr., die eine Rekonstruktion des Tempels an dieser Stelle unmöglich macht”25. Deshalb aber eine andere Gesamtausrichtung der Platzanlage anzunehmen, ist eher unwahrscheinlich.
Ich werde dieser Kontroverse im folgenden dadurch ausweichen, daß ich mich nur mit der noch zu Traians Lebzeiten errichteten Anlage auseinandersetze. Denn durch die Hinzufügung eines Tempels und die damit verbundene Apotheose des vergött- lichten Traian kann die in der vorherigen Bauphase angelegte Konzeption ja nur verstärkt oder ergänzt, aber nicht mehr irgendwie ‘umgedreht’ worden sein. Das heißt: Was für die Anlage ohne Tempel gilt, gilt für die Anlage mit Tempel erst recht26.
Auch ohne Tempel stellt die zu Traians Lebzeiten errichtete Anlage mit einer Länge von ca. 220m und einer Breite von ca. 160m “die größte Platzanlage” dar und “be- deckt fast soviel Raum wie die übrigen Kaiserfora zusammen”27. Im Grundriß lehnt sich das Traiansforum an die früheren, benachbarten Kaiserfora an, insbesondere an das Augustusforum, dessen in die Portiken eingelassene Exed- ren denen des Traiansforums bis in die Maße entsprechen28. An die Stelle der sonst üblichen Göttertempel aber tritt beim Traiansforum an der Stirnseite die querliegende Basilica Ulpia. Hinsichtlich dieser Abweichung des Grundrisses der Anlage von denen der anderen Fora hat G. Rodenwaldt, gefolgt von Zanker und Fehr, darauf hingewiesen, daß sich die bauliche Konzeption des Traiansforums eng an die seit neronischer Zeit übliche Lagerarchitektur anschließe: “Es ist eine in ein Rechteck eingeschriebene, streng axiale Anlage mit der Aufeinanderfolge von Propylon, Hof und einer Basilika, die mit den beiden chorartigen, von Lehner überzeugend als Fahnenheiligtümern gedeute- ten Räumen eine Querachse bildet.”29 Diese Deutung wird von der durch Quellen30 verbürgten Tatsache gestützt, daß der Baumeister des Forums, Apollodor von Da- maskus, Traian zuvor auf dem Feldzug gegen die Daker begleitet und dabei auch militärische Anlagen errichtet hat. Die von ihm bekannten Schriften bezeugten “leb- hafte militärische Interessen”31.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Principiae von Vetera (links) und Dura Europos (rechts) im Vergleich mit dem Traiansforum (unten) aus: Zanker, 503f, Abb. 4-6 Den Vergleich weiterführend weisen Zanker und Fehr darauf hin, daß
1.) die Lage der Basilica Ulpia genau der Lage der Legions-Basilika entspreche32 ;
2.) die Traianssäule “genau an der Stelle des Fahnenheiligtums der Principia”33 stehe, also an Stelle des Aufbewahrungsraumes für die Feldzeichen (aedes)34 ;
3.) die Bibliotheken “sich etwa an Stelle der Legionsarchive”35 befinden.
Fehr hat allerdings einschränkend hinzugefügt , daß die enge Verwandtschaft der Grundrißkonzeption der Forumsanlage mit dem Typus des Hauptgebäudes eines Legionslagers (principia) nur schwerlich über einen “begrenzten Betrachterkreis [hin- aus] verständlich und nachvollziehbar”36 gewesen sein kann. Dem ‘gewöhnlichen’, d.h. zivilen und nicht mit militärischen Leitungsfunktionen betrauten Besucher des Forums wird diese Übereinstimmung beim Durchgehen der verschiedenen Forums- trakte kaum bewußt geworden sein, zumal das hier verwendete Bauschema der principia relativ neu und überdies nicht in allen Provinzen dasselbe war37. Man kann also davon ausgehen, daß für den größten Teil der römischen Stadtbevölkerung kaum ersichtlich war, Traian habe hier “mitten in der Stadt eine Art von steinernem Heerlager aufschlagen lassen”38.
Trunk wirft in seinem Aufsatz Fehr angesichts der Betonung der Parallelen zur Mili- tärarchitektur eine “unzulässige Verengung der Sichtweise” vor. Er schreibt: “Das architektonische Konzept der Basilica Ulpia ist vielmehr in einem viel allgemeineren Sinne ‘ein Kind seiner Zeit’, die Intention, den Besucher mit dem Grundriß der Anlage an ein Militärlager zu erinnern, kann den Planern der Anlage jedoch nicht unterstellt werden!” Meines Erachtens liegt eine verengte Sichtweise auf Seiten Trunks vor, da er nicht beachtet, daß es den ‚Besucher an sich’ gar nicht gibt, und daß die Konzi- pienten mittels ein- und derselben Anlage durchaus verschiedene Bedürfnisse verschiedener Adressatengruppen im Blick gehabt haben dürften. Es kam ja nicht darauf an, daß sowohl der stadtrömische Zivilist wie auch der Zenturio einer Provinz- armee, der vielleicht das Forum aus eigener Anschauung von seiner Dienstzeit bei der Prätorianerkohorte her kannte, zu einer vollständig übereinstimmenden An- schauung der vorliegenden Grundrißkonzeption gelangten; es ging ja nur darum, daß beide, aus durchaus unterschiedlichen Blickwinkeln, dazu ‘Ja’ sagen konnten39.
Zudem konnte es trotz des “nicht eindeutig militärischen Raumkonzeptes des Traiansforums”40 auch dem militärfernsten stadtrömischen Besucher aufgrund der bildlichen Ausstattung des Forums nicht entgangen sein, daß sich hier alles um Denkmal und Ehrung einer militärischen Leistung drehte.
b) Bauschmuck
Der nicht ausgegrabene monumentale Eingangsbogen ist auf Münzen41 mit der Legende FORUM TRAIANI dargestellt. Darauf kann man zu beiden Seiten des Eingangs je zwei Statuen in Nischen sehen, bei denen es sich - laut Zanker42 - nach dem Standmotiv zu urteilen um gefesselte Daker handelt. Über Tor und Nischen ist in der Mitte ein Gespann mit sechs Pferden erkennbar. Weiter sind links und rechts des Gespanns je zwei Figuren erkennbar, die je ein tropaion in die Mitte nehmen.
“Der Blick des auf den Platz tretenden Besuchers muß zuerst auf den in atrii medio errichteten Equus Traiani gefallen sein. Es war ein besonders prunkvolles Reiter- denkmal.”43 Münzabbildungen überliefern mindestens zwei Varianten, wie das Stand- bild ausgesehen haben könnte: Auf einem Münzbild erscheint Traian als “Reiter auf ruhig schreitendem Pferd mit Tunika und Paludamentum angetan. In der rechten Hand hält er eine Lanze, deren Spitze im Boden steckt. Mit der linken Hand hält er dagegen eine Victoriastatuette”44. Ein anderes Münzbild hingegen zeigt, wie er mit erhobener Lanze auf eine fliehende oder niederstürzende Figur zugaloppiert45. Gab das Standbild nun einen die Feinde niederreitenden dominator invictus wieder oder einen gemäßigt einherschreitenden, in zivile Kleidung gehüllten restitutor pacis nach Art der späteren Reiterstatue des Marc Aurel auf dem Kapitol? Da das erst neuer- dings aufgedeckte Fundament46 des Sockels (ca. 3,76m x 7,54m) auf ein ungefähr doppelt bis dreifach so großes Standbild (Höhe ohne Sockel 8-12m) als die Reiter- statue des Marc Aurel schließen läßt, rekonstruiert man aus statischen Gründen die letztere Form47.
Des weiteren wurden seit der Renaissance auf dem Forum mehrere überlebensgroße Statuen und Statuenfragmente von bärtigen Männern in Hosen, mit langem Rock und Mantel gefunden, die mit gesenktem Kopf und gekreuzten Armen wohl als Gefangene dastehen48.
“Auf der Modellrekonstruktion Gismondis dienen die Daker als Gebälkträger49. Diese Verwendung entspricht den Karyatiden des Augustusforums50. Der Sinnbezug ist derselbe wie dort: Als Besiegte müssen sie Knechtsdienste verrichten”51. Außerdem werden dieser Figurengruppe acht Statuen des Konstantinsbogens zuge- ordnet, die wohl im frühen 4. Jh. vom Traiansforum dorthin verbracht wurden52. Des weiteren sind Fragmente zweier Relieffriese erhalten, auf denen als “Löwen- greifen”53 gedeutete Mischwesen “von geflügelten, aus Akanthusblättern aufsteigen- den Knaben getränkt werden”54 - ein Motiv, das auch auf den Brustpanzern traia- nischer und augusteischer Panzerstatuen auftaucht55. Nach Simon und Niemeyer56 sei “der Greif als Tier der Nemesis zum Symbol für die Macht des Imperium Romanum” geworden; “Widerstand gegen Rom war nach der geläufigen Staats- ideologie superbia, das debellare superbos vordringliche Aufgabe der Principes. Die befriedeten Greifen am Trajansforum zeigen den Erfolg der kaiserlichen Waffen, die ‘Befriedung’ der niedergeworfenen Daker an”57. Diese Friese sollen sich am Gebälk der Innenseite der Eingangswand befunden haben58.
Auch vier fast drei Meter hohe Reliefplatten aus dem Konstantinsbogen sowie weitere Fragmente in verschiedenen Museen, die zusammen eine Länge von 28 32m ergeben, stammen “mit größter Wahrscheinlichkeit”59 vom Traiansforum. Die Frage, wo diese riesigen Friesplatten angebracht gewesen sein könnten, ist bislang unbeantwortet geblieben; laut Zanker kommen dafür die Attikazone der Portiken oder die Basilica Ulpia in Frage; auf einer Internetseite wird der große Fries an der Stirn der Eingangsfront der Basilika rekonstruiert60.
Auf den Teilen des Frieses, die im Konstantinsbogen verbaut wurden, ist im Bild- schema des Alexandermosaiks eine Schlachtszene dargestellt, bei der römische Kavallerie mit dem Princeps an der Spitze Daker niederreitet. Diese Darstellungs- weise, bei der “der Kaiser im Sinne des griechischen Heroenreliefs zum übermensch- lichen Wesen gesteigert”61 wird, überrascht, da sich auf der Traianssäule keine einzige Szene findet, bei welcher der Kaiser selbst aktiv am Kampfgeschehen teil- nimmt; dort erscheint Traian nur als übergeordneter Lenker, jedoch nie als Teil- nehmer am Kampf selbst.
Gauer62 hat aufgrund dieser Differenz in der Aussage den Relieffries in domitia- nische Zeit datiert, der dann aber erst unter Traian vollendet und für den Großbau des Forums usurpiert worden sei63. Daß die Darstellung des Kaisers in diesem Fries aber gar nicht im Gegensatz zur traianischen Herrschaftsauffassung steht und somit sehr wohl aus der Zeit Traians stammen kann, geht aus der weiter oben genannten traianischen Münzprägung hervor, bei der ebenfalls der Kaiser selbst einen Daker niederreitet. Des weiteren wurde argumentiert, der Unterschied sei Ergebnis einer rein künstlerischen Entscheidung, “die am Fries aus Platzgründen zu einem ver- kürzten Darstellungsmodus geführt”64 habe. Auch diese Aussage ist doch zu bezweifeln, da der Fries immerhin mit einer Gesamtlänge bis zu 41m angenommen wird65. Lummel hingegen argumentiert, der Unterschied hänge “mit einem neuen Selbstverständnis Traians als Imperator zusammen; parallele Tendenzen der Münz- prägung scheinen dies zu bestätigen”66. In Anbetracht des einen Jahres, das die Einweihung der Basilika von der Einweihung der Säule trennt, überzeugt auch diese Lösung nicht recht, da sie nicht erklärt, wodurch ein solcher Wandel im Selbstver ständnis innerhalb so kurzer Zeit motiviert gewesen sein soll. Wäre es nicht denkbar, daß der Unterschied in der Darstellung des Princeps auf Großem Fries und Säule schlicht unterschiedlichen Adressaten bzw. Benutzerkreisen des Forums geschuldet ist, an die sich die beiden Bildwerke jeweils wenden?
Wie oben angeführt entsprechen sich die Maße der in die Portiken eingelassenen Exedren von Augustus- und Traiansforum samt der breiten Mittelnischen genau. Dieser äußerlichen Übereinstimmung stehe, so wurde von Zanker angenommen, eine inhaltliche zur Seite: Da auf dem Augustusforum in diesen Exedren die summi viri, die verdienten Staatsmänner Roms von der Königszeit bis in die Tage der späten Republik aufgestellt waren, dürfe man für das Traiansforum wohl eine Weiterführung dieses Bildprogramms vermuten. Diese Annahme stützten “zwei überlebensgroße Portraitköpfe trajanischen Stils, die bei den Grabungen der dreißiger Jahre gefunden”67 wurden, angeblich das Portrait der Agrippina minor und ein Fragment eines kolossalen Nervaportraits. Zanker schloss daraus, daß “sich in den Exedren eine Galerie der früheren Principes und ihrer wichtigsten Angehörigen” befunden habe, wobei “für die Auswahl der Principes die von Trajan edierten Restitutions- und Divus-Münzen68 Hinweise” gäben: zur “exakten formalen Übernahme der Exedren vom Augustusforum käme so die Weiterführung des dortigen Statuenprogramms; den nationalen Ehrenhallen der Königszeit und Republik entsprächen die Statuen der Principes”69.
Unklarheit herrscht zu Gellius, Noctes XIII 25,1; Zanker zitiert - nach der Oxforder Ausgabe70 - wörtlich: “in fastigiis fori Traiani simulacra sunt sita circumundique inau rata equorum atque signorum militarium, subscriptumque est: EX MANUBIIS”, woraus er folgert, daß sich vergoldete Pferde und Feldzeichen auf der Attika der Basilica Ulpia befunden hätten71 ; die Angabe in fastigiis fori Traiani mit dem ergänzenden circumundique sagt doch aber deutlich: “An den Dachtraufen des Traiansforums rundherum auf allen Seiten”, d.h. equi und signa militaria befanden sich auf den Attiken sowohl der Portiken wie auch der Basilica Ulpia.
“Die an den Kämpfen [gegen die Daker] beteiligten Legionen wurden nicht nur durch Aufstellung ihrer signa geehrt. Auf dem Gebälk der Basilika (und der Portiken?) konnte man überdies ihre Namen lesen, wie auf dem Forum erhaltene Gebälkfragmente zeigen72. Mehrere Marmorbasen, deren Rückseiten in einem architektonischen Verband (wahrscheinlich der Portiken) steckten, zeigen an ihrer Oberfläche Einlaßspuren für Eisenstangen. Knappe Inschriften trajanischen Stils nennen verschiedene Legionen und Cohorten. Die Basen dienten also wohl als Ständer für die signa der genannten Einheiten. Nicht alle hier genannten Truppenteile können an den Kämpfen gegen die Daker teilgenommen haben. Offensichtlich hat Trajan das gesamte Heer an seiner Ehrung teilhaben lassen.”73
Weiter fanden sich an den Stufen der drei Eingänge zur Basilika Basen mit gleichlautenden Inschriften74, durch die jeweils Traian von Senat und Volk als OPTIME DE RE PUBLICA MERITO DOMI FORISQUE angesprochen wird, also als “Bester in Bezug auf Verdienste zu Hause und auswärts”, was wohl bedeutet: Innen- wie außenpolitisch, also zivil und militärisch.
Daraus kann man ableiten, daß Traian hier in dreifacher Ausführung dargestellt wurde, wobei je nach Statuentypus ein anderer Aspekt seines Wirkens angespro Publizistik im Kleinformat - Die Münzen der Epoche des Kaisers Traian, in: NünnerichAsmus, S. 151). Von dieser Seite erfolgt also weniger ein Hinweis auf ein politisch-program- matisches, sondern vielmehr auf ein rein dynastisch-familiäres Bildprogramm, das in den Exedren des atrium fori Platz gefunden haben mag.
[...]
1 ausgenommen Anderson, 141ff
2 Fehr, 41, Anm. 10
3 Coarelli, 4
4 G. Boni, Esplorazione del Forum Ulpium, in: Notizie Scavi.1907
5 C. Ricci - A. Colini - V. Mariani, Via dell’ Impero. 1933
6 http://www.traiano.com
7 CIL VI 960
8 s. Cassius Dio LXVIII 16,3, zit. nach Coarelli, 4f
9 Fehr, 47, s. Anm. 68
10 nach Meneghini (s. Gesemann, 325) wird in neuesten Publikationen auch die NW-Wand des die Traianssäule umgebenden Innenhofes mit vorgelagerter Portikus rekonstruiert, was einen Durchgang vom Marsfeld über die Kaiserforen bis zum Colloseum ermöglichen würde.
s. auch G. Boni, Esplorazione del Forum Ulpium, in: Notizie Scavi. 1907;
11 Coarelli, 5f: Seinen Hinweis untermauert er mit dem Argument, daß sich die Bedeutung dieses topographischen Eingriffs schon durch die bloße Nennung in der Inschrift ausdrücke, also innerhalb eines epigraphischen Kontextes, der sich ansonsten durch “an almost obsessive adherence to formulas” auszeichne. Fehr, 47, wundert sich, daß die Inschrift „erstaunlicherweise die Dakerkriege“ ignoriere, das Thema des Säulenfrieses, und ebenso die sepulkrale Funktion völlig außer Acht lasse. Erklärungsversuche von Zanker, 530ff, 542; Gauer, 25, Anm.11
12 Florescu, 41
13 C. Dio XVIII 16,3; Eutropius VIII 5,2; Aurelius Victor Sextus, Epigramma 13; Cassiodor, Chronologia, 141
14 Anderson, 26; Richardson, 41; Coarelli 1975, 116
15 Anderson, 21ff
16 Coarelli, 6f
17 für Atrium Libertatis bezeugt bei: Isid., orig. VI 5,2; Plin., NH VII, 115; XXXV, 10; Ovid., trist. III, 1,69ff
18 Liv. XXV, 7,12
19 Coarelli, 7
20 Zanker, 504
21 CIL. VI 966 = 31215
22 Gellius, Noctes XI, 17,1; SHA., Hadr. 19,9
23 Zanker, 537f
24 R. Meneghini, RM 105, 127ff. 1998; E. La Rocca, RM 105, 149ff. 1998
25 Köb, S. 301
26 ebenso Rodenwaldt, 339
27 Zanker, 504
28 Richardson, 176
29 Rodenwaldt, 338
30 Cassius Dio, LXIX 4,1
31 Rodenwaldt, 339; s. EEA. I, 477
32 Zanker, 506
33 Zanker, 506; Fehr, 44f
34 Fehr, 44
35 Zanker, 506
36 Fehr, 48ff; ebenso Zanker, 506
37 s. Rodenwaldt, 338
38 Zanker, 506
39 zur ‚semantischen Offenheit’ vgl. insbes. Fehr 2004.
40 Trunk, 290
41 Zanker, 505, Abb. 7
42 Zanker, 506f
43 Zanker, 508 u. 505, Abb. 8 u. 9
44 Bergemann, 166
45 Zanker, 505, Abb. 8 u. 9
46 s. La Rocca, E.: Il Foro di Traiano in base alle piu recenti ricerche, in: González, J. (Hrsg.): Trajano emperador de Roma. Kolloquium Sevilla 1998. 2000
47 neueste Rekonstruktion: http://www.traiano.com/inglese/testi_html/giornale.htm
48 Zanker, 507ff, Abb. 11-18
49 wahrscheinlich alternierend mit imagines clipeatae, die verdiente Mitfeldherrn Trajans im Dakerkrieg dargestellt haben könnten; die Modellrekonstruktionen scheinen jedoch proble- matisch, „da nur wenige Reste dieser Imagines gefunden worden sind“ (Zanker, 512, Abb. 19 u. 20).
50 s. Vitruv 1,1,5
51 Zanker, 512, fährt fort: „Aber während die klassischen Koren auf dem Forum Augustum in allgemeinster Weise die besiegten Völkerschaften symbolisieren, treten die Unterworfenen hier konkret wie im Triumphzug auf.“
52 Zanker, 511f, Hölscher, Abb. 3
53 E. Simon, 769ff, in: Latomus 21 (1962)
54 Zanker, 513, Abb. 21-23
55 z.Bsp. Ostia, Museo Ostiense Inv. 23; Cambridge (Mass.), Fogg Art Museum.
56 Niemeyer, H.G.: Studien zur statuarischen Darstellung der römischen Kaiser, Nr. 50
57 Zanker, 513
58 Zanker, 513
59 Zanker, 513 bzw. 516
60 http://www.getty.edu/artsednet/Exhibitions/Trajan/commence.html
61 Gauer, 72
62 Gauer, 73f
63 Gauer, 74
64 L. Touati, zit. bei Lummel, 123
65 Lummel, 123; Zanker, 514
66 Lummel, 123
67 Zanker, 518, Abb. 30-32
68 Seelentag, 410 u. Anm. 4: „Nach unserer bisherigen Kenntnis bestand die Serie aus 51 Denaren, die republikanische Typen zum Vorbild hatten, und 23 Aurei, die sich an Typen des Principats anlehnten.“ Aus der Reihe der Principes sind dargestellt: Caesar, Augustus, Tiberius, Claudius, Galba, Vespasian, Titus und Nerva; es fehlen Caligula, Nero, Otho, Vitellius und Domitian.
69 Zanker, 519f. Neuere Publikationen (Boschung, D. - Eck, W.: Ein Bildnis der Mutter Trajans? Zum Kolossalkopf der sogenannten Agrippina Minor vom Trajansforum, in: AA 3, S. 473-481. 1998) ziehen jedoch diese Vermutungen Zankers in Zweifel, da es völlig unverständlich sei, wenn Traian auf dem Forum, das er zur Erinnerung an die siegreichen Dakerkriege und als Monument seines eigenen Ruhmes erbaute habe, “die Erinnerung an die gerade bei der Senatorenschaft verhaßte Agrippina, die Gattin des Claudius und die Mutter Neros, wachgehalten hätte. Viel eher dürfte der kolossale Portraitkopf das Bild der Mutter Traians wiedergeben” (Eck, W.: Traian - Der Weg zum Kaisertum, in: Nünnerich- Asmus, S. 10f). Dazu paßt, daß von den Reichsmünzen, die zur Zeit Traians ediert wurden, von den früheren Principes ausschließlich Traians Adoptivvater Nerva abgebildet wird, sonst aber ausschließlich Mitglieder seiner eigenen Familie, der gens Ulpia: Die Vorderseite der Münzen “zeigt 98-117 n.Chr. ganz überwiegend den Kaiser selbst. Nur auf sehr seltenen Geprägen der Zeit Herbst 112 bis spätestens Herbst 113 n.Chr. kommen sein Vater Divus Traianus Pater, sein Adoptivvater Divus Nerva, seine Ehefrau Pompeia Plotina, seine Schwester Ulpia Marciana und deren Tochter Salonia Matidia vor” (Weiser, W.: Kaiserliche
70 Gellius, Noctes, ed. Marshall. 1968
71 Zanker, 520. Richardson, 176, leitet aus der selben Textstelle aber ab, “gilded horses and military trophies provided ex manubiis [were] on the roofs of the colonnades”, also auf den Attiken der Portiken längsseits des atrium fori angebracht. Weiss, 212, ohne Angabe, welche Textüberlieferung er überhaupt seiner Arbeit zugrundegelegt hat, übersetzt gar: “Auf der Trajanssäule sind um und um vergoldete Abbildungen von Pferden und militärische Fahnen und Trophäen angebracht und darunter steht geschrieben: ex manubiis.”
72 CIL. VI 3493, 32902 bei Zanker, 521 u. Abb. 36, 37
73 Zanker, 521
74 CIL . VI 959, bei Lugli, Fontes VI, 1,58f Nr. 359
- Quote paper
- Martin Eckert (Author), 2005, Das Militär als Zivilisationsmacht: Die Traianssäule, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64871
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