Außer Zweifel steht, daß die Njala in der vorliegenden Form nicht das Ergebnis jahrhundertelanger mündlicher Erzähltradition ist, sondern das Werk eines Autors oder Kompilators, was gerade im Falle der Njala wegen des enormen Umfangs, der Vielzahl der Personen und deren komplizierter Verknüpfung untereinender überzeugt. Rolf Heller verwendet in seinen Untersuchungen über "Die literarische Darstellung der Frau in den Isländersagas" (1) große Mühe darauf zu zeigen, daß im Grunde kein einziges erzähltes konkretes Ereignis als "kulturgeschichtlich wahr" (2) angesehen werden kann. Dies erscheint für einzelne, detaillierte Begebenheiten auch einleuchtend. Zu dem Schluß, daß es sich bei der Njala dennoch nicht um bloße Fiktion handelt, kommt Lars Lönnroth: "Suffice it to say that the plot was built up traditional material which existed in some form before the writing of the saga, but that the material was then thoroughly transformed by the author to suit his particular idiom, style, ideology, and artistic vision. We may thus conclude that even though the plot was traditional, the saga was not; it was an individual literary creation" (3).
Inwieweit die Saga letztendlich die Vorstellung des Autors von der isländischen Welt von über 200 Jahren vorher wiedergibt, inwieweit er repräsentativ für seine Zeitgenossen steht, inwieweit die Saga auch, nach Hellers Vorschlag, eine Reflexion des Zeitraums darstellt, in dem die Saga geschrieben wurde (4), spielt für die angestrebte Suche nach matriarchalen Spuren eine nur untergeordnete Rolle.
Wann immer Frauen in der Saga auftreten, stets ist es nach Heller so, "daß die Frau für die Verfasser nicht Ziel der Darstellung ist, sondern überwiegend in dienender Funktion steht bei der Darstellung männlichen Heldentums" (5). Die Handlungen der Frauen werden also als literarische Motive gedeutet. Dennoch: "Fast alle Motive haben ihre Wurzeln in der Wirklichkeit isländischen Lebens" (6), und genau diese Wurzeln sind der Gegenstand der vorliegenden Arbeit.
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(1) HELLER, Rolf (1958): Die literarische Darstellung der Frau in den Isländersagas. Halle (Saale).
(2) Heller S. 3
(3) LÖNNROTH, Lars (1976): Njals Saga - a Critical Introduction. Berkeley. S. 41
(4) Heller S. 148
(5) Heller S. 151
(6) Heller S. 146
Inhaltsverzeichnis
- Vorbemerkungen
- Zu den matriarchalen Grundstrukturen
- Frauen, die fur den Gang der Geschichte von Bedeutung sind
- Frauen, die zudem vom Verfasser näher charakterisiert werden
- Zum Weltbild und zur Intention des Autors
- Beispiele fur Spuren matriarchaler Gesellschaftsorganisation
- Der religiös rituelle Bereich
- Der soziale Bereich (mit ökonomischen Aspekten)
- Schlußbetrachtung
- Quellen- und Literaturnachweis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die Njala, eine isländische Saga, um Spuren einer vormals matriarchalen Gesellschaftsordnung aufzudecken. Der Autor analysiert die Rolle der Frauen in der Saga, ihre Handlungen und Motive, um zu erforschen, inwieweit diese eine Reflexion der realen gesellschaftlichen Verhältnisse der Zeit darstellen könnten. Die Arbeit betrachtet die Saga vor dem Hintergrund des Wandels von einer heidnischen zu einer christlichen Gesellschaft und analysiert, wie der christlich geprägte Autor die Rolle der Frauen möglicherweise uminterpretiert hat.
- Die Rolle der Frauen in der Njala
- Spuren matriarchaler Strukturen in der Saga
- Die Intention des Autors und seine Darstellung der Frauen
- Die Auswirkungen der Christianisierung auf die isländische Gesellschaft
- Der Wandel von einer matriarchalen zu einer patriarchalen Gesellschaft
Zusammenfassung der Kapitel
Die Vorbemerkungen erläutern die Problematik der Interpretation der Njala und stellen fest, daß die Saga zwar nicht als historische Quelle im eigentlichen Sinn betrachtet werden kann, jedoch möglicherweise Spuren einer vormals matriarchalen Gesellschaftsordnung enthält. Die Arbeit fokussiert auf die Analyse der Motive und Handlungen der Frauen in der Saga, um diese Spuren zu identifizieren.
Das Kapitel "Zu den matriarchalen Grundstrukturen" beschreibt die zentralen Merkmale matriarchaler Gesellschaften, wie z. B. die weibliche Fruchtbarkeit als zentrales Prinzip, die Matrilinearität und Matrilokalität sowie die dominierende Rolle der Frauen im religiösen und sozialen Bereich. Die Njala bietet einige Hinweise auf diese Strukturen, die jedoch oft durch den christlichen Blickwinkel des Autors gefiltert sind.
Das Kapitel "Frauen, die fur den Gang der Geschichte von Bedeutung sind" präsentiert einen Überblick über die wichtigsten Frauengestalten der Njala und ihre Handlungen. Die Analyse zeigt, daß Frauen in der Saga oft eine entscheidende Rolle im Geschehen spielen, sei es als Initiatoren von Fehden, als Ratgeberinnen oder als Trägerinnen von Traditionen. Die Kapitel "Frauen, die zudem vom Verfasser näher charakterisiert werden" stellt einige der wichtigsten Frauengestalten der Njala näher vor und analysiert ihre Charaktereigenschaften und ihre Bedeutung für die Handlung. Die Analyse zeigt, daß der Autor die Frauenfiguren oft in einem ambivalenten Licht darstellt, wobei er gleichzeitig ihre Stärke und ihren Einfluss auf die Gesellschaft betont, aber auch ihre vermeintlichen Schwächen und ihre Rolle als "Hetzerinnen" hervorhebt.
Das Kapitel "Zum Weltbild und zur Intention des Autors" betrachtet die christlich geprägte Grundhaltung des Autors und seine mögliche didaktische Intention. Der Autor kommentiert den Wandel von einer heidnischen zu einer christlichen Gesellschaft und zeigt, wie sich diese Veränderung auf die Rolle der Frauen in der Gesellschaft auswirkt. Die Arbeit analysiert die möglichen Konflikte zwischen der heidnischen Tradition und der christlichen Lehre und stellt fest, daß der Autor die Rolle der Frauen in der Saga oft im Kontext dieser Konflikte betrachtet.
Das Kapitel "Beispiele fur Spuren matriarchaler Gesellschaftsorganisation" untersucht die Hinweise auf matriarchale Strukturen in der Njala, die sich in den Bereichen Religion, Sozialstruktur und Ökonomie finden lassen. Die Analyse zeigt, daß der Autor zwar die Dominanz der Männer in diesen Bereichen betont, jedoch gleichzeitig Spuren einer vormals matriarchalen Ordnung deutlich werden lassen. Die Arbeit untersucht die Bedeutung von Ritualen, Familienstrukturen, Heiratsbräuchen und der Rolle der Frauen in der Wirtschaft, um die Spuren matriarchaler Strukturen aufzudecken.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Njala, Isländische Saga, Matriarchat, Patriarchat, Geschlechterrollen, Frauen in der Geschichte, Christianisierung, Heidentum, Sozialstruktur, Ökonomie, Religion, Kulturwandel, Literaturanalyse.
- Arbeit zitieren
- Dr. Klaus Geyer (Autor:in), 1991, Auf der Suche nach Spuren einer vormals matriarchalen Gesellschaftsordnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6480
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