Das Bewusstsein der Konsumenten für Qualität und Herkunft von Lebensmitteln ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Diese Entwicklung geht einher mit dem Auftreten von Skandalen, in denen bestimmte Lebensmittelprodukte eines Herstellers oder Händlers als potentiell gefährlich für den Verbraucher identifiziert werden. Solche Lebensmittelskandale gehören zu den Phänomenen, auf die die Konsumenten in der heutigen direkt und medial erlebten Umwelt treffen. Sei es die BSE-Krise, die Vogelgrippe oder das Gammelfleisch, in zunehmendem Maße erreichen solche Lebensmittelkrisen durch eine gesteigerte Medienberichterstattung die Konsumenten. Neben den Lebensmittelskandalen, die eine ganze Branche treffen, sind auch nur einzelne Unternehmen von solchen Skandalen betroffen. Als letztes Glied in der Kette der Lebensmittelerzeugung und –lieferung an den Verbraucher sind die Einzelhändler im Lebensmittelsektor auch potentielle Objekte von Lebensmittelskandalen. Insbesondere durch den zunehmenden Anteil von Handelsmarken im Sortiment steigt das Risiko der Einzelhändler als verantwortlicher Verursacher von Lebensmittelskandalen identifiziert zu werden, da diese im Gegensatz zu den klassischen Herstellermarken ihnen direkt zugeordnet werden können. Für Praktiker im Lebensmitteleinzelhandel ist es daher notwendig die Folgen solcher Lebensmittelskandale abschätzen zu können, um möglichen Schaden für das Unternehmen abzuwenden. Übersetzt in eine wissenschaftliche Fragestellung des Marketings gilt es zu klären, welche Auswirkungen eine Lebensmittelkrise eines Einzelhändlers auf dem Absatzmarkt hat und welche Reaktionsstrategien des Unternehmens welche Konsequenzen hervorrufen können. Diese Fragestellung ist in die allgemeine Forschung zu Unternehmenskrisen und deren Wirkung auf das Image des Unternehmens und deren Marken einzuordnen. Das Ziel dieser Arbeit ist es mittels einer empirischen Untersuchung Erkenntnisse über die Wirkung von Lebensmittelkrisen auf das Image des Einzelhandels beim Konsumenten zu gewinnen. Die Literatur zur Marktpositionierung eines Einzelhändlers über das Image hat als viel versprechende Möglichkeit den Aufbau von Vertrauen erkannt. Daher soll in dieser speziell für den Einzelhandel konzipierten Untersuchung das Vertrauen als spezielle Image-Komponente betrachtet werden. Eine empirische Untersuchung klärt, wie das Vertrauen in den Lebensmitteleinzelhandel durch einen Lebensmittelskandal geschwächt wird.
Inhaltsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Überblick zu Unternehmenskrisen
2.1 Definition einer Krise
2.2 Ansätze der Forschung zu Krisen
2.3 Typologien von Krisen
2.4 Die Rolle der Medien in Krisen
2.5 Prävention und Reaktion der Unternehmen in Krisen
2.6 Wirkung von Krisen und Unternehmenskommunikation in Krisen auf das Unternehmensimage beim Publikum
3 Die Beeinflussungswirkung eines Lebensmittelskandals beim Konsumenten
3.1 Vertrauen in den Einzelhandel als Reaktionsvariable der Konsumenten
3.1.1 Die Rolle des Commitments zum Einzelhandel bei der Beeinflussungswirkung
3.1.2 Die Bedeutung von Einkaufsmotiven bei der Beeinflussungswirkung
4 Empirische Überprüfung
4.1 Aufbau der Empirischen Untersuchung
4.2 Stimulusdesign
4.3 Beschreibung der Stichprobe
4.4 Operationalisierung der Variablen
4.5 Deskriptive Auswertung
4.6 Analytische Auswertung mit Hypothesenprüfung
4.6.1 Allgemeine analytische Auswertung
4.6.2 Hypothesenprüfung
4.7 Güte der empirischen Untersuchung
4.8 Diskussion
5 Praxisempfehlungen
Anhang
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Berichte des Experimentalstimulus
Tabelle 2: Bartlett-Test auf Sphärizität der Faktorenanalyse der Items zum Commitment
Tabelle 3: KMO-Kriterium der Faktorenanalyse der Items zum Commitment
Tabelle 4: Eigenwerte und erklärter Varianzanteil der Faktorenanalyse der Items zum Commitment
Tabelle 5: Faktorladungen der Statements des Faktors Commitment
Tabelle 6: KMO-Kriterium der Faktorenanalyse der Items zum Vertrauen
Tabelle 7: Test auf Sphärizität der Faktorenanalyse der Items zum Vertrauen
Tabelle 8: Eigenwerte und erklärte Varianzanteile der Faktorenanalyse der Items zum Vertrauen
Tabelle 9: Faktorladungen der Statements des Faktors Vertrauen
Tabelle 10: Eigenwerte und erklärte Varianz der Faktoranalyse der Items zum Einkaufsmotiv Qualitätsorientierung
Tabelle 11: Faktorladungen der Faktorenanalyse der Items zum Einkaufsmotiv Qualitätsorientierung
Tabelle 12: Vertrauen - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 13: Einstellung - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 14: Einkaufshäufigkeit - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 15: Identifikation mit Umweltorganisitionen - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 16: Glaubwürdigkeit der Umweltorganisationen - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 17: Glaubwürdigkeit von TV-Nachrichtensendungen - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 18: Gefallen von TV-Nachrichtensendungen - Mittelwerte und Standardabweichungen
Tabelle 19: Wilcoxon-Test auf Signifianz der Änderung des Vertrauens
Tabelle 20: Wilcoxoon-Test auf Signifikanz der Änderung der Einstellung
Tabelle 21: Wilcoxon-Test auf Signifikanz der Änderung der Einkaufshäufigkeit
Tabelle 22: Hypothesenprüfung H1 und H
Tabelle 23: Hypothesenprüfung H2 und H
Tabelle 24: Hypothesenprüfung H3 und H
Tabelle 25a: Kruskal-Wallis-Test auf Stellungseffekte des Fragebogens vor Zeigen des Stimulus
Tabelle 25b: Kruskal-Wallis-Test auf Stellungseffekte des Fragebogens nach Zeigen des Stimulus 84
1 Einleitung
Das Bewusstsein der Konsumenten für Qualität und Herkunft von Lebensmitteln ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Messbar ist diese Entwicklung an den gestiegenen Umsätzen mit Lebensmitteln, die mit dem BIO-Siegel markiert sind. Auch die Nachfrage nach Informationen zu Produktionsweise, Umwelt- und Gesundheitsverträglichkeit von Lebensmitteln ist angestiegen. Diese Entwicklung geht einher mit dem Auftreten von Skandalen, in denen bestimmte Lebensmittelprodukte eines Herstellers oder Händlers als potentiell gefährlich für den Verbraucher identifiziert werden (vgl. Dannenberg, 2003).
Solche Lebensmittelskandale gehören zu den Phänomenen, auf die die Konsumenten in der heutigen direkt und medial erlebten Umwelt treffen. Sei es die BSE-Krise, die Vogelgrippe oder das Gammelfleisch, in zunehmendem Maße erreichen solche Lebensmittelkrisen durch eine gesteigerte Medienberichterstattung die Konsumenten. Neben den Lebensmittelskandalen, die eine ganze Branche treffen, wie die BSE-Krise alle Produzenten und Verkäufer britischen Rindfleisches betraf, sind auch nur einzelne Unternehmen von solchen Skandalen betroffen wie der Fall des Verdachtes, dass der Verzehr eines Produktes der Firma Coppenrath & Wiese für ein Kind tödlich endete. In diesem Fall konnte das Unternehmen durch ein geschicktes Krisenmanagement langfristige Schäden für das Unternehmen abwenden. In anderen Fällen wie dem britischen Rindfleisch ist der Schaden für die betroffenen Unternehmen bis heute zu spüren.
Als letztes Glied in der Kette der Lebensmittelerzeugung und -lieferung an den Verbraucher sind die Einzelhändler im Lebensmittelsektor auch potentielle Objekte von Lebensmittelskandalen. Insbesondere durch den zunehmenden Anteil von Handelsmarken im Sortiment steigt das Risiko der Einzelhändler als verantwortlicher Verursacher von Lebensmittelskandalen identifiziert zu werden, da diese im Gegensatz zu den klassischen Herstellermarken ihnen direkt zugeordnet werden können. Für Praktiker im Lebensmitteleinzelhandel ist es daher notwendig die Folgen solcher Lebensmittelskandale abschätzen zu können, um möglichen Schaden für das Unternehmen abzuwenden.
Übersetzt in eine wissenschaftliche Fragestellung des Marketings gilt es zu klären, welche Auswirkungen eine Lebensmittelkrise eines Einzelhändlers auf dem Absatzmarkt hat und welche Reaktionsstrategien des Unternehmens welche Konsequenzen hervorrufen können. Diese Fragestellung ist in die allgemeine Forschung zu Unternehmenskrisen und deren Wirkung auf das Image des Unternehmens und deren Marken einzuordnen.
Das Ziel dieser Arbeit ist es mittels einer empirischen Untersuchung Erkenntnisse über die Wirkung von Lebensmittelkrisen auf das Image des Einzelhandels beim Konsumenten zu gewinnen. Die Literatur zur Marktpositionierung eines Einzelhändlers über das Image hat als viel versprechende Möglichkeit den Aufbau von Vertrauen erkannt. Daher soll in dieser speziell für den Einzelhandel konzipierten Untersuchung das Vertrauen als spezielle Image-Komponente betrachtet werden. Dabei wird folgender Vorgehensweise gefolgt: Zunächst wird das einer Lebensmittelkrise übergeordnete Theoriegerüst einer Unternehmenskrise näher erläutert, um die Einordnung der Erkenntnisse in die wissenschaftliche Diskussion zu ermöglichen. Im Anschluss werden für das Phänomen der Lebensmittelkrise aus Theorien des Konsumentenverhaltens Hypothesen über die Wirkung beim Individuum abgeleitet. Diese Hypothesen werden anhand der in einer experimentellen Studie erhobenen Daten geprüft. Als Abschluss werden aus den gewonnenen Erkenntnissen Empfehlungen für die Unternehmenspraxis abgeleitet.
2 Theoretischer Überblick zu Unternehmenskrisen
2.1 Definition einer Krise
Zum besseren Verständnis soll im Folgenden definiert werden, was für die vorliegende Arbeit unter einer Krise zu verstehen ist. Da es das Ziel dieser Arbeit ist Erkenntnisse für das Marketing von Unternehmen in Zeiten der Krise zu gewinnen, werden nur solche Krisen behandelt, bei denen ein oder mehrere Unternehmen mit einer Krise in Verbindung stehen. Darunter fallen auch solche Krisen, in denen nur ein Produkt eines Unternehmens oder eine dem Unternehmen angehörige Person in seiner Funktion als Mitarbeiter mit der Krise in Verbindung stehen. Diese werden auch als Unternehmenskrisen bezeichnet. Beispielhaft für eine solche Krise ist die Korruptionsaffäre im Betriebsrat des Volkswagen-Konzerns. Wenn in den folgenden Ausführungen der Begriff Krise verwendet wird, dann sind nur solche Unternehmenskrisen gemeint.
Das Wort Krise wird häufig als Synonym verwendet für die Begriffe Katastrophe, Unglück, Skandal oder Havarie (vgl. Avenarius, 1995, S. 241). Allen diesen Begriffen gemeinsam ist der Fokus auf ein Ereignis oder eine Folge von Ereignissen mit erheblichen negativen Konsequenzen oder Schäden. Dabei ist noch keine Einschränkung vorgenommen, wen oder was diese negativen Konsequenzen oder Schäden treffen.
Von den Schäden oder negativen Konsequenzen ausgehend sind Krisen mit negativen Informationen im Umfeld des oder der betroffenen Unternehmen verbunden. Diese Informationen sind für den Kreis der Stakeholder eines Unternehmens von Interesse, da sie auf potentielle negative Konsequenzen für sie hindeuten. Daher besteht ein öffentliches Interesse an den negativen Informationen einer Unternehmenskrise. Krisen treten daher mit einem gesteigerten öffentlichen Interesse an Informationen über das oder die mit ihr verbundenen Unternehmen auf.
Das gesteigerte öffentliche Interesse, das eine Krise begleitet, ist nicht ausreichend, um zu erklären, wie Krisen so weite Teile der Bevölkerung erreichen und beeinflussen können. Erst die modernen Medien und Kommunikationsmittel wie Print, TV und Internet machen es möglich, dass negative Informationen einen großen Teil der Öffentlichkeit erreichen. Diese verbreiten die Informationen, die eine Krise betreffen in der Öffentlichkeit. Teil einer Krise ist damit die Berichterstattung der Medien (vgl. Marconi, 1997, S. 23-26).
In einer Krise wird die Öffentlichkeit einem oder mehreren in die Krise verwickelten Akteure subjektiv die Schuld für das Ereignis zuschreiben. Dies geschieht mit der Begründung des Verstoßes gegen geltendes Recht oder Normen und Sitten der Gesellschaft. Dabei spielt die objektiv feststellbare Schuld weniger eine Rolle, da die Schuldzuweisung auf Basis der persönlichen subjektiven Einschätzung vorgenommen wird (vgl. Schuh und Holzmüller, 1992, S.343).
Das Auftreten einer Krise kann von den Unternehmen nicht vorhergesehen werden. Die Krisen treten für die Unternehmen unerwartet auf. Ausgelöst werden Krisen zwar häufig durch Ereignisse oder Folgen von Ereignissen, von denen ein Unternehmen oder zumindest bestimmte Mitarbeiter oder Abteilungen vor Auftreten der Krise Kenntnis hatte. Jedoch wurde vor dem Eintreten der Krise nicht vorausgesehen, welche negativen Folgen dieses Ereignis haben könnte(vgl. Smudde, 2001, S.35).
Wie bereits erwähnt sind Krisen mit negativen Konsequenzen oder Schäden verbunden. Diese können auch das Unternehmen betreffen, das in die Krise verwickelt ist. Daher sind Krisen für Unternehmen eine Gefahr. Sie sind mit hoher Unsicherheit verbunden und können einen monetären oder nicht- monetären Schaden verursachen, der die Ziele des Unternehmens gefährdet.
Zusammengefasst wird in dieser Arbeit unter einer Krise ein Ereignis oder eine Folge von Ereignissen verstanden, die durch die folgenden Eigenschaften gekennzeichnet sind:
- Allgemeiner Schaden oder negative Konsequenzen
- Öffentliches Interesse für das Ereignis
- Medienberichterstattung
- Subjektive Schuldzuweisung durch die Öffentlichkeit
- Unvorhersehbarkeit
- Potentielle Gefahr für die Ziele eines Unternehmens
In der Marketing-Literatur werden zwei dem hier vorgestellten Verständnis vom Phänomen einer Krise ähnliche Konzepte behandelt. Dies ist zum einen die Product-harm Crisis. Diese wird von Dawar (1998, S. 110) definiert als „publicity surrounding instances of defective or dangerous products”. Dawar bezieht den potentiellen Schaden einer Product-harm Crisis für den Brand Equity in seine Definition mit ein. Dieses Phänomen ist als eine engere Definition als die hier vorgestellte zu verstehen, da das auslösende Ereignis dieser Krise festgelegt ist auf das Auftreten von defekten oder gefährlichen Produkten. Das zweite ähnliche Phänomen wird als Negative Publicity bezeichnet. Menon, Jewell und Unnava (1999, S. 325) definieren dieses Phänomen als „non-compensated dissemination of potentially damaging information by presenting disparaging news about a product, service, business unit, or individual in print or broadcast media or by word of mouth.” Die Definition des Phänomens Negative Publicity ist allgemeiner gehalten als die hier vorgestellte Definition des Phänomens Krise. Im Zentrum der Definition der Negative Publicity steht mehr die schädliche Information und die Kanäle über die sie in der Öffentlichkeit verbreitet werden. Dabei wird auch die Mund-zu-Mund-Propaganda als Verbreitungskanal einbezogen. Übereinstimmend mit der hier verwendeten Definition einer Krise ist Negative Publicity potentiell schädlich für ein Unternehmen und wird über die Medien verbreitet.
In der Literatur der Public-Relations-Forschung weist Smudde auf die Unterscheidung der Krise von dem Phänomen Issue hin (vgl. Smudde, 2001, S. 35). Issues entwickeln sich im Gegensatz zu Krisen über einen längeren Zeitraum hinweg. Daher können sie anders als im Falle einer Krise auch vorher erkannt werden. Beispiel für ein Issue wäre die Vogelgrippe, da sich dieses Thema über einen längeren Zeitraum entwickelt hat.
2.2 Ansätze der Forschung zu Krisen
Zur Einordnung der vorliegenden Arbeit soll in den folgenden Ausführungen ein Überblick zu den existierenden Ansätzen der Forschung zum Phänomen der Krise gegeben werden. Das Thema der Krise wurde bisher besonders in der Disziplin der Publizistik, den Managementwissenschaften und dem Marketing behandelt. In der Publizistik und der Managementwissenschaft wird vorwiegend auf den Ansatz der Fallstudie zurückgegriffen (vgl. Augustine, 1995, Marconi, 1997). Dabei werden reale Krisenszenarien auf ihren Verlauf und die Reaktionen des Managements Unternehmensabteilungen analysiert. Aus dem Vergleich von Verlauf und Reaktionen werden Handlungsempfehlungen für das Management einer Krise abgeleitet. Bei diesem Ansatz steht die Ableitung praktischer Handlungsempfehlungen im Vordergrund. Es wird ein Zusammenhang zwischen dem chronologischen Ablauf einer Krise und den Handlungen des Management zur Schadensvermeidung und -abschwächung hergestellt, um die Handlungsoptionen zu erkennen, die am meisten Schaden vom Unternehmen abwenden konnte. Die Erkenntnisse werden nicht auf Basis theoretischer Modelle zur Kommunikationssituation während einer Krise gewonnen, sondern nur mittels Auswertung realer Krisenverläufe. Für das bessere Verständnis einer Krise und ihrer Wirkungen beim Publikum sind diese Studien daher nur begrenzt geeignet (vgl. Dean, 2004, S. 192). Da es sich um die Studie von Einzelfällen handelt ist die Generalisierbarkeit fragwürdig. Beispielhaft für die Unzulänglichkeit der Methode der Fallstudienauswertung ist die häufig gemachte Handlungsempfehlung der Pflege einer Reputation des Unternehmens für soziale Verantwortung durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit als Schutz vor Image-Schäden durch Krisen (vgl. Schuh und Holzmüller, 1992, S. 346). Diese Empfehlung konnte durch eine empirische Studie von theoretisch abgeleiteten Hypothesen zur Wirkung einer Krise auf ein Individuum bisher nicht bestätigt werden (vgl. Dean, 2004, S. 208).
Erste empirische Studien zur Kommunikationssituation während einer Krise wurden im Rahmen der Erforschung der Wirkung von negativen Informationen über Unternehmen durchgeführt. In diesen Studien wurde für die Ableitung von Hypothesen auf die theoretischen Grundlagen der Sozialpsychologie zurückgegriffen (Vgl. Weinberger, Allen und Dillon, 1981, S. 398-399). Der Schwerpunkt lag in diesen Studien nicht auf dem Kontext einer Krise, sondern auf der Wirkung von negativen Informationen im Allgemeinen. Daher wurden Hypothesen aufgestellt, die über den Kontext einer Krise hinausreichen und auch für Bereiche wie die vergleichende Werbung galten. In einer empirischen Studie von Weinberger und Dillon (1980) konnte gezeigt werden, dass negative Informationen eine stärkere Wirkung auf die Kaufabsicht hatten als positive Informationen. Dies unterstrich die Bedeutung weiterer Forschung zu negativen Informationen.
In aktuelleren Studien wurde der Kontext der negativen Informationen stärker berücksichtigt. Dabei werden in der Marketing-Literatur die drei Phänomene Krise, Product-harm Crisis und Negative Publicity untersucht (vgl. Ahluwalia, Burnkrant und Unnava, 2000, Dawar und Pillutla 2000, Lee 2004). Die definitorischen Unterschiede dieser Konzepte wurden bereits im vorangehenden Kapitel abgehandelt. Die empirischen Ergebnisse sind trotz der definitorischen Unterschiede des Kontextes übertragbar, da es sich in allen drei Situationen um Untersuchungen zur Wirkung negativer Berichterstattung in den Medien handelt. Erstens werden in diesen Studien die theoretisch angenommenen Wirkungen von negativen Medienberichterstattungen über Unternehmen auf Individuen abhängig von der Reaktion der Unternehmen untersucht. Zweitens werden auf Basis theoretischer Ableitungen aus der Sozialpsychologie Hypothesen über die Wirkung von negativer Medienberichterstattung über ein Unternehmen auf ein Individuum abhängig von bestimmten bestehenden Beziehungen oder Meinungen zu diesem Unternehmen geprüft. Es fehlt in diesen Erkenntnissen ein gemeinsames theoretisches Gerüst zur Erklärung der Wirkung von Krisen auf das Publikum durch die negative Medienberichterstattung über ein Unternehmen.
2.3 Typologien von Krisen
In der Realität existieren vielfältige Ereignisse, die unter die hier vorgestellte Definition einer Krise fallen. Dazu gehören unter anderem Umweltkatastrophen wie die Havarie der Exxon Valdez, Korruptionsskandale wie die Affäre um den Betriebsrat des Volkswagenkonzerns oder Produktfehler wie die Aufregung um das Kippen der A-Klasse der Marke Mercedes-Benz des Daimler-Chrysler-Konzerns im sog. Elchtest. Zur besseren Differenzierung von Krisen werden in der Literatur verschiedene Attribute für eine Typologisierung vorgeschlagen. In einigen Arbeiten wird aus der Typologie heraus die Ableitung unterschiedlicher Reaktionsstrategien vorgenommen (vgl. Coombs, 2000, S.40). Als Attribute zur Typologisierung werden in vielen Kategorisierungen das Ereignis und die Kontrolle über dieses herangezogen. Eine Typologie nach dem Ereignis, das einer Krise zugrunde liegt stammt von Augustine (1995, S. 148/149). In dieser Typologie unterscheidet er die Krisen nach Kategorien von Ereignissen. Diese sind Produktprobleme, Unfälle, Arbeitskonflikte, finanzielle Schwierigkeiten und feindliche Übernahmen. Bei Produktproblemen kann es sich um Fehlfunktionen oder unerwartete Nebeneffekte von Produkten mit schädlichen Folgen für den Benutzer handeln. Unter Unfällen werden Krisen wie Flugzeugabstürze, Zugunglücke oder Explosionen von Produktionsanlagen verstanden. Augustine unterscheidet dabei Unfälle mit technischen Ursachen von anderen Unfällen. Unter Unfällen mit technischen Ursachen versteht er die häufig auftretende Krise mit Ursprung im Versagen komplexer technischer Geräte. Unter Arbeitskonflikten werden alle Krisen verstanden, die auf Streitigkeiten zwischen Belegschaft und Führung eines Unternehmens zurückzuführen sind. Beispielhaft für eine solche Krise ist die Schließung des AEG-Werkes in Nürnberg durch den Electrolux-Konzern. Bei finanziellen Schwierigkeiten handelt es sich um Krisen, bei denen ein Unternehmen in eine unvorhergesehene finanzielle Notlage geraten ist. Typisches Beispiel für eine solche Krise ist die abgewandte Insolvenz des Karstadt-Quelle- Konzerns. Mit feindlicher Übernahme bezeichnet man solche Krisen, die aus einem Übernahmeangebot für ein Unternehmen resultiert, das von der Unternehmensführung als feindlich eingestuft wird, wie zuerst im Falle des Übernahmeangebots des britischen Vodafone-Konzerns für die deutsche Mannesmann-Gruppe geschehen.
Eine ähnliche Kategorisierung nach dem Ereignis, das eine Krise auslöst stammt von Coombs (2000, S.38), die zur Ergänzung vorgestellt werden soll, da sie das mögliche Feld der auslösenden Ereignisse erweitert. Die Krisentypen nach Coombs sind Gerüchte, Naturkatastrophen, Missgunst, Unfälle und Fehlverhalten. Unter Gerüchten versteht Coombs den Fall von falschen Informationen, die durch Stakeholder in Umlauf gebracht werden, um einer Organisation zu schaden. Mit Naturkatastrophen werden solche Krisen zusammengefasst, die auf ein Naturereignis wie eine Flut zurückgehen und das Unternehmen betreffen. Unter Missgunst sind alle Krisen zu verstehen, die durch gewalttätige Aktionen ausgelöst werden, die von Personen außerhalb eines Unternehmens mit Absicht diesem zu schaden unternommen werden. Bei Unfällen handelt es sich um Krisen, die durch das Auftreten realer Schäden für Personen im oder außerhalb des Unternehmens auftreten, aber nicht auf ein Fehlverhalten zurückzuführen sind. Mit Fehlverhalten werden solche Krisen bezeichnet, die auf illegales oder moralisch inakzeptables Verhalten von Unternehmensangehörigen zurückzuführen sind.
Die bis hierher vorgestellten Typologien verwenden zur Kategorisierung von Krisen verschiedene messbare Attribute zur Differenzierung. Eine Typologie, die es erlaubt allgemein gültige Reaktionsstrategien für die Kommunikation mit der Öffentlichkeit aus dem zugeordneten Krisentyp abzuleiten, muss sich notwendigerweise an der Wahrnehmung durch ein Individuum orientieren, da anzunehmen ist, dass bei als unterschiedlich wahrgenommenen Krisen ein Individuum diese auch unterschiedlich bewertet und auf die Informationen unterschiedlich reagiert. Im Folgenden soll eine Typologie vorgestellt werden, die einen Ansatz einer solchen Typologie darstellt.
In der Typologie von Lee (2004) werden Krisen unter Rückgriff auf die Attributionstheorie kategorisiert. Es wird nach den ursachenbezogenen Wahrnehmungsdimensionen Ort und Kontrolle unterschieden. Unter Ort versteht Lee, ob das auslösende Ereignis in dem Unternehmen lag oder außerhalb und unter Kontrolle, ob das Ereignis von dem Unternehmen kontrolliert werden konnte oder nicht. Lee argumentiert, dass Ereignisse innerhalb des Unternehmens mehrheitlich als durch das Unternehmen kontrollierbar wahrgenommen werden und solche die außerhalb liegen als nicht kontrollierbar. Daher vereinfacht Lee die Kategorisierung auf ein Kontinuum mit zwei Polen, wobei der eine Pol für Krisen mit Kontrolle und Ort im Unternehmen steht und der andere für Kontrolle und Ort außerhalb des Unternehmens steht.
Die kurze Übersicht zeigt, dass die Typologisierung von Krisen auf Basis der Wahrnehmung durch das Publikum noch stärker differenziert untersucht werden muss, um zu einem besseren Verständnis der Wirkung verschiedener Krisentypen zu kommen. In der vorliegenden Untersuchung wird diesem Rechung getragen, indem nur eine spezielle Krise als Untersuchungsgegenstand definiert wird, da eine Generalisierung erst mit Erweiterung der Kenntnisse über die Typologisierung möglich erscheint.
2.4 Die Rolle der Medien in Krisen
Den Kommunikationsmedien TV, Print, Radio und Internet kommt durch ihre Berichterstattung über Krisen eine besondere Rolle für das Phänomen selbst zu. Ohne diese würden die negativen Informationen einer Krise nicht die breite Öffentlichkeit erreichen, sondern nur die Personen, die direkt mit Zeugen des oder der Ereignisse einer Krise über persönliche Netzwerke verbunden sind. Aus diesem Grund ist es notwendig die Berichterstattung der Medien über Krisen und ihre Rolle für diese genauer zu betrachten.
Die modernen Massenmedien sorgen für die breite Streuung von Informationen innerhalb der Öffentlichkeit. Eine weithin akzeptierte Hypothese über die Wirkung der Medien auf die Rezipienten ist das Agenda- Setting (vgl. McCombs und Shaw, 1972, S.176ff). Die Medien bestimmen, über welche Themen sich die Öffentlichkeit kümmert und sorgt. In anderen Worten ausgedrückt wird die kognitive Beschäftigung mit einem Thema durch die Medien beeinflusst. Bezogen auf eine Unternehmenskrise bestimmt die Intensität und Häufigkeit der Berichterstattung über eine Krise neben anderen Faktoren die Intensität, mit der sich die Öffentlichkeit und der Einzelne mit dem Thema kognitiv auseinandersetzt. Auch die Themen der persönlichen Kommunikation sind stark von der Medienberichterstattung beeinflusst. Solche Themen, die von den Medien häufig behandelt werden, werden auch vom Publikum in der persönlichen Kommunikation häufiger behandelt, da sie in ihrer Bedeutung höher gewertet werden und eher im Gedächtnis präsent sind. Die Medien besitzen daher eine gewisse Macht zu beeinflussen, welches Ausmaß der Schaden einer Krise für ein Unternehmen hat, indem sie über die Intensität und Häufigkeit der Berichterstattung die Bedeutung der Krise beim Publikum beeinflussen. Beispielhaft für diesen Effekt des Agenda-Settings ist die häufige negative Berichterstattung über als negativ gewertetes Verhalten des Vorstandsvorsitzenden Josef Ackermann der Deutschen Bank, was zu hoher Bekanntheit seiner Person, aber auch zu negativen Folgen für das Image der Deutschen Bank führte, wohingegen über Fehltritte anderer Vorstandsvorsitzender weniger berichtet wurde.
Die Macht der Medien wird gezielt von Interessensgruppen genutzt (vgl. Henard, 2002, S.8). Aus verschiedenen Motiven wie zum Beispiel der Schutz der Umwelt sind bestimmte Interessensgruppen besonders an der Enthüllung von Informationen über aus ihrer subjektiven Einschätzung negativen Unternehmenspraktiken interessiert. Zu diesen Gruppen zählen häufig Umweltschutzorganisationen, globalisierungskritische Organisationen, Gewerkschaften oder Konsumentenverbände. Zur Verbreitung der Informationen bedienen sich diese Organisationen der Massenmedien. Sie versorgen sie gezielt mit Informationen wie z.B. mit wissenschaftlichen Methoden durchgeführte Studien. Ihr Ziel ist die Beeinflussung der Öffentlichkeit zugunsten der gruppeneigenen Ziele. Die Veröffentlichung von negativen Informationen durch solche Gruppen kann eine Krise auslösen wie im Falle der Ölbohrplattform Brent Spar des Shell-Konzerns und der Organisation Greenpeace geschehen. Aus den genannten Gründen sind Interessensgruppen eine potentielle Quelle von negativer Medienberichterstattung, die sich zu einer Krisen ausweiten kann, wenn für das oder die betroffenen Unternehmen eine Gefahr für die Erreichung der unternehmenseigenen Ziele von der Berichterstattung ausgeht.
Aus Sicht der betroffenen Unternehmen ist es notwendig die Medien als ein Element der Krise zu berücksichtigen. Negative Medienberichte sind als eine Gefahr für das durch Werbeausgaben kreierte Image eines Unternehmens zu sehen und dieses sollte demnach auf diese reagieren. Die Medien konzentrieren sich in ihrer Berichterstattung gezielt auf negative Informationen. Dies wird zum einen durch die Nachrichtwerttheorie der Medienwissenschaften bestätigt, die Negativität als ein Kriterium für die Veröffentlichung einer Nachricht identifiziert hat (vgl. Staab, 1990, S.153). Zum anderen durch den Negativitäts-Effekt aus der Marketing-Literatur. Dieser besagt, dass negative Informationen eine höhere Überzeugungskraft besitzen als positive Informationen. Dies wird aus verschiedenen Theorien der Sozialpsychologie hergeleitet mit dem gemeinsamen Nenner, dass negative Informationen weniger häufig im Alltag anzutreffen sind als positive Informationen. Sie sind daher auffälliger und stechen stärker heraus, was zu einer stärkeren Wirkung in der Beeinflussung führt (vgl. Weinberger und Dillon, 1980, S. 528).
In Krisen können Unternehmen, die bereits vor Auftreten dieser über ein Netzwerk an Kontakten zu Medienvertretern über eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut haben, ihre Kontakte zu den Medien nutzen, um diese mit Informationen zu ihrer Sicht der Lage zu versorgen. Dadurch haben diese Unternehmen die Chance, dass die Berichterstattung stärker auch ihrer Position berücksichtigt. Unternehmen, die sich den Medien entziehen und keine Kontakte über Öffentlichkeitsarbeit aufgebaut haben, riskieren in Krisen als nicht glaubwürdig von den Medien eingestuft zu werden. Die Informationen der Medien werden in solchen Fällen aus nicht vom Unternehmen kontrollierbaren Quellen stammen. (vgl. Avenarius, 1995, S. 251). In solchen Fällen besteht die Gefahr, dass die über Medien verbreiteten Informationen negativere Konsequenzen einer Krise suggerieren als objektiv feststellbar.
Die Ausführungen zeigen, dass die Medien wegen ihrer Funktion als Informationsverbreiter, ihrer Beeinflussungswirkung und ihrer Beeinflussbarkeit durch Dritte eine zentrale Rolle als Mittler in Krisen einnehmen. Diese zentrale Rolle wurde auch von Hakjikhani und Seyed- Mohammad (1997, S. 84) in einer netzwerktheoretischen Betrachtung mit empirischer Überprüfung festgestellt. In empirischen Studien zur Krisenforschung ist es daher notwendig, die Medien und ihre Wirkung zu berücksichtigen. Eine Schwachstelle vieler empirischer Studien ist die Präsentation von negativen Informationen der Krise in unrealistischer Form. Um eine bessere Generalisierung der Ergebnisse für die Realität zu erreichen sind die Informationen wie reale Medienberichte zu gestalten, da dies den in der Realität am meisten anzutreffenden Fall des Kontaktes mit den negativen Informationen einer Krise darstellt.
2.5 Prävention und Reaktion der Unternehmen in Krisen
Bei Krisen handelt es sich nach vorgestellter Definition um Ereignisse, die eine Gefahr für die Ziele eines Unternehmens darstellen. Krisen können dem Markenwert (vgl. Dawar und Pillutla, 2000, S. 216) und der Legitimität von Unternehmen schaden (vgl. Seeger, Sellnow und Ulmer, 1998, S. 253). Aus Unternehmenssicht stellen Krisen daher eine reale Bedrohung für die erfolgreiche Geschäftstätigkeit eines Unternehmens dar. Wegen der Gefahren, die für ein Unternehmen von einer Krise ausgehen, ist es wichtig für die Unternehmen zu wissen, wie sie diesen Schaden vorbeugen und in der Krise abschwächen oder sogar vermeiden können. In den folgenden Ausführungen soll dargestellt werden, welche Handlungsmöglichkeiten in der existierenden Literatur zu Krisen identifiziert wurden.
Die Handlungsmöglichkeiten richten sich nach der Phase in der sich die Krise befindet. Es werden in der Literatur drei Phasen unterschieden, die zunächst abgegrenzt werden sollen (vgl. Smudde, 2001, S. 34/35). In der einer Krise vorangehenden Phase, die auch als Phase der Prävention oder Vorbeugung bezeichnet wird, passiert das auslösende Ereignis oder die Grundlagen für dieses Ereignis werden gelegt. Diese Phase ist nicht Teil der eigentlichen Krise, aber für die Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen ist es wichtig auch mögliche Handlungen im Vorfeld einer Krise zu betrachten. Sie ist durch geringen Handlungsdruck und nahezu erwartungsgemäßen Hergang der Unternehmensgeschäfte gekennzeichnet. Die zweite Phase ist die der akuten Krise. Diese Phase beginnt mit der Entdeckung und Thematisierung des auslösenden Ereignisses gefolgt von einem abrupten Anstieg der Medienberichterstattung. Diese Phase ist gekennzeichnet durch hohen Handlungsdruck und kurze Reaktionszeiten für die betroffenen Unternehmensabteilungen (vgl. Seeger et al., 1998, S. 234/235). In dieser Phase laufen viele Geschäfte nicht wie erwartet und die Unternehmensstellen sind mehr mit der Krisenbewältigung beschäftigt als mit dem Tagesgeschäft. Die dritte Phase ist die Phase der Krisenaufarbeitung oder auch die Phase der Rückkehr zur Normalität nach einer Krise. Diese Phase ist durch die Verarbeitung der Krise durch das Unternehmen gekennzeichnet. Die Auswirkungen der Krise werden nun vollständig sichtbar und können für eine Anpassung der Unternehmensabläufe ausgewertet werden (vgl. Schuh und Holzmüller, 1992, S. 345).
Die in der Literatur vorgestellten Handlungsmöglichkeiten der Phasen der Krisenvorbeugung und der Krisenaufarbeitung, die nicht der eigentlichen Krise zuzuordnen sind, sollen hier nur kurz vorgestellt werden, da der Fokus dieser Arbeit auf der eigentlichen Krise und ihrer Wirkung beim Publikum liegt. Für die einer Krise vorangehenden Phase werden in der Literatur Handlungsempfehlungen aufgestellt, wie ein Unternehmen sich am besten auf eine Krise vorbereitet. Seeger, Sellnow und Ulmer (1998, S. 245) identifizierten in ihrem Literaturüberblick folgende Elemente der Empfehlungen:
- Festlegung eines Teams für das Krisenmanagement
- Bestimmung eines geeigneten Sprechers für die Krisenkommunikation
- Identifizierung von Unternehmenstätigkeiten mit hohem Risikopotential
- Aufstellung eines Krisenkommunikationsplans mit Kontaktlisten und Checklisten.
Für die der Krise nachfolgende Phase wird empfohlen eine intensive Auswertung des auslösenden Ereignisses vorzunehmen, um eventuell notwendige Anpassungen von Prozessen oder Strukturen zur Verhinderung eines erneuten Auftreten des Ereignisses vorzunehmen. Daneben wird empfohlen auch die vorhandenen einer Krise vorbeugenden Maßnahmen zu überprüfen, um die Vorbeugung mit jeder Krise zu verbessern (vgl. Schuh und Holzmüller, 1992, S. 345).
In der eigentlichen Krisenphase ist die Reaktion des Unternehmens gegenüber der Öffentlichkeit von entscheidender Bedeutung für die Wahrnehmung der Krise durch die verschiedenen Stakeholder-Gruppen des Unternehmens und damit auch für ihr zukünftiges Verhalten im Bezug auf das Unternehmen. Die Möglichkeiten eines Unternehmens auf eine Krise zu reagieren reichen von der völligen Ignoranz einer Krise durch Verweigerung einer Reaktion, was in der Literatur als „kein Kommentar“ bezeichnet wird, bis zum vollständigen Schuldeingeständnis. Im Folgenden werden die von Coombs (2000, S.38) identifizierten Kategorien von Reaktionsmöglichkeiten vorgestellt, welche Angriff, Abstreiten, Minimierung der Verantwortung, Herunterspielen, Suche nach Billigung, Schadensbehebung und Schuldeingeständnis sind.
Wenn das Unternehmen gar kein Ereignis mit negativen Folgen sieht, das eine Krise auslösende könnte, kann sie die Gruppe oder Person angreifen, die behauptet, dass eine Krise existiert. In diesem Fall ist es aber notwendig, dass das Unternehmen die Person oder Gruppe kennt, die negative Informationen über das Unternehmen verbreitet. Daneben kann das Unternehmen ohne Berücksichtigung der Quelle der Informationen einfach das Auftreten einer Krise abstreiten.
Die erste Stufe der Anerkennung der Existenz einer Krise in der Reaktion eines Unternehmens ist der Versuch die Verantwortung für die Krise zu minimieren. Dafür stehen dem Unternehmen verschiedene kommunikative Möglichkeiten zur Verfügung. Es kann behaupten, dass das auslösende Ereignis nicht beabsichtigt war oder dass es selbst dieses gar nicht kontrollieren konnte. Das Unternehmen kann die Informationen, die im Zusammenhang mit einer Krise im Umlauf sind korrigieren. Es kann aber auch versuchen die Verantwortung auf eine andere Person, Gruppe oder Organisation zu schieben. Schließlich kann das Unternehmen sich als Opfer einer Person, Gruppe oder Organisation außerhalb der Organisation des Unternehmens darstellen.
Das Unternehmen kann in seiner Reaktion auch den Schaden oder die negativen Konsequenzen einer Krise herunterspielen. Um dies zu erreichen, kann das Unternehmen die Ernsthaftigkeit der Krise bestreiten und als harmlos darstellen. Es kann aber auch die negativen Konsequenzen als Folge eines höher angesiedelten Ziels darstellen, das zu erreichen diese rechtfertigt.
Es ist dem Unternehmen auch möglich die Akzeptanz und Billigung seiner Handlungen, die zu einer Krise führten, in der Öffentlichkeit zu suchen. Dazu kann es versuchen sich die Unterstützung der Stakeholder des Unternehmens zu sichern, indem es die bisher gute Beziehung anpreist.
Einem Schuldeingeständnis sehr nahe kommt die Kommunikation von schadensbegrenzenden Maßnahmen. Dabei kann das Unternehmen den Betroffenen einer Krise eine Kompensation für ihren erlittenen Schaden anbieten. Es kann auch anbieten den Zustand, der vor einer Krise herrschte wiederherzustellen. Schließlich kann das Unternehmen Aktionen ankündigen, die das Auftreten einer solchen Krise in Zukunft verhindern.
Als letzte Möglichkeit bietet sich den Unternehmen die Reaktionsstrategie eines vollen Schuldeingeständnisses. Dabei werden nicht nur korrigierende Maßnahmen kommuniziert sondern auch die volle Verantwortung für alle mit der Krise verbundenen Ereignisse übernommen.
Aus Unternehmenssicht ist es wichtig zu wissen, welche kommunikative Reaktionsstrategien in welcher Krisensituation am wirkungsvollsten ist, d.h. welche Strategie den bestmöglichen Schutz vor Schaden durch die Krise bietet. Zunächst ist zu betrachten, welche Ziele des Unternehmens durch die Krise Schaden nehmen können und wie wichtig diese Ziele im Verhältnis zu einander sind. Denn Reaktionsstrategien können Schaden für die Erreichung eines Zieles abwenden und gleichzeitig den Schaden für ein anderes Ziel erhöhen. So kann ein volles Schuldeingeständnis ein Unternehmen eventuell vor starken Imageverlusten schützen, gleichzeitig aber die Gefahr rechtlicher Konsequenzen wie Schadensersatzforderungen erhöhen. Die positiven und negativen Konsequenzen einer Reaktionsstrategie sind insbesondere auf die unterschiedlichen Interessen der verschiedenen Stakeholder eines Unternehmens zurückzuführen (vgl. Seeger et al., 1998, S.257). Es ist nicht zu erwarten, dass alle Kunden eines Unternehmens auf die gleiche Art und Weise auf die Reaktionsstrategie eines Unternehmens reagieren, da sie unterschiedliche Interessen verfolgen. In der Literatur zu Unternehmenskrisen wird in der Regel von der Annahme ausgegangen, dass das oberste Ziel der Schutz des Images und der Legitimität eines Unternehmens ist (vgl. Seeger et al., 1998, S.241-258), ob dies in der Praxis für alle Unternehmen gilt wäre zu überprüfen.
2.6 Wirkung von Krisen und Unternehmenskommunikation in Krisen auf das Unternehmensimage beim Publikum
Nachdem die Handlungsmöglichkeiten, die einem Unternehmen in der Krise zur Verfügung stehen näher betrachtet wurden, soll in den folgenden Ausführungen empirische Ergebnisse zur Wirkung von Krisen auf das Publikum vorgestellt werden.
Es ist für ein Unternehmen wichtig zu wissen, wie seine Kunden und potentiellen Kunden auf eine Krise und die Unternehmensreaktion reagieren, um zu verstehen, welche Handlungen das Unternehmen vor Schaden auf der Absatzseite bewahren. Das bessere Verständnis, wie ein Konsument Informationen in Krisenzeiten aufnimmt und verarbeitet erlaubt es den Unternehmen der Konsumgüterindustrie ihre Reaktion auf Krisen gezielt anzupassen, um den Schaden auf der Absatzseite zu minimieren. Die Konsumenten nehmen Informationen über die Krise, die sie in ihrer Umwelt wahrnehmen, auf und konstruieren daraus ihre Interpretation der Realität einer Krise. Die Wirkung einer Krise hängt demnach von der subjektiven Wahrnehmung der einzelnen Individuen ab. Für eine Krise ist es daher notwendig zu untersuchen, wie die Fakten einer Krise und der Unternehmensreaktion von den Individuen wahrgenommen und verarbeitet werden und welche Wirkungen sich auf Einstellungen und Verhalten dieser Individuen ergeben (vgl. Lee, 2004, S. 601).
Die theoretische Basis zur Untersuchung der individuellen Wirkung von beobachtbaren Reizen wie den Informationen über eine Krise auf ein Individuum und deren folgende Reaktion bildet das S-O-R Schema der Kommunikationswissenschaften. In diesem Forschungsansatz wird die Wirkungskette vom Stimulus (S) über die im Organismus (O) des Subjekts ablaufenden nicht direkt beobachtbaren Prozesse bis zu den beobachtbaren Reaktionen (R) analysiert. Dabei werden theoretische Überlegungen über die im Organismus abhängig von seinen bestehenden Einstellungen ablaufenden Prozesse benutzt, um Generalisierungen über empirisch messbare Reaktionen zu machen. (vgl. Kroeber-Riel und Weinberg, 2002, S. 500/501).
Im Fall einer Krise treffen Informationen über diese als Stimuli auf das Individuum. Diese Stimuli sind zum einen die Medienberichte zu einer Krise, zum anderen persönliche Kommunikation über die Krise. Diese Informationen werden von den Individuen kognitiv verarbeitet, wobei intervenierende kognitive und affektive Prozesse ablaufen. Über diese intervenierenden Prozesse der Informationsverarbeitung existieren verschiedene Theorien, die für eine Erklärung der Überzeugungswirkung von negativen Informationen einer Krise herangezogen werden können (vgl. Petty, Unnava und Strathman, 1991, S. 242).
In einer Studie von Griffin, Babin und Attaway (1991, S. 335/336) zur Wirkung einer Krise mit Produktproblemen, in der in einer Schnellrestaurant- Kette salmonellenverseuchtes Essen serviert wurde, wurde zur Erklärung der intervenierenden Prozesse bei der Informationsverarbeitung einer Krise die Attributionstheorie herangezogen. Im Sinne dieser konnte empirisch gezeigt werden, dass bei einer Krise, in der die Ursache für diese außerhalb des unmittelbaren Wirkungsbereichs eines Unternehmens liegt, die Einstellung zu dem Unternehmen besser ist als bei einer Ursache die innerhalb des unmittelbaren Wirkungsbereichs des Unternehmens liegt. Erklärt wurde dieses mit dem Diskont-Prinzip, wonach bei externer Ursache, die Schäden weniger auf das Verhalten des Unternehmens zurückgeführt werden und daher weniger negative Kognitionen über dieses entstehen. Abgeleitet von der Attributionstheorie konnte auch nachgewiesen werden, dass die Glaubwürdigkeit der Quelle der Informationen zu einer Krise die Überzeugungswirkung von Informationen einer Krise moderiert. Je höher die Glaubwürdigkeit der Quelle, desto negativer war die Einstellung zum Unternehmen in der Krise. Weiterhin wurde angenommen und empirisch bestätigt, dass das Wissen über die Vergangenheit eines Unternehmens die Wirkung auf die Einstellung beeinflusst. Die Einstellung zu einem Unternehmen mit einer Vergangenheit regelmäßiger Krisen wird danach schlechter beurteilt als bei einem Unternehmen mit einer Vergangenheit ohne Krisen. Theoretisch wurde dies mit der Zusammenhangsregel der Attributionstheorie erklärt, wonach Ereignisse, die regelmäßig mit einem Objekt auftreten, auf dieses attribuiert werden. Für die Vergangenheit eines Unternehmens heißt das, dass bei einer Folge von Krisen mit jeder Krise die Verantwortung des Unternehmens aus Sicht einer Person zunimmt und die Einstellung damit negativer beeinflusst wird als bei einem Unternehmen mit keiner Vergangenheit von Krisen. Für die Reaktion des Unternehmens auf die Krise konnte empirisch gezeigt werden, dass eine Strategie des Schuldeingeständnisses gepaart mit Beseitigung des Schadens zu einer besseren Einstellung zum Unternehmen führten als eine Strategie des Abstreitens der Verantwortung oder des Verweigerns einer Reaktion.
Die Reaktanztheorie und die Commodity-Theorie wurden von Menon, Jewell und Unnava (1999) in ihrer empirischen Untersuchung zur Ableitung von Annahmen über die Wirkung von Unternehmensreaktionen in einer Krise mit Produktproblemen, in der ein Sportschuh einer fiktiven Marke und von einem fiktiven Unternehmen langfristige Gesundheitsschäden verursacht, herangezogen. Es wurde die Wirkung einer Strategie des Abstreitens mit schwacher Argumentation, einer Strategie des Abstreitens mit starker Argumentation und einer Strategie des Verweigerns einer Reaktion geprüft. Auf Basis der Reaktanztheorie wurde angenommen, dass eine Strategie des Verweigerns einer Reaktion negativer wirkt, da diese Reaktanz hervorruft. Eine Person fühlt sich durch diese Reaktion in ihrem Bedürfnis nach Information eingeengt und entwickelt daher negative Affekte gegenüber einem Unternehmen. Dies konnte empirisch bestätigt werden. Kein Kommentar führte zu einer negativeren Einstellung als eine Strategie des Abstreitens und die Wirkung wird von negativen Affekten moderiert. Auf Basis der Commodity-Theorie wurde angenommen, dass durch die Strategie der Verweigerung einer Reaktion auch negative Kognitionen entstehen, die die Wirkung moderieren. Diese konnte ebenso empirisch bestätigt werden. Für die Strategie des Abstreitens konnte gezeigt werden, dass eine starke Argumentation zu einer positiveren Einstellung zum Unternehmen führt als eine schwache Argumentation.
In den bereits vorgestellten Studien wurde die Wirkung von Krisen und der Reaktionsstrategie von Unternehmen auf die Einstellung zum Unternehmen untersucht. Die Wirkung auf den Markenwert wurde in einer Studie von Dawar und Pillutla (2000) untersucht. Dabei wurde auf die Theorie zur Wirkung der Interaktion von Erwartungen und Tatsachen zurückgegriffen. Es wurde untersucht, wie sich unterschiedliche Reaktionsstrategien auf den Markenwert auswirken in Abhängigkeit von der Stärke bestehender positiver Erwartungen gegenüber der Marke. Dabei ergab die Studie folgendes Ergebnis: Reagiert ein Unternehmen mit einem vollen Schuldeingeständnis für eine Krise, einer nicht einheitlichen Kommunikation oder mit der Ablehnung jeglicher Verantwortung ist der Verlust an Markenwert bei Individuen mit stark positiven Erwartungen geringer als bei Individuen mit schwach positiven Erwartungen. Empirisch konnte weiterhin nachgewiesen werden, dass Individuen mit unterschiedlicher Stärke der positiven Erwartungen ihre Aufmerksamkeit auf unterschiedliche Informationen einer Krise richteten und diese unterschiedliche gewichteten.
Die Vorstellung der Ergebnisse zeigt, dass den Untersuchungen zur Wirkung beim Publikum ein gemeinsamer theoretischer Rahmen fehlt, der sie vergleichbar macht.
3 Die Beeinflussungswirkung eines Lebensmittelskandals beim Konsumenten
Nach dem theoretischen Überblick über Krisen und der Schilderung der Zusammenhänge und Wirkungen dieser im allgemeinen soll im folgenden Teil für die spezielle Krise eines Lebensmittelskandals in der Branche des Einzelhandels Wirkungen theoretisch abgeleitet und empirisch überprüft werden.
Ausgelöst wird ein Lebensmittelskandal durch das Bekanntwerden von Qualitätsmängeln bei Lebensmitteln, die zu einer Gefährdung der Gesundheit der Verbraucher führen können. Der Lebensmittelskandal fällt als Phänomen in das vorgestellte definitorische Raster einer Krise. Das auslösende Ereignis ist mit möglichen negativen Konsequenzen in Form von möglichen gesundheitlichen Schäden für den Verbraucher verbunden. Wegen des erhöhten gesundheitlichen Risikos ist ein solcher Fall regelmäßig mit erhöhtem öffentlichem Interesse verbunden. Dieses Interesse wird begleitet von Medienberichterstattungen, die die Öffentlichkeit über das Risiko informieren wollen. Dabei wird subjektiv einem der beteiligten Akteure, sei es der Händler, der Hersteller oder weiter vor gelagerte Produktionsstufen, die Schuld zugewiesen. Für die Händler und Hersteller sind solche Krisen in der Regel nicht vorhersehbar. Es sei denn sie sind auf opportunistisches Verhalten zurückzuführen, das fahrlässig gesundheitliche Risiken für die Verbraucher der Lebensmittel in Kauf nimmt. Von der Reaktion der Öffentlichkeit und der Berichterstattung der Medien können mehrfache Gefahren für die Ziele eines Unternehmens ausgehen. So kann z.B. der Umsatz bei den Produzenten der Lebensmittel zurückgehen oder das Handelsunternehmen, das die Produkte in Umlauf gebracht hat auf Schadensersatz verklagt werden.
Nach den vorgestellten Typologien fällt der Lebensmittelskandal in die Kategorie der Produktprobleme (vgl. Augustine, 1995, S. 148).
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- Dipl.-Kfm. Benjamin Brauer (Author), 2006, Lebensmittelskandale: Eine experimentelle Studie zur Wirkung auf das Vertrauen zum Einzelhandel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64560
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