Einleitung
Der funktionierender Rechtsstaat ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der Demokratie. Er steht für wirtschaftliche Entwicklung, Grundrechtssicherung und Gewaltenkontrolle, gerade bei jungen und nicht konsolidierten Demokratien. Diese ihm innewohnende Rolle und obwohl man zum Teil über eine „Rule of Law Revival“1 spricht, wird der Rechtsstaat wider Erwarten nicht von der politikwissenschaftliche Diskussion in gebührenden Maße berücksichtigt, was sich nicht zu letzt in der wissenschaftlichen Literatur widerspiegelt. Quantitativ wie qualitativ zeigt sich das junge Forschungsgebiet noch nicht klar und vollständig erhellend ausgearbeitet.2
Grundlegende Überlegungen, die den Ausschnitt in seiner Gänze definieren und Operationalisierungsregeln aufstellen fehlen oder sind nur teilweise erarbeitet worden. So scheut sich mancher Autor davor das Konzept des Rechtsstaates vollständig theoretisch abzulichten und einen Fall komplett durch zu deklinieren.3 Prillamans Arbeit über eine gesunde Judikative und Beethams Aufsatz zum Democratic Audit stellen in konzeptueller Hinsicht eine Ausnahme dar und sind demzufolge Grundlage für diese Arbeit.
Arbeitsziel dieser Hausarbeit soll sein, den Begriff Rechtsstaat sowie alle relevanten Variablen und Indikatoren so abstrakt wie möglich zu definieren und zu beschreiben, ebenso ab wann und durch was der Rechtsstaat gefährdet sein kann. Da ein defizitärer Rechtsstaat Einfluss auf die Demokratie hat, muss dieser zunächst durch Indikatoren operationalisiert werden, um ihn für die wissenschaftliche Arbeit messbar und handhabbar zu machen. Dadurch wird es in einer anderen Arbeit dann möglich sein, diese Kriterien, Indikatoren und Variablen für ein bestimmtes Land in Südamerika anzuwenden und zu brauchbaren wissenschaftlichen Ergebnissen über den Rechtsstaat zu kommen.4
Generell sollte man die Variablen und Indikatoren, die in dieser Untersuchung erarbeitet wurden, auf ein beliebiges Land auf dem Globus anwenden können, doch es besteht ein klarer Bezug zu den süd- und lateinamerikanischen Ländern.
Rechtsstaatsmessung:
Die Schlüsselvariablen des Rechtstaats
Einleitung
Der funktionierender Rechtsstaat ist einer der wichtigsten Grundpfeiler der Demokratie. Er steht für wirtschaftliche Entwicklung, Grundrechtssicherung und Gewaltenkontrolle, gerade bei jungen und nicht konsolidierten Demokratien. Diese ihm innewohnende Rolle und obwohl man zum Teil über eine „Rule of Law Revival“[1] spricht, wird der Rechtsstaat wider Erwarten nicht von der politikwissenschaftliche Diskussion in gebührenden Maße berücksichtigt, was sich nicht zu letzt in der wissenschaftlichen Literatur widerspiegelt. Quantitativ wie qualitativ zeigt sich das junge Forschungsgebiet noch nicht klar und vollständig erhellend ausgearbeitet.[2]
Grundlegende Überlegungen, die den Ausschnitt in seiner Gänze definieren und Operationalisierungsregeln aufstellen fehlen oder sind nur teilweise erarbeitet worden. So scheut sich mancher Autor davor das Konzept des Rechtsstaates vollständig theoretisch abzulichten und einen Fall komplett durch zu deklinieren.[3] Prillamans Arbeit über eine gesunde Judikative und Beethams Aufsatz zum Democratic Audit stellen in konzeptueller Hinsicht eine Ausnahme dar und sind demzufolge Grundlage für diese Arbeit.
Arbeitsziel dieser Hausarbeit soll sein, den Begriff Rechtsstaat sowie alle relevanten Variablen und Indikatoren so abstrakt wie möglich zu definieren und zu beschreiben, ebenso ab wann und durch was der Rechtsstaat gefährdet sein kann. Da ein defizitärer Rechtsstaat Einfluss auf die Demokratie hat, muss dieser zunächst durch Indikatoren operationalisiert werden, um ihn für die wissenschaftliche Arbeit messbar und handhabbar zu machen. Dadurch wird es in einer anderen Arbeit dann möglich sein, diese Kriterien, Indikatoren und Variablen für ein bestimmtes Land in Südamerika anzuwenden und zu brauchbaren wissenschaftlichen Ergebnissen über den Rechtsstaat zu kommen.[4]
Generell sollte man die Variablen und Indikatoren, die in dieser Untersuchung erarbeitet wurden, auf ein beliebiges Land auf dem Globus anwenden können, doch es besteht ein klarer Bezug zu den süd- und lateinamerikanischen Ländern.
Definition des Rechtsstaats
Der Rechtsstaat definiert sich als Staat, in dem eine Rechtsordnung und eine allgemeine Rechtsgebundenheit errichtet und garantiert ist.[5] Aus historischer Sicht können zwei Formen des Rechtsstaates – formell und materiell – unterschieden werden. Der formelle Rechtsstaat ist allein auf die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung reduziert und unpolitisch in seiner Art. Das aufstrebende Bürgertum sah darin eine Möglichkeit, ihre Rechte gegenüber den Monarchen zu sichern. Zunächst waren diese bürgerlichen Rechte nicht in einer Verfassung verankert, wurden aber allmählich durch allgemeine Gesetze zur Gültigkeit überführt, die jedoch weiterhin von der Exekutiven und Legislativen außer Kraft gesetzt werden konnten. Im Gegensatz dazu bietet der materielle Rechtsstaat eine Grundrechtsbindung und -schutz sowie die gesetzliche Bindung der Staatstätigkeit. Somit umfasst der materielle Rechtsstaat „[...] nicht nur die Garantie des formalen Rechtsstaates, sondern auch die Ausdifferenzierung der Grundrechte.“[6] Er widerspricht auch der Annahme, dass durch eine legale Revolution die Demokratie abgeschafft werden könnte und sollte daher durch eine Ewigkeitsklausel geschützt werden.[7] Der formale Rechtsstaat lässt sich letztlich auf Gesetzmäßigkeiten der Verwaltung reduzieren, wohingegen der materielle Rechtstaat den formellen einschließt und durch bürgerliche Rechte und Verfahrensrechte erweitert wird. Auf die materielle Rechtsstaatsdefinition wird sich diese Arbeit stützten.
Obwohl es größer Unterschiede vor allem zwischen dem britischen Rule of Law- Begriff und dem deutsch geprägten Rechtsstaatsbegriff gibt, werden in der hier vorliegenden Arbeit die Begriffe Rule of Law und Rechtsstaat synonym benutzt.[8]
Schlüsselvariablen
Laut Prillaman sind die Schlüsselvariablen für ein gesundes Justizwesen und den damit verbundenen Rechtsstaat: Unabhängigkeit, Effizienz und Zugang.[9] Jede dieser Variablen ist verbunden mit der Fähigkeit der Judikativen Gewalt, das demokratische Regime zu sichern, die ökonomische Entwicklung voranzutreiben und den gesellschaftlichen Glaube in den Rechtsstaat aufzubauen. Jedoch wird in dieser Arbeit eine weitere Variable –Berechenbarkeit – aus den bisher genannten drei Schlüsselvariablen, vor allem aber aus der Effizienzvariable, herausgelöst werden. Des weiteren tritt zu den jetzt vier Schlüsselvariablen eine von Prillaman nicht beachtet und untersuchte Subkategorie bzw. Akteur– das Polizei- und Vollzugswesen – hinzu.
Unabhängigkeit
Defekte der richterlichen Unabhängigkeit können entweder interner und/oder externer Natur sein. Die interne Unabhängigkeit bezieht sich auf einzelne Richter in speziellen Fällen, ist also individueller Natur. Externe Unabhängigkeit fokussiert hingegen Probleme, die das gesamte Justizwesen betreffen und ist somit institutioneller Natur.[10]
Beide Arten der richterlichen Unabhängigkeit (intern und extern) können zwischen den Polen autonomer und dependentieller Justiz pendeln. Am Ende der rechten Seite des Spektrums steht dann ein völlig politisiertes Justizwesen das unter starkem externen Druck und Kontrolle seine Unabhängigkeit verloren hat. Zu beachten ist jedoch hierbei, dass nicht nur ein politisiertes Justizwesen, sondern auch ein insulares und unberechenbares die Unabhängigkeit gefährdet.[11] Völlige Unabhängigkeit und Isolation weist keine der drei Gewalten in einem Gewaltenteilungssystem auf. So hängen die Gerichte vor allem von der exekutiven Gewalt ab, die dafür Sorge trägt, dass die Urteile durch die Polizei effektiv in die Tat umgesetzt werden oder bei der Richterwahl und Ernennung in der Regel entscheidend beteiligt sind. Ein isoliertes Justizwesen birgt die Gefahr in sich, dass dieses zum Beispiel durch völlige Unabhängigkeit bei der internen Auswahl der niedrigern Richterposten sich verselbständigt und eine bürokratische Elite herausbildet, die dann gleichgültig gegenüber der Bevölkerung handelt und für diese unberechenbar wird (institutionell- strukturelle Unberechenbarkeit). Somit sollte das Justizwesen zwischen Unabhängigkeit und Berechenbarkeit ausbalanciert sein. Ferner muss Unabhängigkeit als etwas relatives betrachtet werden, das nur theoretisch ein Idealtyp ist und in der Realität irgendwo zwischen den beiden Polen steht.[12]
Die Effektivität und Impunidad wird, sofern dies möglich ist der Unabhängigkeit zugeteilt, obwohl andere Autoren darunter David Beetham, zumindest was die Kontrolle der Justiz und Verwaltung betrifft, zwischen Effektivität und Zugänglichkeit einen Zusammenhang erkennen.[13]
Effizienz
Die wissenschaftliche Diskussion hat bis heute keine klare Definition hervorgebracht, was ein effizientes Justizwesen ausmacht, und eine Antwort darauf wird es so schnell auch nicht geben, wenn man bedenkt, dass eine „schnelle“ Justiz nicht unbedingt eine bessere sein muss.[14] Die Effizienzvariable wird sich in dieser Arbeit auf die Definition von Schmidt stützen, der die Effizienz als eine Kosten-Nutzen-Abwägung der Zweck-Mittel-Relation sieht.[15]
Obwohl oben bereits die Schnelligkeit der Verfahren als ambivalent eingestuft wurde, tritt Effizienz oder Ineffizienz am offensichtlichsten zu Tage, wenn man die Dauer der Verfahren betrachtet, und sich in diesem Zusammenhang vor Augen führt, dass die Monopolstellung der Judikative, keine wirkliche Konkurrenz und damit auch keine absolute Effizienzkontrolle zu fürchten hat.[16] Wird also eine Zeitvorgabe überschritten, ist dies ein Indikator dafür, dass es zu Verzögerung bei der Abwicklung des Falles gekommen ist, doch bedeutet das nicht automatisch, dass ein System ineffizient arbeitet. Auch in einem effizienten Justizwesen kommt es zu Verspätungen, die aber im Unterschied zu einem ineffizienten minimiert und kontrolliert werden können und nicht die Glaubwürdigkeit des ganzen Systems in Frage stellen. Sind die Gründe, die die Abhandlung eines Falles verzögern nicht fallinhärent und für das gesamte System unkontrollierbar, so ist es möglich, wenn die Ursachen nicht erkannt und abgeschafft werden, dass es zu einer dauerhaften Störung kommen kann.[17] Indikatoren, die das gesamte Gerichtssystem betreffen und negativ in seiner Effizienz beeinflussen, können zum Beispiel mangelnde Professionalität und Ausstattung der Gerichte sein oder die schon weiter oben erwähnte Monopolstellung der Justiz.[18] Ein weiterer Faktor (nur vage ausformulierte und widersprüchliche Gesetze), die Inkohärenz der Gesetze, den Prillaman von Edgardo Buscaglia übernimmt und Teil seiner Effizienzvariablen bildet, wird, wie weiter unten gezeigt werden muss, aus der Effizienz herausgenommen und der Berechenbarkeit zugeschlagen.[19]
Zugänglichkeit
Soziale, kulturelle, ethnische und linguistische „Cleavages“ werden in der Forschung als eine der entscheidensten Probleme beim Zugang zum Justizwesen gewertet. Aber auch ökonomische und geografische Bedingungen, wie hohe Gerichtskosten und ungleichmäßige Verteilung der Richterschaft im gesamten Land stellen große Zugangsbarriere für gewisse Gruppen dar.[20]
Aber nicht nur institutionelle und strukturelle Probleme verhindern den gleichberechtigten Zugang, sondern gerade die Ansicht vieler Bürger, die einen Gerichtsgang als Zeitverschwendung betrachten, versperrt den Zugang zum Gericht auf eine „mentale“ Art und Weise.[21] Durch Frustration und verlorengegangenes Vertrauen sind die psychologischen Kosten für den Rechtsstaat besonders hoch.[22]
[...]
[1] Carothers, Thomas, The Rule or Law Revival, S. 95- 106.
[2] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 3.
[3] Vgl. Helfrich-Bernal, Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in Kolumbien, S. 139.
[4] Vgl. Zakaria, The Rise of Illiberal Democracy, S. 40f; siehe auch Vgl, Schmidt,.Wörterbuch zur Politik, S. 676f; In der Lateinamerikaforschung ist vielleicht generell zu hinterfragen, ob es nicht sinnvoller wäre diese aufzuteilen in Mittelamerika und Südamerika, letzteres vielleicht noch weitergehend in Cono Sur und das restliche Lateinamerika.
[5] Vgl, Nohlen, Lexikon der Politik, S. 541; siehe auch Vgl, Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 808f.
[6] Lauth, Rechtsstaat, Rechtssysteme und Demokratie, S. 31.
[7] Vgl. ebd.; Im Sinne Mills ( Mill, John Stuart, Über die Freiheit, Heidelberg 1980.) steht die Ewigkeitsklausel im Grundgesetz der BRD (Art. 79 GG).
[8] Vgl. ebd., S. 32.
[9] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 15.
[10] Vgl. ebd., S. 16; siehe auch Vgl. Beetham, International IDEA Handbook on Democracy Assessment, S. 64.
[11] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 16; Die Relativität des Begriffs „Unabhängigkeit“ muss beachtet werden, um sich später alle wichtigen Indikatoren erschließen zu können.
[12] Vgl. ebd., S. 17.
[13] Vgl. Beetham, International IDEA Handbook on Democracy Assessment, S. 64.
[14] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 27 u. 18.
[15] Vgl. Schmidt, Wörterbuch zur Politik, S. 243; Effizienz ist gegeben, wenn bei gegebenen Aufwand ein Höchstmaß an Ertrag gegeben ist oder Umgekehrt.
[16] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 17, Fußnote 14.
[17] Vgl. ebd., S. 18; Prillaman zitiert hier Buscaglia, der dieses Problem als “uncontrolled variations” bezeichnet.
[18] Vgl. Ambos, Erscheinungsform der impunidad und Gegenmaßnahmen, S. 243.
[19] Vgl. Prillaman, The judiciary and democratic decay in Latin America, S. 18.
[20] Vgl. ebd.
[21] Vgl. ebd., S. 24.
[22] Vgl. ebd., S. 25.
- Arbeit zitieren
- Dietmar Klumpp (Autor:in), 2004, Rechtsstaatsmessung: Die Schlüsselvariablen des Rechtstaats, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64482
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