„Star Wars“ ist die wohl erfolgreichste Film-Reihe, die es je gab. Allein die Summen, die die verschiedenen Episoden eingespielt haben, machen den exorbitanten Erfolg deutlich. So spielte die „Star Wars“-Trilogie insgesamt knapp 2 Mrd. Dollar an den Kinokassen ein, hinzu kommen noch die Licensing-Einnahmen. Unabhängig davon ist „Star Wars“ seit knapp drei Jahrzehnten „Kult“.
Was macht die Faszination und den Erfolg von „Star Wars“ aus? Wie lässt es sich erklären, dass eine Science Fiction Filmreihe, die vordergründig nichts mit dem alltäglichen Leben und der Lebenswirklichkeit von Menschen zu tun hat, zu einem solchen Faszinosum wird, dass Millionen Menschen ihr und den Helden des Films fast jüngerhaft huldigen?
„Star Wars“ befriedigt zum einen das Bedürfnis der Menschen ihrer alltäglichen Lebenswirklichkeit für die Länge des Films zu entfliehen und trifft andererseits offensichtlich den existentiellen, unterbewussten Nerv seiner Anhänger.
Die in dieser Arbeit vertretene These zielt auf diese essentielle Bedeutung und Wirkung der Filme: „Star Wars“ spricht gezielt die Archetypen, archaische Grundstrukturen der Psyche an und dies nicht nur mit den Charakteren und Handlungselementen der Filme, sondern auch mit seiner narrativen Struktur. Die Geschichte von Luke Skywalker zeichnet im Wesentlichen den Prozess der Individuation eines Menschen nach, und dies gleichsam mit allen existentiellen Auseinandersetzungen mit sich selbst und der Umwelt, die im Leben eines Individuums stattfinden. Der Held erscheint zunächst als unwissender junger Mann, der sich aufgrund einer Begegnung mit seinem Mentor auf den Weg macht, sich dem Prozess seiner Selbstwerdung zu stellen. Innerhalb dieses Prozesses begegnet er zahlreichen Gefahren und Versuchungen, doch er erfährt Unterstützung und Glück. Zentral ist die Konfrontation mit dem „Bösen“, das sich als sein Vater und somit als Teil seiner selbst herausstellt und dem er sich in offener Auseinandersetzung stellt. Dieses Motiv bildet den Kern des Gelingens seines Individuationsprozesses. In der narrativen Struktur der Filme erscheinen Ängste, Versuchungen, Glück und Erfolg in einem Prozess der Entwicklung des Selbst. Dies hat eine so grundlegende, archetypische Qualität, dass beim Zuschauer tiefste und intensivste Gefühle, Sehnsüchte, Ängste etc. angesprochen werden. In dieser archetypischen Narration findet sich maßgeblich die Ursache der faszinierenden Wirkung und damit auch des Erfolgs von „Star Wars“.
Inhalt
1. Einleitung
2. Definitionen
2.1. Der Mythos
2.2. Archetypen
2.2.1. Kinderarchetypus
2.2.2. Der Heros
2.2.3. Die Anima
2.2.4. Der Mentor
2.2.5. Der Schatten
2.2.6. Die Quest
2.3. Das Selbst
3. Inhaltsangaben
3.1. Star Wars -A New Hope (Episode IV)
4. Filmanalyse
4.1. Mythische, magische und religiöse Elemente und Charak tere - die narrative mythologische Struktur von „Star 12 Wars“
4.2. Archetypen
5. Schlußbetrachtung
6. Literaturangaben/Quellenverzeichnis 20
Anlage
1. Einleitung
„Star Wars“ ist die wohl erfolgreichste Film-Reihe, die es je gab. Allein die Summen, die die verschie- denen Episoden eingespielt haben, machen den exorbitanten Erfolg deutlich. So spielte die „Star Wars“-Trilogie insgesamt knapp 2 Mrd. Dollar an den Kinokassen ein1, hinzu kommen noch Einnah- men aus dem Merchadisinggeschäft. Unabhängig davon ist „Star Wars“ seit knapp drei Jahrzehnten das, was man ‚Kult’ nennt - eine Geschichte, die zahllose Menschen auf eine Weise in ihren Bann zieht, dass viele sie als wesentlichen Einfluß und stetigen Aspekt ihres Lebens bezeichnen.
Die Ausgangsfrage dieser Arbeit lautet: Was macht die Faszination und den Erfolg von Star Wars aus? Wie läßt es sich erklären, dass eine Science Fiction- Filmreihe, die vordergründig nichts mit dem alltäglichen Leben und der Lebenswirklichkeit von Menschen zu tun hat, zu einem solchen Faszinosum wird, dass Millionen Menschen ihr und den Helden des Films gleichsam jüngerhaft huldigen. Das häufig angeführte Erklärungsmuster, der Erfolg von solcherart Science Fiction beruhe auf dem Be- dürfnis der Menschen ihrer alltäglichen Lebenswirklichkeit zumindest für die Länge eines Films zu entfliehen - Science Fiction wäre also gerade deswegen so erfolgreich, weil es mit jeder alltäglich erfahrbaren Realität nichts zu tun hätte, reicht als Erklärung nicht aus. „Star Wars“ trifft offensichtlich den existentiellen Nerv seiner Anhänger - anders ist eine so weitreichende Identifikation und Begeisterung, wie sie seit Jahrzehnten stattfindet, nicht zu erklären.
Die in dieser Arbeit vertretene These zielt auf die essentielle Bedeutung und Wirkung der Filme: „Star Wars“ spricht gezielt im Unterbewußtsein befindliche Archetypen, archaische Grundstrukturen der Psyche an, und dies nicht nur mit den Figuren bzw. Charakteren und Handlungselementen der Filme, sondern auch mit seiner narrativen Struktur. Die Geschichte von Luke Skywalker zeichnet im wesent- lichen den Prozess der Individuation eines Menschen nach, und dies gleichsam mit allen existentiellen Auseinandersetzungen mit sich selbst und der Umwelt, die im Leben eines Individuums notwendig stattfinden. Der Held erscheint zunächst als unbedarfter und unwissender junger Mann, der sich auf- grund einer Begegnung mit seinem Mentor „auf den Weg macht“, sich gleichsam dem Prozess seiner Selbstwerdung stellt. Innerhalb dieses Prozesses begegnet er zahlreichen Gefahren, Versuchungen, er erfährt Unterstützung und Glück. Zentral ist die Konfrontation mit dem ‚Bösen’, das sich als sein Va- ter, somit als Teil seiner selbst, herausstellt, und dem er sich in offener Auseinandersetzung stellt und es bekämpft. Dieses Motiv bildet den Kern des Gelingens seines Individuationsprozesses - oder einfa- cher: seiner Lebensgeschichte. In der narrativen Struktur der Filme erscheinen Ängste, Anfechtungen, Versuchungen, Glück, Erfolg in einem Prozess der Entwicklung des Selbst. Dies hat eine so grundle- gende, archetypische Qualität, dass beim Zuschauer tiefste und intensivste Gefühle, Sehnsüchte, Äng- ste etc. angesprochen werden. In dieser archetypischen Narration findet sich maßgeblich die Ursache der Wirkung, Faszination und damit auch des Erfolgs von „Star Wars“.
Der Ansatz dieser Arbeit ist eine Filmanalyse, die den Schwerpunkt auf die mythologische Struktur, die verwendeten Archetypen (nach C.G. Jung) sowie mythologischen und mystisch-magischen Elemente legt. Diese Schwerpunktsetzung ergibt sich aus der Grundthese der Arbeit.
Zunächst werden die wesentlichen Begriffe der Arbeit zu definieren sein. Der Begriff des Mythos wird ebenso erläutert wie der des Archetypus, gleichsam sind die einzelnen wesentlichen Archetypen zu erklären. Im Weiteren soll eine skizzenhafte Inhaltsangabe die Handlung der Filme knapp umreißen. Im Mittelpunkt der Analyse steht die Untersuchung des Materials auf mythologische Strukturen und Elemente sowie auf religiöse Anspielungen und auf die bereits erwähnten Archetypen. Hier soll her- ausgearbeitet werden, in welcher Weise die Geschichte Luke Skywalkers dem Indivduationsprozess eines Menschen und der Entwicklung seines Selbst entspricht. Im abschließenden Fazit soll die Trif- tigkeit der o.g. These abschließend diskutiert und kritische Ansatzpunkte benannt werden.
2. Definitionen
2.1. Der Mythos
Das Prinzip des Monomythos2 von Joseph Campbell ist ein klar strukturiertes Muster, in dem sich alle Mythen wiederfinden. Er beschreibt den Weg der Individuation und „Ganzwerdung“ des Selbst3.
2.2. Archetypen
Das Modell der Archetypen gehört zu den Grundpfeilern der analytischen Psychologie nach C.G. Jung. Was sind Archetypen? Vereinfacht gesagt: die im Unbewußten angesiedelten Urbilder mensch- licher Vorstellungsmuster oder „die Ewigen des Traums“4. Vor allem elementare Erfahrungen wie Geburt, Ehe, Mutterschaft, Trennung und der Tod haben in der Seele der Menschen eine existentielle Verankerung. Solche Grunddeterminanten der menschlichen Psyche bestimmen die menschliche Re- zeption und psychische Verfassung in verschiedensten gesellschaftlichen, kulturellen und sozialisato- rischen Bedingungen in starkem Maße und haben zu allen Zeiten und in den unterschiedlichsten Kulturen ähnliche Bilder respektive eine ähnliche Symbolik hervorgebracht und können als kollektive Menschheitserfahrungen gelten. C.G. Jungs Modell versucht, diese Archetypen im Leben eines jeden Menschen wahrzunehmen und für die seelische Entwicklung nutzbar zu machen.
"Der Begriff des Archetypus wird aus der vielfach wiederholten Beobachtung, dass zum Beispiel die Mythen und Märchen der Weltliteratur bestimmte, immer und überall wieder behandelte Motive enthalten, abgeleitet. Diesen selben Motiven begegnen wir in Phantasien, Träumen, Delirien und Wahnideen heutiger Individuen. Diese typischen Bilder und Zusammenhänge werden als archetypische Vorstellungen bezeichnet."5
Alle Menschen zu allen Zeiten haben sich schon immer mit ähnlichen existentiellen Fragen befasst, die man gleichsam als Grundgesamtheit elementarer menschlicher Auseinandersetzungen verstehen kann: Dem Verhältnis zu den Naturmächten, dem Umgang mit Trieben und anderen Grundbedürf- nissen, dem Problem von Gut und Böse, der Beziehung zwischen den Geschlechtern, den Problemen verschiedener Lebensalter, dem Umgang mit Unglück und Tod, der Beziehungen zum Transpersona- len und schließlich der Frage nach dem Sinn des Lebens. Solche Fragen korrelieren in starkem Maße mit Archetypen als existentiellen Grundstrukturen der psychischen Verfassung des Menschen. So verwundert es nicht, dass solche Auseinandersetzungen wiederum unabhängig von Epochen und Kulturkreisen geführt wurden und werden, und daraus wiederum eine ähnliche Symbolik, ähnliche Traumbilder und Mythen resultieren. Träume und Mythen sind Konstellationen archetypischer Bil- der. Sie sind keine freien Kompositionen eines künstlerischen oder informativen Effektes wegen. Vielmehr entstehen sie aus existentiellen menschlichen Erfahrungen. Archetypen als archaische psy- chische Prägungen und Strukturen formulieren sich in Bildern, aus denen Mythen und Märchen ent- stehen. Alte, über lange Zeiträume weitergegebene und so fortentwickelte Mythen und mythologische Märchen lassen sich als kreatives Resultat der Archetypen verstehen - sie sind archetypische künstle- rische Kompositionen. Mythen und Märchen wiederum erzeugen archetypische Impulse beim Men- schen, sie sprechen das Archaische der menschlichen Psyche an. Als ein solches modernes mythologi- sches Märchen läßt sich „Star Wars“ verstehen.
Es lassen sich wenige Basis-Archetypen, wie zum Beispiel der Schatten, die Anima oder der Kindar- chetypus ausmachen, auf die sich jedoch eine nahezu unerschöpfliche Vielfalt spezifischer Bilder, zurückführen lassen. Da diese bedeutsamen Potentiale der Psyche nicht unter bewusster Kontrolle stehen, tendieren Menschen häufig dazu, Archetypen zu fürchten und durch Verdrängung ihre Exis- tenz zu verleugnen. Jungs Hauptanliegen besteht nun darin, das Erbe des Archaischen in den Men- schen zu erkennen, um nicht von ihm unkontrolliert überwältigt zu werden. Zusätzlich liegt in den Archetypen auch ein schöpferisches Potential: Wenn sie nicht bewußtlos und kollektiv entfesselt, sondern vom einzelnen Individuum kreativ genutzt werden, bieten sie ein unendliches Reservoir z.B. für künstlerische Tätigkeiten.
2.2.1 Der Kinderarchetypus
Der Kindarchetypus6 erscheint oft in Mythen und Märchen. Er symbolisiert die wunderbare Offenheit und Vorurteilslosigkeit, mit der Kinder noch ihre Umwelt bzw. die Realität rezipieren, aber auch die Unfähigkeit, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.
Das Kindmotiv in Mythos und Traum ist nicht bloß Überbleibsel der Erinnerung an die eigene Kindheit, sondern vielmehr ein Sinnbild für einen unreglementierten und unbelasteten Umgang mit der Realität und sich selbst bzw. den eigenen Bedürfnissen7. Das Kindmotiv repräsentiert den vorbewussten Kindheitsaspekt der Kollektivseele.
In der Psychoanalyse taucht der Kindarchetypus meist auf, wenn der Gegenwartszustand mit dem Kindheitszustand in Widerspruch geraten ist, d.h. das Individuum hat sich vor dem Hintergrund der Notwendigkeit, sich seiner Umwelt und sozialen Normen entsprechend gemäß zu verhalten, d.h. auch aus der Angst vor Sanktionen, von seinem ursprünglichen Charakter getrennt. Der durch unreglementierte Bedürfnisse geprägte Kindheitszustand wurde zugunsten einer den sozialen Erfordernissen entsprechenden Persona (lat.: Maske) aufgegeben. Man ist dem inneren Kind entfremdet und entfernt sich in der Reglementierung der eigenen Bedürfnisse von sich selbst.
Ein idealtypisches Beispiel für die Entfremdung vom unverfälschten Selbst des Kindes, für das der Kinderarchetypus steht, ist die Weihnachtsgeschichte von Charles Dickens: Ebenezer Scrooge ist ein alter, geiziger, kaltherziger Griesgram, der scheinbar unfähig ist zu lieben oder Mitleid zu empfinden. Doch dies ist bloss seine Persona, seine Maske, die im Laufe der Jahre sein wahres Selbst verdeckt hat. Die Weihnachtsgeister zeigen ihm, das er in seiner Jugend tatsächlich ein guter Mensch war und führen ihm vor Augen, was er auf dem Weg zu Reichtum und Prestige alles verloren hat. Tiny Tim, der todkranke Sohn eines von Scrooge zum Weihnachtsfest entlassenen Angestellten, spiegelt das kranke innere Kind des hartherzigen Geschäftsmannes wieder. Am Ende der Geschichte, nach Scrooges Wandlung zum Guten, wird auch der Junge wieder völlig gesund.8
2.2.2. Der Heros
Heros ist das griechische Wort für Held und bedeutet soviel wie „schützen und dienen“. Mit anderen Worten ist der Held also jemand, der zum Wohle der Gemeinschaft seine eigenen Interessen und Be- dürfnisse zurückstellt.9 In seiner psychologischen Funktion ist der Heros nach C.G. Jung das personi- fizierte „Ich“, also derjenige Persönlichkeitsteil, der sich von der Mutter trennt und uns als eigenes, selbsterkennendes Wesen sehen läßt. Der Heros besitzt die Fähigkeit sein „Ich“, sein Ego zu überwin- den. Ist er darin erfolgreich, zeichnet ihn das allein überhaupt erst als Helden aus. „Der Archetypus des Helden steht für die Suche des Ich nach Identität und Ganzheit [die Entwicklung zum vollständi- gen menschlichen Wesen].“ Joseph Campbell beschreibt, dass der Held „hinabsteigen“ muß, um des „Unmenschliche zu besiegen. Er findet auf seinem Weg, seiner Reise, bei seiner Quest Freunde und Feinde mit denen er sich auseinandersetzen muß und oftmals werden ihm Kräfte verliehen, damit er seine Aufgaben und Kämpfe gut bestehen kann. In vielen Mythen und Märchen wächst der Heros im Exil auf (z.B. Parzival). Dieses Thema wird auch in folgenden Bildern aufgegriffen: das gescholtene jüngste Kind, der Waise (z.B. Moses), das Stiefkind (z.B. Schneewittchen), die niedrig geborene Magd.10 Der Held kann nur dann zum vollständigen Menschen werden, wenn er nicht an seinem Zu- stand, seinen Gewohnheiten festhält. Im Grunde ist genau dieser Kampf gegen die Gewohnheiten und das Festhalten der Kampf gegen das Ungeheuer, den Drachen. Das Symbol für die vernichtete Macht der Bestie ist die Frau, die nichts andere ist als die Anima, einem Teil der Persönlichkeit des Menschen.11 Um jedoch diese Frau zu erobern, die Jungfrau in Not zu retten, bedarf es einiger Anstrengungen, der Bewältigung schwieriger Aufgaben und Abenteuer.
Es gibt verschiedene Helden-Typologien. Unterschiedliche Helden haben unterschiedliche Aufgaben. So gibt es Helden, deren Ziel es ist, die Braut zu erobern und welche, die sich aufmachen den Weg zu ihrem Vater zu finden, wobei der Vater ein Symbol für das „unsichtbare Unbekannte“ ist12. In Star Wars haben wir es mit dem zweiten Typus zu tun. Erkennt der Heros, dass er und sein Vater eins sind, erfährt er Erleuchtung, wird zum Welterlöser, zur Inkarnation im höchsten Sinne13. In der My- thologie wird der Vater symbolisch als Drachen, Tyrann, Ogerkönig etc. dargestellt und es gilt die von ihm umklammerten Lebensenergien freizusetzen.14 Auch dies findet sich in der Geschichte des jungen Luke Skywalkers wieder, allerdings wird diese Vater-Thematik, besonders die Vereinigungs- Erkenntnis erst in den beiden letzten Episoden (V und VI) behandelt und kann daher keinen Raum in dieser Arbeit finden.
2.2.3. Die Anima
Der Archetypus der Anima15 steht für die psychische Doppelgeschlechtlichkeit jedes Menschen. Es ist die Personifikation einer weiblichen Natur im Unbewussten des Mannes und einer männlichen Natur im Unbewussten der Frau. Diese psychische Doppelgeschlechtlichkeit entspricht der biologischen Tatsache, daß es die größere Anzahl von männlichen (weiblichen) Genen ist, welche den Ausschlag bei der Bestimmung des männlichen oder weiblichen Geschlechtes geben. Die kleinere Anzahl der gegengeschlechtlichen Gene scheinen einen gegengeschlechtlichen Charakter zu bilden, welcher aber infolge seiner Unterlegenheit gewöhnlich unbewusst bleibt.
Anima (lat.: Seele) ist das kollektive Bild der Frau beim Mann. Sie ist das weibliche Element in seinem Unbewussten. Diese erfährt beim Einzelnen persönliche Abwandlungen, die von den jeweiligen Le- benserfahrungen bedingt sind. So wie im männlichen Wesen eine weibliche Gestalt existiert, so gibt es im weiblichen Wesen eine männliche Gestalt - den Animus (lat.: Geist). Niemand ist nur männlich oder nur weiblich. In Jedem werden beide Elemente kombiniert. Es kommt sehr auf die innere Har- monie an, inwiefern ein Mann seine weibliche oder eine Frau ihre männliche Seite integrieren und mit ihr im Einklang leben kann.
Im Allgemeinen wird die Anima als intuitiv und launisch aufgefasst. Der Animus dagegen ist rational und beherrschend. Anima und Animus tauchen oft in den vordergründigen Charakterzügen der Persona (lat.: Maske) auf und haben kompensierende Funktion. Je mehr bei einem Mann die Persona durch eine männliche Fassade durchdrungen ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass in einem anderen Lebensbereich ein weiblich-sanftes Verhalten auftaucht.16
Die Anima symbolisiert unterdrückte weibliche Handlungsweisen, wie Kommunikationsfähigkeit hinsichtlich persönlicher Belange, Einfühlungsvermögen, Beziehungsfähigkeit, den Zugang zu seinem Körper und seinen Gefühlen, Anpassungsfähigkeit.
Der Animus symbolisiert unterdrückte, männliche Eigenschaften, wie Aggression, Triebhaftigkeit, Mut, Risikobereitschaft, Eigeninitiative, geistige Selbständigkeit, Innovation. Da diese Inhalte aber nicht vollkommen zu unterdrücken sind, kehren sie nach außen über Projektionen auf andere Personen und Gegenstände zurück.
Beispiele für die Anima sind in allen Heldenmythen zu finden. Meist gibt sie dem Helden die nötige Kraft, Motivation oder Unterstützung, die er braucht, um seine Aufgaben zu bewältigen. Sie kann aber auch die mysteriöse, eine unbestimmbare Gefahr ausstrahlende Hüterin eines großen Geheimnis ses oder Schlüssels sein. Sie kann Rätsel aufgeben oder sich Prophezeiungen entlocken lassen. Sie kann zu Flügen in höchste Höhen inspirieren oder den umgarnten Jüngling in den lichtlosen Urschlund zurück ziehen.
Anima-Figuren erscheinen zum Beispiel als Prinzessin, Priesterin, Sphinx, Meerjungfrau, Hexe oder Zauberin.
2.2.4. Der Mentor
Der Archetyp des Alten, Weisen oder Mentors bzw. der Alten/Weisen ist eine beliebte Märchenfigur. Sie symbolisieren Reife und tiefes Wissen um weibliche bzw. männliche Lebensenergien.
Der Alte/Weise ist nach Jung der Archetyp des Sinnes. In vielen Mythen taucht er als Ratgeber, Gott17 in Verkleidung oder kluger Eremit18 auf, der dem unerfahrenen jungen Abenteurer Ratschläge und schützende Amulette gibt oder ihn in Geheimnisse des Lebens einführt19. Er ist die Darstellung der uralten Frage nach dem Sinn des Lebens, woher wir kommen und wohin wir gehen. Wenn die starke Suggestivkraft dieses Bildes jedoch auf bewußtseinsschwache Menschen oder Menschenmassen trifft, kann der Alte/Weise auch zum Diktator oder Sektenführer mutieren. Als gewissermaßen geschichtli-
che Beispiele für solche negativen Ausformungen dieses Archetypus können Adolf Hitler oder Osama Bin Laden gelten. Positive Varianten des Mobilisierers der Massen sind etwa der Dalai Lama oder Gandhi. Solche Figuren scheinen archetypische Bedürfnisse zu treffen bzw. ein Idealbild zu symbolisieren, nach dem sich Menschen sehnen: das Bild des einenden Vatergottes, des Sinngebers, des Hortes von Stärke und Weisheit.
2.2.5. Der Schatten
„Ein gutes Monster läßt sich eben nicht unterkriegen!“ (Werbeslogan für „Frankensteins Geist“20 Das Unterdrücken bestimmter Persönlichkeitsteile führt zur Entwicklung von mehr oder minder vom Selbst abgespaltenen Persönlichkeitsschemata, in denen sich unterdrückte Charakteranteile wiederfinden. Eine solche Teilpersönlichkeit ist der sogenannte Schatten. Er umfaßt häufig Geiz, Egoismus, Aggressivität, Triebhaftigkeit, Neid, Habgier.
Der Schatten symbolisiert die „dunkle Seite“ des Menschen, den „dunklen Bruder“. Erst seine Affir- mation und Zusammenführung mit dem bewußten Selbst bildet die Ganzheitlichkeit des Indivi- duums. Die Domäne des Schattens sind die Tendenzen der Persönlichkeit, die zwar existent sind, aber noch unter der Oberfläche schlummern, weil sie als sündhaft oder untragbar gelten und daher unter- drückt werden21.
Oft wird der Schatten (wie auch die Anima) auf "den Anderen" projiziert. Man selbst wäre doch nie zum Bösen fähig (oder vielleicht doch?) und deshalb können wir unsere ungehemmte Abscheu demjenigen widmen, der Böses tut.
Wenn jemand vehement für die Todesstrafe eintritt, liegt der Schluss nahe, dass hierbei zumindest anteilig eine Projektion von an sich selbst als böse rezipierten Anteilen auf den außenstehenden Ver- brecher erfolgt. Diese Projektion ermöglicht die weitere Verdrängung „böser“ Anteile vor sich selbst und anderen.
Die Eigenschaften, die im Schatten verborgen liegen, sind mit der Persönlichkeit untrennbar verbun- den, trotzdem befindet sich das Ich mit dem Schatten in niemals endendem Kampf. Es will sich von dem Ungeheuer befreien, das schließlich als Medium zur Grenzüberschreitung dient. Die Auseinan- dersetzung mit dem Monster scheint in Mythen auf dem Weg zum Ziel ausschlaggebend zu sein. Das Ziel in der Auseinandersetzung mit dem Monster liegt nicht selten darin, die schöne Prinzessin, die sich in dessen Gewalt befindet, zu retten. Der Heros gewinnt die Prinzessin, mit der er sich schließlich nach der Überwindung des Schattens vereinigt (Heilige Hochzeit). Das Ziel liegt also in der Vereinigung mit der eigenen Anima, die sich in der Gefangenschaft des Schattens befindet.
2.2.6. Die Quest
Der Heros sucht nach etwas, bewußt oder unbewußt. Er folgt einem Ruf von innen oder von außen und begibt sich auf die sogenannte Quest22 (to quest = suchen/forschen/streben). Die Quest umfasst alle Stationen des Individuationsprozesses und das Ziel ist die Ganzwerdung des Selbst.
Je älter Märchen und Mythen sind, desto mehr ähneln sie unseren Träumen. Sehr viele Märchen sind symbolhafte Beschreibungen elementarer seelischer Vorgänge und Wandlungen, wie z.B. des Erwachsenwerdens, der Selbstwerdung durch Überwindung vordergründigen, kleingeistigen Ich-Denkens, der Entwicklung der Fähigkeit zu lieben und der Integration verdrängter Anteile des Charakters. In solchen Märchen lassen sich alle handelnden Figuren, als Teilaspekte der Persönlichkeit des Träu- menden, oder des Märchenhelden, deuten.
Diese Teilaspekte interagieren in der Geschichte, indem sie gemeinsam einer Gefahr entkommen, Rätsel lösen, schwere Aufgaben bewältigen oder mächtige Gegner bezwingen müssen. Ist dies geschafft, so folgt die Heilige Hochzeit (Vereinigung mit der Anima) oder der Ritterschlag (Anerkennung durch den Alten/Weisen), das heißt, der Held oder die Heldin haben ihre kontrastierenden Persönlichkeitsaspekte in sich geeint. Sie haben damit ihr Selbst vollendet.
2.3. Das Selbst
Das Selbst bezeichnet die Gesamtheit der menschlichen Psyche. Es handelt sich somit nicht um einen Archetypus an sich, sondern um eine psychologische Kategorie. Das Selbst ist das Zentrum der gesamten Persönlichkeit und somit die zentrale Steuerungsinstanz, die alle Entwicklungsprozesse strukturiert. Das Selbst setzt sich aus dem bewu ß ten sowie dem unbewu ß ten Selbst zusammen und strebt stets nach Ausgleich und Harmonie in der Psyche.
Das Selbst bildet gleichsam das Potential des Menschen, dessen Ausprägung und Entwicklung von Umwelt und Gesellschaftsverhältnissen abhängt, besonders aber von der Beschaffenheit des Ich- Bewu ß tseins. Von seiner Fähigkeit, sich dem Selbst gegenüber zuöffnen, hängt der Verlauf seiner Individuation, d.h. seiner Entwicklung als Individuum ab.
Das Ich ist der bewußte Teil des Selbst. Es ist der Träger des Bewußtseins von Außen- und Innenwelt sowie der eigenen Identität. Um sich in der Welt zu orientieren nutzt es vier Hauptfunktionen: Sinneswahrnehmung, Denken, Fühlen, Intuieren. Menschen, die besonders den Sinneswahrnehmungen und dem Denken verhaftet sind, bezeichnet Jung als extrovertierte Charaktere. Solche, deren Persönlichkeit besonders auf Fühlen und Intuieren basiert, nennt er introvertierte Charaktere.23
Des Weiteren wird das Ich von zwei anderen grundlegenden Fähigkeiten bestimmt: der Ich- Stabilität und der Ich-Flexibilität. Die Ich-Stabilität dient der Abgrenzung, Ausschließung und Unterscheidung des Selbst gegenüber der Umwelt. Wird die Ich-Stabilität zu dominant entwickelt sie sich zur Ich- Ver- krampfung und Ich-Starre. Die Ich-Flexibilität ist für die Offenheit gegenüber neuen Einflüssen verant- wortlich, um sich wandeln zu lassen. Eine Übersteigerung endet in Ich-Desorientierung und Ich- Auflösung. Das Ziel des Individuationsprozess ist eine Mitte der Persönlichkeit zu erreichen, die diese gleichzeitig auch umfasst und von höchster Intensität ist, d. h. eine ausserordentliche Ausstrahlungs- kraft besitzt. Diese Mitte ist das Selbst und der Ursprung und die Erfüllung des Ich.24
[...]
1 siehe Anlage: Übersicht über die Einspielergebnisse und Produktionskosten der verschiedenen „Star Wars“-Episoden sowie als Vergleichswerte von „Herr der Ringe“.
2 Campbell (1999): S. 12
3 C.G. Jung (2003): S. 7 ff
4 Géza Róheim in Campbell (1999): S. 26
5 C.G. Jung in http://mitglied.lycos.de/myanima/index.html
6 C.G. Jung (2003): S. 115 ff
7 C.G. Jung (2003): S. 118
8 Vgl. Charles Dickens
9 Vogler, Christopher: S. 87
10 Campbell (1999): S. 309
11 Campbell (1999): S. 326; s.a. Kapitel 2.2.3 Die Anima
12 Campbell (1994): S. 330
13 Campbell (1994): S. 333
14 Campbell (1994): S. 338
15 C.G. Jung (2003): S. 57 ff
16 C.G. Jung in http://mitglied.lycos.de/myanima/index.html
17 Vogler, Christopher: S. 108
18 z.B. die Figur des „Obi Wan Kenobi“ in der Star Wars Trilogie
19 Vogler, Christopher: S. 107
20 Zitat in Vogler, Christopher: S. 143
21 Vogler, Christopher: S. 143
22 http://mitglied.lycos.de/myanima/index.html
23 C.G. Jung in http://mitglied.lycos.de/myanima/index.html
24 vgl. ebd.
- Citar trabajo
- Mark Weiland (Autor), 2004, Die erfolgreiche Wirkung mythologischer Narrationsstrukturen und Archetypen in Mainstreamfilmen am Beispiel von "Star Wars - A New Hope", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64300
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