Die hier zu erläuternden drei Zeitbegriffe Heideggers: die ursprüngliche bzw. eigentliche, die uneigentliche (ausgedrückt durch die Weltzeit) und die vulgäre Zeit, stehen in Sein und Zeit im Zusammenhang einer zeitlichen Interpretation des Seins des Daseins. Sie dienen dort dazu, die zeitlichen Strukturen, die den verschiedenen Seinsweisen des Daseins zugrunde liegen, aufzuzeigen. Wichtig ist dabei zu beachten, dass von Heidegger die Zeitlichkeit nicht als ein bloßes Erklärungsmodell, und das Sein des Daseins als das zu erklärende Phänomen gedacht wird, so dass die beiden bloß in einer „Korrespondenzbeziehung“ zueinander stünden, sondern sie sind im Wesen identisch. Das Sein des Daseins ist die Zeitlichkeit.
Inhaltsverzeichnis
I. Einleitung
II. Die drei Zeitekstasen der Zeitlichkeit
III. Die ursprüngliche bzw. eigentliche Zeitlichkeit
1. Das Vorlaufen
2. Das Wiederholen
3. Der Augenblick
4. Anmerkung zur eigentlichen Zeitlichkeit
V. Die uneigentliche Zeitlichkeit und die Weltzeit
VI. Die vulgäre Zeit
VII. Schlußwort
Literatur
I. Einleitung
Die hier zu erläuternden drei Zeitbegriffe Heideggers: die ursprüngliche bzw. eigentliche, die uneigentliche (ausgedrückt durch die Weltzeit) und die vulgäre Zeit, stehen in Sein und Zeit im Zusammenhang einer zeitlichen Interpretation des Seins des Daseins. Sie dienen dort dazu, die zeitlichen Strukturen, die den verschiedenen Seinsweisen des Daseins zugrunde liegen, aufzuzeigen. Wichtig ist dabei zu beachten, dass von Heidegger die Zeitlichkeit nicht als ein bloßes Erklärungsmodell, und das Sein des Daseins als das zu erklärende Phänomen gedacht wird, so dass die beiden bloß in einer „Korrespondenzbeziehung“ zueinander stünden, sondern sie sind im Wesen identisch.[1] Das Sein des Daseins ist die Zeitlichkeit.
II. Die drei Zeitekstasen der Zeitlichkeit
Die Zeitlichkeit besteht aus drei Dimensionen: der Zukunft, der Gewensenheit und der Gegenwart. Die Zu-kunft ist das Auf-sich-zukommen des Daseins in seinem Seinkönnen. Die Gewesenheit ist das Zurückkommen des Daseins auf seine Geworfenheit, das heißt, wie es je schon war. Sie ist in strenger Abgrenzung von Vergangenheit zu verstehen. Heidegger bedient sich dabei der Besonderheit der Perfektform des „Seins“ im Deutschen, die mit „sein“ im Präsenz gebildet wird, wie z.B. „Ich bin gewesen“, um zu betonten, dass die Gewesenheit nicht vergangen, sondern Teil der Gegenwart ist. Das Zurückkommen ist eine Weise des Auf-sich-zukommens und nur durch dieses möglich. Deshalb schreibt Heidegger: die Gewesenheit entspringt der Zukunft. Die einheitliche Bewegung der gewesenen bzw. gewesenden Zukunft lässt das Dasein innerweltlichen Seienden begegnen, was seine Gegen-wart ausmacht. Daraus geht hervor, dass all die drei Dimensionen der Zeitlichkeit aktivistisch, als „Bewegungen“ des Daseins zu verstehen sind. Ihre präpositionalen Bestandteile: das „Auf-zu“, das „Zurück-auf“ und das „Begegnen von“ zeigen an, dass sie über sich hinaus gehen. Deshalb nennt Heidegger sie auch Ekstasen (Außer-sich). Der ekstatische Charakter ist der eigentlichen sowie der uneigentlichen Zeitlichkeit zueigen. Seine Nivellierung führt zum vulgären Zeitverständnis. Die hier skizzierten, scheinbar merkwürdigen Begriffe finden im folgenden nähere Erläuterung.[2]
III. Die ursprüngliche bzw. eigentliche Zeitlichkeit
Die eigentliche Zeitlichkeit ist der Ursprung aller anderen Modi der Zeitlichkeit. Ihre drei Ekstasen sind das Vorlaufen, das Wiederholen und der Augenblick.
1. Das Vorlaufen
Die Zukunft, wie sie vulgär verstanden wird, erweist sich als zweideutig: einerseits „steht sie bevor“, andererseits aber ist sie jetzt gerade „noch nicht wirklich“. So bleibt man bezüglich ihres Seinsstatus schwankend. Streng genommen ist die Zukunft aber schlechthin nichts. Sie ist in keiner Weise schon vorhanden und zögert nur, auf uns zuzukommen, sondern wir müssen die Zukunft generieren, indem wir das Jetzt überschreiten.[3] Selbst ein scheinbar rein passives Warten auf die Zukunft geht auch schon über das Jetzt hinaus. Das Überschreiten von Jetzt kann auf zwei Weisen erfolgen. Es kann ein bestimmtes „Wohin“ haben, d.h. es zielt auf einen bereits angelegten neuen Zustand. Das setzt aber schon das Überschreiten als solche voraus. Dieses ist die ursprüngliche und eigentliche Zukunft, die Heidegger als das Vorlaufen bezeichnet.
Was heisst aber das Überschreiten als solche? Zunächst ist es rein negativ zu verstehen. Es ist das Nicht-stehen-bleiben in dem erreichten Zustand, ohne sogleich in einem neuen Fuß zu fassen. Es springt nicht von einer Wirklichkeit zu einer anderen, sondern befreit sich von der Wirklichkeit schlechthin. Das tut das Dasein, nicht indem es die Wirklichkeit vergisst oder gar sie vernichtet, was den Tod bedeuten würde, sondern indem es sich der Möglichkeit stellt. „Die Möglichkeit“ bedeutet hier keine bestimmte, sondern die reine Möglichkeit, die schlechthinige Unbestimmtheit und Kontingenz.
Das Vorlaufen hält sie als solche aus (SZ.S.261), indem es nicht auf die vertraute Wirklichkeit zurückgreift. Es versucht nicht, anhand vergangener Erfahrungen das Unbestimmte zu bestimmen, es vorauszuberechnen, über es zu spekulieren, etc. kurz, es ist der Verzicht auf jede Form von Verfügbarmachen über die reine Möglichkeit. Die geringste Verringerung ihrer Unbestimmtheit würde sie ganz und gar vernichten. Gleichwohl bedeutet das Vorlaufen nicht die Enthaltung von jeglichem Tun oder das Versinken in die Gleichgültigkeit. Vielmehr bezeichnet es einen Zustand der Entschlossenheit, der nüchternen Gelassenheit in Konfrontation mit dem Unbekannten. Und in diesem Zustand, so die Ansicht Heideggers, erschließt sich dem Dasein die reine Möglichkeit als konkrete Seinsmöglichkeiten, und das Dasein ergreift sie, d.h. auch verwirklicht sie auch sogleich im „Augenblick“ (siehe unten). Es verharrt aber nicht darin, sondern ist immer bereit für das Aufgeben des gerade Erreichten, um sich für die Erschließung weiterer Möglichkeiten offenzuhalten. Hier mag man einen Widerspruch zu sehen glauben. Wie kann die reine Möglichkeit zugleich unbestimmbar und bestimmbar sein? Diese Frage wird uns im nächsten Teil beschäftigen. Hier sei nur darauf hingewiesen, dass das Phänomen uns nicht fremd ist. Es zeigt sich in jeder unseren Handlung, die sich allein von Spontanität leiten lässt, wie z.B. in dem sogenannten freien Schreiben oder einem uferlosen Gespräch mit einem Freund. Das Fehlen eines vorgefassten Plans, die Unterlassung jeder Erwartung verbietet es nicht, oder erlaubt es gerade, dass die Handlung zügig vor sich geht, dass jeden Moment etwas wie von selbst geschieht.
Inwiefern ist das Vorlaufen ein „Auf-sich-Zukommen“ und dazu ein „eigentliches“? Heidegger behauptet, dass die eigentliche Seinsweise des Daseins in „Möglichsein“, in „Sein-können“ besteht.[4] Dieser Zustand kann nur durch das Vorlaufen, das unentwegte Überschreiten von der Wirklichkeit aufrechterhalten werden.
[...]
[1] Vgl. 325. “Der Seinssinn des Daseins (die Zeitlichkeit) ist nicht ein freischwebendes Anderes und außerhalb seiner selbst, sondern das sich verstehende Dasein selbst.“
[2] Zu diesem Teil siehe SZ. § 65.
[3] Guyan schreibt: „Man muß wünschen wollen, man muß die Hand ausstrecken und gehen, um die Zukunft zu erschaffen. Die Zukunft ist nicht das, was auf uns zukommt, sondern auf die wir zugehen.“ Zitiert nach Fraisse, S. 173.
[4] SZ, S. 143. „Dasein ist nicht ein Vorhandenes, das als Zugabe noch besitzt, etwas zu können, sondern es ist primär Möglichsein. Dasein ist je das, was es sein kann und wie es seine Möglichkeit ist.“ Heidegger kehrt die traditionelle Rangordnung zwischen Möglichkeit und Wirklichkeit um. Leider hat er seinen Möglichkeitsbegriff nicht genügend ausgearbeitet. Er schreibt lediglich, dass dieser nicht im geläufigen Sinne als „das noch nicht Wirkliche und das nicht jemals Notwendige“ zu verstehen und deshalb ontologisch niedriger einzustufen ist (ibid.). „Möglichkeit“ hat für ihn gerade ein „Mehr“ der Wirklichkeit und der Notwendigkeit gegenüber, weil sie Freiräume fürs Handeln enthält. Aber was genau für ein Sein der Möglichkeit zukommt, das hat Heidegger nicht aufgeklärt. Außerdem spricht er offensichtlich von zwei Arten von Möglichkeit, ohne sie aber klar zu unterscheiden: auf der einen Seite die reine Möglichkeit, die ein schlechthiniges Nichts ist und über der man keine Aussage treffen kann; auf der anderen Seite die konkreten Existenzmöglichkeiten, die „Fähigkeiten“ gleichzukommmen und darum etwas Substantielles darzustellen scheinen.
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- Ling Zhu (Autor), 2004, Die Zeitanalytik in Heideggers Sein und Zeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64273
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