Für alle tierischen Organismen ist die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen über ihre Umwelt von essentieller Bedeutung. Arthropoden und damit auch Insekten, haben dazu neben leistungsfähigen Komplex- und Linsenaugen in erster Linie Cuticular- oder Haarsensillen und die von ihnen abgeleiteten Skolopalorgane entwickelt. Sensillen sind Kleinsinnesorgane im Integument, die auf Mechano-, Chemo-, Hygro- oder Thermorezeption spezialisiert sind und damit ein breites Spektrum an Informationen über die abiotoische und biotische Umwelt aufnehmen können. Wenn ein Sensillum z.B. mechano- und auch gleichzeitig chemosensitiv ist, wird es als multi- bzw. bimodal bezeichnet. Trotz ihrer unterschiedlichen morphologischen und funktionellen Spezialisierungen lassen sich alle Sensillen auf einen einheitlichen Grundbauplan zurückführen (Reviews: Altner, 1977; Altner und Prillinger, 1980; Zacharuk, 1985; McIver, 1985; Steinbrecht, 1987, 1997). Jede Sensille besteht aus einer bis mehreren primären Sinneszellen, die von drei Hilfszellen ummantelt sind. Oberhalb der Sinneszellen läuft die Cuticula meist zu einem Haar oder Kegel aus, dessen Sockel starr oder beweglich mit der umgebenden Cuticula verbunden sein kann und dessen Wandung geschlossen oder von einer terminalen Pore bzw. zahlreichen lateralen Poren (Wandporen) durchbrochen sein kann. Alle Bestandteile einer Sensille gehen ontogenetisch durch sukzessive Teilungen und anschließende Differenzierung aus einer einzelnen, induzierten Epidermiszelle (Mutterzelle) hervor (Keil, 1997). Die Sinneszelle bildet distal einen Dendriten aus, der z. B. bei mechanorezeptiven Sensillen an der Haarbasis und bei chemorezeptiven Sensillen in der Haarspitze endet. Der Dendrit gliedert sich in das am Soma der Zelle ansetzende Innensegment und das durch eine Einschnürung abgesetzte Außensegment. Letzteres stellt eine typische Sinnescilie dar, die einen peripheren Ring aus Mikrotubuli-Duplets, aber keine Zentraltubuli enthält (9 x 2 + 0
Struktur). In der Spitze des Außensegments finden sich häufig zusätzliche Mikrovilli, die mindestens eine ringförmige unter der Membran befindliche Lage ausbilden. Diese zusätzlichen Mikrotubuli werden als Tubularkörper bezeichnet (Thurm, 1984). Proximal bildet die Sinneszelle das Axon, welches eine direkte Verbindung zu dem ZNS herstellt (primäre Sinneszelle).
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Funktion und Grundstruktur der Cuticularsensillen von Insekten
1.2 Morphologische und funktionelle Typen von Sensillen
1.2.1 Sensillen ohne Poren
1.2.2 Sensillen mit terminalem Porus
1.2.3 Sensillen mit Wandporen
1.2.3.1 Olfaktorische Sensillen mit einfacher Wand
1.2.3.2 Olfaktorische Sensillen mit doppelter Wand
1.2.3.3 Transduktion in Geruchssensillen
1.3 Die antennalen Sensillen von Fliegen
1.4 Ziele der Arbeit
2 Material und Methoden
2.1 Versuchstiere und ihre systematische Stellung
2.2 Rasterelektronenmikroskopie
2.2.1 Fixierung der Proben
2.2.2 Trocknen der Proben
2.2.3 Aufkleben der Proben
2.2.4 Sputtern der Proben
2.2.5 Rasterelektronenmikroskopische Untersuchung der Proben
2.3 Auswertung der Daten
3 Ergebnisse
3.1 Die Antennen der Calliphora
3.1.1 Sensillen des Scapus
3.1.2 Sensillen des Pedicellus
3.1.3 Sensillen des Funiculus
3.1.3.1 Riechgruben
3.1.3.2 Sensillentypen der Funiculusoberfläche
3.1.3.3 Anzahl und Verteilung der Sensillen
3.2 Sensillen auf dem Funiculus von Drosophila
3.2.1 Sensillentypen
3.2.2 Anzahl und Verteilung der Sensillen
3.3 Vorkommen der pedicellaren Sensilla squamiformia in verschiedenen Dipterenfamilien
4 Diskussion
4.1 Sensillen des Scapus
4.2 Sensillen des Pedicellus
4.2.1 Sensilla squamiformia des Pedicellus
4.3 Funiculus und Arista
4.3.1 Olfaktorische Sensillen des Funiculus
4.3.2 Riechgruben
4.3.3 Verteilung der olfaktorischen Sensillentypen auf dem Funiculus
5 Zusammenfassung
6 Literaturverzeichnis
7 Danksagung
1. Einleitung
1.1 Funktion und Grundstruktur der Cuticularsensillen von Insekten
Für alle tierischen Organismen ist die Aufnahme und Verarbeitung von Informationen über ihre Umwelt von essentieller Bedeutung. Arthropoden und damit auch Insekten, haben dazu neben leistungsfähigen Komplex- und Linsenaugen in erster Linie Cuticular- oder Haarsensillen und die von ihnen abgeleiteten Skolopalorgane entwickelt. Sensillen sind Kleinsinnesorgane im Integument, die auf Mechano-, Chemo-, Hygro- oder Thermorezeption spezialisiert sind und damit ein breites Spektrum an Informationen über die abiotoische und biotische Umwelt aufnehmen können. Wenn ein Sensillum z.B. mechano- und auch gleichzeitig chemosensitiv ist, wird es als multi- bzw. bimodal bezeichnet. Trotz ihrer unterschiedlichen morphologischen und funktionellen Spezialisierungen lassen sich alle Sensillen auf einen einheitlichen Grundbauplan zurückführen (Reviews: Altner, 1977; Altner und Prillinger, 1980; Zacharuk, 1985; McIver, 1985; Steinbrecht, 1987, 1997).
Jede Sensille besteht aus einer bis mehreren primären Sinneszellen, die von drei Hilfszellen ummantelt sind. Oberhalb der Sinneszellen läuft die Cuticula meist zu einem Haar oder Kegel aus, dessen Sockel starr oder beweglich mit der umgebenden Cuticula verbunden sein kann und dessen Wandung geschlossen oder von einer terminalen Pore bzw. zahlreichen lateralen Poren (Wandporen) durchbrochen sein kann. Alle Bestandteile einer Sensille gehen ontogenetisch durch sukzessive Teilungen und anschließende Differenzierung aus einer einzelnen, induzierten Epidermiszelle (Mutterzelle) hervor (Keil, 1997).
Die Sinneszelle bildet distal einen Dendriten aus, der z. B. bei mechanorezeptiven Sensillen an der Haarbasis und bei chemorezeptiven Sensillen in der Haarspitze endet. Der Dendrit gliedert sich in das am Soma der Zelle ansetzende Innensegment und das durch eine Einschnürung abgesetzte Außensegment. Letzteres stellt eine typische Sinnescilie dar, die einen peripheren Ring aus Mikrotubuli-Duplets, aber keine Zentraltubuli enthält (9 x 2 + 0 Struktur). In der Spitze des Außensegments finden sich häufig zusätzliche Mikrovilli, die mindestens eine ringförmige unter der Membran befindliche Lage ausbilden. Diese zusätzlichen Mikrotubuli werden als Tubularkörper bezeichnet (Thurm, 1984). Proximal bildet die Sinneszelle das Axon, welches eine direkte Verbindung zu dem ZNS herstellt (primäre Sinneszelle).
Die drei Hilfszellen unterscheiden sich morphologisch und funktionell und werden als thecogene, trichogene und tormogene Zelle bezeichnet. Die thecogene Zelle (= scheidenbildende Zelle) ist die innerste Hilfszelle. Sie produziert eine cuticulare Scheide, die den Dendriten vom Ort seines Austritts aus der Hüllzelle bis zum Eintritt in das Haarlumen oder vollständig umhüllt. Durch die cuticuläre Scheide wird ein innerer Sensillenlyphraum abgegrenzt, der den Dendriten umgibt. Auf die thecogene Zelle folgt die trichogene Zelle. Sie bildet während der Sensillenentwicklung den Haarschaft. Nach Abschluss der Entwicklung zieht sie sich aus dem Haar zurück und degeneriert manchmal auch völlig. Die tormogene Zelle ist die äußerste Hilfszelle und bildet den Haarsockel mit der Gelenkmembran, bei Sensillen mit unbeweglichem Haar die Haarbasis und den basalen Teil des Haarschafts aus. Nach der Morphogenese zieht auch sie sich zurück und bildet gemeinsam mit der trichogenen Zelle die proximale Begrenzung des äußeren Sensillenlymphraums. Die Zellmembranen der drei Hüllzellen und der Sinneszelle sind distal durch tight junctions verbunden, wodurch der innere und äußere Sensillenlymphraum vollständig vom extrazellulären Milieu der umgebenden Epidermis abgeschlossen wird. Das Ionenmilieu des Lymphraums wird daher ausschließlich von den angrenzenden Membranarealen der Hüllzellen kontrolliert (Altner, 1977).
1.2 Morphologische und funktionelle Typen von Sensillen
1903 veröffentlichte Schenk die erste Typologie von Sensillen, in der auf Grund ihrer unterschiedlichen cuticulären Strukturen 7 Sensillentypen unterschieden wurden:
- Sensilla trichodea (Haarsensillen)
- Sensilla chaetica (Borstenhaarsensillen)
- Sensilla basiconica (kegelförmige Sensillen)
- Sensilla styloconica (Endzapfen)
- Sensilla coeloconica (Grubenkegel)
- Sensilla ampullacea (tief versunkene Sinnesflaschen)
- Sensilla placodea (Porenplatten)
Später wurden weitere Sensillentypen beschrieben:
- Sensilla squamiformia (schuppenförmige Sensillen, Schneider, 1964)
- Sensilla campaniforma (leicht eingesenkte Papillen, Berlese, 1909)
Diese morphologische Nomenklatur hat ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren. Die Haarstrukturen der einzelnen Sensillentypen sind in Abb. 1 schematisch dargestellt.
Altner (1977) entwickelte eine Einteilung der Sensillen, die sich nach den Wandporen in den Haarstrukturen der Sensillen und der Beweglichkeit des Haarsockels richtete. Nach diesen Kriterien werden die Sensillen in 6 Gruppen eingeteilt:
- Sensillen ohne Poren, mit beweglichem Sockel
- Sensillen ohne Poren, mit unbeweglichem Sockel
- Sensillen mit terminalem Porus, mit beweglichem Sockel
- Sensillen mit terminalem Porus, mit unbeweglichem Sockel
- Sensillen mit vielen Poren, mit einfacher Wand und Porentubulisystem
- Sensillen mit vielen Poren, mit doppelter Wand und Speichenkanälen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 1: Verschiedene Sensillentypen nach Snodgrass, 1926. A S. trichodeum,
B S. chaeticum, C S. basiconicum, D S. styloconicum, E S. coeloconicum,
F S. campaniforme, G S. placodeum, H S. ampullaceum, I S. scolopophorum (aus Zacharuk, 1985).
Diese Einteilung der Sensillen ist heute üblich (Keil und Steinbrecht, 1984; Zacharuk, 1985; Hull und Cribb, 1997; Shanbhag et al., 1999), wobei zur Formbeschreibung der Sensillenhaartypen nach wie vor die morphologische Typologie von Schenk benutzt wird.
1.2.1 Sensillen ohne Poren
Aporöse Sensillen mit einem beweglichen Sockel haben mechanorezeptive Funktion (McIver, 1975; Keil und Steinbrecht, 1984; Thurm, 1984; Keil, 1997). Zumeist handelt es sich dabei um S. trichodea, S. chaetica und S. campaniforma. Die Struktur eines mechanorezeptiven Sensillums ist in Abb. 2 schematisch dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 2: Schematischer Aufbau eines mechanosensitiven Sensillums. Auslenkung des Haares nach rechts (schwarzen Pfeil), bewegt die Basis des cuticulären Haares nach links und übt Druck auf die Dendritenspitze aus. Durch diese mechanische Krafteinwirkung werden Kationen-Kanäle in der Dendritenmembran geöffnet und die Transduktion in Gang gesetzt.
Bl Basallamina; Cu Cuticula; Ep Epidermis; Gh Gelenkmembran; Gl Glia; SLR äußerer Sensillenlymphraum; Sz Sinneszelle; Th Thecogene Zelle; To Tormogene Zelle;
Tr Trichogene Zelle (nach Keil, 1997).
Bei Insekten treten 2 Typen von Mechanorezeptoren auf. Neben den mechanosensorischen Sensillen, die auch als Mechanorezeptoren des Typs 1 bezeichnet werden, findet man noch die mechanorezeptiven Streckrezeptoren mit spezialisierten Dendriten, die auf Dehnung reagieren. Diese Streckrezeptoren sind mit den mechanorezeptiven Sensillen phylogenetisch nicht verwandt und werden als Mechanorezeptoren des Types 2 bezeichnet. Hier sind nur die Typ 1 – Rezeptoren von Interesse, deren Transduktionsmechanismus erstmals von Thurm (1964, 1965) untersucht wurde. Neuere Arbeiten haben ergeben, daß ihre Dendriten mechanisch kontrollierte Kationen-Kanäle aus der Superfamilie der TRP (transient receptor potential) - Kanäle enthalten (Walker et al., 2000).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 3: Modell der mechanosensorischen Transduktion in den Haarsensillen von Insekten (Drosophila). Durch Druckeinwirkung werden sowohl die Theca des Sinneshaardendriten, als auch der Tubularkörper im Inneren des Dendriten relativ zur Dendritenmembran verschoben. Durch extra- und intrazelluläre Verbindungsproteine werden Zugkräfte auf mechanisch gesteuerte Transduktionskanäle ausgeübt, die sich daraufhin öffnen. Der folgende Einstrom von Kationen führt zur Depolarisation der Sinneszelle. Gezeigt sind ein nicht adaptierender und ein adaptierender Kanal. Letzterer ist über ein adaptierendes Protein mit dem Tubularkörper verbunden, dessen Spannung bei anhaltender Reizeinwirkung nachlässt. Dadurch wird die reizreduzierte Kanalöffnung partiell wieder rückgängig gemacht, was zur Verringerung der Rezeptorantwort und damit zur Adaption der Sinneszelle führt (nach Gillespie und Walker, 2001).
Das Funktionsmodell für die Öffnungsmechanik dieser Kanäle wurde ursprünglich nach Untersuchungen an den mechanorezeptiven Haarzellen im Sacculus von Vertebraten (Ochsenfrosch) entwickelt (Corey und Hudspeth, 1983). Danach wird die Kanalöffnung direkt durch mechanische Krafteinwirkung auf das Kanalprotein bewirkt. Die erklärt die enorme Reaktionsgeschwindigkeit dieser Kanäle, die im Mikrosekunden-Bereich liegt. Durch molekulargenetische Untersuchungen konnte gezeigt werden, daß sich in den Dendriten-Außensegmenten der Rezeptorzellen von mechanosensorischen Sensillen bei Drosophila zwei Subtypen von mechanisch kontrollierten Kationen-Kanälen befinden (ein nicht adaptierender Kanaltyp und ein adaptierender Kanaltyp). In beiden Fällen sind die Kanäle durch Verbindungsproteine mit Proteinen der von der thecogenen Zelle gebildeten extrazellulären Dendriten-Kappe und mit den Mikrotubuli des Tubularkörpers im Inneren des Dendriten verbunden. Durch mechanische Krafteinwirkung auf diesen Molekülkomplex werden die Kanäle geöffnet, was zum Einstrom von Kationen und damit zur Depolarisation der Sinneszelle führt. Beim adaptierenden Kanaltyp wird der Zug des intrazellulären Verbindungsproteins bei anhaltendem Reiz reduziert, was zur Adaptation der Sinneszelle führt (Abb. 3). Die mechanosensitiven Sensillen treten überall im Integument der Insekten auf, insbesondere an den Beinen und Antennen, wo sie zum „Abtasten“ der Umgebung dienen. Sogenannte Stellungshaare findet man auch im Bereich der einzelnen Gelenke.
Aporöse Sensillen mit einem unbeweglichen Sockel können nicht durch mechanische Reize aktiviert werden (Altner und Prillinger, 1980; Altner et al., 1983). Sie beinhalten oft Thermo- und Hygrorezeptoren und messen somit die Temperatur und Luftfeuchtigkeit der Umgebung. Diese Sensillen enthalten häufig 2 hygrorezeptive und 1 thermorezeptive Sinneszelle und werden dann als thermo/hygrosensitive Triade bezeichnet (Altner und Loftus, 1985). Sensillen dieses Typs haben häufig eine zapfenförmige Gestalt.
1.2.2 Sensillen mit terminalem Porus
Sensillen, die einen terminalen Porus und einen unbeweglichen Haarsockel aufweisen, haben eine rein chemosensitive Funktion. In Wasser gelöste Geschmacksstoffe dringen durch den terminalen Porus in das mit Rezeptorlymphe gefüllte Haarlumen ein. Dort diffundieren sie zu den Dendriten, deren Membran mit entsprechenden Rezeptormolekülen besetzt ist und lösen die Transduktion aus. Diese Sensillen werden als kontaktchemorezeptive oder gustatorische Sensillen bezeichnet, da sie mit den in Wasser gelösten Geschmacksstoffen direkt in Kontakt treten müssen. Durch eine Änderung des hydrostatischen Drucks innerhalb des Sensillums kann der Porus bei Bedarf geöffnet oder geschlossen werden. Die kontaktchemosensitiven Sensillen treten besonders an den Tarsen der Laufextremitäten und an den Mundwerkzeugen auf (Altner und Prillinger, 1980; Zacharuk, 1985; Chapman, 1982).
Sensillen, deren Haare einen terminalen Porus und einen beweglichen Sockel haben, sind multimodal und können neben Geschmacksreizen auch mechanische Reize aufnehmen (Dethier, 1968).
1.2.3 Sensillen mit Wandporen
Sensillen, deren Haare eine hohe Zahl an Wandporen aufweisen, kann eindeutig eine olfaktorische Funktion zugewiesen werden (Zacharuk, 1980; Steinbrecht, 1997; Shanbhag et al., 1999). Da sie stets unbeweglich sind, lässt sich eine zusätzliche mechanosensitive Funktion ausschließen. Olfaktorische Sensillen zeigen eine erstaunlich hohe Empfindlichkeit für Gerüche, die selbst über weite Distanzen wahrgenommen werden können, und werden deshalb auch als distanzchemorezeptive Sensillen bezeichnet. Besonders sensitiv ist dieser Sensillentyp für volatile, langkettige Alkohole und Ester (Altner, 1977). Diese Art der Sensillen spielt eine entscheidende Rolle bei der Nahrungssuche, der Feindvermeidung und insbesondere der innerartlichen Kommunikation durch Pheromone. Olfaktorische Sensillen treten nur an den Antennen und Maxillarpalpen der Insekten auf und lassen sich in einfachwandige und doppelwandige Sensillen unterteilen (Altner, 1977; Zacharuk, 1980; Steinbrecht, 1997).
Bei beiden Arten von olfaktorischen Sensillen endet die Dendritenscheide an der Haarbasis, so dass die bis kurz unter die Haarspitze reichenden verzweigten Dendritenzweige frei im Rezeptorlymphraum liegen (Steinbrecht, 1997). Die Geruchsstoffe gelangen durch die zahlreichen Poren in der Sensillenwand, die zum ersten Mal von Slifer (1954, 1960) dokumentiert wurden, in die Sensillenlymphe und zu den Dendriten. Der Grundbauplan eines chemosensitiven Sensillums ist in Abb. 4 gezeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 4: Aufbau eines chemosensitiven Sensillums. Von den zentral gelegenen Sinneszellen (Sz, hier nur eine dargestellt) ziehen die Axone (Ax) eingebettet in eine gliaähnliche Hülle bis ins Zentralnervensystem und die Dendriten (D) distal ins Haarlumen. Dort werden die Dendritenaußensegmente von der inneren Sensillenlymphe (Sl) umspült. Die Duftmoleküle gelangen durch die Poren (Po) in das Haarlumen und gelangen durch unterschiedliche Transportmechanismen zu den Dendriten. Die Sinneszellen sind von den drei Hüllzellen, der thekogenen (Th), trichogenen (Tr) und der tormogenen Zelle (To), umgeben, in der Epidermis (Ep) eingebettet und von der Cuticula (Cu) bedeckt. Bei manchen Sensillentypen bildet die thecogene Zelle eine Dendritenscheide (Ds) aus, welche die basalen Teile der Dendritensegmente vom äußeren Sensillenlymphraum (SLR) abtrennt. Zwischen den Hüllzellen und den Epidermiszellen durchziehen Desmosomen (De) und tight junctions („septated junctions“) (Sj) die Interzellularräume und dichten den Sensillenlymphraum gegenüber der Hämolymphe ab (nach Dettner und Peters, 1999).
1.2.3.1 Olfaktorische Sensillen mit einfacher Wand
Die einfache cuticuläre Haarwand der Sensillen setzt sich von außen nach innen aus verschiedenen Schichten zusammen (Steinbrecht und Kasang, 1972; Keil und Steinbrecht, 1984; Kaissling, 1996; Steinbrecht, 1997): einer dünnen Zementschicht (L1-Layer), einer elektronenoptischen wenig dichten Wachsschicht (L2-Layer) und einer elektronenoptisch dichten Cuticulinschicht (L3-Layer). L1 – L3 sind Schichten der Epikutikula, was bedeutet, dass diese Sensillenhaare keine Exo- und Endokutikula besitzen. Hinter jeder Pore, die die cuticuläre Haarwand durchbricht, verbirgt sich ein Porentubulisystem, dessen einzelne Porentubuli die Cuticula durchlaufen und offen in der Sensillenlyphe enden (Abb. 5 C-D).
Der Duftstofftransport in diesen Sensillen läuft folgendermaßen ab. Das hydrophobe Duftmolekül wird an der Haaroberfläche absorbiert, gelangt durch eine 2-D Diffusion in die L2-Layer und anschließend durch eine 1-D Diffusion in die Pore und das Porentubulisystem (Kananjia und Kaissling, 1985). Wenn das Molekül das Ende eines Porentubulus erreicht hat, wird es dort von einem „odorant-binding protein“ (OBP) gebunden, das durch die wässrige Sensillenlymphe diffundiert und an einem Rezeptormolekül der Dendritenmembran ankoppelt. Dadurch wird der Rezeptor aktiviert (Vogt und Riddiford, 1981; Van den Berg und Ziegelberger, 1991). Anschließend wird der Proteinkomplex deaktiviert und wieder in die Sensillenlymphe entlassen. Dort zerfällt der Komplex, und das freigesetzte Duftmolekül wird enzymatisch abgebaut (Steinbrecht, 1997).
1.2.3.2 Olfaktorische Sensillen mit doppelter Wand
Slifer und Sekhon (1961, 1962) beschrieben als Erste die doppelwandigen, sehr kurzen Riechhaare, bei denen die Haarwand durch zirkulär angeordnete fingerförmige Ausstülpungen der Cuticula gebildet wird und daher auffällig gefurcht ist („grooved sensilla“). Altner (1977) nannte diesen Sensillentypen „doppelwandige Wandporen-Sensillen“ (double walled wall pore sensilla bzw. dw-wp sensilla). In diesen Sensillen konnten keine Porentubuli gefunden werden, sondern sogenannte Speichenkanäle (spoke-channels; Steinbrecht, 1969), die radial zwischen den einzelnen cuticularen Fingern verlaufen. Ameismeier (1985) und Kuhbandner (1985) konnten zeigen, dass die Speichenkanäle an der Außenseite Poren bilden, durch die Duftmoleküle in das Innere der Sensillen gelangen können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 5: Schematische Darstellung eines einfachwandigen und eines doppelwandigen chemosensitiven Sensillums. A Querschnitt eines doppelwandigen Sensillums. Die Dendriten sind von 6 cuticulären Fingern umgeben. Zwischen den Fingern befinden sich die Spoke channels (Sc). B Längsschnitt durch ein doppelwandiges Sensillum. Die Dendriten (D) befinden sich in dem inneren Sensillenlymphraum (Sl). Der „Fingerlymphraum“ („Fl“) ist durch die Cuticula (Cu) von dem inneren Sensillenlymphraum getrennt. C Querschnitt eines einfachwandigen Sensillums. Die Cuticula wird von einem komplexen Porentubulisystem (Pt) durchbrochen. D Längsschnitt eines einfachwandigen Sensillums. Die Dendriten befinden sich in dem inneren Sensillenlymphraum und liegen, im Gegensatz zu dem doppelwandigen Sensillum, unter der Cuticula (nach Steinbrecht, 1997).
Der Stimulustransport ähnelt dem bei einfachwandigen Sensillen, da die Duftmoleküle auch hier in der L2-Layer Schicht adsorbiert und durch Diffusion in den Wandungen der Speichenkanäle zum zentralen Lumen des Haares gelangen können. Da keine Duftmolekül-bindenden Proteine nachgewiesen werden konnten, ist zu vermuten, dass sie in dieser Art von Sensillen nicht nötig sind. Tatsächlich sind die von diesen Sensillen rezipierten Duftmoleküle kurzkettiger und daher besser wasserlöslich, als die von einfachwandigen Sensillen rezipierten langkettigen Duftmoleküle (Laue und Steinbrecht, 1997). In Abb. 5 sind die Haarstrukturen von einfach- und doppelwandigen Sensillen gegenübergestellt.
1.2.3.3 Transduktion in Geruchssensillen
Die ersten „odorant-binding proteins“ (OBPs) wurden beim Schwammspinner (Antheraea; Lepidoptera, Saturniidae) identifiziert (Vogt und Riddiford, 1981). Diese OBPs waren selektiv für Pheromone. Später wurden auch OBPs mit hoher Bindungsselektivität für andere Geruchsstoffe identifiziert. Die OBPs spielen damit eine erhebliche Rolle bei der Geruchsselektivität des jeweiligen Sensillums (Pelosi und Maida, 1995; Steinbrecht et al., 1996).
Die Rezeptormoleküle in den Dendritenmembranen der Geruchssensillen gehören zur Superfamilie der G-Protein gekoppelten Rezeptoren mit 7 alpha-helicalen Transmembran-Domänen (Stadel und Lefkowitz, 1981; Hoffmann et al., 1983, Fadool et al., 1995; Breer, 1994). Aktivierung dieser Moleküle durch Bindung eines OBP-Duftstoff-Komplexes führt zur Aktivierung eines gekoppelten G-Proteins, das seinerseits eine Phospholipase C (PLC) aktiviert.
PLC schließlich spaltet membrangebundenes Phosphatidyl-Inositol-Bisphosphat (PIP2) in Inositoltriphosphat (IP3), welches in das Cytosol des Dendriten diffundiert, und in Diacylglycerin (DAG), das in der Dendritenmembran verbleibt (Bruch, 1996). Der second messenger IP3 öffnet Kationen-Kanäle der Dendritenmembran, was eine Depolarisierung bzw. Aktivierung der Geruchssinneszelle zur Folge hat. Die Aktivierung wird durch Oxidation des Geruchsmoleküls, Lösen des OBPs vom Rezeptormolekül und nachfolgendem enzymatischen Abbau des Geruchsmoleküls beendet (Vogt und Riddiford, 1981; Ziegelberger, 1995; Pophof, 1998). Die Repolarisation der Rezeptorzelle wird durch Aktivierung spannungsensitiver und calciumabhängiger Kaliumkanäle unterstützt (Stengel et al., 1992). Ein weiterer Transduktionsweg geht von der Kopplung aversiver Geruchsstoffe an entsprechende OBPs aus, der über G-Protein aktivierendes cAMP verläuft und bis zur Hyperpolarisation der Rezeptorzelle führt (Michel und Ache, 1992; Krieger et al., 1999). Das Prinzip der Chemotransduktion in Geruchssensillen ist schematisch in Abb. 6 dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 6: Schematische Darstellung der Chemotransduktion in Geruchssensillen bei Insekten. Duftmoleküle aus der Luft diffundieren durch die Cuticula in Poren und das Porentubulisystem. Dort werden sie von OBPs (odorand-binding proteins) gebunden, die in reduzierter Form (red) vorliegen. Diese OBP-Duftstoff-Komplexe diffundieren durch die Sensillenlymphe und koppeln an einem mit einem G-Protein gekoppeltem Rezeptormolekül, das aktiviert wird. Das G-Protein aktiviert PLC (Phospholipase C), das PIP2 (Phosphatidyl-Inositol-Bisphosphat) erstens in IP3 (Inositoltriphosphat) spaltet, welches in das Cytoplasma des Dendriten diffundiert, und zweitens in DAG (Diacylglycerin), das in der Dendritenmembran verbleibt. IP3 öffnet Kationen-Kanäle, was zu einer Depolarisierung bzw. Aktivierung der Geruchssensille führt. Die Aktivierung wird durch die Oxidation (ox) des OBPs, dessen Lösung vom Rezeptormolekül und dem nachfolgenden enzymatischem Abbau des Duftmoleküls beendet (nach Kelling, 2001).
Die olfaktorischen Rezeptorneurone der Antennen projizieren über den Antennalnerv in die Antennenloben im Deutocerebrum, in denen die Terminale der Rezeptorneuronen synaptisch mit lokalen Interneuronen und Projektionsneuronen verschaltet sind. Die Antennenloben stellen daher das primäre Riechzentrum des Insektengehirns dar. Beide Loben sind durch eine massive Kommissur miteinander verbunden. Die Projektionsneurone ziehen zu höheren Verarbeitungszentren, wie die Pilzkörper und die lateralen Teile des Protocerebrums. Der Antennenlobus besteht aus einer Vielzahl kugeliger Strukturen, den olfaktorischen Glomeruli. Jeder einzelne Glomerulus besitzt eine charakteristische Größe und Lage, was seine Identifizierung mittels eines morphologischen Atlas ermöglicht. Jeder Duft erzeugt ein Muster unterschiedlich aktiver Glomeruli, was bedeutet, daß Düfte als kombinatorische Muster aktivierter Glomeruli repräsentiert werden (Vosshall, 2000; Sachse und Galizia, 2003).
1.3 Die antennalen Sensillen von Fliegen
Grundsätzlich können 2 Antennentypen bei Insekten unterschieden werden, die Gliederantennen und die Geißelantennen (Schneider, 1964): Die recht gleichförmig unterteilten Gliederantennen kommen bei Apterygoten (ungeflügelte Insekten) wie den Collembolen und Dipluren vor.
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Abb. 7: Antenne einer Fliege (Calliphora erythrocephala). AntN Antennennerv; Ar Arista; Fr Frons; Fun Funiculus (Flagellum); Gpb große Pedicellusborste; Mu Muskel;
Ped Pedicellus; PedF Pedicellusfalte; Sca Scapus; ScaH Scapushaare (nach Gewecke, 1967)
Sie enthalten, mit Ausnahme des Endgliedes, in allen Gliedern Muskeln, wodurch jedes Glied einzeln bewegt werden kann. Geißelantennen findet man bei allen pterygoten Insekten. Sie setzen sich zusammen aus einem Scapus (dem Basalglied), einem Pedicellus (2. Glied) und der Geißel (auch Flagellum genannt), die in unterschiedlich viele Glieder unterteilt sein kann. Bei Fliegen wird das Flagellum als Funiculus bezeichnet und trägt einen gefiederten Anhang, die Arista.
Bei einigen Insektengruppen wie, z.B. den Lepidopteren, können die Antennen von Männchen und Weibchen sehr unterschiedlich ausgebildet sein (Sexdimorphismus). Dies hängt damit zusammen, daß Weibchen Sexualduftstoffe (Pheromone) absondern, die von den Männchen über große Distanzen wahrgenommen werden können. In Anpassung daran ist die Oberfläche der männlichen Antennen stark vergrößert, sodaß darauf mehr chemosensitive Sensillen Platz finden.
Der Aufbau der Geißelantenne von Fliegen ist in Abb. 7 dargestellt. Der Scapus ist gelenkig mit der Kopfkapsel verbunden, und enthält Muskeln, die im Pedicellus inserieren. Alle anderen Antennenglieder sind frei von Muskeln.
Der Scapus erfüllt allgemeine mechanorezeptive Funktionen, während der Pedicellus hochspezialisiert sein kann und entweder, wie bei Drosophila, auditorische Funktionen hat oder wie bei Calliphora die Abbiegung von Funiculus und Arista durch Luftströmung im Flug registriert und damit als Geschwindigkeitsmesser fungiert (Gewecke und Schlegel, 1967). Einige Autoren berichten zudem über ein auffälliges Sensillenfeld auf dem Pedicellus. Diese Sensillen wurden von Greenberg (1970) entdeckt und als „plaques with bulbous setae“ beschrieben. Später erhielten sie ganz unterschiedliche Bezeichnungen (Greenberg, 1970; Been et al., 1988; Sukontason et al., 2004; de Fernandes et al., 2004). Obwohl diese Sensillen in einigen weiteren Arbeiten erwähnt wurden, ist ihre Funktion bis heute ungeklärt.
Der Funiculus ist ausschließlich mit olfaktorischen Sensillen besetzt. Zacharuk (1985) bezeichnete die Antennen daher auch als „Insektennase“, da sie neben den Augen die wichtigsten Fernsinnesorgane sind. Bei vielen brachyceren Dipteren sind die olfaktorischen Sensillen des Funiculus nicht nur auf der Oberfläche verteilt, sondern auch in sogenannten Riechgruben versenkt (Kaib, 1974; Chapman, 1982; Kuhbandnder, 1984). Die Anzahl der Riechgruben kann zwischen den einzelnen Familien stark variieren. Bei den Drosophilidae beispielsweise konnte nur eine Riechgrube auf der posterioren Seite des Funiculus identifiziert werden, der sogenannte Sacculus (Venkatesh und Singh, 1984; Itoh et al., 1991; Shanbhag et al., 1995). Bei manchen Männchen der Sarcophagidae dagegen zählte man 50 Riechgruben und bei Weibchen der Sarcophagidae sogar bis zu 260 Riechgruben (Slifer und Sekhon, 1964).
Auch die Arista wurde bei vielen brachyceren Dipteren untersucht, jedoch konnten auf ihr nur in Ausnahmefällen Sensillen nachgewiesen werden (Gewecke, 1967; Foelix et al., 1989).
Die äußere Morphologie der olfaktorischen Sensillen wurde in vielen Arbeiten untersucht. Auf Grund dieser Untersuchungen konnten Karten angefertigt werden, die die Verteilung der Sensillen auf dem Funiculus bei verschiedenen Fliegenfamilien dokumentieren (Venkatesh und Singh, 1984; Mayo et al., 1987; Ross und Anderson, 1987; Rahal et al., 1996; Stocker, 2001).
1.4 Ziele der Arbeit
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, sämtliche Sensillentypen auf der Antenne der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala zu erfassen und photographisch zu dokumentieren. Die gesamte Untersuchung sollte mit Hilfe des Rasterelektronenmikroskops durchgeführt werden, um alle relevanten Strukturdetails mit hinreichender Auflösung analysieren zu können. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf das Sensillenfeld des Pedicellus und die olfaktorischen Sensillen des Funiculus gelegt werden. Bei ersterem sollte einerseits nach Strukturdetails gesucht werden, die möglicherweise Hinweise auf die funktionelle Spezialisierung dieser Sensillen liefern können. Andererseits sollte festgestellt werden, bei welchen Fliegenfamilie derartige Sensillenfelder auf dem Pedicellus überhaupt auftreten. Bei der Kartierung der Sensillentypen des Funiculus sollten zusätzliche Untersuchungen am detailliert beschriebenen Funiculus von Drosophila durchgeführt werden, um die morphologische Klassifizierung der Sensillentypen von Calliphora durch Vergleichsaufnahmen ihrer Homologen bei Drosophila zu untermauern.
2. Material und Methoden
2.1 Versuchstiere und ihre systematische Stellung
Die rasterelektronischen Untersuchungen wurden in erster Linie an der Schmeißfliege Calliphora erythrocephala (= C. vicina) und am Wildtyp von Drosophila melanogaster durchgeführt. Beide Spezies stammten aus Institutszuchten.
Vergleichsuntersuchungen wurden an der Stubenfliege Musca domestica durchgeführt, deren Puppen freundlicherweise von der BAYER AG (Monheim) zur Verfügung gestellt wurden. Des Weiteren wurden Puppen von Calliphora vomitoria in Tiergeschäften gekauft und im Labor zum Schlüpfen gebracht. Von den im Labor gehaltenen Spezies wurden ausschließlich frisch geschlüpfte Tiere verwendet (Alter: 1 – 2 Tage), da diese unversehrt und nicht verschmutzt waren.
Für weitere Untersuchungen wurden Imagines verschiedene Fliegenspezies, bzw. Familien, herangezogen, die aus Wildfängen in der Umgebung von Köln stammten. Die Tiere wurden mit Hilfe der einschlägigen Literatur bestimmt (Lindner, 1956; Cuny, 1978; Haupt und Haupt, 1998). In Einzelfällen gelang die Bestimmung gefangener Spezies nur bis zur entsprechenden Familie.
Diptera (Zweiflügler) gehören zu den höchstentwickelten Ordnungen der pterygoten Insekten (geflügelte Insekten). Ein hervorstechendes Merkmal der Dipteren ist das Fehlen des zweiten Flügelpaares, das zu Schwingkölbchen (Halteren) umgebildet wurde. Die Diptera werden in die Brachycera (Fliegenartige) und die Nematocera (Mückenartige) unterteilt.
Brachycera werden in die Orthorrhapha (Spaltschlüpfer) und die Cyclorrhapha (Deckelschlüpfer) unterteilt. Traditionell werden die Cyclorrhapha in die Aschiza (ohne Stirnspalte und Stirnblase) und die Schizophora (mit Stirnspalte und Stirnblase) eingeteilt. Letztere gliedern sich wiederum in die Acalyptratae (ohne Flügelschüppchen) und die Calyptratae (mit Flügelschüppchen). Heute weiß man, dass sowohl die Orthorrhapha wie auch die Aschiza keine monophyletischen Gruppen sind. Beide Begriffe werden daher in der modernen Systematik der Fliegen nicht mehr verwendet (Dettner und Peters, 1999), sind aber dennoch – auch in mehreren Arbeiten – verbreitet. Die taxonomische Untergliederung der Brachycera lässt sich wie folgt zusammenfassen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Insgesamt wurden Tiere aus 11 Dipterenfamilien untersucht. Die untersuchten Familien und deren jeweilige Anzahl sind in Tab. 1 zusammengestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tab. 1: Die Anzahlen der untersuchten Fliegenfamilien
2.2 Rasterelektronenmikroskopie
2.2.1 Fixierung der Proben
Die ausgewählten Tiere wurden durch Kälte getötet (Gefrierschrank –25°C; ca. 15 min). Anschließend wurde je nach Bedarf der Kopf, der Frons (Stirnplatte des Kopfes mit Antennen) oder nur die Antennen abpräpariert und in Äthanol oder Osmiumlösung fixiert.
Zur Alkoholfixierung wurden die Präparate 1 Tag in 70% Äthanol gelagert und anschließend über 96% Äthanol (20 min) und wasserfreien Äthanol (20 min) in Aceton überführt. Eine längere Fixierung in Aceton wurde vermieden, um Strukturveränderungen der epicutikulären Wachsschicht zu vermeiden.
Alternativ wurden die Proben 30 min mit 1% Osmiumtetroxid-Lösung in Millonig-Phosphat-Puffer (pH = 7,3) fixiert, 2 x 15 min mit Aqua dest. gespült und über eine Alkoholreihe entwässert (30%, 50%, 70%, 96%, 100% (wasserfrei) Äthanol, je 30 min) und über eine 1:1 Mischung von Aceton und wasserfreiem 100% Äthanol (30 min) in Aceton überführt.
2.2.2 Trocknen der Proben
Das Trocknen der Proben ist bei der Vorbereitung für die Rasterelektronenmikroskopie von besonderer Bedeutung. Nur bei absolut trockenen Proben lässt sich im Rasterelektronenmikroskop das erforderliche Arbeitsvakuum erreichen, das letztendlich eine hohe Bildqualität garantiert. Zur Trocknung wurde die Methode der „Kritisch-Punkt-Trocknung“ verwendet, da dieses Verfahren besonders schonend ist, und „Trocknungsartefakte“ (z. B. Verformungen der Facettenaugen bei Insekten), weitestgehend vermieden werden können.
Zur Trocknung wurden die entwässerten Proben in porösen Teflon-Kapseln eingeschlossen und mit einer ausreichenden Menge Aceton in die Druckkammer einer „Kritisch-Punkt-Apparatur“ (CPD 020 der Firma Balzers, Abb. 8) überführt. Anschließend wurde die Druckkammer mehrfach bei einer Temperatur von ca. 12°C mit flüssigem CO2 gespült. Nach Austausch des gesamten Acetons gegen flüssiges CO2, wurde die Temperatur in der Druckkammer auf 40°C erhöht. Durch diese Erhöhung stieg auch der Druck kontinuierlich auf ca. 80 – 85 bar an. Der „Kritische Punkt“ von flüssigem CO2 liegt bei einer Temperatur von 31°C und einem Druck von 73,8 bar. Unter diesen Bedingungen wird das flüssige CO2 ohne Phasenübergang gasförmig und die bei Phasenübergängen häufig auftretenden Schädigungen der Präparate können vermieden werden. Um dies zu erreichen, wurden Temperatur und Druck auf Werte oberhalb des kritischen Punktes gebracht.
Das gasförmige CO2 wurde anschließend langsam aus der Druckkammer abgelassen, sodass die Teflon-Kapseln mit den getrockneten Proben entnommen werden konnten.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 8: Kritisch-Punkt-Anlage CPD 020 von der Firma Balzers; links oben an dem Gerät befindet sich die Druckanzeige, rechts daneben die Druckkammer mit einem Sichtfenster und ganz rechts der Temperaturregler.
2.2.3 Aufkleben der Proben
Zum Einbringen der getrockneten Proben in das Rasterelektronenmikroskop (REM) wurden diese auf Probenteller aus Aluminium geklebt. Große Proben wurden mit „Leit-C“, kleine Proben mit „Leit-Tabs“ und probeweise mit Vakuumwachs geklebt.
Bei „Leit-C“ (Firma Neubauer) handelt es sich um einen schnelltrocknenden, leitfähigen, xylollöslichen Kleber auf Graphitbasis, der auf die Probenteller aufgetragen wurde. Die Objekte mussten in diesem Fall zügig auf den Tellern positioniert und ausgerichtet werden. Die Methode eignet sich besonders gut für große Objekten, wie z.B. ganze Fliegenköpfe, die sich problemlos manipulieren lassen.
Bei der Montage sehr kleiner Objekte (z. B. einzelner Antennen von Fliegen) erwiesen sich die leitfähigen, doppelseitigen Haftaufkleber (Firma W. Plannet GmbH) als geeignet, da die Lage und Ausrichtung der Objekte ohne Zeitdruck korrigiert werden konnte.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 9: Die REM-Teller nach dem Sputtern. A REM-Teller, auf den 2 Köpfe von Calliphora vomitoria Männchen mit „Leit-C“ geklebt wurden. B REM-Teller, auf den 5 Antennen von Calliphora erythrocephala Weibchen mit „Leit-Tabs“ geklebt wurden.
Schließlich wurden die Präparate in einigen Fällen mit einer kleinen Menge heißem, geschmolzenem Vakuumwachs („Apiezon W“, Carl Roth GmbH) aufgeklebt, der mit Hilfe eines Spatels auf die erhitzten Aluminiumteller aufgetragen wurde. Die Wachsschicht auf den Tellern durfte dabei unter keinen Umständen zu dick geraten, da die aufgetragenen kleinen Objekte leicht im heißen Wachs versinken. Der Vorteil gegenüber „Leit-C“ besteht darin, dass mit dem Wachs eine sehr glatte Fläche erzeugt werden kann.
In Abb. 9 A ist ein mit „Leit-C“ präparierter und in Abb. 9 B ein mit einem Haftaufkleber präparierter Probenteller dargestellt.
2.2.4 Sputtern der Proben
Bei diesem Arbeitsschritt wurden die Proben mit einer elektrisch leitenden Goldschicht überzogen.
Die Probenteller wurden in die Druckkammer einer Sputteranlage (SEM Coating Unit PS 3, Fa. Agar Aids; Abb. 10) eingebracht, in der anschließend ein Inertgasvakuum (hier mit Argon) erzeugt wurde. Beim „Sputtern“ wird in der Druckkammer eine Spannung von 1 KV erzeugt, die zu einer Ionisierung des Argons führt. Die Argonionen setzen Goldatome aus einer Goldkathode frei, die sich auf der Anode (hier dem Objekt) niederschlagen. Somit wird das Objekt bis in die kleinsten Vertiefungen gleichmäßig mit Goldatomen bestäubt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb. 10: Sputteranlage SEM Coating Unit PS 3 von der Firma Agar Aids; auf dem Gerät liegt der Deckel der Druckkammer, in dem die Goldkathode sichtbar ist. In der Mitte des Gerätes befindet sich links die Druckanzeige und rechts die Stromanzeige.
Die Goldschichtdicke ließ sich durch Änderung der Ionisierungsspannung, des Stroms und der Dauer der Ionisierung variieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei den hier untersuchten Präparaten erwies sich eine Schichtdicke von 20 nm als optimal.
2.2.5 Rasterelektronenmikroskopische Untersuchung der Proben
Zur Untersuchung der vorbereiteten Proben wurde ein Rasterelektronenmikroskop des Typs S-520 (Hitachi; Abb. 11) verwendet. Nach Einbringung der Proben wurde im REM zunächst ein Hochvakuum erzeugt und anschließend die erforderliche Beschleunigungsspannung (hier: 10 bis 20 KV) angelegt. Durch Erhitzen der Kathode am oberen Ende des REM-Tunnels auf ca. 2.000°C wird ein Primärelektronenstrahl freigesetzt, der durch Steuerzylinder fokussiert und durch die ringförmige Anode beschleunigt wird.
[...]
- Arbeit zitieren
- Melanie Brück (Autor:in), 2006, Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen zur Struktur und Verteilung der antennalen Sensillen von "Calliphora erythrocephala", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64122
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