„Es geht um nichts weniger, als unsere Zukunft wieder selbst in die Hand zu nehmen.“
Die Bilder von den Straßenschlachten in Seattle 1999, als knapp 50.000 Menschen gegen die Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) protestierten, gingen um die Welt. Seite an Seite drückten Gewerkschafter, Studenten, Arbeiter, Bauern oder Umweltschützer ihren Unmut über die Handelspolitik der Industrienationen aus. Seitdem zieht das „Volk von Seattle“ um die Welt, überall dort, wo sich die Vertreter von IWF, Weltbank, WTO oder die Staats- und Regierungschefs der G8 treffen, versammeln sich die Globalisierungskritiker zu Demonstrationen. Prag, Göteborg, Genua, Washington, Porto Alegre – die Liste ist lang.
Im Jahre 1998 hat sich in Frankreich ein Netzwerk mit dem schlagkräftigen Namen Attac (Action pur une association des transactions financières pour l´aide aux citoyens et citoyennes) gegründet, das mittlerweile in über fünfzig Nationen vertreten ist. Spätestens seit den gewaltsamen Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua 2001 erhielten die Themen der Globalisierungskritik einen immensen medialen Aufmerksamkeitsschub. Attac wird mittlerweile als Sprachrohr der Globalisierungskritik wahrgenommen. In Deutschland sind seit seiner Gründung mehr als 10.000 Menschen Mitglieder des Netzwerkes geworden.
Nachdem sich das Buch im ersten Abschnitt mit der Geschichte der Globalisierung sowie Entstehung und Inhalten der globalisierungskritischen Bewegung auseinander setzt, wird das Hauptaugenmerk anschließend auf das Netzwerk Attac gelenkt. Es wird die Frage in den Vordergrund gestellt, welche Ziele Attac verfolgen und welche Herausforderungen die Organisation bewältigen muss, um auf Dauer erfolg- und einflussreich bleiben zu können. Können die Proteste langfristig wirken, oder ist die Bewegung ein von den Medien aufgebauschtes Phänomen, das in naher Zukunft wieder an Bedeutung verlieren wird, sei es durch Mitgliederschwund oder Desinteresse der Öffentlichkeit? Bringt Attac das Potential mit sich, zu einem wichtigen politischen Einflussfaktor zu entwickeln oder ist das Netzwerk bloß eine groß angelegte „ökonomische Alphabetisierungskampagne“? Fragen, die einer Antwort bedürfen.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Wie alles begann – Die Globalisierung und ihre Gegner
2.1 Was ist Globalisierung?
2.2 Entstehung und Geschichte der Anti-Globalisierungsbewegung
3 Politische Macht oder ökonomische Alphabetisierungskampagne?
3.1 Attac – Das Netzwerk der Globalisierungskritiker
3.2 Pläne, Ziele, Strategien – die Zukunft der Bewegung
4 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitung
„Es geht um nichts weniger, als unsere Zukunft wieder selbst in die Hand zu nehmen.“
Die Bilder von den Straßenschlachten in Seattle 1999, als knapp 50.000 Menschen gegen die Tagung der Welthandelsorganisation (WTO) protestierten, gingen um die Welt. Seite an Seite drückten Gewerkschafter, Studenten, Arbeiter, Bauern oder Umweltschützer ihren Unmut über die Handelspolitik der Industrienationen aus. Seitdem zieht das „Volk von Seattle“ um die Welt, überall dort, wo sich die Vertreter von IWF, Weltbank, WTO oder die Staats- und Regierungschefs der G8 treffen, versammeln sich die Globalisierungskritiker zu Demonstrationen. Prag, Göteborg, Genua, Washington, Porto Alegre – die Liste ist lang.
Im Jahre 1998 hat sich in Frankreich ein Netzwerk mit dem schlagkräftigen Namen Attac (Action pur une association des transactions financières pour l´aide aux citoyens et citoyennes) gegründet, das mittlerweile in über fünfzig Nationen vertreten ist, so auch in Deutschland. Spätestens seit den gewaltsamen Protesten gegen den G8-Gipfel in Genua 2001 erhielten die Themen der Globalisierungskritik einen immensen medialen Aufmerksamkeitsschub. Attac wird mittlerweile als Sprachrohr der Globalisierungskritik wahrgenommen. In Deutschland sind seit seiner Gründung mehr als 10.000 Menschen Mitglieder des Netzwerkes geworden.
Nachdem ich im ersten Abschnitt der Hausarbeit auf die Geschichte der Globalisierung sowie Entstehung und Inhalte der globalisierungskritischen Bewegung eingegangen bin, möchte ich mich im anschließenden Kapitel auf das Netzwerk Attac konzentrieren. Ich möchte die Frage in den Vordergrund stellen, welche Ziele Attac verfolgt und welche Herausforderungen die Organisation bewältigen muss, um auf Dauer erfolg- und einflussreich bleiben zu können. Können die Proteste langfristig wirken, oder ist die Bewegung ein von den Medien aufgebauschtes Phänomen, das in naher Zukunft wieder an Bedeutung verlieren wird, sei es durch Mitgliederschwund oder Desinteresse der Öffentlichkeit? Bringt Attac das Potential mit sich, zu einem wichtigen politischen Einflussfaktor zu werden oder ist das Netzwerk bloß eine groß angelegte „ökonomische Alphabetisierungskampagne“? Diese Fragen hoffe ich, auf den folgenden Seiten beantworten zu können.
2 Wie alles begann – Die Globalisierung und ihre Gegner
2.1 Was ist Globalisierung?
Kaum ein Begriff hat in der jüngsten Vergangenheit so oft Verwendung gefunden wie jener der „Globalisierung“, der zu einem der am meisten gebrauchten Ausdrücke unserer Zeit avanciert ist. Ob im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen, im Internet (die Eingabe bei google.de ergibt mehr als zwei Millionen Einträge) oder einer zunehmend unüberschaubaren Zahl an Büchern, die sich (kritisch) mit dem Phänomen beschäftigen - der Begriff ist plötzlich allgegenwärtig. Obwohl mit dem Begriff viele Aspekte verbunden sind, wird er in seiner Definition zumeist auf das wirtschaftliche Geschehen beschränkt. „Globalisierung bedeutet, dass die Länder in der Welt wirtschaftlich zusammenwachsen, die Verflechtung der Märkte enger wird und die Mobilität der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital über nationale Grenzen hinweg zunimmt.“[1] Ihren Anfang nahm die Globalisierung bereits im 19. Jahrhundert. In den beiden vorherigen Jahrhunderten war die Wirtschaftspolitik der Nationen von der Lehre des Merkantilismus dominiert, d.h. der Staat unternahm wirtschaftliche Lenkungsmaßnahmen und die Nationen schotteten sich weitestgehend gegeneinander ab, u.a. durch die Erhebung von Schutzzöllen. Erst die Theorie des Wirtschaftsliberalismus und die Doktrin des Freihandels, als deren Hauptvertreter Adam Smith (1723-1790) und David Ricardo (1772-1823) gelten, sorgten für eine Ablösung der vorherrschenden Form des Merkantilismus. Die beiden Ökonomen sprachen sich für die Beseitigung von staatlichen Eingriffen in wirtschaftliche Angelegenheiten aus: keine Produktionsbeschränkungen, keine Handelsbarrieren, keine Zollgebühren – der freie Handel galt als der beste Weg zur Entfaltung der Wirtschaft einer Nation. Die theoretische Einsicht, „dass Staaten, die sich wirtschaftlich nicht abschließen, sondern in einen offenen Austausch mit anderen Volkswirtschaften treten, davon profitieren und Wohlstandsgewinne für ihre Bürgerinnen und Bürger erzielen“[2] führte zu einem Zeitalter der Globalisierung. Die Nationen öffneten ihre Wirtschaft, wesentliche Handelshemmnisse wurden beseitigt und neue Technologien führten zu einer umfangreicheren, aber auch preiswerteren Produktion. Transporte auch über große Distanz wurden schneller und billiger, so dass der weltweite Handel bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges vorangetrieben wurde – die Jahre von 1895 bis 1914 werden heute gar als das „Goldene Zeitalter“ des Freihandels bezeichnet.
Durch den Ersten Weltkrieg, die Weltwirtschaftskrise und den Börsencrash von New York im Jahre 1929 sowie dem darauf folgenden Zweiten Weltkrieg wurde der durch den Freihandel bedingte Aufschwung jäh beendet. Die Weltwirtschaft lag am Boden, als sich 1944 in Bretton Woods, New Hampshire, Vertreter aus 44 Ländern trafen, „um die wirtschaftliche Nachkriegsordnung festzulegen und entsprechende Institutionen ins Leben zu rufen.“[3] Die Konferenz stand im Zeichen der sozialen Erschütterungen der Weltwirtschaftskrise (Massenarbeitslosigkeit, Verarmung breiter Schichten des Mittelstandes) und dem Zusammenbruch der Wirtschaft in Europa und den USA. Beides wurde als „Bedrohung von politischer Stabilität und Demokratie“[4] angesehen, die es in der Zukunft zu vermeiden galt. Es wurde beschlossen, den Welthandel einem Gerüst von Rahmenbedingungen zu unterstellen. Kernstück des Abkommens von Bretton Woods war die Einrichtung eines Systems fester Wechselkurse, das an eine Leitwährung, den US-Dollar, gebunden war, und die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen, die die grenzüberschreitenden Finanzflüsse beschränken sollten. Um die Funktionsfähigkeit des Systems sicher zu stellen, wurden zwei Institutionen ins Leben gerufen: der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank. Die Aufgabe der Weltbank war es, „günstig Kredite für das kriegszerstörte Europa bereit zu stellen und so den Wiederaufbau mit zu finanzieren.“[5] Dem IWF oblag es ursprünglich, seinen Mitgliedsstaaten (zu jener Zeit 39) bei Zahlungsschwierigkeiten einen kurzfristigen Beistandskredit zur Verfügung zu stellen. Die Ideen des Ökonomen John Maynard Keynes, der als britischer Verhandlungsführer in Bretton Woods anwesend war, setzten sich als vorherrschende wirtschaftspolitische Doktrin durch, die eine Regulierung der Konjunktur durch den Staat und ein ausgebautes Bildungs-, Gesundheits- und Sozialsystem als Instrument der sozialen Umverteilung vorsah.
Die Nachkriegszeit blieb von internationalen Finanzkrisen verschont. Die Weltwirtschaft prosperierte und selbst im weitgehend kriegszerstörten Westeuropa kam es zu einer Phase anhaltenden Wachstums. In Deutschland wird von den Nachkriegsjahren noch heute als „Wirtschaftswunder“ geschwärmt. Das System von Bretton Woods schien zu funktionieren, allerdings trug der Erfolg des Systems gleichzeitig die Ursache für seinen Zusammenbruch in sich. „Da Währungsparitäten die ökonomische Leistungsfähigkeit von Volkswirtschaften untereinander zum Ausdruck bringen, war angesichts des wirtschaftlichen Aufstiegs der westeuropäischen und der japanischen Volkswirtschaften der feste Wechselkurs zum Dollar auf Dauer nicht haltbar.“[6] 1971 kündigte die US-Regierung unter Präsident Nixon das System fester Wechselkurse auf, 1973 wurde es durch frei schwankende ersetzt. Ein neues wirtschaftspolitisches Zeitalter sollte beginnen, das unter dem Begriff des „Neoliberalismus“ zusammen gefasst wird. Das wirtschaftspolitische Leitbild veränderte sich, weg von der sozialen Marktwirtschaft und der Doktrin des Keynesianismus hin zur neoliberalen Schule. Aufbauend auf den Theorien von Smith und Ricardo wurde der freie Markt als Grundlage von Wohlstand und Wirtschaftswachstum propagiert. Der Staat sollte sich aus der Kontrolle und Lenkung der Wirtschaft heraus halten, der Markt, sprich die privaten Unternehmen, von jeglichen Zwängen befreit werden. Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung, so lauteten die Hauptleitlinien der in den 70er Jahren einsetzenden neoliberalen Wirtschaftspolitik. Der Wegfall von Kapitalverkehrskontrollen, die Öffnung der Wirtschaftsmärkte und der Abbau von Zollbeschränkungen führte zu einem immensen Anstieg des weltweiten Handels. Es existieren „relativ wenige Hemmnisse für den internationalen Austausch von Gütern und Produktionsfaktoren“[7], so dass die Globalisierung der Weltwirtschaft unaufhaltsam voranschreiten konnte. Mit den Amtsantritten von Ronald Reagan in den USA und Margaret Thatcher in Großbritannien begann die so bezeichnete „neoliberale Konterrevolution“. Ihr Ziel war es, „die Ansprüche an den Wohlfahrtsstaat zu reduzieren, die Macht der Gewerkschaften einzugrenzen sowie die Möglichkeiten der Kapitalakkumulation durch Privatisierung und das Ersetzen kollektiver Sicherungssysteme auszudehnen.“[8]
Die zunehmende Modernisierung der vergangenen Jahre – Errungenschaften in der Mikroelektronik, der Telekommunikation, Internet und E-Mail u.v.m. – beschleunigten den Prozess des grenz- und kontinentüberschreitenden Transfers von Waren, Dienstleistungen und Geld. Es ist heute möglich einen Geschäftspartner am anderen Ende der Welt in wenigen Sekunden zu erreichen und mit den aktuellsten Informationen zu versorgen. Geldsummen können innerhalb kürzester Zeit hin- und hergeschoben werden. Der Planet ist von einem dichten Kommunikationsnetz umspannt, ohne das die wirtschaftliche Verflechtung der Welt, sprich die Globalisierung, nicht möglich wäre. Sinkende Transportkosten und die zunehmende Vereinheitlichung technischer Normen treiben die Globalisierung zusätzlich voran. Die Entwicklung scheint unaufhaltsam zu sein, und wird in den kommenden Jahren das Leben der Menschen zunehmend prägen.
Ohne eine Wertung abgeben zu wollen, ist es unbestreitbar, dass der Begriff der Globalisierung viele Ängste der Menschen auf sich vereint, die sie „als eine Gefährdung ihrer sozialen Sicherheit und ihrer Zukunftschancen“[9] betrachten. Die Globalisierung dringt in viele Bereiche des Lebens ein, und es erscheint logisch und unvermeidbar, dass viele Menschen diesem Prozess kritisch gegenüber stehen oder ihn gar ablehnen. In den vergangenen Jahren ist eine riesige Gegenbewegung entstanden, die die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der vergangenen Jahre kritisiert. Weltweit agierende Nichtregierungsorganisationen (NGOs), aber auch bedeutende Politiker und Ökonomen treten als Kritiker der Globalisierung in Erscheinung. Sie fordern eine Umgestaltung und die Einrichtung eines internationalen Regelsystems, einer „Global Governance“, die die Auswirkungen der Globalisierung steuern soll.
2.2 Entstehung und Geschichte der Anti-Globalisierungsbewegung
Der US-amerikanische Politikwissenschaftler Francis Fukuyama rief 1992 in einem Essay und einem darauf folgenden Buch „das Ende der Geschichte“[10] aus. Nach dem Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Osteuropa war die Überlegenheit der westlichen Demokratie und des Kapitalismus unbestreitbar. „Der Kapitalismus sei jetzt alternativlos“[11], so die allgemeine Schlussfolgerung. Glaubt man den Gegnern und Kritikern der Globalisierung, so haben Politiker, Konzernchefs und Manager in aller Welt diese Entwicklung als Einladung verstanden, um die neoliberale Globalisierung der Konzerne erbarmungslos voranzutreiben. John Williamson, Ökonom am Institute for International Economics in Washington, D.C., hat 1990 den Begriff des “Washington Consensus” geprägt, in dem er zehn wirtschaftspolitische Leitlinien fest hält, an der sich die US-Wirtschaftspolitik, die Weltbank und der IWF allgemein orientieren sollen. Einige der angeführten Punkte stehen immer wieder im Kreuzfeuer der Kritik, in besonderem Maße sind es vier Punkte, die von globalisierungskritischen Aktivisten und Ökonomen bemängelt werden: Die Ratschläge zur fiskalischen Disziplin, zur Handelsliberalisierung und Marktöffnung, zur Privatisierung von öffentlichen Gütern und zur Deregulierung der Märkte.
Auch wenn die Globalisierung wie kaum ein anderes Thema unserer Zeit polarisiert, scheint die weltweite Verflechtung von wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Prozessen in einer Ära der immer schneller und moderner werdenden Kommunikations- und Transportmöglichkeiten nicht aufhaltbar oder gar umkehrbar zu sein. Unternehmen und Wirtschaftspolitiker sprechen der Globalisierung ein riesiges Potential zu, um mehr Reichtum und Wohlstand auf dem Planeten schaffen zu können. Durch den Abbau von Handels- und Wettbewerbsbeschränkungen soll sie zu einem effizienteren Wirtschaften führen, von dem alle Nationen, Industrie- und Entwicklungsländer gleichermaßen, profitieren. Dennoch versammeln sich auf den Treffen von IWF, Weltbank oder Welthandelsorganisation immer wieder zahlreiche Menschen, um gegen ihre Politik zu demonstrieren. Die Etikettierung als Globalisierungsgegner ist jedoch falsch, zahlreiche der beteiligten Gruppen und Organisationen haben „mit ihren Forderungen nach einer Demokratisierung von transnationalen und internationalen Regierungsorganisationen, ihrem Anspruch auf eine Vernetzung von nationalen und internationalen Protestgruppen und in ihren Solidaritätsbekundungen mit Bewegungen und Gruppen in anderen Ländern einen explizit pro-globalen Charakter.“[12] Auch die vermeintlichen Gegner haben erkannt, dass die Globalisierung große Chancen für die Verwirklichung einer gerechteren Welt mit sich bringt. Die Franzosen haben hierfür den Begriff des „altermondialiste“ geprägt: Man ist nicht gegen, sondern für eine andere, eine alternative Globalisierung.
Die vielfältige globalisierungskritische Literatur[13] bezeichnet die neoliberale Wirtschaftspolitik der Industrienationen und ihrer ausführenden Institutionen IWF, Weltbank und Welthandelsorganisation (1995 als Nachfolgeorganisation des Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens (GATT) gegründet) als eine Politik, die den Profit über das Interesse der Menschen stellt – „Profit over People“. In vielen Nationen werden die neoliberalen Konzepte der Ideologie des freien Marktes als Patentrezept für die vorherrschenden Probleme angewandt, insbesondere in den armen Entwicklungsländern Afrikas und Asiens.
Die neue Bewegung kam keinesfalls aus dem Nichts. Sie formierte sich bereits Anfang der 90er Jahre abseits der Medienöffentlichkeit auf vielen Politikfeldern, z.B. in Kampagnen gegen genetisch veränderte Lebensmittel. Dank der neuen Kommunikationsmedien wie E-Mail oder Internet war sie „die erste wirklich internationale soziale Bewegung.“[14] Politiker oder Medien nahmen die aufstrebende Bewegung zunächst nicht wahr, eine Tatsache, die sich nur langsam zu ändern schien. Ein wenig Aufmerksamkeit erhielt das Anliegen der Bewegung durch ihre Proteste gegen das so genannte „Multilaterale Investitionsabkommen“ (MAI), das Attac als „geplanten globalen Staatsstreich der Kapitalgesellschaften“[15] bezeichnet. Drei Jahre lang verhandelten Regierungsvertreter in Paris hinter verschlossenen Türen, ohne dass die Medien und gar die Parlamentarier der betroffenen Länder etwas davon erfahren sollten.
Das MAI bezeichnet ein Abkommen, das überall absolute Handels- und Investitionsfreiheit schaffen sollte. Das von Renato Ruggiero, dem damaligen Präsidenten der Welthandelsorganisation, als „die Verfassung einer einzigen globalen Wirtschaft“ bezeichnete Abkommen sollte „zunächst in allen beteiligten Ländern, auf die Dauer aber auch weltweit, sämtliche politischen und juristischen Beschränkungen abbauen, die den Multinationalen Konzernen, den sogenannten „Global Players“, bei ihrem weltweiten Expansions- und Plünderungsfeldzug noch im Wege stehen.“[16] MIES bezeichnete den Vertragsentwurf als „Lizenz zum Plündern“, so auch der gleichnamige Titel ihres Buches.[17] Erst als der Vertragsentwurf von einer kleinen kanadischen Feministinnengruppe ins Internet gestellt wurde, formierte sich breiter Widerstand. In Frankreich protestierten siebzig Organisationen gegen das Abkommen, so dass sich die Regierung schlussendlich aus den Verhandlungen zurück zog.
[...]
[1] Donges, Juergen B.; Eekhoff, Johann; Paulus, Philipp: Globalisierungskritik auf dem Prüfstand – ein Almanach aus ökonomischer Sicht. Stuttgart. Lucius & Lucius, 2003. S. 2.
[2] Bundeszentrale für politische Bildung: Globalisierung. Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn. BpB, 2003. S.3.
[3] Kairos Europa e.V; WEED e.V.: Kapital braucht Kontrolle. Die internationalen Finanzmärkte: Funktionsweise – Hintergründe – Alternativen. Bonn. 2000. S. 9
[4] ebd., S.9.
[5] ebd., S. 10.
[6] ebd., S. 12.
[7] Donges, Juergen B.; Eekhoff, Johann; Paulus, Philipp: Globalisierungskritik auf dem Prüfstand – ein Almanach aus ökonomischer Sicht. Stuttgart. Lucius & Lucius, 2003. S. 4.
[8] Boehme, Nele; Walk, Heike. “Editorial. Globaler Widerstand formiert sich.“ In Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 15, Heft 1. Berlin. 2002. S.4.
[9] In Bundeszentrale für politische Bildung: Globalisierung. Informationen zur politischen Bildung. Heft 280, 3. Quartal 2003. Bonn. BpB, 2003. S. 4.
[10] Fukuyama, Francis: Das Ende der Geschichte. Berlin. Kindler Verlag, 1992.
[11] Nachtwey, Oliver. „Die globalisierte Revolte.“ In Unsere Welt ist keine Ware – Handbuch für Globalisierungskritiker, hg. Christine Buchholz, Anne Karrass, Oliver Nachtwey, Ingo Schmidt. Köln. Kiepenheuer & Witsch, 2002. S. 22.
[12] Rohmann, Gabriele „Über die Chancen von neuen Protestkulturen“ In Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen, Jg. 14, Heft 4. Berlin. 2001. S. 94.
[13] als Standardwerke gelten hier „No Logo“ von Naomi Klein, „Die Schatten der Globalisierung“ oder „Der Terror der Ökonomie“ von Viviane Forrester
[14] Grefe, Christiane; Greffrath, Mathias; Schumann, Harald: attac – Was wollen die Globalisierungskritiker? Berlin. Rowohlt Verlag, 2002. S. 10.
[15] ebd., S. 11.
[16] Mies, Maria; von Werlhof, Claudia: Lizenz zum Plündern. Das Multilaterale Abkommen über Investitionen ›MAI‹ Globalisierung der Konzernherrschaft – und was wir dagegen tun können. Hamburg. Europäische Verlagsanstalt/ Rotbuch Verlag, 1999. S. 7/8.
[17] Mies, Maria; von Werlhof, Claudia: Lizenz zum Plündern. Das Multilaterale Abkommen über Investitionen ›MAI‹ Globalisierung der Konzernherrschaft – und was wir dagegen tun können. Hamburg. Europäische Verlagsanstalt/ Rotbuch Verlag, 1999.
- Citation du texte
- Carsten Thoben (Auteur), 2005, Die Bewegung der Globalisierungsgegner am Beispiel von ATTAC - Politische Macht oder ökonomische Alphabetisierungskampagne?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/64086
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