Adam Smith hat sich in seinem Leben zwei Hauptgebieten gewidmet: Der Ökonomie und der Moralphilosophie. Der breiten Öffentlichkeit sind oftmals nur seine Arbeiten im Bereich der Wirtschaftsökonomie bekannt. Eine weitaus größere Bedeutung ist jedoch seinen moralphilosophischen Arbeiten zuzumessen, die von Smith selbst höher angesehen wurden als seine wirtschaftspolitischen Überlegungen: Smith verstand sich zeitlebens in erster Linie als Moralphilosoph und erst in Zweiter als Ökonom.
In seiner Abhandlung „The Theory of Moral Sentiments“ (TMS), der „Theorie der ethischen Gefühle“, erstmalig 1759 erschienen, entwickelt Smith seine ethischen Ansichten. Während die Ausführungen zur Nationalökonomie den Egoismus als Grundmotiv allen menschlichen Handelns darstellen, wird in der TMS das Gefühl der „Sympathie“ zur Grundlage seiner Ethik und der Mensch konsequenterweise zu einem altruistischen Wesen erklärt.
Diese Arbeit widmet sich dem Teil der Smith’schen Theorie, der sich mit den Prinzipien der Selbstbilligung bzw. der Selbstmissbilligung befasst. Um eine Grundlage für das Verständnis jener beiden Prinzipien zu schaffen, wird in einem ersten Schritt Smiths Sympathiekonzeption knapp umrissen, bevor dann in einem zweiten Schritt auf die erwähnten Prinzipien näher eingegangen wird. In diesem Zusammen-hang werden auch Smiths Annahmen zu Lob und Tadel bzw. zu Lobens- und Tadels-würdigkeit berücksichtigt. Grundlage der Untersuchung wird dabei die Frage sein, welche Hinweise bzw. Hilfen im Hinblick auf pädagogische Situationen aus den Überlegungen Smiths gewonnen werden können. Kann man mit Hilfe seiner „Theorie der ethischen Gefühle“ Anleitungen für pädagogische Lehrsituationen gewinnen, die ein moralisch richtiges Verhalten aller Akteure (der Lehrenden sowie der Schülerinnen und Schüler) aufzeigen? Dazu seine Ansichten auch kritisch hinterfragt werden. In einem dritten Schritt wird die Theorie auf ihre praktische Anwendung bezüglich pädagogischer Lehrsituationen hin untersucht, in dem die zuvor geschilderten Grundprin-zipien auf Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler angewendet werden. In einem vierten und letzten Schritt werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und diesbezüglich ein Urteil über die Praktikabilität der TMS in Bezug auf Schule und Unterricht gegeben.
INHALT
1. Vorwort
2. Adam Smith: Theory of Moral Sentiments
2.1 Die Sympathiekonzeption Adam Smiths
2.2. Das Prinzip der Selbstbilligung und der Selbstmissbilligung
2.3. Lob und Lobenswürdigkeit bzw. Tadel und Tadelnswürdigkeit
2.4 Schöne und unschöne Gefühle nach A. Smith
3. Smiths Theorie im Kontext pädagogischer Lehr-situationen
3.1 Anwendung auf Lehrende
3.2 Anwendung auf Schülerinnen und Schüler
4. Zusammenfassung und Kritik
5. Literatur
1. Vorwort
Adam Smith (1723-1795) hat sich in seinem Leben zwei Hauptgebieten gewidmet: Der Ökonomie und der Moralphilosophie. Der breiten Öffentlichkeit sind oftmals nur seine Arbeiten im Bereich der Wirtschaftsökonomie bekannt; mit seinem Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“, verfasst in der Zeit von 1766 bis 1776, begründet er die Wurzeln des politischen Liberalismus und prägt die Begriffe des „Nachtwächterstaats“ sowie den der „unsichtbaren Hand“, welche den in seinem Verständnis von Natur aus egoistischen Menschen zu gemeinwohlorientiertem Handeln bewegt und dadurch die Ökonomie reguliert.[1]
Eine weitaus größere Bedeutung ist jedoch seinen moralphilosophischen Arbeiten zuzumessen, die von Smith selbst höher angesehen wurden als seine wirtschaftspolitischen Überlegungen: Smith verstand sich zeitlebens in erster Linie als Moralphilosoph und erst in Zweiter als Ökonom.[2] In seiner Abhandlung „The Theory of Moral Sentiments“ (TMS), der „Theorie der ethischen Gefühle “, erstmalig 1759 erschienen, entwickelt Smith seine ethischen Ansichten. Ab der vierten Auflage erhält die Abhandlung den Untertitel „Versuch einer Analyse der Prinzipien, mittels welcher die Menschen naturgemäß zunächst das Verhalten und den Charakter ihrer Mitmenschen, dann von sich selbst beurteilen.“, welcher das Ziel, das Adam Smith mit seinen moralphilosophischen Überlegungen verfolgt, klar herausstellt:[3] Während die Ausführungen zur Nationalökonomie den Egoismus als Grundmotiv allen menschlichen Handelns darstellen, wird in der TMS das Gefühl der „Sympathie“ zur Grundlage seiner Ethik und der Mensch konsequenterweise zu einem altruistischen Wesen erklärt.
Diese Arbeit im Rahmen des EPG Seminars „Unschöne Gefühle - Emotionen als Gegenstand moralischer Beurteilung“ widmet sich dem Teil der Smith’schen Theorie, der sich mit den Prinzipien der Selbstbilligung bzw. der Selbstmissbilligung befasst. Um eine Grundlage für das Verständnis jener beiden Prinzipien zu schaffen, wird in einem ersten Schritt Smiths Sympathiekonzeption knapp umrissen, bevor dann in einem zweiten Schritt auf die erwähnten Prinzipien näher eingegangen wird. In diesem Zusammenhang werden auch Smiths Annahmen zu Lob und Tadel bzw. zu Lobens- und Tadelswürdigkeit berücksichtigt. Grundlage der Untersuchung wird dabei die Frage sein, welche Hinweise bzw. Hilfen im Hinblick auf pädagogische Situationen aus den Überlegungen Smiths gewonnen werden können. Kann man mit Hilfe seiner „Theorie der ethischen Gefühle“ Anleitungen für pädagogische Lehrsituationen gewinnen, die ein moralisch richtiges Verhalten aller Akteure (der Lehrenden sowie der Schülerinnen und Schüler) aufzeigen? Dazu sollen seine Ansichten nicht nur dargestellt, sondern auch kritisch hinterfragt werden.
In einem dritten Schritt wird die Theorie auf ihre praktische Anwendung bezüglich pädagogischer Lehrsituationen hin untersucht, in dem die zuvor geschilderten Grundprinzipien auf Lehrpersonen sowie Schülerinnen und Schüler angewendet werden. In einem vierten und letzten Schritt werden die Ergebnisse der Untersuchung zusammengefasst und diesbezüglich ein Urteil über die Praktikabilität der TMS in Bezug auf Schule und Unterricht gegeben.
2. Adam Smith: Theory of Moral Sentiments
Zur Erscheinungszeit der TMS hatte die Moralphilosophie eine andere, sehr umfassendere Bedeutung als heutzutage. Die damalige Bedeutung lässt sich mit der heutigen des Begriffs der „Ethik“ gleichsetzen[4] ; seinerzeit war die Moralphilosophie das Gegenstück zur Naturphilosophie und die Aufgabe von Moralphilosophen war es, dem Verständnis von Smith zufolge, Wege zu diesseitigem Glück aufzeigen.[5] Nach Smiths Ansicht können die Menschen nur dann glücklich sein, wenn sie zum einen ihre Grundbedürfnisse befriedigt bekommen (die Grundlagen hierfür bespricht Smith in seinem Werk „Wealth of Nations“). Zum anderen müsse der Mensch moralisch handeln, um Glück empfinden zu können. Die Grundlagen hierfür hat Smith in der TMS herausgearbeitet: Für ihn gibt es neben dem natürlichen Verlauf der Ökonomie auch eine natürliche Entwicklung des moralischen Bewusstseins.[6] Nach seinen Vorstellungen hat die Natur Vorkehrungen getroffen, die ein moralisches und dadurch glückliches Leben der Menschen ermöglichen: Für Smith liegt der Ursprung der Moral in der Natur, die individuellen Gefühle eines jeden entscheiden darüber, ob wir etwas als „schicklich“ bzw. tugendhaft oder als „unschicklich“ empfinden. Glücklich ist der Mensch dann, wenn er moralisch handelt, d. h., wenn er seinen natürlichen Antrieben folgt. Der Mensch ist demnach für Smith ein „Naturwesen“.[7]
2.1 Die Sympathiekonzeption Adam Smiths
Für Adam Smith ist es der natürliche Wunsch eines jeden Menschen, an den Gefühlen der ihn umgebenden Menschen selbstlos teilzunehmen:
Man mag den Menschen für noch so egoistisch halten, es liegen doch offenbar gewisse Prinzipien in seiner Natur, die ihn dazu bestimmen, an dem Schicksal anderer Anteil zu nehmen. [8]
Diese altruistische Grundkraft wird von Smith als „Sympathie“ bezeichnet und ist für ihn Garant für ein harmonisches Miteinander. Hierbei erscheint die Sympathie als sehr überladener Begriff, denn sie bezeichnet nicht nur den Wunsch und die Fähigkeit, am Schicksal anderer teilzuhaben, sondern auch gleichzeitig das Ziel, auf Grund dessen diese Anteilnahme erfolgt.[9] Da man keine unmittelbare Kenntnis der Gefühle anderer haben kann, muss man Smith zu Folge seine Fantasie bemühen in der Weise, „daß wir uns vorzustellen suchen, was wir selbst wohl in der gleichen Lage fühlen würden.“ [10] Dazu müssen die Menschen die Ursache des Gefühls oder des Affekts der anderen Person kennen, sonst kann man sich nicht in deren Lage versetzen. Wenn die Ursache bekannt ist und das in der vorgestellten Situation Empfundene mit der fremden Gefühlsäußerung/Affekt übereinstimmt, dann sympathisieren wir mit der anderen Person.
Sympathie entspringt also nicht so sehr aus dem Anblick [eines] Affektes, als vielmehr aus dem Anblick der Situation, die den Affekt auslöst. [11]
Durch diesen „Rollentausch“ mit der leidenden/sich freuenden Person empfindet der Mensch deren Gefühlsregung nach und kann sie mit der eigenen Gefühlsregung vergleichen. Egoistische Affekte wie Kummer oder Freude erfahren dabei nach Smiths Verständnis Billigung, unsoziale Affekte wie Hass oder Vergeltungsgefühl hingegen werden verurteilt, da man als moralischer Mensch immer Sympathie für alle Menschen aufzubringen versucht und somit auch für denjenigen, gegen den sich das Vergeltungsgefühl und der Hass richtet.[12] Diese „eingeschränkte Sympathie“ führt nach Smith dazu, dass unsoziale Affekte seltener vorkommen als soziale und egoistische.[13] Sozialen Affekten (Mut, Mitleid, Freundschaft, Achtung) begegnet der Mensch mit doppelter Sympathie.
Das Sympathisieren hat Folgen, zum einen für den sich freuenden bzw. den leidenden Menschen, denn Sympathie verstärkt die Freude und erleichtert Kummer.[14] Zum anderen erfahren nach Smiths Überzeugung auch die Sympathisanten Glück, und zwar dadurch, dass sie mit den Gefühlen/Affekten anderer Menschen sympathisieren können:
So scheint es, daß auch wir uns freuen, wenn wir fähig sind, mit [anderen] zu sympathisieren, und daß wir uns kränken, wenn wir dazu nicht im Stande sind. [15]
Diese soziale und intersubjektive Komponente von Smith Theorie wird von ANDREE als die „verborgene Qualität der Sympathie“ bezeichnet.[16] Dabei verlangen negative Affekte wie Kummer nach mehr (hier tröstender) Sympathie als positive Affekte, die dadurch aufgebracht wird, dass sich der Sympathisant darüber freut, dass er Sympathie mit der negativen Situation seines Gegenübers empfinden kann.
Generell sympathisiert man nicht pausenlos (man kann auch durch Zeitmangel, Unkonzentriertheit, etc. nicht in der Lage dazu sein), der Mensch kennt aber die Affekte, mit denen er für gewöhnlich sympathisieren kann und billigt bekannte Affekte aus Erfahrung.[17] Diese von Smith angenommene Tatsache wird sich bei der Anwendung seiner TMS auf pädagogische Lern- und Lehrsituationen als problematisch herausstellen. Grundlegend besteht die Gefahr, dass man bei einer Affektbilligung aus Erfahrung falschen Tatsachen erliegt und eventuell zu einem anderen Urteil kommt, als wenn man sich in die Lage seines Gegenübers hineinversetzen würde. Diese Aufgabe hat eine Lehrperson ständig zu erfüllen, die damit einhergehenden Probleme werden im dritten Kapitel behandelt.
[...]
[1] In diesem Zusammenhang ist auch der Begriff „Nachtwächterstaat“ zu verstehen, der lediglich ordnende und sichernde Aufgaben hat und nicht in die freie Marktwirtschaft eingreifen darf, um das Wohl der Menschen nicht zu gefährden.
[2] Streminger, Gerhard: Adam Smiths Sprachphilosophie. In: Ders. (Hg.): Der natürliche Lauf der Dinge. Essays zu Adam Smith und David Hume. Marburg 1995. S. 111: Streminger sieht Smith „ungerecht behandelt“, denn „Philosophen ignorierten seine Ideen, `war er doch bloß ein Ökonom´ […] und die Zunft der Wirtschaftswissenschaftler nahm ihn zwar als Ahnherrn […] ihrer Disziplin ernst, aber für ethische Fragen interessierten sie sich kaum.“
[3] Ballestrem, Graf Karl: Adam Smith. In: Otfried Höffe (Hg.): Beck’sche Reihe. Denker. Nr. 561. München 2001. S. 58.
[4] Als grobes Inhalts-Stichwort soll hier die Frage nach dem richtigen menschlichen Handeln in Bezug auf an Werten orientierter Zielsetzung und dessen Rechtfertigung genügen.
[5] Ballestrem: Adam Smith. S. 56f.
[6] Streminger, Gerhard: Die Unsichtbare Hand des Marktes und die Sichtbare Hand des Staates. Zur Sozialphilosophie Adam Smiths. In: Ders. (Hg.): Der natürliche Lauf der Dinge. Essays zu Adam Smith und David Hume. Marburg 1995. S. 214.
[7]. Ebd. S. 190.
[8] Smith, Adam: Theorie der ethischen Gefühle oder Versuch einer Analyse der Prinzipien, mittels welcher die Menschen naturgemäß zunächst das Verhalten und den Charakter ihrer Nächsten und sodann auch ihr eigenes Verhalten und ihren eigenen Charakter beurteilen. Nach der Auflage letzter Hand übersetzt und mit Einleitung, Anmerkungen und Registern hrsg. von Walther Eckstein, mit einer Bibliographie von Günter Gawlick. Hamburg 2004. S. 1. (Nachfolgend als TMS abgekürzt.)
[9] Andree, Georg: Sympathie als Grundlage der natürlichen Moralität. Ein Beitrag zu Adam Smiths Moralphilosophie. Erschienen in: Aufklärung und Kritik 1/2002. Zeitschrift für freies Denken und humanistische Philosophie. Hg. von der Gesellschaft für kritische Philosophie (GKP) Nürnberg 2002. S. 18-41. www-Dokument, www.gkpn.de/andree_smith.htm (7.10.2006): Andree unterscheidet diesbezüglich eine „allgemeinmenschliche Grundkraft Sympathie“ und eine „ursprüngliche Gemütsbewegung“.
[10] TMS. S. 2.
[11] TMS. S. 6.
[12] TMS. S. 44. Daneben sieht Smith im Vergeltungsgefühl die Grundlage für die Tugend der Gerechtigkeit. Der Wunsch der Menschen nach wechselseitiger Sympathie lässt sie das Vergeltungsgefühl abmildern, so dass ihnen noch Sympathie entgegengebracht werden kann. Vgl. Streminger: Sozialphilosophie Adam Smiths. S. 196.
[13] Streminger: Sozialphilosophie Adam Smiths. S: 193.
[14] TMS. S. 11: Sympathie „verstärkt die Freude, in dem sie eine neue Quelle der Befriedigung darbietet, und sie erleichtert den Kummer, in dem sie dem Herzen die einzige angenehme Empfindung einflößt, für die es in jenem Augenblick empfänglich ist.“
[15] TMS. S. 13.
[16] Andree: Sympathie als Grundlage der natürlichen Moralität.
[17] TMS. S. 18; Andree: Sympathie als Grundlage der natürlichen Moralität: In den Fällen, in denen Gefühle/Affekte auf Grund von Erfahrungswissen gebilligt werden, spricht man von „bedingter Sympathie.“
- Citation du texte
- Henry Mayer (Auteur), 2006, Lob, Tadel und Sympathiefähigkeit in Adam Smiths „The Theory of Moral Sentiments", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63904
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