Das Berliner Modell wurde von Paul Heimann zusammen mit seinen Mitarbeitern Gunter Otto und Wolfgang Schulz in Berlin entwickelt. Diese Berliner Didaktik stellte in den 60er und 70er Jahren die wesentlichste Konkurrenz zur Bildungstheoretischen Didaktik dar. Sie wurde im Gegensatz dazu, statt auf dem Bildungsbegriff, auf dem Lernbegriff aufgebaut und nannte sich deshalb „lerntheoretische Didaktik“.
Schulz arbeitete in den späten 60er Jahren, nach Paul Heimanns Tod, zunehmend intensiv an einer Neufassung der Berliner Didaktik.
Anfang der 70er Jahre entwickelte Schulz in Zusammenarbeit mit Gunter Otto in Hamburg ein komplexeres Modell zur Unterrichtsplanung. Dieses war im Gegensatz zur lerntheoretisch fundierten Berliner Didaktik fortan lehrtheoretisch fundiert und nannte sich deshalb „Das Hamburger Modell der lehrtheoretischen Didaktik“.
Schulz gibt den Anspruch der Berliner Didaktik, ein wertfreies Analyse- und Planungsmodell für den Unterricht zu liefern, auf. Er stellt Unterricht, ähnlich wie Klafki, unter die Norm von drei allgemeinen Lernzielen: Autonomie, Kompetenz, Solidarität.
1980 wurde das Hamburger Modell in dem Buch „Unterrichtsplanung“ veröffentlicht.
Diese Arbeit stellt die schriftliche Ausarbeitung eines 240-minütigen Vortrags über das Hamburger Modell im Rahmen des Pflegepädagogikstudiums an der Evangelischen Fachhochschule in Ludwigshafen dar.
Inhaltsverzeichnis
1. Vom Berliner Modell zum Hamburger Modell
2. Grundprinzipien des Modells
2.1 Prinzip der Interaktion
2.2 Prinzip der Variabilität
2.3 Prinzip der Interdependenz
2.4 Prinzip der Kontrollierbarkeit
3. Perspektivplanung des Unterrichts
4. Die Umrissplanung
4.1 Bedingungen
4.2 Prämissen und Grundaussagen
4.3 Die Handlungsmomente des Unterrichts
5. Prozessplanung
5.1 Prinzipien der Planung
6. Die laufende Planungskorrektur
7. Das Hamburger Modell – Eine Feiertagsdidaktik?
8. Literaturverzeichnis
9. Anhang
1. Vom Berliner Modell zum Hamburger Modell
Das Berliner Modell wurde von Paul Heimann zusammen mit seinen Mitarbeitern Gunter Otto und Wolfgang Schulz in Berlin entwickelt. Diese Berliner Didaktik stellte in den 60er und 70er Jahren die wesentlichste Konkurrenz zur Bildungstheoretischen Didaktik dar.
Sie wurde im Gegensatz dazu statt auf dem Bildungsbegriff auf dem Lernbegriff aufgebaut und nannte sich deshalb „lerntheoretische Didaktik“.
Die Stukturanalyse mit ihren Bedingungs-, und Entscheidungsfeldern ist dabei die oberste Voraussetzung der Unterrichtsplanung. Als erste Reflexionsebene sollte sie der Ermittlung aller den Unterricht bedingenden Faktoren dienen.
Schulz arbeitete in den späten 60er Jahren, nach Paul Heimanns Tod, zunehmend intensiv an einer Neufassung der Berliner Didaktik.
Anlass für die Weiterentwicklung:
- Kritische Einwände von Erziehungswissenschaftlern, die das Postulat der Wertfreiheit des Berliner Modells anzweifelten.
- Einfluss durch die Kritische Theorie der Frankfurter Schule
- Die Vorstellung eines allgemeingültigen, objektiven Verständnisses von Unterrichtstheorie musste aufgegeben werden zugunsten der Ideologiekritik
- Wissenschaft kann nicht länger wertneutral sein, da sie die gesellschaftlichen Strukturen verändern soll
- pädagogische Forderungen im Zuge der 68’er Studentenbewegungen
- Kritik an den systembedingten Herrschaftsstrukturen
- Forderung nach Emanzipation des einzelnen Menschen vor Fremdbestimmung
Anfang der 70er Jahre entwickelte Schulz in Zusammenarbeit mit Gunter Otto in Hamburg ein komplexeres Modell zur Unterrichtsplanung. Dieses war im Gegensatz zur lerntheoretisch fundierten Berliner Didaktik fortan lehrtheoretisch fundiert und nannte sich deshalb „Das Hamburger Modell der lehrtheoretischen Didaktik“.
Aufgrund der veränderten wissenschaftstheoretischen Position kam es zu einer Neubestimmung der pädagogischen Praxis und Wissenschaft. Als Folge der neuen Geisteshaltung nahm Schulz das „emanzipatorisch relevante, professionelle pädagogische Handeln“ als zentralen Bestandteil der lehrtheoretischen Didaktik in seine wissenschaftlichen Überlegungen auf. Dabei bewegt sich die Lehrtheoretische Didaktik im Spannungsfeld von emanzipatorischer Wünschbarkeit und Institutioneller Machbarkeit.
Schulz gibt den Anspruch der Berliner Didaktik, ein wertfreies Analyse- und Planungsmodell für den Unterricht zu liefern, auf. Er stellt Unterricht, ähnlich wie Klafki, unter die Norm von drei allgemeinen Lernzielen: Autonomie, Kompetenz, Solidarität.
Schulz führt in seine Theorie als wesentlichen Bestandteil Engagement ein. Er spricht von „kritischer, humanitärer engagierter Didaktik“.
1980 wurde das Hamburger Modell in dem Buch „Unterrichtsplanung“ veröffentlicht.
Ähnlichkeiten und Unterschiede zum Berliner Modell
- Das Hamburger Modell eignet sich für langfristige Unterrichtsplanungen, während das Berliner Modell nur für die kurzfristigen Unterrichtsplanungen ausgelegt ist.
- Auch gilt das Hamburger Modell als Handlungsmodell, während das Berliner Modell ein Entscheidungsmodell ist. Unterrichtsplanung wird nicht nur wie im Berliner Modell beschrieben, sondern eine Handlungsgrundlage angeboten. Die Begriffswahl Handlung statt Entscheidung ist auf die veränderte Auffassung von Unterrichtsplanung zurückzuführen, die nunmehr gemeinsam mit den Beteiligten erfolgen soll.
- Bei dem Berliner Modell unterliegen alle Aspekte des Unterrichtsprozesses und alle Momente der Unterrichtsplanung einer allgemeinen Zielorientierung.
Folgende Prämissen des Berliner Modells sieht Schulz als bestätigt an:
- Die einzelnen Handlungsmomente des Unterrichts dürfen nicht isoliert betrachtet werden
- die einschränkenden Bedingungen von Unterricht müssen immer wieder erörtert werden
- Analyse, Planung und Realisation von Unterricht dürfe nicht ausschließlich von einer „höheren Instanz“ aus stattfinden.
- didaktische Reflektion muss unter der Perspektive der Förderung der Emanzipation stattfinden und die didaktische Praxis an diesem Maßstab gemessen werden.
2. Grundprinzipien des Modells
Das Hamburger Modell ist ein allgemeindidaktisches Modell. Schulz konzipierte das Hamburger Modell als Handlungsmodell des didaktischen Feldes insgesamt. Schulz geht vom didaktischen Handeln als Dialog zwischen Lehrenden und Lernenden aus. Zugrunde liegend ist sein Verständnis von Unterricht als „Verständigung zwischen prinzipiell handlungsfähigen Subjekten“[1] und nicht die Unterdrückung der Schüler/-innen als Objekte der Intentionen des Lehrenden. Leitendes Erziehungsziel ist in diesem Zusammenhang: „Erziehung zur größtmöglichen Verfügung aller über sich selbst“.[2]
Die gesellschaftliche Bedeutung von Unterricht nimmt zu.[3] Die für die heutige Zeit erforderlichen Kompetenzen können nicht mehr nur durch Lernen in Form von Sozialisation vermittelt werden, sondern erfordert Lernen in Form von Unterricht. Die Intentionalität unterscheidet Unterricht von Sozialisation. Diese Komplexität von Unterricht und die Erweiterung des Kreises der Lernenden erfordert die Professionalisierung der Lehrenden.
Die Institutionalisierung in Schulen macht den Unterricht unabhängig vom Wechsel der Lehrenden und Lernenden. Das Hamburger Modell ist nur in freiheitlich-demokratischen und sozialen Gesellschaften umsetzbar, da eine Offenheit im Bezug auf Veränderungen der Schule und der Gesellschaft ein Kernpunkt des Modells ist und Lehrende und Lernende gemeinsam Probleme, Alternativen und Lösungsmöglichkeiten erörtern können sollen. Schüler/-innen sollen aus sich selbst heraus orientierte und handlungsfähige Mitglieder der Gesellschaft werden. Sie sollen fähig sein eine Balance zwischen Selbstverwirklichung als Subjekte einerseits und als kritisch, sozial handelnde Mitglieder der Gesellschaft andererseits zu finden.
Dies ist nach Schulz eben nur durch den respektvollen Dialog zwischen Lernenden und Lehrenden“ umsetzbar. Schulz fordert dies grundsätzlich für den Unterricht.
Unterricht soll so einen Beitrag zur Emanzipation leisten. Unterricht ist aber nur emanzipatorisch relevant, aber nicht Emanzipation selbst. Professionell Lehrende übernehmen eine Vermittlerrolle zwischen Schülern und dem gesellschaftlichem Auftrag.[4]
2.1 Prinzip der Interaktion
„Unterricht ist grundsätzlich ein Vorgang der Interaktion, nicht bloß der Information. Interaktion will Unterricht als ein Handlungsgefüge ausweisen, in dem Schüler und Lehrer in gleicher Weise tätig sind. Interaktion bezeichnet Schulz als gemeinsames Bemühen um den gesamten Unterricht, einschließlich Planung. Der Prozess der Unterrichtplanung soll ebenso Interaktion aller Beteiligten sein und ist somit Teil des Unterrichts selbst“.[5]
Schulz bezieht sich auf das Konzept von Ruth Cohn „themenzentrierte Interaktion“. Bei der themenzentrierten Interaktion fungiert der Lehrer als Gruppenleiter. Die Gruppeninteraktion besteht nach Cohn aus drei Faktoren:
1. Ich – die Persönlichkeit
2. Wir – die Gruppe
3. Es – das Thema
Die Schüler/-innen werden angeregt das Es also den Sachbezug zu erfassen und zu verstehen um für sich die Nützlichkeit und die Bedeutung abschätzen zu können. Das Ich, der Personenbezug beinhaltet die Anregung der Schüler/-innen die eigene Person einzubringen und sich selbst zu reflektieren. Das Wir, die Gruppe umfasst die Lehr-/Lerngruppe als Beziehungsgeflecht, welches durch jedes Mitglied gefördert wird. Diese Faktoren sind eingebettet in die Umgebung (Zeit, Ort, soziale, historische, teleologische Gegebenheiten). Die themenzentrierte Interaktion befasst sich mit den Beziehungen dieser Faktoren zueinander. Der Gruppenleiter beschäftigt sich im Vorfeld mit den Gegebenheiten. Während der Interaktion ist die Aufgabe des Gruppenleiters, die Aufmerksamkeit der Gruppe wechselseitig auf die drei Faktoren zu lenken und so eine dynamische Balance herzustellen. Kernaufgabe des Lehrers ist es die Gruppe zu fördern. Cohn betont die kooperative Seite dieses Konzeptes und negiert hierarchische Strukturen, die bisher den Schulalltag prägen.[6]
2.2 Prinzip der Variabilität
Mit Variabilität ist die absichtsvolle Bereitstellung von Alternativen gemeint. Auch das Zulassen von Variationen ist in diesem Prinzip verankert. Die Möglichkeit der nachträglichen Korrektur von Unterrichtszielen und deren Umsetzung ist ebenso ein wichtiger Gesichtspunkt. Diese Flexibilität des Unterrichtsgeschehens ermöglicht und fordert Unvorhergesehenes in den Unterricht aufzunehmen und einzuarbeiten. Die enge Verknüpfung mit Schulzes Kernforderung nach gemeinsamer Gestaltung und Planung des Unterrichts kommt auch hier zum Tragen und wird so im direkten Unterrichtsgeschehen konkretisiert.
2.3 Prinzip der Interdependenz
Das Prinzip der Interdependenz, welches in vielen didaktischen Modellen zum tragen kommt, ist auch im Hamburger Modell ein wichtiger Aspekt. Konkret heißt das für die Planung von Unterricht die planerischen Einzelentscheidungen mit allen Aspekten der Planung abzustimmen um Widersprüche der verschiedenen Bereiche der Planung im Vorfeld zu vermeiden. Vor allem in der Umrissplanung ist die Interdependenz der verschiedenen Bereiche zu berücksichtigen.
2.4 Prinzip der Kontrollierbarkeit
Das Prinzip der Kontrollierbarkeit gehört bereits zur Planungsaufgabe. In der Planungsphase sollen konkrete Möglichkeiten und Maßnahmen der Kontrolle durchdacht und eingeplant werden. Es geht dabei nicht um Kontrolle im Sinne von Leistungskontrollen. Der Lern-Lehrprozess soll ständig überprüft werden um ein Anpassung zu ermöglichen. Diese begleitende Evaluation weist die Unterrichtsplanung als dynamischen, fortlaufenden Prozess aus, der nicht endet.[7]
3. Perspektivplanung des Unterrichts
Einleitung:
Unterrichtsplanung findet auf verschiedenen Ebenen statt. Nach Schulz muss man mindestens vier Planungsebenen (der zeitliche Abfolge und Konkretisierung) innerhalb des didaktischen Planungshandelns unterscheiden:
Die Perspektivplanung, die Umrissplanung, die Prozessplanung und die Planungskorrekturen, die in einem Implikationszusammenhang stehen. D.h. alle Planungsebenen und ihr Verhältnis zueinander sind mit der Bezeichnung „Unterrichtsplanung“ zusammenfassend gemeint. Es soll, wie Schulz betont, kein Planungsrezept vorgelegt werden, auch keine Theorie voll entfaltet werden.[8]
Ziel ist die Darstellung eines allgemein didaktischen Modells der Unterrichtsplanung, das alle Planungsebenen umfasst.
Exkurs: Emanzipation
Bevor ich auf die erste Ebene, die Perspektivplanung eingehe, möchte ich zuvor noch etwas zur „Emanzipation“ sagen, die Schulz mehrfach betont und als einen seiner Leitgedanken dem Modell voranstellt. Er stellt die Frage, ob Unterricht Emanzipation bewirken kann, sei er zu planen, dass er emanzipatorisch relevant sei?
Schulz schreibt: „Emanzipation meint hier als Vorgang wie als Ergebnis den objektiven Abbau von Fremdbestimmung, die Auflösung innerer Abhängigkeit zugunsten der möglichst weitgehenden Verfügung über sich selbst – jeweils gemessen am objektiv möglichen Maß nach den Ressourcen der konkretengesellschaftlichen Umstände.“ [9]
Emanzipation steht in diesem Zusammenhang für die Befreiung von unkontrollierter Herrschaft von Menschen über Menschen, konkret auf die Schule bzw. Unterricht bezogen heißt das: Ablösung der Abhängigkeit von der Einrichtung Schule, die Schulz als „ökonomisch-politisch-kulturelle Sozialisationsagentur“ [10] bezeichnet, zu kompetenter, selbst bestimmter, solidarischer Lebensführung. Allerdings: Unterrichtsplanung bewirkt allein keine Emanzipation, aber sie kann einen bescheidenen Beitrag leisten, emanzipatorisch relevant zu sein.
Perspektivplanung:
„In der Perspektivplanung wird der Unterricht über einen längeren Zeitraum, etwa ein Semester, ein Jahr, eine Schulstufe hin geordnet, in Auseinandersetzung mit den Rahmenplänen, den institutionellen und jeweils individuellen Bedingungen des Unterrichts, als Abfolge von Unterrichtseinheiten unter durchgängig geltenden Gesichtspunkten.“[11]
Schulz bemängelt, dass der Schulträger für seine edukativen Zwecke und Einflüsse auf verschiedene Maßnahmen, wie Rahmenpläne, Schulorganisation, Aus- Fort- Weiterbildung der Lehrer oder diverse Unterrichtsmedien, zurückgreift, gleichzeitig aber die Frage hinterlässt, inwieweit die Lehrer, Schüler oder auch die Eltern beteiligt sind. Um entsprechend Bedingungen für einen emanzipatorisch relevanten Unterricht vorgeben zu können, sei noch viel zu tun, so Schulz, gerade weil durch Rahmenpläne keine festen Vorgaben gegeben sind.
Was bedeutet dies für die unterrichtlichen Planungsaufgaben?
- Der Prozess der Unterrichtsplanung soll eine Interaktion zwischen Unterrichtsteilnehmern und somit ein Teil des Unterrichts selbst sein.
- Viele Entscheidungen, die bisher zentral gefällt wurden, sollen sich auf Lehrer, Schüler und Eltern verlagern.
- Schüler müssen sich auf Unterricht und seine Planung einlassen.
- mehr Zeit und Raum für die Lehr-Lern-Gruppen sind bereitzustellen.
- Diskussion mit dem Schulträger über Verfassung und Verfassungswirklichkeit notwendig.
[...]
[1] Schulz (1980), S. 52
[2] ebd., S. 58
[3] Schulz (1976), S. 172
[4] vgl. Schulz (1999), S. 36 ff.
[5] Peterßen, S. 103
[6] vgl. Jank/Meyer, S. 226 ff.
[7] vgl. Peterßen, S. 103
[8] Vgl. Schulz (1980a), S. 3ff.
[9] ebd. S. 21
[10] Schulz (1980a), S. 14
[11] ebd., S. 3
- Quote paper
- Diplom-Pflegepädagogin (FH) Andrea-Eva Schwarz (Author), U. Natour (Author), A. Ludwig (Author), 2006, Unterrichtsplanung: Das Hamburger Modell, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63850
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