Innerhalb der Disziplin der Pflege gewinnt das Feld der Beratung zunehmend an Bedeutung. Unbewusst wird Beratung schon immer von den Pflegenden im Rahmen ihrer täglichen Arbeit durchgeführt. Dies geschieht meist in Form der Weitergabe von Informationen und der Anleitung im Bezug auf pflegepraktische Tätigkeiten. Ein professionelles Verständnis von Beratung durch Pflegefachkräfte ist derzeit noch nicht hinreichend entwickelt bzw. befindet sich noch in den Anfängen des Entwicklungsprozesses.
Durch die demographische Entwicklung und die damit verbundene steigende Anzahl von Pflegebedürftigen im häuslichen Umfeld entsteht in diesem Bereich ein zunehmender Bedarf an Beratung. Da es hier um die Gewährleitung der Pflege im häuslichen Bereich geht, ist die Berufsgruppe der Pflegenden in diesem Zusammenhang gefordert, um die entstehenden komplexen Problemsituationen professionell und gemeinsam mit den Betroffenen zu bearbeiten und nach Lösungen zu suchen. Zwar wurden in der Vergangenheit diverse Unterstützungsmöglichkeiten angeboten, diese beschränken sich jedoch auf Schulungsprogramme und Beratung in finanziellen/rechtlichen Fragen. Eine prozesshafte und somit förderliche Beratung kann durch den begrenzten gesetzlichen Spielraum nach § 37 (3) SGB XI nicht realisiert werden. (siehe unten) Pflegende Angehörige finden demnach nur unzureichend Unterstützung.
Aus diesem Grund befasst sich diese Arbeit in den ersten Kapiteln mit den speziellen Problemlagen und Konflikten, denen pflegende Angehörige ausgesetzt sein können. Da auf pflegerischer Seite bisher so gut wie kein Beratungsangebot für pflegende Angehörige existiert, wird in dieser Arbeit ein theoretisches Konzept für eine Beratungsstelle für pflegende Angehörige dargelegt und erörtert. Diese theoretische Konzeption beansprucht nicht die vollständige Erarbeitung wie sie im Rahmen eines geförderten Modellprojektes möglich wäre, sondern stellt erste Überlegungen und Anregungen zur Weiterarbeit dar.
Inhaltsverzeichnis
2. Der Bedarf an Pflegeberatung durch steigende Pflegebedürftigkeit
3. Probleme der pflegenden Angehörigen
3. 1 Objektive Probleme
3.1.1 Rollenkonflikt
3.1.2 Angst
3.1.3 Depression
3.1.4 Aggression/ Gewalt/Misshandlung
3.1.5 Stress/Burn-Out
3.1.6 Materielle Probleme
3.1.7 Zeitliche Probleme
3.2 Subjektive Probleme
3.3 Strukturelle Probleme
3.3.1 Mangelnde pflegerische Qualifikation
3.3.2 Organisationsprobleme
3.3.3 Unzureichende Ausstattung
3.3.4 Rückzug aus dem Berufsleben
4. Beratung
4.1 Beratungsbegriff
4.2 Beratung versus (Psycho-) therapie
4.3 Beratung in der Pflege
4.4 Soziale Konstellationen von Beratung in der Pflege
4.4.1 Einzelberatung
4.4.2 Gruppenberatung
4.4.3 Beratung von Selbsthilfegruppen
5. Beratungsstelle
5.1 Einrichtung und Beratungsräume
5.2 Personelle Ausstattung
5.3 Pflegetheoretische Grundlagen und Einflüsse
5.3.1 Die Theorie von Orem
5.3.2 Das konzeptuelle Modell der ganzheitlich-fördernden Prozesspflege von Monika Krohwinkel
5.4 Integrativer Beratungsansatz
5.4.1 Beratungsansätze
5.4.2 Stufen der Integrativen Beratung
5.4.3 Beratung als Lernprozess
5.5 Konkretisierte Aufgaben und Ziele der Beratungsstelle
5.6 Anforderungen an die Berater
5.7 Qualitätskriterien für die Beratung pflegender Angehöriger
6. Fazit
7. Bibliographie
1. Einleitung
Innerhalb der Disziplin der Pflege gewinnt das Feld der Beratung zunehmend an Bedeutung. Unbewusst wird Beratung schon immer von den Pflegenden[1] im Rahmen ihrer täglichen Arbeit durchgeführt. Dies geschieht meist in Form der Weitergabe von Informationen und der Anleitung im Bezug auf pflegepraktische Tätigkeiten. Ein professionelles Verständnis von Beratung durch Pflegefachkräfte ist derzeit noch nicht hinreichend entwickelt bzw. befindet sich noch in den Anfängen des Entwicklungsprozesses.
Durch die demographische Entwicklung und die damit verbundene steigende Anzahl von Pflegebedürftigen im häuslichen Umfeld entsteht in diesem Bereich ein zunehmender Bedarf an Beratung. Da es hier um die Gewährleitung der Pflege im häuslichen Bereich geht, ist die Berufsgruppe der Pflegenden in diesem Zusammenhang gefordert, um die entstehenden komplexen Problemsituationen professionell und gemeinsam mit den Betroffenen zu bearbeiten und nach Lösungen zu suchen. Zwar wurden in der Vergangenheit diverse Unterstützungsmöglichkeiten angeboten, diese beschränken sich jedoch auf Schulungsprogramme und Beratung in finanziellen/rechtlichen Fragen. Eine prozesshafte und somit förderliche Beratung kann durch den begrenzten gesetzlichen Spielraum nach § 37 (3) SGB XI nicht realisiert werden. (siehe unten) Pflegende Angehörige[2] finden demnach nur unzureichend Unterstützung.
Aus diesem Grund befasst sich diese Arbeit in den ersten Kapiteln mit den speziellen Problemlagen und Konflikten, denen pflegende Angehörige ausgesetzt sein können. Da auf pflegerischer Seite bisher so gut wie kein Beratungsangebot für pflegende Angehörige existiert, wird in dieser Arbeit ein theoretisches Konzept für eine Beratungsstelle für pflegende Angehörige dargelegt und erörtert. Diese theoretische Konzeption beansprucht nicht die vollständige Erarbeitung wie sie im Rahmen eines geförderten Modellprojektes möglich wäre, sondern stellt erste Überlegungen und Anregungen zur Weiterarbeit dar.
2. Der Bedarf an Pflegeberatung durch steigende Pflegebedürftigkeit
Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurde auf die, aufgrund der demographischen Entwicklung, zunehmenden Zahl von Pflegebedürftigen und die daraus resultierenden Finanzierungsschwierigkeiten reagiert. Die Pflegeversicherung setzt sich zusammen aus der sozialen Pflegepflichtversicherung und der privaten Pflegepflichtversicherung. Im ersten Quartal 2006 bezogen ca. 2,05 Millionen Menschen Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung.
Nach Voraussagen der Rürup-Kommision wird diese Zahl bis zum Jahr 2030 auf ca. 3,09 Millionen ansteigen. Die Mehrzahl (1,38 Millionen) der Pflegebedürftigen erhält Leistungen für die ambulante Versorgung.[3] Die Pflegegeldleistungen bilden hier, nach den Ausgaben für vollstationäre Pflege, mit 4,1 Milliarden Euro im Jahre 2003 den größten Ausgabenposten.[4] Diese Pflegegeldleistungen, also die Pflege durch Angehörige im häuslichen Umfeld, ist mit fünfzig Prozent derzeit die häufigste Versorgungsform.[5]
Für Pflegegeldempfänger ist derzeit im Pflegeversicherungsgesetz zur Sicherung der Qualität der häuslichen Pflege ein Pflegeeinsatz zur regelmäßigen Hilfestellung und Beratung der pflegenden Angehörigen verpflichtend vorgesehen. Die Beratung soll durch professionelle Pflegefachkräfte übernommen werden. Diese gesetzliche Festschreibung der Pflegeberatung dokumentiert von politischer Seite her die Einsicht in die Notwendigkeit einer Beratung pflegender Angehöriger. Der Gesetzgeber hat jedoch mit seinen Rahmenbedingungen eine qualifizierte, professionelle Pflegeberatung unmöglich gemacht.
Zum Beispiel ist in Niedersachsen für den Pflegeeinsatz nach §37 ein Satz von 15,65 € (Pflegestufe I und II) bzw. 20,60 € (Pflegestufe III) vorgesehen, der auch noch von den Pflegegeldempfängern selbst zu tragen ist.[6] Für Einrichtungen des Gesundheitswesens und auch ambulanten Pflegedienste wird eine qualitätsgesicherte und wirtschaftliche Arbeitsweise gesetzlich vorgeschrieben. Wie man bei solchen Vergütungssätzen, wie in unserem Fall, wirtschaftlich und qualitativ hochwertig, also auch nicht defizitär, arbeiten soll bleibt offen.
3. Probleme der pflegenden Angehörigen
Pflegende Angehörige werden durch ihre Aufgabe einer Reihe von Problemen und Belastungen ausgesetzt, die sehr unterschiedlich gestaltet sein können und deren Ausmaß und Bewältigung daher individuell verschieden sind. Familienmitglieder, die sich zur meist unentgeltlichen Übernahme der häuslichen Pflege bereit erklären, sei es aus Liebe, Mitgefühl, Verpflichtung oder vielleicht aus pekuniären Gründen, ahnen nicht selten, was auf sie zukommt. Die Pflege kostet viel Kraft und ist sehr häufig mit unzähligen und auch heftigen Emotionen und Belastungen verbunden. Da die Belastungen für die (meist weiblichen) pflegenden Familienangehörigen nicht unerheblich sind, soll im Folgenden eine Auswahl von Problemen kurz dargestellt werden. Die Differenzierung erfolgt in ausgewählte objektive, subjektive und strukturelle Belastungsprobleme.
3. 1 Objektive Probleme
Zu den objektiven Problemen, die sich aus der Pflege ergeben, gehören die verschiedenen psychischen Belastungen, wie der Rollenkonflikt der Pflegenden, Angst, Depression, Stress bis hin zum Burn-Out, der als mögliches „Endergebnis“ auch zu den physischen Problemen zählt. Weiter kann man materielle wie auch zeitliche Belastungen zu den objektiven Problemen hinzufügen, die sich nach Hedkte-Becker „durch dem Umfang der Pflege, den Grad der Betreuungsbedürftigkeit des kranken Menschen und die Rollen und Aufgaben der pflegenden Person, die sie zusätzlich zur Pflege wahrnehmen muss“[7], zusammenfassen lassen.
3.1.1 Rollenkonflikt
Durch Übernahme der Pflege eines Angehörigen kommt es zu einer „Veränderung der Rollen, Verantwortlichkeiten und Erwartungen“[8] innerhalb des bisherigen Gefüges. Neben der bisherigen Rolle mit ihren entsprechenden Aufgaben, kommt nun ein neuer, vielleicht völlig fremder Part hinzu. Die Identifikation und die Übernahme der damit verbundenen Pflichten stellt oft eine fast unüberwindbare Hürde dar. Denn unter Umständen muss eine komplette Umstellung des bisherigen Verhaltens gegenüber des zu Pflegenden erfolgen. Plötzlich sieht sich die Tochter in der Mutterrolle, die sie gegenüber der eigenen Mutter einnehmen muss. Oder der Ehegatte ist aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr in seiner gleichwertigen Rolle als Partner und wird von seiner Frau „bemuttert“ und versorgt. Erschwerend kann hinzukommen, dass der zu pflegende Angehörige sich (vielleicht aufgrund von Demenz) im Wesen so stark verändert, dass ein Widererkennen nicht möglich ist und somit auch keine Kommunikation über das veränderte Rollenverhalten erfolgen kann. Und somit bleiben eventuell auch aufkeimende oder schon bestehende Schuldgefühle unausgesprochen und wirken sich negativ auf die Pflegesituation aus.
3.1.2 Angst
„Angst ist eine Grundbefindlichkeit des Menschen“[9] und kommt daher in verschiedensten Situationen vor. Ein gewisses Angstgefühl begleitet pflegende Angehörige stetig. Sei es die Angst vor der Zukunft, wie es weiter gehen soll, sei es Angst, einen Fehler zu machen, Angst vor Überforderung oder Versagen, Angst vor dem zu pflegenden Angehörigen, seiner Krankheit, den damit verbundenen Aufgaben oder dem veränderten Verhalten, sei es das eigene oder das des „Patienten“. Die Angst ist so vielschichtig und unterschiedlich stark ausgeprägt, dass regelrechte Angstzustände den Pflegenden überfallen können.
3.1.3 Depression
Als pflegender Angehöriger wird man mit einer Vielzahl von Gefühlen konfrontiert, die sich durch die Pflegesituation ergeben. Aber leider sind positive Gefühle (Glücksgefühle?) über die vollbrachte Arbeit oder den zufriedenen gepflegten Angehörigen seltener als negative Gefühle und Missstimmungen.
Neben Ärger, Kummer oder sogar Trauer über die Krankheit oder den geistigen Abbau des zu Pflegenden, kann es aber auch, gerade bei sehr langfristiger Pflege, zur Manifestation einer Depression kommen. Angst und nicht bewältigter Rollenkonflikt können hier noch verstärkend wirken. Das Gefühl der Niedergeschlagenheit begleitet den pflegenden Angehörigen ständig, genauso wollen Lustlosigkeit oder Entmutigung nicht mehr weichen. Erste Symptome zeigen sich häufig in Appetitlosigkeit, nervösen oder leicht reizbaren Verhalten der Pflegeperson. Bei einer „Rund-um-Pflege“ kann noch Schlaflosigkeit hinzukommen, die entweder das depressive Verhalten noch verstärkt oder im umgekehrten Fall als Mitauslöser zu sehen ist. Als weitere Symptome können noch Herz- und Atembeschwerden, Störungen der Verdauungsorgane und Störungen im Bereich des Unterleibes und der Genitalorgane dazukommen.[10] Das depressive Verhalten kann im schlimmsten Fall auch zum Selbstmord führen, der als einziger Ausweg aus der bedrückenden Situation, in der die eigene Hilflosigkeit und Überforderung kumuliert.[11]
3.1.4 Aggression/ Gewalt/Misshandlung
Durch auftretenden Rollenkonflikt, Überlastung, Hilflosigkeit und Angst werden von den Pflegenden Mechanismen gesucht, um die Situation erträglicher zu gestalten und die Überforderung abzuwehren. Da in vielen Fällen aber eine professionelle Hilfe (Beratung, Begleitung und Stützung) nicht in Anspruch genommen wird oder nicht genommen werden kann, muss der pflegende Angehörige allein mit seinen Problemen und Belastungen zu Recht kommen. Entsetzt stellen dann Angehörige fest, dass sie in vielen Situationen plötzlich nicht nur gereizt, sondern aggressiv und teilweise auch gewalttätig reagieren. Neben der körperlichen Misshandlung, wie Kneifen, „hartes Anpacken“, Schlagen oder auch Immobilisieren bis hin zur übermäßigen Verabreichung von Medikamenten, finden sich vermehrt die sogenannten psychischen Misshandlungen.
Hierunter versteht man Beschimpfungen, verbale Verunglimpfungen, Einschüchterungen, Drohungen[12] oder auch Verweigerungen gegenüber der zu pflegenden Person.
3.1.5 Stress/Burn-Out
Stress und Burn-Out sind unmittelbare Verwandte, da die körperlich beobachtbaren Anzeichen und Folgen des Stresses identisch mit den physiologischen Erscheinungen des Burn-Out-Syndroms sind.[13] Stress ist aber nicht nur negativ zu sehen, sondern auch ein lebenswichtiger Prozess, der für die „natürliche Leistungs- und Anpassungsfähigkeit des Organismus an die verschiedensten Erfordernisse des Lebens unentbehrlich“[14] ist. Wird das individuelle Stressmaß aber überschritten, wird aus dem positiven leistungssteigernden Eustress der negative Disstress, der die Energiereserven erschöpft und bis zur Leistungsunfähigkeit führen kann.
Neben den alltäglichen Stressoren wie Lärm, Anonymität, Verkehr, Arbeitswelt oder Familie/Partnerschaft gibt es noch ein Vielzahl individueller Stressoren, die gerade bei der Übernahme der Pflege eines Angehörige zunehmen: Krankheit des nahe stehenden Menschen, eigene Krankheit, finanzielle Schwierigkeiten, Veränderung der Gewohnheiten und Lebensumstände, neue Aufgaben und Verantwortungen. Da die Stressdosis nicht nur von der individuellen Bewertung abhängig ist, sondern auch von der Häufigkeit, der Dauer und der Intensität, ist der Pflegende dadurch einem hohen gesundheitliche Risiko ausgesetzt, wenn entsprechende Coping-Strategien und/oder professionelle Hilfe nicht zum Tragen kommen.
Als mögliche Folge des andauernden Stresses kann es zum Burn-Out kommen. Unter den vielen verschiedenen Definitionen charakterisieren zwei sehr gut die Situation der Pflegenden: „… Zustand psychischer oder seelischer Erschöpfung, der als Auswirkung lang anhaltender negativer Gefühle entsteht, die sich in Arbeit und Selbstbild des Menschen entwickeln“, bzw. „das Ausbrennen ist das Resultat andauernder oder wiederholter emotionaler Belastung im Zusammenhang mit langfristigem, intensivem Einsatz für andere Menschen. Das Ausbrennen ist die schmerzliche Erkenntnis von Helfern, dass sie diesen Menschen nicht mehr helfen können, dass sie nicht mehr zu geben haben und sich völlig verausgabt haben.“[15] Domnowski führt in „Burnout und Streß in Pflegeberufen“ verschiedene Modelle eines Burnout-Zykluses auf, die aber ein gleiches Resultat aufweisen: Verzweiflung, Gefühl der Sinnlosigkeit, Apathie, Flucht- und Selbstmordgedanken.
3.1.6 Materielle Probleme
Durch die Übernahme der Pflege eines Angehörigen kommt neben potentiellen physischen und psychischen Problemen auch eine Reihe von materiellen Belastungen hinzu. Oft wird ein Verdienst (meist der der Frau, die die Pflege übernimmt) geschmälert, bzw. geht sogar ganz verloren. Weitere Kosten kommen hinzu durch beispielsweise baulich Veränderungen unter gewissen Sicherheitsaspekten oder durch entsprechende pflegerisch notwendige Hilfsmittel, angefangen vom teuren Spezialbett bis hin zu einfachem Verbandsmaterial, deren Kosten nicht mehr allein von der Krankenkasse getragen werden. Und gerade wenn die Angehörigen eine adäquate Pflege bieten möchten, müssen entsprechende finanzielle Mittel vorhanden sein. Denn diese verschaffen auch die Möglichkeit der Entlastung, indem genügend Geld für eine unterstützende Hilfskraft, für ein paar entspannende freie Tage (Möglichkeit der Kurzzeitpflege) oder gar für einen Urlaub zur Verfügung steht.
3.1.7 Zeitliche Probleme
Die Dauer der Pflege eines Angehörigen ist meist nicht vorhersehbar oder planbar und bringt daher für die Pflegeperson auch entsprechende zeitliche Probleme mit sich. Das Leben des pflegenden Angehörigen „wird daher mit der Entscheidung zur Pflegeübernahme auf unbekannte Zeit vorausbestimmt. Nicht selten ist die Pflege ein Full-Time-Job.“[16] Zu der Beanspruchung am Tag kommt oft noch die nächtliche Betreuung hinzu. Selbst wenn sich die Pflege nicht besonders aufwendig gestaltet, bestimmt sie doch genau die Zeiten der Durchführung und somit den Tagesablauf des pflegenden Angehörigen. Veränderungen sind nur bedingt möglich. Daher richtet sich der Tagesablauf der Pflegeperson nach den Bedürfnissen des „Patienten“. Selbst wenn eine spezielle Pflegetätigkeit verrichtet wurde, sind die Pflegenden durch die räumliche oder emotionale Nähe nicht unbedingt frei in ihrer Zeiteinteilung. So ist es kein Wunder, dass es zum Verlust von Freizeit kommt, ein freies Wochenende Luxus ist und gar ein Urlaub als völlig utopisch erscheint. Selbst Zeit für die eigene Familie oder Bekannte und Freunde scheint knapp zu sein.
3.2 Subjektive Probleme
Unter die subjektiven Probleme wird das hauptsächlich das Belastungsempfinden gezählt, das aber nicht im direkten Kontext mit objektiven Problemen steht. Dieses Empfinden wird sehr unterschiedlich erlebt und lässt sich daher nicht an konkreten Symptomen oder Daten festmachen. Dennoch darf nicht unterschätzt werden, dass fehlender Dank, Mangel an Hoffnung, empfundene Ungerechtigkeit, Einsamkeit/Isolation, mangelnde Privatsphäre, ständiges Eingebundensein in die Pflegesituation und veränderte Beziehungen zur eigenen Familie die pflegenden Angehörigen genauso an ihre Grenzen stoßen lassen wie die objektiven Probleme.
3.3 Strukturelle Probleme
Strukturelle Probleme fassen alle Bereiche zusammen, in denen „aufgrund fehlender Voraussetzungen für die Übernahme der Pflege“[17] den pflegenden Angehörigen erneute Belastungen und Probleme entstehen.
[...]
[1] Zur Vereinfachung wird im kompletten Text die männliche Form verwendet.
[2] Der Begriff Angehörige beinhaltet jegliche pflegende Bezugsperson.
[3] www.bmg.bund.de
[4] www.vdakaev.de
[5] www.vzbv.de
[6] www.harsefeld.de
[7] Hedtke-Becker (1990), S.30.
[8] Holuscha (1992), S. 68.
[9] Haupt (1997), S. 364
[10] vgl. Haupt (1997), S. 394f.
[11] vgl. Paritätischer Wohlfahrtsverband (1987), S. 54
[12] vgl. Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (1997), S. 34f.
[13] vgl. Domnowski (1990), S. 64
[14] ebd. S. 66
[15] Domnowski (1990), S. 89
[16] Holuscha (1992), S. 75
[17] Holuscha (1992), S. 83
- Quote paper
- Diplom-Pflegepädagogin (FH) Andrea-Eva Schwarz (Author), Ulrike Natour (Author), 2006, Beratung von pflegenden Angehörigen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63849
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