Diese Arbeit thematisiert Familie aus der Sicht der Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Sie wird hierbei als Sozialsystem begriffen, in dem eine gesamtgesellschaftlich einmalige Kommunikationsstruktur vorliegt, welche den teilnehmenden Personen einerseits besondere Möglichkeiten bietet, andererseits jedoch ebenso strukturell immanente Risiken in sich birgt.
Um eine Basis dafür zu schaffen, Familie als Kommunikationssystem auffassen zu können, werden zunächst die hierfür relevanten Aspekte der Systemtheorie dargelegt. Die anschließende Erörterung der besonderen Spezifika des Kommunikationssystems Familie werden deren Einordnung in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang erlauben. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse münden in eine Analyse der strukturellen Risiken und Folgeprobleme familialer Kommunikation.
Gliederung
1. Einleitung
2. Soziale Systeme und psychische Systeme
2.1 Soziale Systeme
2.2 Psychische Systeme
2.3 Strukturelle Kopplung
3. Sozialsystem Familie
3.1 Funktionale Differenzierung der Gesellschaft
3.2 Familie als System enthemmter Kommunikation
3.3 Formen enthemmter Kommunikation
3.4 Risiken enthemmter Kommunikation
4. Schluß
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
In dieser Arbeit wollen wir Familie, eine der ältesten Institutionen der Gesellschaft, betrachten. Da ihr in früheren Gesellschaften stets eine tragende Rolle zukam, wird nicht nur zu klären bleiben, was Familie auszeichnet, wie sie formal abläuft, sondern auch, welche Funktion sie in der modernen Gesellschaft erfüllt. Dabei ist zu beachten, daß Familie nichts ist, was man Gesellschaft gegenüberstellen könnte. Sie ist immer Teil von Gesellschaft, sie ist Vollzug von Gesellschaft, weshalb es ja erst möglich ist, nach ihrer gesellschaftlichen Funktion zu fragen.
Wir wollen uns bei unserer Analyse von Familie der Systemtheorie bedienen, was einiger Vorbemerkungen bedarf. Auf den ersten Blick scheint es ungeeignet, Familie, in der eine starke Personenorientierung vorliegt, als ausschließlich aus Kommunikationen bestehendes System aufzufassen, wie es aus Sicht der Systemtheorie der Fall wäre. Jedoch muß man einsehen, daß es, wenn man hier z.B. Personen als Elemente sozialer Systeme vermutete, was sich auf den ersten Blick anbietet, bedeuten würde, daß jeder Prozeß in der und in Bezug auf die Person ein familialer wäre. Der Stoffwechsel der Person ebenso wie ihre komplette Gedankenarbeit. Jede Veränderung der Person würde einer Veränderung des sozialen Systems gleichkommen, was gewiß eine unrealistische Betrachtungsweise wäre. Wir werden zudem sehen, daß die moderne Systemtheorie durchaus in der Lage ist, mit stark personenorientierter Kommunikation umzugehen und Familie damit gut erfassen zu können. Um sich dieser Perspektive auf Familie zu nähern, müssen wir uns zuvor jedoch die für unseren Bezugsrahmen relevanten systemtheoretischen Grundlagen erarbeiten.
In einem ersten Schritt wird daher zu klären sein, was wir unter einem System zu verstehen haben. Deshalb wird sich der zweite Teil dieser Arbeit mit den zwei für die Betrachtung von Familie wichtigsten Systemtypen befassen. Nachdem wir dann diese Grundlagen geschaffen haben, können wir den dritten Teil mit einem Exkurs über die moderne Gesellschaft beginnen, weil wir, wie erwähnt, Familie als Teil derselben betrachten müssen und weil sich zeigen wird, daß Familie von Gesellschaft abhängt. Im weiteren Verlauf sind wir dann in der Lage, unser Augenmerk auf die spezifischen Eigenschaften des Sozialsystems Familie zu richten und uns anschließend mit den Risiken familialer Kommunikation zu befassen. Der Schluß wird uns einen Überblick über das hier Erörterte verschaffen.
2 . Soziale Systeme und psychische Systeme
Um Familie als Sozialsystem verstehen zu können, müssen wir uns zuerst damit befassen, was die Systemtheorie unter Systemen versteht, welche Eigenschaften sie diesen zuschreibt. Dabei wird von verschiedenen Systemtypen und grundlegenden Postulaten ausgegangen, die wir uns im folgenden anschauen werden.
2.1. Soziale Systeme
Für unseren Bezugsrahmen sind besonders soziale und psychische Systeme relevant, wobei wir uns zuerst den sozialen Systemen widmen wollen. Wie alle Systeme, so entstehen auch soziale Systeme durch die Differenz zu ihrer Umwelt. Aus der Perspektive des Systems gibt es Operationen, die zum System gehören und Operationen, die der Umwelt zugeordnet werden. Andere Möglichkeiten gibt es nicht. Die Umwelt ist all das, was nicht zum System gehört. Somit hat jedes System eine ihm „zugehörige“ Umwelt, da es nur sich von dieser ausnimmt. Es gibt also nicht die Umwelt. Vielmehr ist sie relativ zum System zu sehen. (Luhmann 1987, S. 249). Die System/Umwelt-Differenz ist also grundlegend für jedes System, da es sich gewissermaßen durch diese Differenz definiert. Da in der Umwelt eines jeden Systems wiederum andere Systeme vorkommen, bleibt es genauer zu klären, wodurch sie sich von diesen unterscheiden. Dabei ist die Unterscheidung verschiedener System typen hilfreich. Verschiedene Systemtypen lassen sich aufgrund der Elementareinheiten, aus denen sie bestehen, unterscheiden. Systeme können sich also bereits deshalb von anderen Systemen unterscheiden, weil sie aus Elementareinheiten bestehen, aus denen sich andere Systeme nicht zusammensetzen. Die Elementareinheiten sozialer Systeme sind Kommunikationen. Aus systemtheoretischer Sicht bestehen soziale Systeme also weder aus Menschen noch aus Handlungen, sondern ausschließlich aus Kommunikationen und nur soziale Systeme bestehen aus Kommunikationen. Wird in einem sozialen System nicht mehr kommuniziert, hört es auf zu existieren. Entscheidend für den Fortbestand eines solchen Systems ist also, daß an Kommunikationen stets weitere Kommunikationen anschließen. Die Differenz verschiedener Systeme gleichen Typs muß demzufolge aus der unterschiedlichen Qualität der Elementareinheiten bestehen. Konkret für soziale Systeme bedeutet das, daß sie sich durch eine je spezifische Art von Kommunikation unterscheiden müssen. Die Unterschiede liegen dabei weniger in der Präferenz bestimmter Kommunikations-themen. Vielmehr ist es die Art und Weise, wie über etwas kommuniziert wird.
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- Oliver Wennmann (Autor), 2001, Sozialsystem "Familie", Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63795
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