„ Man muß alle Neger auf den Bergen, Männer und Frauen, töten und nur die Kinder unter zwölf Jahren schonen; man muß ferner die Hälfte der auf dem Flachland lebenden Neger ausrotten und in der Kolonie nicht einen einzigen Mulatten lassen, der Epauletten trüge“, schrieb General Leclerc im Jahr 1802 an Napoleon Bonaparte, nachdem er mit einem großen Expeditionsheer auf der westindischen Überseekolonie Saint-Domingue gelandet war, um das französische Kolonialreich zu restaurieren. Angesichts eines im Zuge der Aufklärung entstandenen Menschenbildes, dass „die Allgemeinheit, Gleichheit und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte“ mit einschloss und seine politische Manifestation in der „Declaration des droits de l`homme et du citoyen“ von 1789 fand, mag Leclercs radikale Äußerung überraschen. Doch sie ist Ausdruck eines Diskurses über die Rechte von Sklaven, der zu Beginn der französischen Revolution intensiviert wurde und im Bezug auf das ideelle Gedankengut derselben teilweise sehr widersprüchliche Ansichten hervorbrachte.
Ziel meiner Arbeit ist es die Vielschichtigkeit der Diskussion um die Vereinbarkeit von Menschenrechten und Sklaverei zur Zeit der Französischen Revolution zu beleuchten und Ursachen für die Probleme der Nationalversammlung bei der Umsetzung der Menschenrechtserklärung in den Überseekolonien aufzuzeigen. So werden sowohl die verschiedenen Ansichten der beteiligten Gruppen dargestellt, als auch ideologische und philosophische Hintergründe berücksichtigt. Die Darstellung im ersten Teil der Arbeit greift vor allem auf die Monographie „Europa im Jahrhundert der Aufklärung“ von Barbara Stollberg-Rilinger und den Aufsatz „Undenkbare Geschichte. Zur Bagatellisierung der haitischen Revolution“ von Michel-Rolph Trouillot zurück.
Anhand der Entwicklung der Sklavenrevolution auf Saint-Domingue in den Jahren 1791-1804, die zur Gründung des ersten „schwarzen“ Nationalstaates Lateinamerikas führte, will ich im zweiten Teil der Arbeit untersuchen, inwieweit die Gedanken der Französischen Revolution und die Kolonialpolitik der Revolutionsregierungen die Emanzipationsbestrebungen der Plantagensklaven in der westindischen Kolonie beeinflusst haben.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Die (Un-)Vereinbarkeit von Sklaverei und Menschenrechten
2.1 Philosophische Grundlagen
2.1.1 Natürliche Vorraussetzungen
2.1.2 Was ist der Mensch?
2.2 Gegner und Befürworter der Sklaverei
2.2.1 Die „Société des amis des noirs“
2.2.2 Der „Club Massiac“ und die Handelsbourgeoisie
2.3 Probleme der Umsetzung der Menschenrechte in Saint-Domingue
3. Die Sklavenrevolution auf Saint-Domingue
3.1 Der Beginn der Unruhen
3.1 Toussaint L`Ouverture – Der schwarze Jakobiner
3.2 Die Unabhängigkeit Haitis
4. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„ Man muß alle Neger auf den Bergen, Männer und Frauen, töten und nur die Kinder unter zwölf Jahren schonen; man muß ferner die Hälfte der auf dem Flachland lebenden Neger ausrotten und in der Kolonie nicht einen einzigen Mulatten lassen, der Epauletten trüge“[1], schrieb General Leclerc im Jahr 1802 an Napoleon Bonaparte, nachdem er mit einem großen Expeditionsheer auf der westindischen Überseekolonie Saint-Domingue gelandet war, um das französische Kolonialreich zu restaurieren.[2] Angesichts eines im Zuge der Aufklärung entstandenen Menschenbildes, dass „die Allgemeinheit, Gleichheit und Unveräußerlichkeit der Menschenrechte“[3] mit einschloss und seine politische Manifestation in der „Declaration des droits de l`homme et du citoyen“ von 1789 fand, mag Leclercs radikale Äußerung überraschen. Doch sie ist Ausdruck eines Diskurses über die Rechte von Sklaven, der zu Beginn der französischen Revolution intensiviert wurde und im Bezug auf das ideelle Gedankengut derselben teilweise sehr widersprüchliche Ansichten hervorbrachte.
Ziel meiner Arbeit ist es die Vielschichtigkeit der Diskussion um die Vereinbarkeit von Menschenrechten und Sklaverei zur Zeit der Französischen Revolution zu beleuchten und Ursachen für die Probleme der Nationalversammlung bei der Umsetzung der Menschenrechtserklärung in den Überseekolonien aufzuzeigen. So werden sowohl die verschiedenen Ansichten der beteiligten Gruppen dargestellt, als auch ideologische und philosophische Hintergründe berücksichtigt. Die Darstellung im ersten Teil der Arbeit greift vor allem auf die Monographie „Europa im Jahrhundert der Aufklärung“ von Barbara Stollberg-Rilinger und den Aufsatz „Undenkbare Geschichte. Zur Bagatellisierung der haitischen Revolution“ von Michel-Rolph Trouillot zurück.
Anhand der Entwicklung der Sklavenrevolution auf Saint-Domingue in den Jahren 1791-1804, die zur Gründung des ersten „schwarzen“ Nationalstaates Lateinamerikas führte,[4] will ich im zweiten Teil der Arbeit untersuchen, inwieweit die Gedanken der Französischen Revolution und die Kolonialpolitik der Revolutionsregierungen die Emanzipationsbestrebungen der Plantagensklaven in der westindischen Kolonie beeinflusst haben.
Die Werke von Herbert Schottelius, C.L.R James und Michel-Rolph Trouillot bildeten hierfür die literarische Grundlage.
2. Die (Un-)Vereinbarkeit von Sklaverei und Menschenrechten
Gilt das 18. Jahrhundert einerseits als das Jahrhundert der Aufklärung und des Fortschritts, was sich nicht zuletzt in der noch heute gültigen Forderung allgemeiner Menschen- und Bürgerrechte ausdrückt,[5] so darf man nicht vergessen, dass im gleichen Zeitraum Millionen von Afrikanern in die westindischen Kolonien der europäischen Staaten transportiert wurden, um als „lebende[..] Werkzeug[e]“[6] für die Arbeit auf den Zuckerrohrplantagen versklavt zu werden. Um die Ursachen dieses, aus unserem gegenwärtigen Rechtsverständnis heraus, offensichtlichen Widerspruchs zwischen Theorie und Praxis im Zeitalter der Aufklärung zu erkennen, soll zunächst die philosophische Komponente des Diskurses über die Sklaverei untersucht werden.
2.1 Philosophische Grundlagen
2.1.1 Natürliche Vorraussetzungen
Da zu Beginn des 18. Jahrhunderts der Glaube an die Überlegenheit der europäischen Kultur in der Gesellschaft fest verankert war, entwickelten sich verschiedene Theorien, die diese Weltanschauung argumentativ unterstützen sollten, indem die bestehenden Herrschaftsverhältnisse als Naturrecht deklariert wurden. So bezeichnete beispielsweise John Locke die Sklaverei als Naturzustand, der den Sklaven zum Eigentum seines Besitzers machte und ihm jeglichen Rechtsanspruch aberkannte.[7] Die westindischen Pflanzer griffen die Lehre von der Polygenese der Menschheit dankbar auf, legitimierte doch die Ansicht, dass „der Eingeborene […] zur Dienstleistung geboren [sei]“[8] die koloniale Praxis des Sklavenhandels und der Sklaverei.[9]
[...]
[1] Zit. nach Lepkowski, Tadeusz in: Galeano, Eduardo, Die offenen Adern Lateinamerikas. Die Geschichte eines Kontinents von der Entdeckung bis zur Gegenwart, erw. Aufl., Wuppertal 200317, S. 127.
[2] Vgl. Schottelius, Herbert, Die politische Emanzipation von Haiti und Santo Domingo, in: Buisson, Inge/ Schottelius, Herbert, Die Unabhängigkeitsbewegungen in Lateinamerika 1788-1826 (Handbuch der Lateinamerikanischen Geschichte, Teilveröff.) Stuttgart 1980, S.145.
[3] Vgl. Stollberg-Rilinger, Barbara, Europa im Jahrhundert der Aufklärung, 2000, S.273.
[4] Vgl. Schottelius, Emanzipation, 1980, S.147.
[5] Vgl. Stollberg-Rilinger, Aufklärung, 2000, S.263.
[6] Zit. nach: Bitterli, Urs, Alte Welt – Neue Welt. Formen des europäischen-überseeischen Kulturkontaktes vom 15. bis zum 18. Jahrhundert, München 1992, S37.
[7] Vgl. Stollberg-Rilinger, Aufklärung, 2000, S.271/272.
[8] Zit. nach: Bitterli, Urs, Die „Wilden“ und die „Zivilisierten“. Grundzüge einer Geistes- und Kulturgeschichte der europäisch-überseeischen Begegnung, erw. Aufl., München 19912, S. 329.
[9] Vgl. ebenda, S. 329
- Arbeit zitieren
- Andreas Geißler (Autor:in), 2005, Anspruch und Wirklichkeit - Die Diskrepanz zwischen Sklaverei und Menschenrechtserklärung während der Französischen Revolution am Beispiel der Überseekolonie Saint-Domingue, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63788
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