Die Landwirtschaft und deren Akteure spielen eine bedeutende Rolle in der türkischen Wirtschaft und Gesellschaft und bestimmen indirekt durch Interessengruppen die Politik des Landes. Seit über 600 Jahren ist die Landwirtschaft das Fundament der türkischen Gesellschaft, und sie hat auch heute noch einen immens großen Stellenwert in der Türkei. Und dies nicht nur gesellschaftlich, weil immer noch eine Großzahl der Türken vom und auf dem Land lebt und arbeitet, sondern auch wirtschaftlich, weil Agrarprodukte einen großen Teil der türkischen Exporte ausmachen. Sicherlich trat inzwischen wie in allen sich entwickelnden Staaten ein Bedeutungsverlust der Landwirtschaft ein, aber dieser vollzog sich relativ spät, so dass die türkische Gesellschaft erst Mitte der 90er Jahre den Schritt von einer agrarischen in eine agroindustrielle Gesellschaft endgültig vollziehen konnte.2
Wegen der langen Tradition des Agrarsektors, der Struktur der Gesellschaft und der wirtschaftlichen Bedeutung der Agrarprodukte kommt den türkischen Landwirten ein hohes Maß an Interessenartikulation und -durchsetzung zu. Deshalb bemühen sich seit der Einführung des Mehrparteiensystems 1947 die jeweiligen Regierungen und Oppositionen mehr oder weniger um die Stimmenmacht (voting power)der Landwirte und der Landbevölkerung. Die Regierungen versuchten meist durch wirtschaftliche Vorteile für die Landwirte - wie etwa Steuererleichterungen - und besonders durch Subventionen die rural votes, d.h. die Stimmen der ländlichen Bevölkerung für sich zu gewinnen. Sicherlich spielten zu Beginn der türkischen Republik unter Atatürk und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wirtschaftliche Aspekte, nämlich die Förderung des Agrarsektors, eine Hauptrolle bei der Implementierung von Subventionen, allerdings dürfte dies in den letzten Jahrzehnten nicht mehr der Fall sein. Vielmehr nutzten die Interessengruppen der Landwirte die rural votes zur Beeinflussung der Politik aus, um weitere Vorteile zu erlangen oder diese zu behalten. Somit stellt sich die Frage, in wiefern waren die Interessengruppen des Agrarsektors Motor oder Bremse der türkischen Ökonomie.
Dieses Thema ist auch für die deutsche Ökonomie und Politik von großem Interesse, immerhin fließen Milliarden Euro jährlich aus den Töpfen der Europäischen Union, welche u.a. von deutschen Steuerzahlern gefüllt werden, in die europäische und deutsche Landwirtschaft.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Theoretische Überlegungen – Subventions- und Preisstützpolitik
2.1 Die Subventionspolitik
2.1.1 Begriffsdefinition
2.1.2. Arten und Ziele von Subventionen
2.1.3. Wirkung und Folgen von Subventionen
2.1.4. Verbesserungsmöglichkeiten von Subventionen
2.2. Preisstützpolitik
2.2.1. Die Arten der Preisstützpolitik
2.2.2. Wirkung und Folgen von Preisstützpolitik
3. Praktische Anwendung –Agrarsubventionen und Interessengruppen in der Türkei
3.1. Die Struktur des Agrarsektors
3.2. Die Macht der Agrarinteressengruppen
3.3. Durchsetzungsfähigkeit der Agrarinteressengruppen
4. Zusammenfassung und Wertung
5. Literatur
1. Einleitung
Die Landwirtschaft und deren Akteure spielen eine bedeutende Rolle in der türkischen Wirtschaft und Gesellschaft und bestimmen indirekt durch Interessengruppen die Politik des Landes. Seit über 600 Jahren ist die Landwirtschaft das Fundament der türkischen Gesellschaft,[1] und sie hat auch heute noch einen immens großen Stellenwert in der Türkei. Und dies nicht nur gesellschaftlich, weil immer noch eine Großzahl der Türken vom und auf dem Land lebt und arbeitet, sondern auch wirtschaftlich, weil Agrarprodukte einen großen Teil der türkischen Exporte ausmachen. Sicherlich trat inzwischen wie in allen sich entwickelnden Staaten ein Bedeutungsverlust der Landwirtschaft ein, aber dieser vollzog sich relativ spät, so dass die türkische Gesellschaft erst Mitte der 90er Jahre den Schritt von einer agrarischen in eine agroindustrielle Gesellschaft endgültig vollziehen konnte.[2]
Wegen der langen Tradition des Agrarsektors, der Struktur der Gesellschaft und der wirtschaftlichen Bedeutung der Agrarprodukte kommt den türkischen Landwirten ein hohes Maß an Interessenartikulation und -durchsetzung zu. Deshalb bemühen sich seit der Einführung des Mehrparteiensystems 1947 die jeweiligen Regierungen und Oppositionen mehr oder weniger um die Stimmenmacht (voting power) der Landwirte und der Landbevölkerung.
Die Regierungen versuchten meist durch wirtschaftliche Vorteile für die Landwirte – wie etwa Steuererleichterungen – und besonders durch Subventionen die rural votes, d.h. die Stimmen der ländlichen Bevölkerung für sich zu gewinnen. Sicherlich spielten zu Beginn der türkischen Republik unter Atatürk und nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wirtschaftliche Aspekte, nämlich die Förderung des Agrarsektors, eine Hauptrolle bei der Implementierung von Subventionen, allerdings dürfte dies in den letzten Jahrzehnten nicht mehr der Fall sein. Vielmehr nutzten die Interessengruppen der Landwirte die rural votes zur Beeinflussung der Politik aus, um weitere Vorteile zu erlangen oder diese zu behalten. Somit stellt sich die Frage, in wiefern waren die Interessengruppen des Agrarsektors Motor oder Bremse der türkischen Ökonomie.
Dieses Thema ist auch für die deutsche Ökonomie und Politik von großem Interesse, immerhin fließen Milliarden Euro jährlich aus den Töpfen der Europäischen Union, welche u.a. von deutschen Steuerzahlern gefüllt werden, in die europäische und deutsche Landwirtschaft. Innerhalb der EU beteiligen sich starke Interessengruppen an der Wirtschaftspolitik und somit auch an der Implementierung von staatlichen Eingriffen, um Marktmechanismen zu Gunsten dieser Gruppen zu stören; dies geschieht sowohl in der EU als auch in der Türkei durch Subventionen und Preisstützpolitik,[3] z.B. durch eine Mindest- oder Höchstpreispolitik.
Wichtig für das Verstehen der Eingriffe des Staates in die Marktmechanismen sind dessen Instrumente. Diese – die Subventionen und die Preisstützpolitik – werde ich im ersten Teil dieser Arbeit wirtschafts-theoretisch verdeutlichen. Dabei werde ich mich mit den Definitionen, den Zielen und den Folgen sowie Auswirkungen von Subventionen und der Preisstützpolitik beschäftigen.
Im zweiten Teil der Arbeit werde ich die verschiedenen Interessengruppen des türkischen Agrarsektors analysieren und inwiefern sie die Politik in ihrem Sinn beeinflussen konnten oder aber auch nicht. Da die Wirkungsmöglichkeiten von Interessengruppen stark von den jeweiligen Regierungen abhängen, werde ich bei der Betrachtung eine zeitliche Eingrenzung vornehmen und primär nur die Zeit zwischen 1950 und 1985 darlegen, da in dieser Periode Einparteien-, Mehrparteien- sowie Militärherrschaften den Machtspielraum der verschiedenen Interessengruppen bestimmt hat. Das Ende meiner Arbeit wird ein Resümee bilden, in dem ich die wichtigsten Punkte nochmals aufgreifen und kritisch zusammenfassen werde.
2. Theoretische Überlegungen – Subventions- und Preisstützpolitik
Die Subventions- und die Preisstützpolitik sind – ebenso wie Steuern und Zölle – der Fiskalpolitik untergeordnete Instrumente; diese ist wiederum ein Instrument der Strukturpolitik:[4] Der Staat versucht durch Subventionen und Preispolitik die Marktmechanismen außer Kraft zu setzen, um sowohl ökonomische als auch wahlpolitische Vorteile für sich oder eine bestimmte Gruppe innerhalb des Staates zu erlangen. Nachfolgend werden diese beiden Instrumente genauer dargestellt.
2.1. Die Subventionspolitik
Subventionen sind in der Fachliterstur nicht unumstrittene Mittel der Fiskal- und Strukturpolitik. Durch staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsystem eines Landes wird u.a. befürchtet, dass durch Subventionen mehr Nachteile als Vorteile entstehen könnten; so ergeben sich als Nachteil auf der einen Seite hohe Staatsausgaben, gegebenenfalls aber auch Vorteile, die sich aber auf nur eine Branche oder gar auf nur ein Wirtschaftsunternehmen beschränken. Anderseits aber benötigt die Wirtschaft in gewissen Situationen bestimmte finanzielle Förderungen vom Staat, um etwa auf internationale Entwicklungen reagieren zu können, wofür ihnen sonst die Mittel fehlen würden, oder um eine Autarkie bei der Versorgung mit meritorischen Gütern zu erreichen. Der Ökonom Vialon fasste diesen Widerspruch bereits vor 60 Jahren treffend zusammen:
„Die Subventionen verzerren zwar die Preise, sie stören den Wettbewerb, sie schaffen begünstigte Fußkranke, Beschenkte und Opfer, sie korrumpieren die Verwaltung, sie blähen sie auf, sie machen aus gleich ungleich, sie sind oft unkontrollierbar, kurzsichtig, gelegentlich rein politisch, emotionell und völlig unwirksam. Aber der heutige Staat kann sie nicht entbehren.“[5]
2.1.1. Begriffsdefinition
Viel diskutiert worden ist besonders über die eigentliche Definition des Begriffes „Subvention“, deshalb gibt es keinen allgemein gültigen Subventionsbegriff.[6] Ich beziehe mich in dieser Arbeit auf die Definitionen aus dem Lehrbuch von Krol und Schmid, welches zwei Arten von Definitionen für den Begriff der Subvention benutzt: es unterscheidet zwischen einer „engen“ und einer „weiten“ Definition. So sind Subventionen nach enger Definition alle Geldzahlungen der öffentlichen Hand, die ohne Gegenleistung an Unternehmen fließen. Subventionen nach weiter Definition sind alle begünstigenden Engriffe des Staates in die Marktwirtschaft.[7] Subventionen sind also allgemein Zahlungen oder Maßnahmen des Staates zur Verbesserung der wirtschaftlichen Situation einzelner Branchen oder Unternehmen.
2.1.2. Arten und Ziele von Subventionen
Allgemeines Ziel aller Subventionen ist der Ausgleich von Mangelerscheinungen der Marktwirtschaft, wie etwa negative externe Effekte, ungerechte Einkommensverteilung, mangelhafte Bereitstellung von Kollektivgütern,[8] oder um Struktur- und Anpassungsprozesse zu verzögern bzw. sie zu beschleunigen, wenn die Kosten für ein einzelnes Unternehmen nicht zu schultern sind[9] oder dies etwa aus umweltpolitischen Gründen sinnvoll erscheint.[10] Man unterscheidet zwischen vier verschiedenen Arten von Subventionen: Mengensubventionen, strukturelle Erhaltungssubventionen, Lohnsubventionen und Subventionen für Erweiterungs- oder Rationalisierungsinvestitionen.
Mengensubventionen dienen zur Steigerung des Outputs bestimmter Branchen, z.B. der Verbesserung der Lebensmittelversorgung der Bevölkerung. Diese Subventionen werden häufig eingesetzt, um sich eine gewisses Maß an nationaler Autarkie bei meritorischen Gütern gegenüber dem Ausland zu erhalten oder zu sichern, auch wenn die eigene Wirtschaft dabei ineffizient arbeiten sollte.[11]
Strukturelle Erhaltungssubventionen sind Maßnahmen um Wirtschaftszweige entweder zu erhalten oder den Strukturwandel zu verlangsamen, auch um die Unternehmen an die neuen wirtschaftlichen Gegebenheiten anzupassen;[12] als Beispiel kann hier u.a. die Subvention des deutschen Bergbaus genannt werden.
Lohnsubventionen sind Unterstützungen des Staats, um die Rentabilität von geringer qualifizierten Arbeitern zu erhöhen; ein anderer Weg der Rentabilitätssteigerung wäre, den Lohn noch weiter zu senken. Um jedoch zu verhindern, dass die Arbeiter in Armut verfallen, werden Lohnsubventionen für Geringverdiener gezahlt. Das können entweder Zuschüsse zum normalen Lohn oder Subventionierung der Lohnkosten für die Betriebe sein.[13]
Subventionen für Erweiterungs- oder Rationalisierungsinvestitionen dienen zur Vermeidung oder zum Ausgleich von negativen externen Effekten, die aus mikroökonomischen Gründen nicht durch Marktmechanismen überwunden werden können, weil die Kosten für eine Beseitigung für den einzelnen Unternehmer zu groß sind oder der Nutzen der Beseitigung zu gering wäre.[14] Beispiele sind hier die Subventionen für die Entwicklung von Fotovoltaikanlagen oder Subventionen der EU für Stilllegungen von landwirtschaftlichen Nutzflächen.
[...]
[1] Şen, Faruk. Türkei – Land und Leute. München: Becksche Verlagsbuchhandlung 1985, S. 86.
[2] Steinbach, Udo. Die Türkei im 20. Jahrhundert – Schwieriger Partner Europas. Bergisch Gladbach: Lübbe Verlag 1996, S. 403.
[3] In der Literatur auch als Preispolitik, Stützpreispolitik, Preisstützsystem oder engl. als price support policy benannt, sie werden in dieser Arbeit als Synonyme verwandt.
[4] Blum, Ulrich. Volkswirtschaftslehre. München / Wien: Oldenbourg Verlag 2004, S. 543.
[5] Vialon, F.K., Staatliche Subventionspolitik. In: Politisches Seminar der staatsbürgerlichen Vereinigung 1954 e.V., Neunte Tagung, Bad Godesberg 1961, S. 24.
[6] Deininger, Werner. Die Subventionen als Instrument der Wirtschaftspolitik – Ihre Stellung in den Wachstumszyklen und Wahlperioden der Bundesrepublik Deutschland 1952 – 1972. Diss. Uni Augsburg 1975, S. 11.
[7] Krol, Gerd-Jan / Schmid, Alfons. Volkswirtschaftslehre – Eine problemorientierte Einführung. Tübingen: Mohr Siebeck UT 2002, S. 401.
[8] Cezanne, Wolfgang. Allgemeine Volkswirtschaftslehre. München / Wien: Oldenbourg Verlag 2005, S. 181.
[9] Blum, S. 543.
[10] Gruber, Uta / Kleber, Michael. Grundlagen der Volkswirtschaftslehre. München: Verlag Vahlen 1997, S. 99f.
[11] Ebd., S. 101.
[12] Krol / Schmid, S. 403.
[13] Ebd., S. 405.
[14] Gruber / Kleber, S. 99f.
- Citar trabajo
- Daniel Rother (Autor), 2006, Effizienz und Wohlfahrtswirkung staatlicher Regulierungen und Subventionen dargestellt am Beispiel des türkischen Agrarsektors, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63739
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