“Onetti leyó El perseguidor, se fue al cuarto de baño de su casa y rompió el espejo de un puñetazo.” So beschreibt Cortázar die Reaktion seines Freundes, des uruguayischen Schriftstellers Juan Pablo Onetti nach der Lektüre des Manuskripts seiner Erzählung, in der der argentinische Schriftsteller, einer der bedeutendsten Autoren de lateinamerikanischen Literatur, kaum verfremdet die Lebensgeschichte des großen Jazzmusikers Charlie Parker nacherzählt.
Was macht die Faszination dieser 1959 erstmals veröffentlichten Novelle aus dem Kurzgeschichtenband Las armas secretas aus, die nun auch in Deutschland spätestens mit der Aufnahme in die Süddeutsche Zeitung Bibliothek ein großes Publikum gefunden hat?
Neben der in Kritikerkreisen oft betonten “existentialischen“ Wende Cortázars, die seine Beschäftigung mit dem Tod und die metaphysisch orientierte Suche einleitet, ist es vor allem die Musik, der Jazz, der die Erzählung prägt und so besonders macht. Diesem Aspekt, der “Musik im Text“, ist diese Arbeit gewidmet, die untersuchen wird, ob und wie es Cortázar gelingt, den von Parker interpretierten Jazz literarisch umzusetzen. Aufgrund der offensichtlichen thematischen Bezüge zur Biographie Parkers und dem von ihm geprägten Jazzstil, dem Bebop, wird die Arbeit mit einigen seiner Lebensdaten und Ausführungen zu seiner Musik eingeleitet. Als Hinführung auf den Schwerpunkt der Arbeit, das Kapitel „Musik und Text“, wird sodann Cortázars besonderer Bezug zum Jazz und zu Charlie Parker dargelegt und die Novelle inhaltlich zusammengefasst.
Abschließend erfolgt eine kurze Schlussbemerkung zu der Frage, ob El perseguidor tatsächlich “geschriebener Jazz“ ist.
Gliederung
1. Einleitung
2. Charlie Parker und Cortázar
2.1 Charlie Parker und seine Musik
2.2 Cortázar und der Jazz
3. “El Perseguidor“
4. Musik im Text
5. Schlussbemerkung
Literatur
1. Einleitung
“Onetti leyó El perseguidor, se fue al cuarto de baño de su casa y rompió el espejo de un puñetazo.” So beschreibt Cortázar die Reaktion seines Freundes, des uruguayischen Schriftstellers Juan Pablo Onetti nach der Lektüre des Manuskripts seiner Erzählung[1], in der der argentinische Schriftsteller, einer der bedeutendsten Autoren de lateinamerikanischen Literatur, kaum verfremdet die Lebensgeschichte des großen Jazzmusikers Charlie Parker nacherzählt.
Was macht die Faszination dieser 1959 erstmals veröffentlichten Novelle aus dem Kurzgeschichtenband Las armas secretas aus, die nun auch in Deutschland spätestens mit der Aufnahme in die Süddeutsche Zeitung Bibliothek ein großes Publikum gefunden hat?
Neben der in Kritikerkreisen oft betonten “existentialischen“ Wende Cortázars, die seine Beschäftigung mit dem Tod und die metaphysisch orientierte Suche einleitet[2], ist es vor allem die Musik, der Jazz, der die Erzählung prägt und so besonders macht. Diesem Aspekt, der “Musik im Text“, ist diese Arbeit gewidmet, die untersuchen wird, ob und wie es Cortázar gelingt, den von Parker interpretierten Jazz literarisch umzusetzen. Aufgrund der offensichtlichen thematischen Bezüge zur Biographie Parkers und dem von ihm geprägten Jazzstil, dem Bebop, wird die Arbeit mit einigen seiner Lebensdaten und Ausführungen zu seiner Musik eingeleitet. Als Hinführung auf den Schwerpunkt der Arbeit, das Kapitel „Musik und Text“, wird sodann Cortázars besonderer Bezug zum Jazz und zu Charlie Parker dargelegt und die Novelle inhaltlich zusammengefasst.
Abschließend erfolgt eine kurze Schlussbemerkung zu der Frage, ob El perseguidor tatsächlich “geschriebener Jazz“ ist.
[Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]“Music is your own experience, your own thoughts, your wisdom. If you don't live it, it won't come out of your horn. They teach you there's a boundary line to music. But, man, there's no boundary line to art.”
2. Charlie Parker und Cortázar
2.1 Charlie Parker und seine Musik
Charlie Parker, aus www.charlie-parker.com
Der als „Yardbird“ zu Weltruhm gelangte Saxofonist Charlie Parker jr. wird 1920 in Kansas City als Sohn afro-amerikanischer Eltern geboren. Als kleiner Junge zieht er mit seiner Familie in die unmittelbare Nähe der Vergnügungsviertel von Kansas City und verinnerlicht so schon als Kind die Klänge des in den Nachtclubs des „schwarzen Ghettos“[3] gespielten Jazz, die auf dem Schulweg zu ihm dringen. Seine ersten musikalischen Erfahrungen sammelt er in der Band seiner Schule[4], bevor er sich die erfahrenen Musiker aus den Clubs zum Vorbild nimmt, darunter einige der besten Jazzmusiker seiner Zeit, und immer mehr Zeit mit ihnen auf jam sessions[5] verbringt. Seine große Begabung veranlasst ihn schließlich zum Abbruch der Schule und zu der Aufnahme einer professionellen Karriere als Jazzmusiker, die er als Mitglied einer Jazzband beginnt und die ihn bald aus Kansas City in Richtung New York führt.
Bereits mit 12 Jahren experimentiert Parker mit Alkohol, Tabletten und Marihuana, das zu dieser Zeit noch legal und in Kansas City leicht erhältlich ist: „It all came from being introduced too early to night life….When you´re not mature enough to know what´s happening – well, you goof.“[6] 1935 nimmt er zum ersten Mal Heroin: “At fifteen, thanks to some character in Kansas City, he became a drug addict.”[7]
Trotz seiner Drogensucht gelingt ihm eine erstaunliche, wenn auch nur kurze Karriere. Zahlreiche Aufnahmen aus den vierziger und fünfziger Jahren belegen seine Virtuosität als Altsaxofonist[8], dessen Spielweise den Jazz nach der Ära des Swing revolutioniert und ein eigenes Genre mitkreiert: Zusammen mit Dizzy Gillespie[9] gründet er 1945 in New York die erste Bebop Big Band und gilt auch heute noch als einer der bedeutendsten Interpreten dieses Jazzstils.[10]
Der schnelle Aufstieg zum weltweit umjubelten Solisten wird jedoch immer wieder durch physische und psychische Zusammenbrüche unterbrochen, die längere Klinikaufenthalte nach sich ziehen. Sein aufgrund des Drogenkonsums unberechenbares Verhalten führt am Ende seines Lebens immer häufiger zu der Entlassung aus festen Spielverträgen, ihm werden immer weniger Engagements angetragen. Hinzu kommt ein unstetes Privatleben mit insgesamt vier Ehen, u. a. mit Chan Richardson, und zahlreichen außerehelichen Beziehungen (auch mit der Baroness Nica de Koenigswinter), das außerdem von dem Tod seiner Tochter Pee überschattet wird. Sein exzessiver und selbstzerstörerischer Lebensstil hinterlässt schließlich Spuren: Im Alter von nur 35 Jahren stirbt Charlie Parker im Haus der Baroness de Koenigswinter in New York an Leberzirrhose, Magengeschwüren und einer Lungenentzündung.
Trotz seines frühen Todes bleibt er dank der zahlreichen von ihm eingespielten beeindruckenden Aufnahmen als der Jazzmusiker in Erinnerung, der zusammen mit anderen berühmten Musikern wie dem Pianisten Thelonious Monk[11] und dem Schlagzeuger Kenny Clarke[12] den Jazz durch die Einführung neuer, teilweise fast atonal anmutender Melodieführungen und einer freien Rhythmik revolutionierte. Charlie Parker gilt als einer der größten Improvisations-Künstler des Jazz, der frei mit den Tempi spielte, alternative Akkordwechsel entwickelte und sich einer Vielzahl unterschiedlichster Ausdruckmittel bediente: dem Wechselspiel von Pausen, Andeutungen und einer schnellen Abfolge von Notenkaskaden.[13]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
“No tengo casi recuerdos sin jazz.”
2.2 Cortázar und der Jazz
Julio Cortázar, aus
www.geocities.com/juliocortazar_arg/jazzbox.htm.
Der 1914 in Brüssel geborene Diplomatensohn Julio Cortázar entwickelt neben seinem Interesse an Literatur, Fotografie und modernen Massenmedien wie dem Film bereits in jungen Jahren eine große Leidenschaft für Musik: den Tango, die zeitgenössische Konzertmusik und insbesondere den Jazz.[14]
[...]
[1] Zit. aus einem Gespräche mit Omar Prego Gadea, aus Cortázar habla de “El perseguidor“ y Charlie Parker, www.geocities.com/juliocortazar_arg/sobreperse.htm.
[2] Vg. Bongers, Wolfgang: Schrift und Figuren, S. 21.
[3] Bezeichnung zit. nach Russel, Ross : Charlie Parker, S. 35, der Kansas City ebd. als das letzte schwarze Ghetto mit einem eigenen, klar definierten Jazzstil beschreibt, als „Stadt der Saxofonisten“ (S. 44).
[4] Er probiert mehrere Blasinstrumente aus und findet dann mit 13 Jahren „sein“ Instrument: ein altes, mit Gummibändern und Klebestreifen zusammengehaltenes Saxofon, das ihm seine Mutter für 45 Dollar kauft. Vg. Russel, S. 40.
[5] Im Jazz eine zwanglose Zusammenkunft von Musikern zum gemeinsamen Improvisieren in zumeist zufälliger Besetzung. Vgl. Hirsch: Wörterbuch der Musik, S. 223.
[6] Zit. nach Woideck, Carl: Charlie Parker, S. 7.
[7] So eine Äußerung seiner 3. Ehefrau Doris, zit. nach ebd., S. 8.
[8] Aufgrund dieser Spiel- und Improvisationskunst auf dem relativ hohen Altsaxofon bekommt er auch seinen Spitznamen: Charlie “Yardbird“ Parker.
[9] 1917 – 1993. US-amerikanischer Jazzmusiker, Trompeter, Komponist und Sänger. Vgl. www.wikipedia.de/wiki/Dizzy_Gillespie.
[10] Vgl. Woideck, S. 29. Der Bebop gibt als Reaktion auf den Swing der Improvisation wieder mehr Raum – bis zu deren Übersteigerung. Charakteristisch sind u. a. Unregelmäßigkeiten und Unbeständigkeit in der rhythmischen und melodischen Gestaltung, eine moderne Harmonik und die lautmalerische Nachahmung, etwa bei den sog. be-bop-vocals. Vgl. Hirsch, S. 60.
[11] 1917 – 1982. US-amerikanischer Jazzmusiker, Pianist, Komponist. Vgl.
http://de.wikipedia.org/Thelonious_Monk.
[12] 1914 – 1985. US-amerikanischer Jazzmusiker, Schlagzeuger. Vgl. http://de.www.wikipedia.org/Kenny_Clarke.
[13] Vgl. hierzu auch Hucher, Philippe : Jazz, S. 38,39,41.
[14] Vgl. Berg, Walter Bruno: Grenz-Zeichen Cortázar, S. 65.
- Citar trabajo
- Melanie Hohmann (Autor), 2006, Musik im Text: El Perseguidor von Julio Cortázar, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63591
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