"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. […]."
Diese Satzfolge des Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 sagt aus, wie wir verfassungsrechtlich die Menschenrechte zu verstehen haben. Sie sind von der einem jeden Menschen zukommenden Würde her zu begründen und dienen als die Grundlage menschlicher Gemeinschaft.
Um die Menschenrechte wird in der heutigen Welt stark diskutiert. Afghanistan, Peking oder Bosnien sind nur die aktuellsten Bezugspunkte in einer grundlegenden Debatte. Viele sehen in den Menschenrechten das Fundament einer universellen weltweiten politischen Kultur. Andere halten sie für ein bevormundendes Produkt westlichen Denkens und sehen Bemühungen um ihre Durchsetzung als Angriff auf ihre kulturelle und religiöse Identität an. Auch die katholische Kirche hat spät den Weg einer positiven Rezeption eingeschlagen. Erst in jüngerer Zeit wurden die im 19. Jahrhundert errichteten Vorbehalte überwunden und die Menschenrechte zum integralen Bestandteil der Soziallehre gemacht.
Die Seminararbeit möchte sich diesen Konflikt-Feldern unter historischer, politischer und theologischer Perspektive nähern. Welche historischen Wurzeln haben die "modernen" Menschenrechte? Wie lässt sich ihr universeller Anspruch begründen? Welche Gegensätze und Gemeinsamkeiten gab und gibt es zwischen christlicher und menschenrechtlicher Freiheit? Die Klärung solcher und ähnlicher Fragen soll zum Verständnis aktueller Menschenrechtsprobleme beitragen und ihre historische und sozialethische Einordnung ermöglichen.
[...]
Gliederung
1. Einleitung
2. Versuch einer Definition des Begriffs „Menschenrechte“
3. Geschichte der Menschenrechte
3.1. Grundgedanken
3.2. Die historische Ausformung der Idee der Menschenrechte
3.2.1. England: Magna Charta (1215)
3.2.2. England: Petition of Right (1628)
3.2.3. England: Habeas-Corpus-Akte (1679)
3.2.4. England: Bill of Rights (1689)
3.2.5. USA: Die Erklärung der Rechte von Virginia (1776)
3.2.6. Frankreich: Déclaration des droits de l'homme et du citoyen (1789)
3.2.7. USA: Federal Bill of Rights (1791)
3.2.8. Deutschland: Grundrechte des deutschen Volkes (1849)
3.3. Menschenrechte heute (international)
3.4. Menschenrechte heute (regional)
3.5. Menschenrechtsorganisationen
3.6. Probleme
4. Theologie und Kirche
5. Schluss
6. Literaturliste
1. Einleitung
„ Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt. Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt. […].“[1]
Diese Satzfolge des Artikel 1 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland vom 23.5.1949 sagt aus, wie wir verfassungsrechtlich die Menschenrechte zu verstehen haben. Sie sind von der einem jeden Menschen zukommenden Würde her zu begründen und dienen als die Grundlage menschlicher Gemeinschaft.[2]
Um die Menschenrechte wird in der heutigen Welt stark diskutiert. Afghanistan, Peking oder Bosnien sind nur die aktuellsten Bezugspunkte in einer grundlegenden Debatte. Viele sehen in den Menschenrechten das Fundament einer universellen weltweiten politischen Kultur. Andere halten sie für ein bevormundendes Produkt westlichen Denkens und sehen Bemühungen um ihre Durchsetzung als Angriff auf ihre kulturelle und religiöse Identität an. Auch die katholische Kirche hat spät den Weg einer positiven Rezeption eingeschlagen. Erst in jüngerer Zeit wurden die im 19. Jahrhundert errichteten Vorbehalte überwunden und die Menschenrechte zum integralen Bestandteil der Soziallehre gemacht.
Die Seminararbeit möchte sich diesen Konflikt-Feldern unter historischer, politischer und theologischer Perspektive nähern. Welche historischen Wurzeln haben die „modernen“ Menschenrechte? Wie lässt sich ihr universeller Anspruch begründen? Welche Gegensätze und Gemeinsamkeiten gab und gibt es zwischen christlicher und menschenrechtlicher Freiheit? Die Klärung solcher und ähnlicher Fragen soll zum Verständnis aktueller Menschenrechtsprobleme beitragen und ihre historische und sozialethische Einordnung ermöglichen.
2. Versuch einer Definition des Begriffs „Menschenrechte“
Tödt schreibt, der Kerngehalt der Menschenrechte ließe sich im Blick und ihrer Auslegung anhand der Trias Freiheits-, Gleichheits-, Teilhaberecht erfassen. Dabei würden drei Sachmomente genannt, die in unterschiedlicher Akzentuierung und Zuordnung allerorten und regelmäßig in der Interpretation und Diskussion der Menschenrechte auftreten.[3]
Die Menschenrechte sichern dem Individuum einen persönlichen Handlungs- und Lebensraum gegen Angriffe von außen zu. Sie beziehen sich in erster Linie auf das Verhältnis Individuum-Staat.[4] Sie gelten als Rechte, die jedem Menschen unabhängig von seiner Stellung in Staat, Gesellschaft, Familie, Beruf, Religion und Kultur bereits dadurch zustehen, dass er als Mensch geboren ist. Auch andere Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht, Sprache, politische oder sonstige weltanschauliche Vorstellungen, nationale oder soziale Herkunft lassen die Gültigkeit der mit der bloßen Existenz als Mensch verbundenen Menschenrechte unberührt.[5]
Der Anspruch auf Gültigkeit der Menschenrechte ist universal, besteht also auch dort, wo partikuläre Rechtsordnungen ihnen die Anerkennung verweigern oder politische Praktiken sie missachten. Sie bilden gegenüber dem sonstigen Recht eine übergeordnete Art von Rechten.[6] Sie müssen also als „natürliches“ Recht gelten, während alle sonstigen Rechte und Gesetze nur Elemente einer „künstlichen“ Ordnung sind und eigens eingesetzt werden müssen. Im Unterschied zu gewöhnlichen Rechtsnormen unterliegen Menschenrechte keiner zeitlichen, räumlichen und gruppenspezifischen Beschränkung, ihre Verbindlichkeit liegt jeder technischen Ausformulierung, jedem Akt der Inkraftsetzung und auch der Garantierung durch Sanktionen voraus.[7]
Höver ist der Meinung, Menschenrechte seien als Freiheitsrechte Ausdruck elementarer Erfahrungen von Unfreiheit. In ihnen artikuliere sich die Not der Freiheit, wenn diese sich in fundamentalen Verhältnissen der Lebenserhaltung und Lebensentfaltung als bedroht erfährt.[8]
Die oben genannten inhaltlichen Ansprüche, über deren menschenrechtliche Qualität inzwischen weltweit weitgehendes Einverständnis besteht, stellen also Antworten auf kollektive Erfahrungen historischen Unrechts dar.
Die Menschenrechte ermöglichen es nach Hollerbach, Luf, Frowein, und Huber, das Verhältnis von Staat und Individuum als ein wechselseitiges Rechtfertigungsverhältnis aufrechtzuerhalten, in welchem das staatlich erzeugte Recht in einer Rechtsinstitution wie den Menschenrechten selbst an den Menschen als das eigentliche Subjekt von Recht und Staat zurück gebunden werde.[9] Der Staat ist also so zu gestalten, dass seine Ordnung als für jeden vorteilhaft vorgestellt werden kann. Der vertragstheoretische Ansatz der Menschenrechte führt zum Beispiel auf Grund der verschiedenen Kulturen zu äußerst unterschiedlichen Staatskonzeptionen, die jedoch durchwegs die menschenrechtliche Basis beanspruchen müssen.[10] Die Umsetzung der Menschenrechte in positives Recht wurde bisher im staatlichen Verfassungsrecht am stärksten vorangetrieben, da ihre Anerkennung eine Selbstbeschränkung staatlicher Machtausübung mit sich bringt.[11]
Menschenrechte sind keine bloß moralischen Appelle, sondern Rechtsforderungen. Ihre eigentliche Stoßkraft liegt gerade darin, dass sie das Dasein des Menschen in Würde und Freiheit in all ihren Dimensionen durch rechtliche Sicherung zu schützen suchen. Das Ethos der Menschenrechte sei nach Meinung von Höver daher zunächst einmal kein Ethos der Nächstenliebe und humanitären Hilfe, sondern ein Ethos der Gerechtigkeit.[12]
3. Geschichte der Menschenrechte
3.1. Grundgedanken
Es ist problematisch, in den Wurzeln der Menschenrechte eine schriftlich festgehaltene Formulierung des Gedankens festzustellen und eine ungebrochene Entwicklungskontinuität bis zu den Deklarationen der Menschenrechte zu behaupten.[13] Auch wenn die historische Entwicklung von vielen Faktoren abhängig war und in vielen verschiedenen Formen erschienen ist, ist es doch möglich, das leitende normative Prinzip „Würde des Menschen“ als gemeinsamen Bezugspunkt auszumachen. In ihr wird der unverfügbare Wert jedes Menschen als Menschen erklärt und gefordert, ihn auch als „Zweck an sich selbst“[14] zu betrachten.[15]
Zwar hatte sich bereits im Altertum die griechische Philosophie mit dem Schicksal des Menschen und seinen natürlichen Rechten beschäftigt, im zweiten Jahrhundert sprach der große römische Jurist Gaius vom „gemeinsamen Recht aller Menschen“[16], und das Christentum postulierte die Gleichheit und Brüderlichkeit der Menschen. Aber in die politische Institutionsgeschichte drangen diese philosophischen und religiösen Überlegungen so schnell nicht ein. Die Institution der Sklaverei zum Beispiel blieb nicht nur während des gesamten Altertums, sondern auch noch viele Jahrhunderte hindurch in christlicher Zeit erhalten; ihre Bedeutung nahm sogar seit der frühen Neuzeit wieder zu.[17]
Ihren philosophischen Höhepunkt, der in dieser Arbeit auf Grund seines enormen Umfangs nicht vertieft behandelt werden soll, fand die Idee der Menschenrechte nach Hilpert „in Kants Konzept vom Recht der Menschheit in der Person eines jeden, das auf eine Aufzählung einzelner Menschenrechte verzichten kann, insofern diese immer nur Konkretionen des von vornherein auf den gleichen Freiheitsanspruch aller anderen bezogenen Rechts auf Autonomie sein können“[18]. Damit seien Menschenrechte letztlich nichts anderes als konkrete Ausdifferenzierungen der Selbsterhaltung der Vernunft, die jeder einzelne für sich selbst wie auch für die anderen repräsentiert, in der Gestalt positiver Rechte[19].
Erst im 18. Jahrhundert wurden, wenngleich nur vereinzelt, die Menschenrechte in feierlichen Erklärungen, Gesetzen und Staatsverfassungen ausdrücklich proklamiert. Es sollte aber noch bis zum 20. Jahrhundert dauern, dass diese „Positivierung“ der Menschenrechte weltweit als Aufgabe der Rechtssetzung erkannt worden ist.
3.2. Die historische Ausformung der Idee der Menschenrechte
3.2.1. England: Magna Charta (1215):
Die Magna Charta wurde König Johann I. ohne Land am 15.6. 1215 von Adel und Geistlichkeit abgenötigt und erhielt 1225 unter Heinrich III. ihre endgültige Fassung.[20] Zuerst als Vertrag zur Beschränkung der königlichen Willkür und zur Wiederherstellung der feudalen Rechtsordnung gedacht, wurde sie später jedoch zum fundamentalen Grundgesetz des englischen Staates aufgewertet.[21] Die oft als erstes menschenrechtliches Dokument bezeichnete Charta verkündete keineswegs die allgemeinen Menschenrechte, sondern schützte im Wesentlichen eine bestimmte Schicht, die Barone, gegen den Rechtsmissbrauch durch ihren Feudalherren, den englischen König.[22]
[...]
[1] Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, I. „Die Grundrechte“, Artikel 1, 13
[2] vgl. Tödt, „Menschenrechte/Grundrechte“, Taschenlexikon Religion und Theologie (J-M), 250
[3] vgl. Tödt, „Menschenrechte/Grundrechte“, Taschenlexikon Religion und Theologie (J-M), 253
[4] vgl. Hilpert, Menschenrechte, in: Kasper (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Band 7, S. 123
[5] vgl. Anonymus, „Menschenrechte“, CD-Rom: Der Brockhaus multimedial 2002 premium
[6] vgl. Hilpert, Luf, „Menschenrechte“, Lexikon der Bioethik Bd. 2, 671
[7] vgl. Hilpert, Menschenrechte, in: Kasper (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Band 7, S. 120-121
[8] vgl. Höver, Menschenrechte, Menschenwürde, in: Eicher (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe 3, S. 96
[9] vgl. Hollerbach, Luf, Frowein, Huber, „Menschenrechte“, Staatslexikon Bd. 3, 1108
[10] vgl. Anzenbacher, Christliche Sozialethik, S. 60-61
[11] vgl. Hilpert, Luf, „Menschenrechte“, Lexikon der Bioethik Bd. 2, 671
[12] vgl. Höver, Menschenrechte, Menschenwürde, in: Eicher (Hrsg.), Neues Handbuch theologischer Grundbegriffe 3, S. 96
[13] vgl. Hollerbach, Luf, Frowein, Huber, „Menschenrechte“, Staatslexikon Bd. 3, 1105
[14] Hollerbach, Luf, Frowein, Huber, „Menschenrechte“, Staatslexikon Bd. 3, S. 1107, Z. 49-50
[15] vgl. Hollerbach, Luf, Frowein, Huber, „Menschenrechte“, Staatslexikon Bd. 3, S. 1107
[16] Kimminich, „Menschenrechte: von kollektiven und individuellen Rechten“, CD-Rom: Der Brockhaus multimedial 2002 premium
[17] vgl. Kimminich, „Menschenrechte: von kollektiven und individuellen Rechten“, CD-Rom: Der Brockhaus multimedial 2002 premium
[18] Hilpert, Luf, „Menschenrechte“, Lexikon der Bioethik Bd. 2, S. 672, 2. Spalte, Z. 55-58, S. 673, 1. Spalte, Z. 1-3
[19] Hilpert, Menschenrechte, in: Kasper (Hrsg.), Lexikon für Theologie und Kirche, Band 7, S. 122
[20] vgl. Anonymus, „Magna Charta“, CD-Rom: Der Brockhaus multimedial 2002 premium
[21] vgl. Anonymus, „Die Entwicklung der Grund- und Menschenrechte“, Internet: Hausarbeiten.de
[22] vgl. Kimminich, „Menschenrechte: von kollektiven und individuellen Rechten“, CD-Rom: Der Brockhaus multimedial 2002 premium
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