Mitleid wird oft als eine moralische Pflicht verstanden und Empathie als etwas, dass man gerne hätte, aber nur sporadisch erlebt - viel zu sporadisch.
Aber was sind eigentlich diese Worte? Sind es Empfindungen, Wesenszüge, Tugenden? Wie wirken sich diese auf unser Miteinander aus? Wie können wir sie anwenden oder benutzen, kann oder darf man sie benutzen? Alle diese Fragen kommen oft erst nach der Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten. Ich werde diese Fragen nicht beantworten können, aber ich will versuchen, einen tieferen Einblick in diese Begriffe zu bekommen, über die im Zeitalter der Katastrophen und Sozialen Arbeit, der Entwicklungshilfe und Massenspendenaktionen, Anonymität und Individualismus soviel gesprochen wird.
Inhalt
1 Einleitung
2 Definitionen
2.1 Empathie
2.2 Mitleid
2.3 Der Unterschied
3 Wie Mitleid und Empathie entstehen
4 Aus Erfahrung sprechen / fühlen?
4.1 Ich - Du der Empathie
4.2 Eigene Erfahrung
5 Die Schuldfrage
6 Empathie und Emotion
7 Das wer, worüber und wem
7.1 Wer kann Mitleid empfinden
7.2 Wem gegenüber man Mitleid empfindet
8 Gegenwart und Nähe
8.1 Liebe und Mitleid
8.2 Grenzen
8.3 Globales Mitleid
9 Eigengewinn
10 Schluss
11 Literatur
12 Anhang
12.1 Backster: Die Gefühle des Drachenbaums
1 Einleitung
Das Thema der Hausarbeit, "Eigenschaften und Besonderheiten von Mitleid und Empathie", habe ich gewählt, da Mitleid oft als eine moralische Pflicht verstanden wird und Empathie als etwas, dass man gerne hätte, aber nur sporadisch erlebt - viel zu sporadisch.
Aber was sind eigentlich diese Worte? Sind es Empfindungen, Wesenszüge, Tugenden? Wie wirken sich diese auf unser Miteinander aus? Wie können wir sie anwenden oder benutzen, kann oder darf man sie benutzen? Alle diese Fragen kommen oft erst nach der Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten. Ich werde diese Fragen nicht beantworten können, aber ich will versuchen, einen tieferen Einblick in diese Begriffe zu bekommen, über die im Zeitalter der Katastrophen und Sozialen Arbeit, der Entwicklungshilfe und Massenspendenaktionen, Anonymität und Individualismus soviel gesprochen wird.
Im Folgenden werde ich zur Grundlage für das Verständnis von Mitleid den Text von Aristoteles: "Gründliche Beschreibung eines gewissen Schmerzgefühls", wie er von Ulrich Kronauer herausgegeben wurde und den wir auch im Seminar behandelten, nehmen. Als Grundlage für das Verständnis, der Empathie, habe ich das Buch des Psychologen Ciaramicoli: "Der Empathie Faktor. Mitgefühl Toleranz Verständnis" ausgewählt.
In der vorliegenden Arbeit, habe ich der Einfachheit halber, eine neutrale und / oder maskuline Form verwendet. Dies soll aber den Bezug, den das Konzept für Männer und Frauen gleichermaßen hat, nicht einschränken.
2 Definitionen
2.1 Empathie
"Unter Empathie versteht man die Fähigkeit, die einzigartigen Erfahrungen des anderen zu verstehen und darauf zu reagieren."[1]
In der vorliegenden Arbeit werde ich die Wörter "Empathie" und "Einfühlung" synonym verwenden, da Empathie gleichbedeutend mit dem deutschen Ursprungswort „Einfühlen“ ist. Auch "Mitfühlen" drückt dies aus, jedoch wird dies oft auch als Synonym für Mitleid und Empathie gebraucht. Da ich aber in dieser Arbeit versuchen will, den Mitleidsbegriff von dem der Empathie zu differenzieren, sehe ich, der Einfachheit halber von dem Begriff des Mitgefühls ab.
Empathie wird als die Fähigkeit bezeichnet, sich kognitiv in einen anderen Menschen hineinzuversetzen, dessen Gefühle zu teilen und sich über sein Verstehen und Handeln klar zu werden. Der Begriff wird im deutschen Sprachraum vermehrt seit dem Ende der 60er Jahre von Psychologen, Pädagogen und Soziologen verwendet.
Die empathische Perspektivenübernahme ist eine Technik bzw. Fähigkeit aus der Sozialpsychologie, bei der man sich in die Rolle und Position eines anderen hineinversetzt und versucht, die Welt aus dessen Sicht zu sehen.
Bei empathischem Einfühlen ist wesentlich, dass der eigene Affektzustand dem Gefühlszustand der anderen Person entspricht. Dies wird dadurch ausgelöst, dass man die Perspektive der anderen Person einnimmt, um so ihre emotionalen und anderen Reaktionen begreifen zu können.[2]
Das Konzept der Einfühlung wurde vor allem von dem Psychologen Carl Rogers ab 1940 in der von ihm entwickelten Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie entwickelt.
Darunter wird auch die Fähigkeit verstanden, auf andere Werthaltungen und Normen einzugehen, damit neue soziale Rollen angenommen werden können. [3] Da es gerade in der Pädagogik darum geht, die unterschiedlichsten Menschen, unterschiedlichster Herkunft verstehen zu lernen, ist die Empathie eine wichtige Fähigkeit, die in sozialpädagogischen Berufen beachtet und beherrscht werden sollte.
2.2 Mitleid
"Mitleid bedeutet die Teilnahme am Unglück anderer und die hieraus entspringende Bereitwilligkeit, den Leidenden zu helfen."[4]
Nach Schopenhauer ist das Mitleid die einzige moralische Triebfeder, die Quelle aller freien Gerechtigkeit und aller echten Menschenliebe.[5] Nach Nietzsche taugt das Mitleid bekanntlich gar nichts.
Eine große Rolle in der Erörterung der ästhetischen Frage vom Wesen des Tragischen hat die Definition des Mitleids, die Aristoteles gibt gespielt:
"Es sei Mitleid die Trauer über ein sichtbares, verderbliches und leidbringendes Übel, das jemand trifft, der es nicht verdient, und von dem man wohl vermuten könnte, daß man selber oder daß einer unserer Angehörigen es erleiden könnte, besonders wenn es nahe erscheint."[6]
Aristoteles gibt eine akribisch genaue Erklärung von Mitleid, die auch immer wieder in modernen Arbeiten bestätigt und übernommen wird.
2.3 Der Unterschied
Mitleid, Mitgefühl, Empathie, Einfühlungsvermögen – die Begrifflichkeiten lassen sich nicht exakt bestimmen.
Die Literaturwissenschaftlerin und Philosophin Käte Hamburger hat 1985 eine provokative Analyse veröffentlicht: Mitleid – die Struktur der Distanz.[7]
Sie beschreibt darin, wie Empathie eine angeborene Fähigkeit ist, die uns dazu veranlasst, aus Mitleid und Altruismus zu handeln. Mitgefühl ist hier eine Emotion, es ist die passive Erfahrung, Angst, Kummer, Wut oder Freude eines anderen Menschen zu teilen. Mitgefühl bedeutet, dass wir mitleiden oder mitempfinden. Einfühlung bedeutet, dass wir uns hineinversetzen. Käthe Hamburger unterscheidet die Begriffe zwar auch, sie benutzt sie aber anders als sie in der vorliegenden Arbeit definiert sind.
So führt die Fähigkeit der Empathie hiernach zum Mitleid, was uns zum handeln bewegen soll. Jedoch hat Empathie noch eine andere Funktion, als die Minderung des Leids. Empathie ist auch und vielleicht vor allem, eine Erfahrung, die zwei Menschen verbindet. Alleine durch diese Erfahrung, ist das Handeln meist schon vollzogen.
Im Neuen Testament wird von diesem Prinzip der Einfühlung immer wieder gesprochen. Im Römerbrief des Paulus heißt es:
"Freut euch mit den sich Freuenden, weint mit den Weinenden!" [8]
Es geht hier wohl eher um das Dienen am inneren Menschen und nicht so sehr um das Tun. Daraus wird auch der Sinn der Nächstenliebe deutlich, welche sich nicht notwendigerweise durch aktives Handeln oder Helfen ausdrücken muss.
Um die Unterscheidung zwischen Mitgefühl und Empathie noch einmal klarer zu beschreiben, hilft folgender Vergleich von Arthur Ciaramicoli:
"Diese Unterscheidung entspricht am ehesten dem Bild, ob wir Öl und Wasser oder ob wir Wasser und Milch miteinander mischen.
Beim Mitgefühl sind sich Öl und Wasser ganz nahe, berühren sich und wirken wechselseitig aufeinander ein, behalten aber immer ihre jeweilige Identität - zwei Menschen begegnen sich mit ihren jeweiligen Erfahrungen. Bei der Einfühlung vermischen sich Wasser und Milch derart, dass jedes zum anderen wird und sie gemeinsam ein ganzes Bilden - zwei Menschen machen beide eine gemeinsame Erfahrung."[9]
Empathie konzentriert sich auf den anderen und will diesem das Gefühl vermitteln, vollkommen verstanden zu werden. Mitleid geht zurück auf die Vergangenheit und drückt auf der Basis vertrauter Erfahrungen ein allgemeines Gefühl des Verstehens aus. Einfühlung konzentriert sich auf die Gegenwart bzw. auf das, was im Moment geschieht. Mitgefühl erlaubt uns hingegen mit den Menschen mitzuleiden, ohne ihnen zu nahe zu kommen. "Mir tun die Menschen im Tsunami Gebiet so leid." ist eine mitfühlende Äußerung, die sich auf ein allgemeines Verständnis des Geschehens in der Welt stützt. "Ich verstehe was Du durchmachst." oder "Ich weiß genau was du empfindest.", sagen wir zu unseren Freunden, wenn sie uns von Enttäuschungen erzählen. Die Einfühlung jedoch versteht, dass man nicht sofort wissen kann, was der andere fühlt, weil man nicht der andere ist. Die Empathie versucht also tiefer zu gehen, mit interessierter Aufmerksamkeit zuzuhören. Zu verstehen, sich einzumischen und, wenn auch nur für einen kurzen Augenblick, die Last des anderen zu teilen.
Der folgende Brief wurde von einer krebskranken Frau geschrieben, nachdem sie viele negative Erfahrungen mit Menschen gemacht hatte, die nicht wussten wie sie mit ihrer Krankheit umgehen sollten. Er drückt sehr gut aus, was die Rolle der Tröstenden sein kann.
3 Wie Mitleid und Empathie entstehen
Jean Jacques Rousseau hat 1763 in seinem Werk "Emile - oder über die Erziehung"
beschrieben, wie Mitleid und Mitgefühl entsteht.
"Mit sechszehn Jahren weiß ein Jüngling, was leiden heißt, denn er hat schon selbst
gelitten, aber kaum weiß er etwas vom Leiden anderer Wesen. Denn Leiden sehen,
ohne sie zu fühlen, heißt nicht, Leiden zu kennen. Um mitfühlend und mitleidig zu
werden, muss ein Kind erfahren, dass es andere gibt, die – ähnlich ihm selbst – das
leiden können, was es selbst erlitten hat. In der Tat, wie sollten wir anders vom Mitleid bewegt werden, indem wir also unser eigenes Wesen verlassen und das seinige annehmen? Wir leiden nur soviel, als es nach unserer Meinung leidet; nicht in uns, sondern in ihm leiden wir. So wird also niemand ein mitfühlender Mensch, bevor er nicht genug Phantasie besitzt, sich aus sich selbst heraus zu versetzen."[10]
Rousseau benutzt hier die Begriffe "mitfühlen und mitleiden" synonym. Kinder, damals wie heute, entwickeln schon früh die Fähigkeit des Mitleides, wenn sie, wie Rousseau treffend bemerkt, fähig sind die "Phantasie" zu entwickeln.
"Was wir im Leben sehen, spiegeln wir wieder, und unsere Empathie wächst oder schrumpft in Reaktion auf unsere frühen Begegnungen."[11]
Wenn Kinder von Eltern keine Einfühlung erfahren haben, wenn ihnen nicht zugehört wurde, wenn sie erzählten, aber sich ihr Gegenüber nicht mit ihnen gefreut oder getrauert hat, hören sie langsam auf Gefühle auszudrücken. Durch die Spiegelung der Erwachsenen, lernen Kinder sich selbst kennen. Wenn dies nicht geschieht, können Kinder nicht erkennen, ob das Bild das sie sehen, schief ist.
Sie glauben dann deshalb, dass die Spiegelung echt ist, sodass sich ihr Selbstbild den Sprüngen anpasst, die sie im Spiegel sehen. Ist der Spiegel, in den sie schauen hingegen klar und unverzerrt, sehen sie sich, wie sie wirklich sind.
So wird entweder die akzeptierende Stimme der Mutter zu ihrer eigenen und die Kinder lernen so, dass sie Fürsorge verdienen oder eben das Gegenteil. Fühlen sie sich ungeliebt oder werden ihre Gefühle ständig ignoriert, wissen sie nicht wie sie sich selbst Linderung verschaffen können. Weil sie nicht gelernt haben, sich um sich Selbst zu kümmern.
Es wird ihnen dann auch schwer fallen, sich um andere zu kümmern oder sich in andere einzufühlen. Sie spiegeln die Vernachlässigung und die Unaufmerksamkeit wieder, die ihnen entgegen gebracht wurde.[12]
Zu lernen, sich Selbst zu schätzen und seinen Instinkten zu vertrauen, ist der Prozess den Carl Rogers die Entwicklung der Persönlichkeit nennt.
Da viele Kinder diese Spiegelung der Eltern nie erfahren haben, hat Rogers in der Klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie eine Methode entwickelt, die dem Erwachsenen hilft, durch einfühlendes Zuhören und durch eine Atmosphäre der uneingeschränkten Akzeptanz sowie durch das Fehlen von Moralisierung und Kritik diese Fähigkeit wieder neu zu entwickeln und zu erkennen, dass die Bewertungsinstanz in ihm selbst liegt.
Er baut durch den neuen Zugang zu sich selbst, dann auch wieder den Zugang zu anderen auf, welches in Menschen, die von ihren Emotionen abgeschnitten waren, die weder sich selbst noch andere spüren konnten, langsam wieder die Fähigkeit zur Empathie weckt.[13]
[...]
[1] Ciaramicoli 2001, S. 13
[2] Vgl.: http://de.wikipedia.org/wiki/Empathie [Stand: 09.08.2006]
[3] Rogers 1979.
[4] Kirchner 1907.
[5] Schopenhauer 1788-1860.
[6] Kirchner 1907.
[7] Hamburger 1985.
[8] Die Heilige Schrift 1982. Römer 12,15
[9] Ciaramicoli 2001, S.106/107.
[10] Rousseau 1991.
[11] Ciaramicoli 2001, S. 50
[12] Vgl.: Ciaramicoli 2001, S. 50 ff.
[13] Vgl.: Rogers 1979
- Quote paper
- Tanja Manthey-Gutenberger (Author), 2006, Eigenschaften und Besonderheiten von Empathie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63405
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