1 Einleitung
"AIDS is the deadliest enemy Africa ever faced"1, betonte G. W. Bush vor gut drei Jahren am 10. Juli 2003 in Gaborone, Südafrika. Andere sehen, vor dem Hintergrund das HIV/AIDS die Gesellschaften dazu bringen wird, eine andere Entwicklung zu gehen als sie eigentlich gegangen wären, Parallelen zur Pestepidemie im 14. Jahrhundert in Europa, da sie ebenfalls vielen Millionen Menschen das Leben gekostet hat.2 Wenn auch nach Ausbruch der Krankheit die Betroffenen beider Krankheiten wissen, dass der Tod unweigerlich eintreten wird, besteht der grundsätzliche Unterschied zur Pest jedoch darin, dass das Fortschreiten der Krankheit von der Ansteckung bis zum Tod wesentlich länger dauert, woraus sich das Gefühl und die Einstellung der Machtlosigkeit und Resignation herleiten.
Wenn immer es sich um Katastrophen eines solchen Ausmaßes handelt, werden von den einen schnell Vergleich herangezogen, die anderen scheuen gerade davor zurück, da es sich um unvorstellbare "Größen" handelt.
Das gesamte Ausmaß der HIV/AIDS Epidemie in Afrika zu beschreiben oder gar zu messen wäre allein schon aufgrund der Schwere des menschlichen Leids unmöglich und in jeder Form unangemessen. Die Feststellung jedoch, dass es in der modernen Zeit keine mit der AIDS Pandemie vergleichbaren gesellschaftlichen Katastrophen und den daraus resultierenden, in alle gesellschaftliche Bereiche strahlenden Langzeitauswirkungen gab, ist sicherlich berechtigt.3
Die Epidemie spielt sich nicht isoliert ab, sondern hat weit reichende politische, soziale und ökonomische Folgen, wobei sich die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche wechselseitig beeinflussen. Gründe, sich mit diesen Auswirkungen zu beschäftigen, gibt es ebenso zahlreich,4 wie die vielschichtigen Folgen der HIV/AIDS Epidemie selbst. [...]
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Themenspezifische Definitionen
1.1.1 Fehlzeiten
1.1.2 Morbidität
1.1.3 Arbeitsproduktivität
1.2 Die Relevanz des Themas im Hinblick auf die
südafrikanischen Volkswirtschaften
1.3 Die Problemstellung
1.4 Aufbau der Arbeit
2 Überblick über die HIV-Epidemie im südlichen Afrika
2.1 Die am stärksten betroffenen Länder
2.1.1 Botswana
2.1.2 Swaziland
2.1.3 Südafrika
2.2 Entscheidende Faktoren für die Höhe der HIV-Rate
2.2.1 Demografische Faktoren
2.2.2 Soziale Faktoren
2.2.3 Branchenspezifische Faktoren
3 Darstellung der multidimensionalen finanziellen Auswirkungen
von HIV/AIDS in Unternehmen
4 Produktivitätsverlust aufgrund von auf HIV/AIDS basierenden Fehlzeiten und
krankheitsbedingter verringerter Leistungsfähigkeit am Arbeitsplatz
4.1 Grundlegende Gesichtspunkte im Hinblick auf die ökonomische Wertigkeit
4.2 Fehlzeiten
4.3 Produktivitätsrückgang durch Morbidität
4.3.1 Direkte Morbidität
4.3.2 Indirekte Morbidität
5 Ausgewählte empirische Beispiele
5.1 Gesetzliche Bestimmungen und Problematik bezüglich
der empirischen Daten
5.2 Mehrkosten durch höhere Fehlzeitenquote
5.3 Rückgang des Outputs aufgrund geringerer Leistungsfähigkeit
6 Mögliche Zukünftige Entwicklungen und Handlungsspielräume
6.1 HIV/AIDS als Risiko für eine Nicht-Ausdifferenzierung
der Arbeitsteilung
6.2 Handlungsspielräume
Literaturverzeichnis
Anhang
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Abb. 2.1: National trends in HIV prevalence (1990-2000)
Abb. 2.2: HIV-Infiziertenrate (in %) in Botswana, 1990-2010
Abb. 2.3: Beispiele der geschätzten Auswirkungen von AIDS
auf den Wirtschaftswachstum zwischen 1992 und 2000
Abb. 3.1: Schematische Darstellung aller auf HIV/AIDS basierten Kosten
für ein Unternehmen
Abb. 4.1: Altersspezifische Mortalität bei einer durchschnittlichen
HIV-Infiziertenrate von 20 %
Tab. 2.1: Regionalstatistik für HIV/AIDS Ende 2005
Tab. 2.2: HIV-Infiziertenrate der Frauen in pränatalen Kliniken im Jahr 2000
Tab. 5.1: Total work years lost
1 Einleitung
"AIDS is the deadliest enemy Africa ever faced"[1], betonte G. W. Bush vor gut drei Jahren am 10. Juli 2003 in Gaborone, Südafrika. Andere sehen, vor dem Hintergrund das HIV/AIDS die Gesellschaften dazu bringen wird, eine andere Entwicklung zu gehen als sie eigentlich gegangen wären, Parallelen zur Pestepidemie im 14. Jahrhundert in Europa, da sie ebenfalls vielen Millionen Menschen das Leben gekostet hat.[2] Wenn auch nach Ausbruch der Krankheit die Betroffenen beider Krankheiten wissen, dass der Tod unweigerlich eintreten wird, besteht der grundsätzliche Unterschied zur Pest jedoch darin, dass das Fortschreiten der Krankheit von der Ansteckung bis zum Tod wesentlich länger dauert, woraus sich das Gefühl und die Einstellung der Machtlosigkeit und Resignation herleiten.
Wenn immer es sich um Katastrophen eines solchen Ausmaßes handelt, werden von den einen schnell Vergleich herangezogen, die anderen scheuen gerade davor zurück, da es sich um unvorstellbare "Größen" handelt.
Das gesamte Ausmaß der HIV/AIDS Epidemie in Afrika zu beschreiben oder gar zu messen wäre allein schon aufgrund der Schwere des menschlichen Leids unmöglich und in jeder Form unangemessen. Die Feststellung jedoch, dass es in der modernen Zeit keine mit der AIDS Pandemie vergleichbaren gesellschaftlichen Katastrophen und den daraus resultierenden, in alle gesellschaftliche Bereiche strahlenden Langzeitauswirkungen gab, ist sicherlich berechtigt.[3]
Die Epidemie spielt sich nicht isoliert ab, sondern hat weit reichende politische, soziale und ökonomische Folgen, wobei sich die einzelnen gesellschaftlichen Bereiche wechselseitig beeinflussen. Gründe, sich mit diesen Auswirkungen zu beschäftigen, gibt es ebenso zahlreich,[4] wie die vielschichtigen Folgen der HIV/AIDS Epidemie selbst.
"HIV/AIDS destroys human capital built up over years and weakens the capacity of workers to produce goods and services for the economy."[5] Diese Aussage spiegelt das zentrale Thema dieser Arbeit wieder, die somit zu den ersten wissenschaftlichen Arbeiten in deutscher Sprache gehört, welche sich mit dem Produktivitätsverlust aufgrund von HIV/AIDS im südlichen Afrika beschäftigt. Dabei soll die Problematik besonders aus Sicht des Unternehmers betrachtet werden, denn wenn auch es noch zahlreiche andere Perspektiven gibt,[6] würden diese den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Der durch die HIV-Infektion verursachte Krankenstand ist für Betriebe und Verwaltungen und deshalb auch für die gesamte Volkswirtschaft ein beachtlicher Kostenfaktor, da die Höhe des Krankenstandes sich unmittelbar auf die Produktivität auswirkt.[7] Die Produktivität korreliert wiederum unmittelbar mit dem Wohlstand der jeweiligen Gesellschaft.
1.1 Themenspezifische Definitionen
Bereits während des ersten Weltkriegs befassten sich Loveday und Vernon mit der Problematik des industriellen Absentismus in den englischen Munitions- und Rüstungsbetrieben. In den darauf folgenden Jahren, die in den meisten Industriestaaten von hohen Arbeitslosenzahlen geprägt waren, rückte die Thematik in den Hintergrund, doch mit dem Ende des zweiten Weltkriegs und dem Beginn der Vollbeschäftigung, bedingt durch den Mangel an Arbeitskräften, gewann die Thematik wieder an Relevanz.[8]
Die wissenschaftliche Diskussion bezüglich der Fehlzeitenproblematik in den westlichen Industriestaaten beschäftigte sich jedoch nie mit Fehl- und Ausfallzeiten aufgrund einer flächendeckenden Epidemie.
Empirische Arbeiten bezüglich steigender Fehlzeiten aufgrund von HIV/AIDS in Afrika gibt es verschiedene, doch berücksichtigen sie, bis auf die Studien von Rosen, Feeley und Whiteside, nicht die hohen themenspezifischen Anforderung an die Methodologie, um die Ergebnisse klar interpretieren zu können.[9] Rosen und Feeley sind beide tätig für das Center for International Health and Development der Boston University School of Public Health.[10]
In deutscher Sprache gibt es bisher jedoch keinerlei wissenschaftliche Abhandlungen zu diesem speziellen Teilbereich der Fehlzeitenforschung, was es unerlässlich macht, die zentralen Begriffe eingehend zu definieren. Hierbei ist eine nahezu völlige Loslösung von bisherigen Definitionen nötig, da es sich um die betrieblichen Ausfallzeiten aufgrund von HIV/AIDS handelt und nicht um, wie in den bisherigen Arbeiten in deutscher Sprache, generelle Ausfallzeiten, welche in einem wesentlich höheren Maße von unmittelbar beeinflussbaren Faktoren wie zum Beispiel der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle oder der Höhe des Verdienstes abhängen.
1.1.1 Fehlzeiten
In der Literatur, die sich mit betrieblichen Fehlzeiten, ihren Auswirkungen und Motiven beschäftigt, wird der Begriff Fehlzeit häufig unterschiedlich definiert.[11] Dies mag zum einen daran liegen, dass kein einheitliches Verständnis des Begriffs der Fehlzeit existiert, zum anderen daran, dass, je nach der Thematik, in deren Zusammenhang der Begriff Verwendung findet, ihm auch eine unterschiedliche Bedeutung zukommt und zukommen muss.
Da sich diese Arbeit mit dem sehr speziellen, noch kaum behandelten Aspekt der gesundheitlichen und psychischen Folgen von HIV/AIDS im Rahmen von betrieblichen Fehlzeiten beschäftigt, muss der Fehlzeitenbegriff eigens definiert werden. In der Literatur werden die allgemeinen Fehlzeiten[12] häufig in Krankenstand und Absentismus untergliedert, was jedoch für diese Arbeit aus inhaltsspezifischen Gründen nicht korrekt ist.
Hier beschreibt der Begriff Fehlzeiten die Teilmenge der gesamten Ausfallzeiten, in denen der Mitarbeiter aus gesundheitlichen Gründen, basierend auf einer HIV/AIDS Erkrankung, seinen Arbeitsverpflichtungen nicht nachkommen kann. Dabei gilt die medizinische Definition von Krankheit: "Jeder regelwidrige körperliche oder geistige Zustand"[13].
Da das Fernbleiben vom Arbeitsplatz aber entweder aus einer direkten Betroffenheit des Arbeitnehmers, also der eigenen Erkrankung durch HIV/AIDS und damit zusammenhängenden Symptomen oder der indirekten Betroffenheit, wie beispielsweise der Erkrankung der Kinder oder nahen Verwandten[14] resultieren kann, muss der Fehlzeitenbegriff im Hinblick auf die HIV/AIDS-Problematik in direkte Fehlzeiten und indirekte Fehlzeiten untergliedert werden.
1.1.2 Morbidität
Der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Morbidität leitet sich von dem englischen Wort 'Morbidity' ab, das sich in der englischsprachigen Literatur bezüglich der Thematik als sehr trefflich bewährt hat.[15]
Morbidität lässt sich auf morbid zurückführen und bedeutet im Bezug auf den körperlichen Zustand kränklich, krankhaft. Im Hinblick auf den inneren, moralischen Zustand steht es für brüchig, im Verfall begriffen.[16]
So wie der Begriff Fehlzeiten in direktem, beziehungsweise indirektem Zusammenhang mit einer HIV/AIDS Erkrankung steht, ist mit Morbidität auch immer die Schwächung, Kränkelung aufgrund einer HIV/AIDS Erkrankung gemeint.
Des Weiteren ist aber auch hier die Untergliederung in direkte und indirekte Morbidität nötig, um die einzelnen Aspekte der gesamten Problematik treffend darstellen und differenzieren zu können. Unter der direkten Morbidität ist die Krankhaftigkeit eines an HIV/AIDS erkrankten Mitarbeiters zu verstehen, also nach der oben angeführten Definition auf den körperlichen Zustand des Arbeiters, welcher jedoch nach wie vor noch am Arbeitsplatz erscheint. Auf die verschiedenen möglichen Gründe für sein morbides Erscheinen am Arbeitsplatz wird im vierten Kapitel näher eingegangen. Indirekte Morbidität hingegen steht für den durch Demotivierung bedingten Produktivitätsrückgang aufgrund der subjektiven Wahrnehmung von HIV/AIDS sowie gruppendynamischer Prozesse, bezieht sich so also auf den inneren, moralischen Zustand.
1.1.3 Arbeitsproduktivität
Unter Arbeitsproduktivität ist die Produktionsmenge je Arbeiter (Pro-Kopf-Arbeitsproduktivität) oder je Arbeitsstunde (Arbeitsproduktivität je Stunde) gemeint. Ein Produktivitätsverlust aufgrund von Fehlzeiten und Morbidität bedeutet somit auch immer im Bereich der Produktion eine Kostensteigerung, da der Output sinkt, die Ausgaben für Nebenkosten und Instandhaltung der Anlagen sowie die Gehälter jedoch gleich bleiben oder sogar noch steigen, da eine Knappheit der Arbeitskräfte zu höheren Löhnen führt.[17]
1.2 Die Relevanz des Themas im Hinblick auf die südafrikanischen Volkswirtschaften
Aufgrund des Ausmaßes der HIV/AIDS-Epidemie im südlichen Afrika haben die Auswirkungen eine enorme Tragweite erreicht und es ist unmöglich, die Wechselwirkungen zwischen den Folgen auf menschlicher, sozialer und wirtschaftlicher Ebene in ihrem Ganzen aufzuzeigen.
Die Relevanz dieses Themas ist primär die ökonomische Situation der Staaten im südlichen Afrika. Wenn auch die meisten Modelle von eher geringen Auswirkungen von HIV/AIDS auf die Volkswirtschaften ausgehen, sie liegt bei minus 0.2 bis minus 1.4 % pro Jahr auf das Bruttoinlandsprodukt, sind die wirtschaftlichen Folgen über einen längeren Zeitraum jedoch signifikant.[18] Dabei sind jedoch nur die bisherigen mit HIV/AIDS in Verbindung zu bringenden Folgen berücksichtigt, wobei aufgrund des Verlaufs der Immunschwäche und ihrer Symptome die Folgen der jetzigen verheerenden HIV-Infiziertenrate zeitlich versetzt erst in acht Jahren auftreten werden. Zudem ist es, wie immer wieder in dieser Arbeit erläutert wird, unmöglich, alle Auswirkungen und Folgen zu kalkulieren.
Wie soll zum Beispiel ermittelt werden, welche Investitionen aufgrund der angesprochenen Entwicklung ausbleiben, wo doch Faktoren wie Arbeitsmoral, Konkurrenzfähigkeit, Fehlzeiten und Kranken- und Karenztage eine wichtige Rolle in der Diskussion um Wirtschaftsstandorte und Investitionen spielen[19]. Die erhöhten globalen Herausforderungen bezüglich der Preise und Qualität der Produkte setzt, wenn man sich dieser Herausforderung stellen will, eine optimierte Produktivität voraus und um wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht ein Unternehmen gesunde und leistungsfähige Mitarbeiter[20].
Wenn jedoch aufgrund der HIV/AIDS-Problematik die Unternehmen und Betriebe im südlichen Afrika zunehmend im globalen Wettbewerb unterlegen sind, werden die Volkswirtschaften gelähmt und dies wird sich wiederum unmittelbar auf Wachstum, Entwicklung und Armutsbekämpfung auswirken.
1.3 Die Problemstellung
Die Problematik der betrieblichen Ausfallzeiten hat aufgrund der HIV/AIDS-Epidemie in Afrika und ihrer Auswirkungen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer eine neue Dimension bekommen. Neben den steigenden Fehlzeiten in den Unternehmen haben sich vor allem die Einfluss- und Handlungsmöglichkeiten aus Unternehmersicht drastisch verschoben, da die auf HIV/AIDS basierenden Ausfallzeiten ein grundlegendes, nicht direkt und unmittelbar beeinflussbares Problem darstellen. Anders die Problematik des industriellen Absentismus in den westlichen Industrieländern, welche schon sehr eingehend und ausführlich wissenschaftlich untersucht wurde. Hier gibt es zahlreiche Mechanismen, derer sich ein Unternehmer bedienen kann, um den Absentismus positiv zu beeinflussen.[21]
Neben den betrieblichen Fehlzeiten aufgrund von HIV/AIDS gibt es aber noch ein weiteres, der genannten Problematik verwandtes Phänomen: Die Morbidität am Arbeitsplatz aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen der Arbeitnehmer. Zwar kennt die klassische Fehlzeiten- und Absentismusdiskussion die Problematik des Produktivitätsverlustes, doch auch hier lag bisher immer die Motivation der Arbeitnehmer im Vordergrund und nicht die Physis der betroffenen Arbeitnehmer.
Um eine Grundlage in der noch sehr jungfräulichen Diskussion über die auf HIV/AIDS basierende Fehlzeiten- und Morbiditätsproblematik zu schaffen, muss zunächst einmal die Frage beantwortet werden: Was sind die spezifischen Ausprägungen und Folgen der HIV/AIDS-Bedingten Fehlzeiten und Morbidität und inwiefern lassen sie sich aus Unternehmersicht direkt beeinflussen.
1.4 Aufbau der Arbeit
Das Thema wird in insgesamt sechs Kapiteln bearbeitet, wobei das erste Kapitel die Einleitung und vor allem die grundlegenden Definitionen beinhaltet. Das zweite Kapitel soll das im allgemeinen völlig unterschätzte Ausmaß der HIV/AIDS-Epidemie in Afrika verdeutlichen. Dabei stehen vor allem die besonders stark betroffenen Länder im Mittelpunkt, jedoch nicht aus Gründen plakativer Verdeutlichung der Verbreitung, sondern weil die übrigen Länder des südlichen Afrikas, vorausgesetzt die HIV-Prävention rückt auch in Zukunft nicht in den Mittelpunkt der Politik und des gesellschaftlichen Diskurses, eine ähnliche Entwicklung zu erwarten haben, wobei schon jetzt die sieben Länder mit der weltweit höchsten HIV-Infiziertenrate[22] zum südlichen Afrika gehören.[23]
Das dritte Kapitel soll einen Überblick über die finanziellen Belastungen durch HIV/AIDS in den Organisationen geben, um die Frage des Produktivitätsverlusts durch Fehlzeiten und Morbidität besser einordnen zu können.
Im vierten Kapitel wird gezielt auf die Problemstellung der Arbeit eingegangen. Hierzu werden verschiedene Plausibilitätsannahmen verwendet, die jedoch durch Erfahrungsberichte und wissenschaftliche Erkenntnisse gestützt werden.
Durch die im fünften Kapitel vorgestellten verschiedenen empirischen Studien zum Thema wird die Kernaussage des vierten Kapitels zum einen untermauert, aber auch die Ausgangshypothese, dass die HIV/AIDS-Epidemie im südlichen Afrika signifikante finanzielle Auswirkungen auf die Unternehmen hat, bestätigt.
Im abschließenden sechsten Kapitel werden zunächst verschiedene denkbare Entwicklungen Afrikas beschrieben, bevor abschließend eine provokante These aufgestellt wird. Der letzte Abschnitt behandelt erneut die Möglichkeiten aus Unternehmersicht, durch welche sich die durch den Produktivitätsverlust verursachten Kosten vermindern lassen und wie sich die Ausbreitung von HIV/AIDS durch die Kooperation von Politik und Unternehmen beschränken lässt.
Generell liegt der Arbeit ein deduktives Verfahren zugrunde, besonders in der Betrachtung der Fehlzeiten und Morbidität, da es, wie die wenigen empirischen Untersuchungen bestätigen, auf diesem Gebiet nach wie vor ein schwerwiegendes Methodenproblem gibt. Wenn zunächst einmal die grundlegenden themenspezifischen Aspekte, Probleme und Herausforderungen klar definiert und erläutert sind, wäre eine Grundlage für qualitativ hochwertige empirische Erhebungen gegeben.
2 Überblick über die HIV-Epidemie im südlichen Afrika
Als im Juni 1981 in Kalifornien/USA der erste Fall einer Krankheit gemeldet wurde, welche später als AIDS bezeichnet werden sollte, waren zwei der ersten fünf offiziellen Patienten bereits tot. Es handelte sich um fünf Homosexuelle, die sich mit dem HI-Virus angesteckt hatten.[24] Es dauerte keine 20 Jahre, bis jedes Land der Erde von dieser Krankheit betroffen war. Heute beobachten wir, dass das Ausmaß sowie die Gründe für die Ansteckung mit HIV regional sehr unterschiedlich sein können.
In Nordamerika und Europa sind primär Homosexuelle und i.V.-Drogenabhängige von der Krankheit betroffen, während in anderen Regionen der Welt, darunter auch Afrika, die Übertragung zwischen heterosexuellen Geschlechtspartner dominiert.[25]
Anhand moderner Aidsanalysen geht man heute davon aus, dass der Erreger zum ersten Mal in Afrika in den 20er und 30er Jahren des 20. Jahrhunderts von Affen auf den Menschen übertragen wurde. Die älteste nachgewiesene HIV-Infektion stammt aus dem Jahr 1959. Sie wurde in dem Blut eines Afrikaners nachgewiesen.[26]
Die Einschätzungen Ende der 80er Jahre, dass sich die Bekämpfung der AIDS-Epidemie angesichts der schon damals geschätzten fünf bis zehn Millionen Infizierten als sehr schwierig gestalten sollte, wird durch die heutigen Zahlen unterstützt.[27]
Seit dem ersten bekannt werden der Krankheit hat sich das Virus am stärksten in den ärmeren Regionen der Welt ausgebreitet, wobei Afrika, besonders die Länder südlich der Sahara, am schlimmsten betroffen sind.[28] Seit 1980 sind 19 Millionen Afrikaner an der Immunschwächekrankheit gestorben, 13 Millionen Kinder in Afrika sind aufgrund von HIV/AIDS entweder Halb- oder sogar Vollwaise. Auf dem afrikanischen Kontinent leben etwa 10 % der Weltbevölkerung, jedoch 95 % der AIDS-Waisen, sowie 70 % der mit HIV-Infizierten. Der Anteil Afrikas an den AIDS-Toten der gesamten Welt beträgt 83 %.[29]
2.1 Die am stärksten betroffenen Länder
Noch vor zehn bis 15 Jahren waren die HIV-Infiziertenraten in Zentral- und Westafrika am höchsten. Konsultiert man Bücher, welche in dieser Zeit, Anfang der 90er Jahre, geschrieben wurden, stellt man fest, dass die Mediziner sowie Sozialwissenschaftler nicht davon ausgingen, dass sich die HIV-Epidemie auch im südlichen Afrika so rasant ausbreiten wird. Alan Whiteside, heute Direktor und Professor von HEARD der Universität KwaZulu-Natal in Durban, schrieb 1993: "Generally, however, the incidence is very much lower, and in South Africa and Lesotho it is among the lowest on the continent."[30]
Bongaarts und Way prognostizierten nach langen und eingehenden Recherchen anhand der ihnen verfügbaren Daten, dass die maximale HIV-Infiziertenrate im Jahr 2000 die 21 % nicht überschreiten würde.[31] Zwar gingen beide von einer stark ansteigenden Infiziertenrate aus, doch unterschätzten sie nach wie vor nicht nur die Ausbreitung der Pandemie in Zentral- und Westafrika, sondern sie ließen auch vollkommen außer acht, das sich die Epidemie auch nach Süden ausbreiten könnte. In den letzten 15 Jahren hat sich das Immunschwächesyndrom jedoch gerade im südlichen Afrika rasend ausgebreitet.[32]
Bedenkt man, dass es inzwischen schon Länder gibt, die seit Mitte der 80er Jahre erfolgreich gegen die HIV-Seuche ankämpfen, wie beispielsweise Uganda, dann könnte man zu dem Schluss kommen, dass die Länder im südlichen Afrika von den Erfahrungen im Umgang mit der Immunschwäche und der erfolgreichen Bekämpfung der Epidemie profitieren können und die Gefahr, die von HIV/AIDS ausgeht, weitgehend gebannt werden kann. Sicherlich kann und muss sich die Präventionspolitik der Länder im südlichen Afrika auch an den von Erfolg gekrönten Präventivmaßnahmen anderer Länder orientieren, doch muss auch bedacht werden, dass die einzelnen Gesellschaften mit ihren Traditionen untereinander sehr unterschiedlich sind, sodass ein Vergleich eins zu eins nicht möglich ist.[33]
[...]
[1] Vgl. Bush (2003).
[2] Vgl. MacFarlan/Sgherri (2001), S. 4.
[3] Vgl. Cross/Whiteside (1993), S. vii.
[4] Vgl. Barnett/Whiteside (2006), S. 172.
[5] Vgl. o.V. (2004), S. 15.
[6] Vgl. Becker (1967), S. 9 f.
[7] Vgl. Kohler (2002), S. 3.
[8] Vgl. Eberhard (1965), S. 9 f.
[9] Vgl. Rosen (2004), S. 317.
[10] Vergleiche Rosen, Sydney: The cost of HIV/AIDS to businesses in southern Africa (2004), HIV/AIDS and the Private Sector in Africa: Impact and Responses (2006), Feeley, Frank: The Impact of HIV/AIDS on Produktivity and Labor Costs in Two Ugandan Corporations (2004).
[11] Vgl. Schnabel (1997), S. 5.
[12] Im Folgenden unterscheide ich die themenspezifischen HIV/AIDS-Bedingten Fehlzeiten von den allgemeinen Fehlzeiten. Allgemeine Fehlzeiten beinhalten alle Ausfallzeiten durch beispielsweise Kur, Urlaub, Krankheit etc.
[13] Vgl. Thalmeier (2002), S. 20.
[14] Vgl. ebd.
[15] Vergleich dazu u.a. United Nations (2004).
[16] Vgl. Wermke (2001), S. 650.
[17] Vgl. Ahwirgeng-Obeng/Akussah (2003), S. 12.
[18] Vgl. Zaba (2004), S. 6.
[19] Vgl. Jaufmann/Pfaff (2000), S. I.
[20] Vgl. Brandenburg (1998), S. 83.
[21] Vergleiche beispielsweise Nieder (1979).
[22] Botswana, Lesotho, Namibia, Sambia, Simbabwe, Südafrika und Swaziland.
[23] Vgl. United Nations (2004), S. 25.
[24] Vgl. Missionsärztliches Institut Würzburg (o.J.), S.1.
[25] Vgl. Bongaarts/Way (1989), S.3.
[26] Vgl. Missionasärztliches Institut Würzburg (o.J.), S.3.
[27] Vgl. Bongaarts/Way (1989), S.3.
[28] Siehe Anhang, Tab. 2.1.
[29] Vgl. Anarfi (2002), S.7.
[30] Vgl. Whiteside (1993), S.7.
[31] Vgl. Bongaarts/Way (1989), S.24.
[32] Siehe Anhang, Abb. 2.1.
[33] Vgl. Southall (1993), S. 61.
- Citation du texte
- Amadeus Müller-Daubermann (Auteur), 2006, Die HIV/AIDS-Epidemie im südlichen Afrika - Auswirkungen auf die Arbeitsproduktivität aus Unternehmersicht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63400
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