In der jüngeren Vergangenheit hatte der BGH aufgrund dreier obergerichtlicher Entscheidungen, die Zulässigkeit sog.
Hinauskündigungsklauseln bei Manager- und Mitarbeitermodellen im GmbH-Recht zu beurteilen. Im Kern bestätigte der BGH seine bisherige Rechtsprechungslinie, wonach Hinauskündigungsklauseln
grundsätzlich nach § 138 I nichtig sind, soweit sie nicht wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt sind. In seinen Entscheidungen erklärte der BGH die vertraglich vereinbarten Abfindungsbeschränkungen für wirksam, da sie nicht außer Verhältnis zum Verkehrswert des Gesellschaftsanteiles standen. Den BGH-Urteilen voran gegangen waren Urteile der
Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Düsseldorf mit gegensätzlichen Ergebnissen zu Managermodellen. So verweigerte das OLG Frankfurt der Hinauskündigungsklausel die Wirksamkeit, da kein sachlich rechtfertigender Grund vorlag. Zu einem völlig anderen Ergebnis kam das OLG Düsseldorf, welches von der Zulässigkeit der Klausel ausging. Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG Celle, welches die Regelungen des Mitarbeitermodelles für rechtlich zulässig erklärte. Bevor auf die Urteile im Einzelnen eingegangen werden kann, sind die Begriffe Manager- und Mitarbeitermodell und deren rechtliche Einordnung zu klären.
Inhaltsverzeichnis
A. Einleitung
I. Allgemeines
II. Erklärungen zu Manager- und Mitarbeitermodellen
III. rechtliche Einordnung von Manager- und Mitarbeitermodellen
1. einleitende Bemerkungen
2. die aktuellen Gerichtsentscheidungen
B. 1.Frage: „Ist er erlaubt die Gesellschaftereigenschaft an das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses zu knüpfen?“
I. gesellschaftsrechtliche Aspekte
1. Standpunkt der Rechtsprechung: Inhaltskontrolle nach § 138 I BGB
2. Auffassungen im Schrifttum
a. Zustimmung zur Inhaltskontrolle des BGH
b. Der Gesellschafter minderen Rechts
c. Die Auffassung von Grunewald und Huber
d. Ausübungskontrolle (hM im Schrifttum)
3. Stellungnahme
a. Auseinandersetzung mit der Theorie des Gesellschafters minderen Rechts
b. Auseinandersetzung mit Grunewald/ Huber
c. Auseinandersetzung mit der Inhaltskontrolle
d. Ergebnis
4. genaue Anwendung/ Ausprägung der Ausübungskontrolle
a. Vorüberlegungen
b. entwickelte Fallgruppen
aa. rechtliche Gestaltung des Verhältnisses zwischen den Parteien
bb. wirtschaftliche Folgen des Ausschlusses für Gesellschafter und Gesellschaft
cc. Modalitäten des Ausschlusses im Einzelfall
c. Ergebnis
II. Arbeitsrechtliche Problematik einer Koppelung von Mitgliedschaft und Anstellungs- oder Bestellungsverhältnis
1. Möglichkeit einer Kündigungserschwerung
2. Ergebnis
III. Weitere Unwirksamkeitsgründe
IV. Ergebnis der ersten Frage
C. 2.Frage: „Ist es rechtlich zulässig bei Manager- und Mitarbeitermodellen Abfindungen zu beschränken?“
I. Allgemein entwickelten Grundsätze der Rechtsprechung zu Abfindungsbeschränkungen
II. Besonderheiten bei Manager- und Mitarbeitermodellen
III. Konkretisierung der Möglichkeit von Abfindungsbeschränkungen
IV. Gläubigerschutz als Problem von Abfindungsbeschränkungen
V. Sonderfälle: Schenkung und Erbfolge
D. Gesamtergebnis/ Zusammenfassung
A. Einleitung
I. Allgemeines
In der jüngeren Vergangenheit hatte der BGH aufgrund dreier obergerichtlicher Entscheidungen, die Zulässigkeit sog.
Hinauskündigungsklauseln bei Manager- und Mitarbeitermodellen im GmbH-Recht zu beurteilen. Im Kern bestätigte der BGH seine bisherige Rechtsprechungslinie, wonach Hinauskündigungsklauseln grundsätzlich nach § 138 I1 nichtig sind, soweit sie nicht wegen besonderer Umstände sachlich gerechtfertigt sind.2
In seinen Entscheidungen erklärte der BGH die vertraglich vereinbarten Abfindungsbeschränkungen für wirksam, da sie nicht außer Verhältnis zum Verkehrswert des Gesellschaftsanteiles standen.3 Den BGH-Urteilen voran gegangen waren Urteile der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Düsseldorf4 mit gegensätzlichen Ergebnissen zu Managermodellen. So verweigerte das OLG Frankfurt der Hinauskündigungsklausel die Wirksamkeit, da kein sachlich rechtfertigender Grund vorlag.5
Zu einem völlig anderen Ergebnis kam das OLG Düsseldorf, welches von der Zulässigkeit der Klausel ausging.
Der BGH bestätigte die Entscheidung des OLG Celle, welches die Regelungen des Mitarbeitermodelles für rechtlich zulässig erklärte. Bevor auf die Urteile im Einzelnen eingegangen werden kann, sind die Begriffe Manager- und Mitarbeitermodell und deren rechtliche Einordnung zu klären.
II. Erklärungen zu Manager- und Mitarbeitermodellen
Bei diesen Beteiligungsmodellen wird dem Geschäftsführer und/oder einem verdienten Angestellten eine Minderbeteiligung6 an der Gesellschaft übertragen. Die Beteiligung erfolgt unentgeltlich oder zu einem deutlich geringeren Preis als dem Verkehrswert. Zugleich wird vereinbart, dass die Gesellschafterstellung enden soll, sobald der Geschäftsführer bzw. der Angestellte aus dem Unternehmen ausscheidet. Dieses Ausschlussrecht wird einerseits auf § 60 GmbHG gestützt.7 Andererseits ist ebenso die Einziehung von Gesellschaftsanteilen gemäß § 34 GmbHG möglich. Der Unterschied zum Ausschluss besteht darin, dass beim Ausschluss der Gesellschaftsanteil i.d.R. erhalten bleibt, während er bei der Einziehung wegfällt.8 Diese Unterscheidung kann, da sie sich erst nach dem Verlust der Mitgliedschaft auswirkt, vorliegend ohne Beachtung bleiben. Nachfolgend werden beide Begriffe verwendet.
Zum Zwecke der Rückübertragung gibt der Mitarbeiter bereits bei dem Erwerb seiner Geschäftsanteile ein Angebot zum Rückkauf und zur Rückübertragung des Geschäftsanteils im Falle der Abberufung bzw. der Beendigung des Geschäftsführeranstellungsvertrages ab. Dieses Angebot kann von der Gesellschaft nach dem Bedingungseintritt innerhalb einer bestimmten Frist angenommen werden.
Auf diesem Wege erhalten Manager bzw. Mitarbeiter den Status von "Mitgesellschaftern". Über die jährlichen Gewinnausschüttungen werden sie an dem von ihnen miterzielten wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt. Über die jährlichen Gewinnausschüttungen werden sie beschränkt auf die Dauer ihrer Unternehmenszugehörigkeit an dem von ihnen miterzielten wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens beteiligt.
Somit wird eine Motivationssteigerung beabsichtigt, ebenso stärkt man die Bindung an das Unternehmen und den Arbeitsplatz. Ebenso wird die Gesellschafterzusammensetzung einer stärkeren Kontrolle ausgesetzt.9 Insgesamt besteht in der Praxis, besonders im Bereich der Unternehmensnachfolge, somit ein erhebliches Bedürfnis nach diesem Beteiligungsmodell.10
Da die Einziehung eines Gesellschaftsanteils in das freie Ermessen eines Gesellschafters oder der Mehrheit der Gesellschafter gestellt wird, ist de facto eine Einziehung ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes möglich.11 Dies wirft die Frage nach der Zulässigkeit auf.
Die Rückübertragung des Gesellschaftsanteils erfolgt hierbei regelmäßig ohne Berücksichtigung des Verkehrswertes zum Nennwert (bzw. einem Vielfachen des Nennwertes) oder gar unentgeltlich ohne Rücksicht auf etwaige Wertsteigerungen.12
Hierin ist ein zweites Problem zu sehen.
III. Rechtliche Einordnung von Manager- und Mitarbeitermodellen
1. Einleitende Bemerkungen
Die Regelungen eines solchen vertraglich gestalteten Rückkaufangebotes entfalten ganz ähnliche Wirkungen wie satzungsmäßig vorgesehene Hinauskündigungsklauseln.
Hinauskündigungsklauseln erlauben es dem Mehrheitsgesellschafter, einen anderen Gesellschafter ohne das Vorliegen eines sachlichen Grundes, mithin beliebig, auszuschließen. Daher wird die Zulässigkeit von Manager- und Mitarbeitermodellen nach den Grundsätzen über die Hinauskündigungsklauseln diskutiert.13
Die richterliche Beurteilung von Hinauskündigungsklauseln hat sich im Laufe der Jahre gewandelt. Die Rechtsprechung ging ursprünglich davon aus, dass aufgrund der weit gehenden Gestaltungsfreiheiten im Gesellschaftsrecht Ausschlussmöglichkeiten, die komplett in das Ermessen der Gesellschaftermehrheit gestellt sind, zulässig seien.14 Ende der 70er Jahre änderte sich dies grundlegend.15 Seitdem gelten Klauseln, die den Ausschluss ohne das Vorliegen eines wichtigen Grundes ermöglichen, grundsätzlich als nach § 138 sittenwidrig. Ist die Klausel jedoch durch außergewöhnliche Umstände sachlich gerechtfertigt, so ist sie wirksam. Diese Rechtsprechung erstreckt der Zweite Senat seit 1990 wegen der grundsätzlichen Vergleichbarkeit zum Personengesellschaftsrecht auch auf die GmbH.16
2. Die aktuellen Gerichtsentscheidungen
Den beiden BGH-Urteilen gingen drei obergerichtliche Entscheidungen voraus. Die OLGe Frankfurt/ Main und Düsseldorf befassten sich mit der rechtlichen Zulässigkeit von Managermodellen. Das OLG Celle hatte die gleiche Frage anhand eines Mitarbeitermodelles zu beurteilen. Die beiden Fälle der Managermodelle betrafen jeweils dieselbe Unternehmenskette, die ihr operatives Geschäft über Tochtergesellschaften in der Rechtsform einer GmbH betrieb. An diesen Tochtergesellschaften war die Konzernholding mit jeweils 90% beteiligt. Die verbleibenden 10% überließ sie den jeweiligen Geschäftsführern der Tochtergesellschaften. Das OLG Frankfurt/ Main führte in seiner Entscheidung an, dass aufgrund des jederzeitigen Kündigungsrechtes die vertragliche Regelung nichtig nach § 138 I sei. In einem Hilfsantrag prüfte es noch die Wirksamkeit des ursprünglichen Anteilserwerbes und kam zu dem Ergebnis, dass beide Geschäfte eine einheitliches Rechtsgeschäft i.S. des § 139 darstellen. Somit war der Kläger, aufgrund der Sittenwidrigkeit der Klausel, nie Gesellschafter geworden. Anders das Urteil des OLG Düsseldorf: Da dem geringen Risiko ein erhebliches Gewinnpotenzial für den Gesellschafter gegenüber stehe, sei in der Gesamtschau die eingeräumte Kapitalbeteiligung an der GmbH für den Manager wirtschaftlich außerordentlich vorteilhaft. Mithin wurde die vertragliche Gestaltung als rechtlich zulässig beurteilt. Dieses Ergebnis wurde schließlich durch den BGH bestätigt. Dieser stellt insbesondere auf die treuhänderische Stellung ab und charakterisiert die Beteiligung nur als Annex zur Geschäftsführerstellung.17
Das OLG Celle ging in seinem Urteil, ebenso wie später der BGH, von der Zulässigkeit des Mitarbeitermodelles aus.18 Begründet wurde dies mit dem „treuhandähnlichem Charakter“ und dem Satzungszweck, der auf die Erhaltung und Vermehrung des Gesellschaftsvermögens für künftige Generationen gerichtet sei. Bemerkenswert ist, dass der BGH bei dem Mitarbeitermodell allerdings schon von vornherein keine freie Hinauskündigungsmöglichkeit annahm. Da in dem konkreten Fall das Kündigungsschutzgesetz anwendbar war, konnte der Mehrheitsgesellschafter die Gesellschafterstellungen nicht ohne sachlichen Grund beenden, denn dafür wäre ein Kündigungsgrund i. S. des § 1 KSchG nötig gewesen.19
Bei dem ersten Grundsatzurteil des BGH vermied dieser eine exakte dogmatische Festlegung.20 In späteren Urteilen wurde neben dem § 138 I auch Grundprinzipien des Gesellschaftsrechts heran gezogen.21 In den aktuellen Entscheidungen führt der BGH als Begründung nur noch das Argument der Sittenwidrigkeit an.22
Allerdings deutet sich in einer anderen Entscheidung vom März 2005 eine nicht unwichtige Einschränkung der bisherigen Rechtsprechung an.23 Diese Entscheidung betraf einen Sachverhalt, in dem die Kompetenz zu dem Ausschluss des Gesellschafters der Gesellschafterversammlung zustand. Dies bedeutet einen Unterschied zu den bisherigen Urteilen des BGH, in denen nämlich einem einzelnen Gesellschafter die Entscheidung über die Hinauskündigung überlassen war. Der BGH verwies in der Entscheidung aus dem März 2005 darauf, dass die bisher von ihm entschiedenen Fälle „nicht unmittelbar vergleichbar“ mit der jetzigen Entscheidung seien. Auch äußerte er Zweifel an der Übertragbarkeit der bisherigen Rechtsprechung auf den aktuellen Fall. Der BGH äußerte sich zu der Frage der Übertragbarkeit nicht abschließend, da er auch bei unterstellter Anwendbarkeit der Grundsätze über die Hinauskündigungsklauseln die vertragliche Gestaltung für sachlich gerechtfertigt hielt.24
Diese Einschränkung der Rechtsprechung zu Hinauskündigungsklauseln hätte gerade für Manager- und Mitarbeitermodelle entscheidende Auswirkung. Dies ist der Fall, da das Recht zur Kündigung des Anstellungsvertrages und der Abberufung des Geschäftsführers dem GmbH-Geschäftsführer bzw. der Gesellschafterversammlung zusteht und gerade nicht einem einzelnen Gesellschafter. Diese geäußerten Zweifel betreffen aber nur die Konstellation, in der die GmbH nicht von einem einzelnen Gesellschafter kontrolliert wird. In einer abhängigen Gesellschaft liegt das Kündigungsrecht dann doch de facto wieder bei dem herrschenden Gesellschafter, mithin bei einer einzelnen Person. Dann fände die Rechtsprechung wieder zweifelsfreie Anwendung.25 Somit bestehen Zweifel bzgl. der Anwendbarkeit der Rechtsprechung nur, in Fällen, in denen das Kündigungsrecht der GmbH zusteht und diese von keinem der Gesellschafter kontrolliert wird. Eine solche Einschränkung ist jedoch nicht überzeugend, da auch ein der GmbH zustehendes Kündigungsrecht als mögliches Disziplinierungsmittel verstanden werden muss.26 Daher ist es nur konsequent die Grundsätze der Rechtsprechung zu den Hinauskündigungsklauseln auch auf die oben beschriebenen Konstellationen zu übertragen.
Nichts anderes gilt für schuldrechtliche Vereinbarungen neben der Satzung, da sie die gleiche Wirkung wie Regelungen im Gesellschaftsvertrag beinhalten.27
Für die Beurteilung der Zulässigkeit von Hinauskündigungsklauseln bei Manager- und Mitarbeitermodellen ergeben sich somit zwei entscheidende Fragen:
- Ist es rechtlich möglich, die Gesellschafterbeteiligung und das Bestehen des Bestellungs- oder Anstellungsverhältnisses miteinander zu verknüpfen?
Hierbei spielen sowohl gesellschafts-, als auch arbeitsrechtliche Aspekte eine Rolle, da die Verbindung als unzulässige Kündigungserschwerung i.S. des § 622 VI verstanden werden könnte.
- Gesellschaftsverträge enthalten oft Vereinbarungen über die Abfindung im Fall des Ausscheidens.28 Es stellt sich die Frage, ob dem Hinausgekündigten Gesellschafter als Kompensation für den Verlustes seiner Mitgliedschaft eine angemessene Abfindung i.H. des Verkehrswertes zusteht.
B. 1. Frage: Ist es erlaubt die Gesellschaftereigenschaft an das Bestehen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses zu knüpfen?
I. Gesellschaftsrechtliche Prüfungsaspekte
Die Frage, ob eine Koppelung von Mitgliedschaft an das Bestehen eines Arbeits- oder Dienstverhältnisses wird zunächst unter gesellschaftsrechtlichen Aspekten überprüft.
1. Standpunkt der Rechtsprechung: Inhaltskontrolle nach § 138 I
Für den Ausschluss eines Gesellschafters ist grds. gemäß § 140 I HGB ein wichtiger Grund nötig. Dieser Grundsatz wird im GmbH-Recht analog angewendet.29 Hinauskündigungsklauseln, die zur Kündigung ohne wichtigen Grund berechtigen, beurteilt die Rechtsprechung nach § 138 I und hält diese nur für wirksam, wenn sachlich gerechtfertigte Gründe hierfür bestehen.30 Bereits präventiv soll der von einer Kündigung bedrohte Gesellschafter vor der Willkür der Gesellschaftermehrheit geschützt werden, da diese für ihn wie ein „Damoklesschwert der Hinauskündigung“ droht.31 Aufgrund des Verlustes des Arbeitsplatzes als möglicher Konsequenz verzichtet der Gesellschafter dann ggf. auf die ordnungsgemäße Ausübung der mitgliedschaftlichen Rechte und Pflichte. Somit droht eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit, da der Gesellschafter den Verlust seiner Haupteinnahmequelle fürchten muss.32 Das alles verstößt, neben dem sittenwidrigen Charakter, auch gegen die Grundprinzipien des Gesellschaftsrechtes, da der Gesellschaftsvertrag auf ein gedeihliches Zusammenwirken angelegt ist.33 Konkret bedeutet dies, dass der BGH die Satzung einer Inhaltskontrolle unterzieht, indem er deren Wirksamkeit anhand des Maßstabes der Billigkeit oder Angemessenheit überprüft. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist es erforderlich, das Kriterium des sachlichen Grundes zu konkretisieren. Den BGH-Entscheidungen lassen sich keine eindeutigen Kriterien entnehmen.34
Es wurden lediglich einige Grundsätze herausgebildet, die sich zwischen den beiden Extremen des freien Hinauskündigunsrechts und einer Kündigung wegen Vorliegen eines wichtigen Grundes bewegen. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Ausschließung durch die anderen Gesellschafter nach freien Ermessen unzulässig ist, außer es bestehen sachlich gerechtfertigte Gründe. Somit sollen „Gesellschafter minderen Rechtes“35 verhindert werden. Dagegen sind Ausschließungsrechte, die an ein festes Tatbestandsmerkmal anknüpfen und kurze Zeit nach der Verwirklichung dieses Tatbestandsmerkmales ausgeübt werden, zulässig, da sie nicht im freiem Ermessen der anderen Gesellschafter stehen.36
Dies reicht als Konkretisierung nicht aus. Allerdings muss beachtet werden, dass sich sachliche Rechtfertigungsgründe nicht positiv abschließend aufzählen lassen. Diese werden immer anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles unter Abwägung der Interessen der betroffenen Gesellschafter ermittelt.37 So hat der BGH in mehreren Fällen wegen der besonderen Umstände Hinauskündigungsklauseln für sachlich gerechtfertigt eingestuft. Ebenfalls durfte sich eine Praxisgemeinschaft von Ärzten eine zeitliche begrenzte Prüfungsmöglichkeit bzgl. eines neu aufgenommenen Gesellschafters vorbehalten.38 Ein weiterer Fall ist der, wenn der Ausschließungsberechtigten Gesellschafters, der mit Rücksicht auf die enge persönliche Beziehung zu seiner Mitgesellschafterin die volle Finanzierung der Gesellschaft übernommen und der Partnerin eine Mehrheitsbeteiligung und die Geschäftsführung einräumt hat.39 Diese
Aufzählung von sachlichen Rechtfertigungsgründen ließe sich fortsetzen.40 Eine abschließende Entscheidung zu der Frage, welche Umstände den Ausschluß grundsätzlich rechtfertigen können, trifft der BGH in seinen Entscheidungen nicht. Er vermeidet konkrete Aussagen und verweist immer auf den Einzelfall.41 Ulmer versucht eine Konkretisierung, indem er schreibt, dass sich solche Gründe aus der Art des Anteilerwerbes, besonderen Verdiensten des Gesellschafters oder aus der Entstehungsgeschichte der Gesellschaft ergeben können.42 Dieser Versuch einer Eingrenzung bringt die für die Praxis nötige Rechtssicherheit jedoch nicht.
2. Auffassungen im Schrifttum
Diese Rechtsprechung hat im Schrifttum ein geteiltes Echo hervorgerufen. Ein Teil der Literatur ist dieser Auffassung gefolgt, jedoch regte sich auch Widerspruch mit verschiedenen eigenen Lösungsansätzen.43 Im Vordergrund der Kritik steht zum einen das Argument einer unzulässigen Ausdehnung der richterlichen Inhaltskontrolle auf individuelle Gesellschaftsverträge und die damit verbundene Beeinträchtigung der Vertragsfreiheit.44 Zum anderen wird die Einschränkung der Rechts- und Planungssicherheit kritisiert, zumal die Rechtsprechung über lange Zeit hinweg die fraglichen Klauseln nicht beanstandet hat.45 Da keine klaren Abgrenzungspunkte existieren, ist in vielen Fällen unklar, wann sich ein Unternehmen von einem Geschäftsführer oder Manager als Gesellschafter trennen kann.
a. Zustimmung zur Inhaltskontrolle des BGH
Die Befürworter der Inhaltskontrolle argumentieren, ebenso in die gleiche Richtung, wie der BGH und heben insbesondere die Schutzbedürftigkeit des Gesellschafters hervor.46
[...]
1 Alle Paragraphen ohne nähere Bezeichnung sind solche des BGB.
2 BGH ZIP 2005, 1917, 1920; Sosnitza, DStR 2006, 99, 100.
3 BGH ZIP 2005, 1917, 1920.
4 ZIP 2004, 1801 und 1804.
5 ZIP 2004, 1801, 1803.
6 i.d.R. weniger als zehn Prozent.
7 Roth-Altmeppen, § 60, 79; Schmidt, S. 1061 ff..
8 Benecke, ZIP 2005, 1437, 1438.
9 Reymann, S. 106, 107.
10 Flume, JZ 1985, 1106; Kowalski/ Bormann, S. 1438, 1439.
11 Hohaus/ Weber, ZGR 2005, 961; Böttcher, NZG 2005, 992, 993.
12 BGH ZIP 2005, 1917 = Managermodell; BGH ZIP 2005, 1920 = Mitarbeitermodell.
13 Mit der Entscheidung BGHZ 112, 103, 108 sind die für das Personengesellschaftsrecht entwickelten Grundsätze zu Hinauskündigungsklauseln auch im GmbH-Recht anwendbar, so auch Baumbach-Hueck/ Fastrich, § 34, 9.
14 Seit der Entscheidung RG, ZakDR, 1938, 818 ff..
15 BGHZ 68, 212.
16 BGHZ 112, 103, 108.
17 so auch Habersack/ Verse S.451, 461; Sosnitza, DStR 2005, 72,74; Bütter/ Tonner, BB 2005, 283, 285.
18 OLG Celle GmbHR 2003, 1428.
19 BGH ZIP 2005, 1920, 1922.
20 BGHZ 68, 212, 215.
21 BGHZ 81, 263, 266; BGH NJW 1985, 2421, 2422.
22 BGH ZIP 2005, 1917; 1920.
23 BGH DB 2005, 937.
24 BGH DB 2005, 937, 938.
25 So in den Entscheidungen des Manager- und Mitarbeitermodelles (BGH ZIP 2005, 1917, 1920)
26 Habersack/ Verse, S. 451, 458.
27 BGHZ 112, 103, 108.
28 Bei knapp 75% aller Satzungen ist dies der Fall so Bamberger-Timm/Schöne, § 738, 26.
29 Hachenburg-Ulmer, Anh § 34, 8.
30 NJW 2004, 2013.
31 Schilling, S. 419, 426; BGHZ 112, 103, 107.
32 BGH WM 1985, 772, 773.
33 BGHZ 81, 263, 266; 105, 213, 216.
34 Bütter/ Tonner, MDR 2006, 61, 62.
35 Flume, DB 1986, 629, 633; Roth-Altmeppen, § 34, 40.
36 BGHZ 105, 213, 219.
37 MüKo-Ulmer, § 737, 20.
38 BGH ZIP 2004, 903.
39 BGHZ 112, 103.
40 So z.B. BGH ZIP 2005, 706; BGH WM 1983, 956; BGH-Urteil v. 7.10.1996 - II ZR 238/95.
41 BGHZ 105, 213, 217; 112, 103, 108.
42 MüKo-Ulmer, § 738, 17.
43 So Sosnitza, DStR 2006, 99, 100.
44 Hey, S. 214.
45 Bis zu der Entscheidung BGHZ 68, 212.
46 Lutter-Lutter/Hommelhoff, § 34, 20; Rowedder-Bergmann, § 34, 31.
- Citation du texte
- Anonyme,, 2006, Hinauskündigungsklauseln bei Manager- und Mitarbeiterbeteiligungsmodellen im GmbH-Recht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63385
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