In der vorliegenden Arbeit wird ein Leitfaden zur Umsetzung gesundheitsförderlicher, zielgruppengerechter Kommunikation auf Grundlage des wissenschaftlichen Status Quo erstellt. Er soll Personen im Bereich der Gesundheitsförderung dabei helfen, ihre Zielgruppe wirkungsvoll anzusprechen und die gesundheitsrelevante Verhaltensänderung bedarfsgerecht und nachhaltig zu erreichen.
Dazu werden 3 Aspekte zur Erstellung effektiver Gesundheitskommunikation behandelt:
1) für Inhalt und Struktur dienen psychologische Modelle des Gesundheitsverhaltens (hier das HAPA von Schwarzer),
2) für Formulierung des Inhalts kommunikationspsychologische Techniken und
3) für die strategische Ausrichtung der Kommunikation Techniken aus dem Social Marketing.
Der praxisorientierte Leitfaden findet sich am Ende der Arbeit.
Anhand einer exemplarisch durchgeführten Zielgruppensegmentierung auf Grundlage gesundheitsrelevanter Variablen, die mit Hilfe des Fragebogens FAGSBGF gemessen wurden, wird die strategische Ausrichtung des Leitfadens demonstriert.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung: Gegenstand und Ziel der Arbeit
1.1 Gesundheitsförderung und Gesundheitskommunikation
1.2 Aufgaben und Ziele dieser Arbeit
2. Theorie
2.1 drei Sichtweisen
a) Psychologische Modelle zum Gesundheitsverhalten und ihre Anwendung in der Gesundheitsförderung
b) Kommunikationstheoretische Grundlagen der Gesundheitskommunikation
c) Grundlagen der Gesundheitskommunikation aus Sicht des Social Marketing
2.1.1 Fazit und Überblick über das weitere Vorgehen und die Arbeitsstruktur
2.2 Gesundheitsverhalten: Das sozial-kognitive Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens von Schwarzer (1992)
2.2.1 Präintentionale Phase
2.2.1.1 Persönliche Risikowahrnehmung
2.2.1.2 Handlungsergebniserwartung
2.2.1.3 Selbstwirksamkeit
2.2.1.4 Das erweiterte Motivationsmodell von Heckhausen (1987)
2.2.1.5 Die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen und Madden (1986)
2.2.2 Postintentionale Phase
2.2.2.1 Präaktional
2.2.2.1.1 Theorie der Zielsetzung von Locke und Latham (1990)
2.2.2.1.2 Handlungsplanung
2.2.2.2 Aktional
2.2.2.2.1 Initiierung: Tu-Es - Motivation von McArthur et al. (1969)
2.2.2.2.2 Aufrechterhaltung: Theorie der Handlungskontrolle von Kuhl (1983)
2.2.2.3 Postaktional
2.2.2.3.1 Bewertung: Der Optimistische Attributionsstil von Heider (1958) und Weiner (1971)
2.3 Kommunikationstechniken
2.3.1 Risikokommunikation: Fakten vs. Furchtappelle
2.3.2 Ressourcenkommunikation
2.3.3 Framing
2.4 Strategische Ausrichtung der Gesundheitskommunikation an der Zielgruppe
2.4.1 Tailoring vs. Targeting
2.4.2 Zielgruppensegmentierung
2.4.3 Zusammenfassung und Fazit
3. Untersuchung
3.1 Ziele
3.2 Methodik
3.2.1 Instrument FAGSBGF
3.2.2 Stichprobe
3.2.3 Auswertung: Schritte und Verfahren
3.2.3.1 Hierarchische Clusteranalyse
3.2.3.2 MANOVA
3.2.3.3 ANOVA
3.2.3.4 Lineare Regressionsanalyse
3.2.4 Ergebnisse
3.2.4.1 Cluster
3.2.4.2 MANOVA
3.2.4.3 ANOVA
3.2.4.4 Lineare Regressionsanalyse
3.2.5 Diskussion: Implikationen für die Gesundheitskommunikation
4. Fazit der Arbeit
Literaturverzeichnis
Anhang
Zusammenfassung:
In dieser Arbeit wird ein Leitfaden zur Umsetzung gesundheitsförderlicher, zielgruppenaffiner Kommu- nikation auf Grundlage wissenschaftlicher Forschung erstellt. Dazu werden drei Aspekte der Erstel- lung von Gesundheitskommunikation aus unterschiedlichen Perspektiven behandelt: für Inhalt und Struktur dienen psychologische Modelle des Gesundheitsverhaltens (hier das HAPA von Schwarzer), für Formulierung des Inhalts kommunikationspsychologische Techniken und für die strategische Aus- richtung der Kommunikation Techniken aus dem Social Marketing. Der Leitfaden liegt der Arbeit sepa- rat bei. Anhand einer exemplarisch durchgeführten Zielgruppensegmentierung auf Grundlage ge- sundheitsrelevanter Variablen, die mit Hilfe des FAGSBGF gewonnen wurden, wird die strategische Ausrichtung des Leitfadens demonstriert.
Stichworte: Gesundheitskommunikation, Leitfaden, HAPA, Gesundheitsverhalten, Risikokommunikation, Framing, Tailoring, Targeting, Zielgruppensegmentierung.
1. Einleitung: Gegenstand und Ziel der Arbeit
1.1 Gesundheitsförderung und Gesundheitskommunikation
Gesundheitsförderung und Gesundheitskommunikation sind Schnittstellendisziplinen verschiedener Fachbereiche mit starker Anwendungsorientierung. Fachleute der Gebiete Medizin, Psychologie, Ernährungswissenschaften, Marketing und Kommunikationswissenschaften sowie Praktiker mit unterschiedlichsten Vorkenntnissen treffen hier aufeinander und bearbeiten ein heterogenes Praxis- und Forschungsfeld (Bernhardt, 2004).
Begrifflich stammt die Gesundheitskommunikation (im Folgenden GK; alle Abkürzungen sind im Anhang 1 in einer Legende zusammengefasst) von der Übertragung der englischen „Health Communication“, die als eigenständiges Teilgebiet der Gesundheitswissenschaften in den letzten 30 Jahren vor allem in den USA eine starke Beachtung gefunden hat (Hurrel- mann & Leppin, 2001).
Die Begriffe Health Communication bzw. Gesundheitskommunikation stecken ein breites Forschungsfeld ab, in dessen Rahmen die unterschiedlichsten Formen der Kommunikation über Gesundheit und Krankheit mit Hilfe verschiedener Vermittlungskanäle in einer Fülle unterschiedlicher sozialer Kontexte untersucht werden (Kreps, Bonaguro & Query, 1998).
Gesundheitskommunikation, sei es in Form von einzelnen Botschaften oder ganzen Kampagnen, verfolgt den Zweck aufzuklären, zu informieren und darüber hinaus zu überzeugen sowie gesundheitsfördernde Verhaltensweisen anzuregen.
Der in dieser Arbeit verwendete Begriff von GK schließt sich dem Ansatz von Krause et al. (1989, S.13) an: „Unter GK sollen hier alle kommunikativen Aktivitäten verstanden werden, die im Rahmen von Projekten zur Gesundheitsförderung durchgeführt werden.“ Rezipienten der GK können Menschenmassen, Organisationen, oder auch einzelne Individuen sein. Sie kann unidirektional (also als Nachricht ohne Antwortmöglichkeit) oder interaktiv (mit Antwortmöglichkeit) gestaltet sein (Hurrelmann & Leppin, 2001), sich unterschiedlicher Medien bedienen und präventive wie kurative Zwecke verfolgen.
Anwendungsfelder finden Gesundheitspsychologie und GK beispielsweise in der öffentli- chen Gesundheitsförderung (GF) in der praktischen Umsetzung von Gesundheitskampagnen auf unterschiedlichen Ebenen. So z.B. bei der Erstellung von Strategien und Implementie- rung von Maßnahmen zur Steigerung der Gesundheit, bei der Gestaltung von Seminaren zu ausgewählten Schwerpunktthemen, bei Beratung und Anleitung von Patienten, bei gruppen- orientierten Präventionsprogrammen, bei Kursen, Workshops oder der wirkungsvollen Umsetzung von Printanzeigen. (Hurrelmann & Leppin, 2001)
Das amerikanische National Cancer Institut findet Belege dafür, dass GK das Wissen und Bewusstsein einer Zielgruppe in Bezug auf ein Gesundheitsthema steigern, Wahrnehmun- gen, Glaubenssätze und Einstellungen beeinflussen, Aktionen hervorrufen, Einstellungen und Verhalten verstärken, den Gewinn von Verhaltensänderungen zeigen, mit Mythen und Fehlwahrnehmungen aufräumen und organisationale Beziehungen stärken kann (NCI, 2001). Auch Hornik (2002) erbringt starke Beweise, dass Kommunikationskampagnen poten- te Einflüsse auf Veränderungen im Gesundheitsverhalten sein können, und zwar über eine Vielfalt von Veränderungsindikatoren. Ebenso kommt Bernhardt (2004) zu dem Schluss, dass Programme der GK, wenn sie richtig gestaltet, sorgfältig umgesetzt und aufrechterhal- ten werden, Veränderungen bei Individuen und Populationen in gesteigertem Bewusstsein, Wissenssteigerung, Einstellungsformung und im Verhalten verursachen können.
Signitzer (2001) stellt allerdings noch starken Bedarf an Grundlagenforschung der GK fest.
Die zunehmende Professionalisierung der GK zeigt sich in der Gründung eigenständiger Institute wie dem „Center for Health Communication“ an der Harvard School of Public Health und der Herausgabe spezieller Fachzeitschriften wie Health Commuication, die seit 1989 erscheint oder dem Journal of Health Communication, das seit 1996 erscheint (Jazbinsek, 2000). Auch in Europa zeichnet sich eine entsprechende Entwicklung des Wachstums in diesem Bereich ab; die holländische Universität Leiden bietet ein Programm zur Erlangung des M.Sc. in Health Psychology und Health Behaviour Sciences an, die FH Bielefeld ein Programm zur Erreichung des B.Sc. Gesundheitskommunikation. Ähnliche Studienangebote finden sich beispielsweise in der Schweiz und in England.
Trotz dieses Wachstums haben viele Praktiker in der GF ein unzureichendes Verständnis der wissenschaftlichen Grundlagen (Grier & Bryant, 2005).
Die Kluft zwischen wissenschaftlich orientierten Ansätzen und praktizierbaren Strategien zur Problemlösung ist oftmals gewaltig (Witte, 1995). Der anwendungsorientierte Gesundheitspraktiker ist an einfachen, praktikablen und ökonomisch sinnvollen Strukturen oder Anleitungen zur Erstellung einer GK interessiert, ohne sich zu deren Nutzung in die wissenschaftlichen Hintergründe einarbeiten zu müssen (Chandran et al., 2004), während die Wissenschaft oft Forschung zu Grundlagen betreibt, die nicht zwingend konkrete Umsetzungsund Anwendungsbereiche findet. (Maibach & Parrott, 1995)
1.2 Aufgaben und Ziele dieser Arbeit
Um den Transfer wissenschaftlicher Ergebnisse in die Praxis zu unterstützen, ist es die Aufgabe dieser Arbeit, die Ergebnisse psychologischer Forschung in dem beschriebenen Feld den größtenteils fachfremden Praktikern in Form von konkreten Handlungsempfehlungen zugänglich zu machen, die diese bei der Erstellung einer Strategie zu gesundheitsförderlicher Kommunikation nutzen können.
Ziel ist dabei, den Praktikern ein effizientes und effektives Werkzeug an die Hand zu geben, anhand dessen bestmögliche Ergebnisse im Sinne der intendierten Verhaltensänderung (VÄ) ermöglicht werden. Mit limitierten Ressourcen in Zeit und Geld brauchen Gesundheits- praktiker schnelle und leichte Methoden um GK zu gestalten, die funktioniert. (Witte, 1995)
Solche Praktiker können dabei alle Personen sein, die im Bereich der GF Kommunikation oder kommunikative Elemente einsetzen möchten, also z.B. Kommunikatoren und Kommunikationsstrategen, Personalverantwortliche in Unternehmen, Gesundheitsbeauftragte, Werbekommunikateure im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und viele mehr.
Die Aufgabenstellung soll dem Anspruch moderner Gesundheitspsychologie gerecht werden, neben erfolgreicher Grundlagenforschung auch wirksame Interventionen zu entwickeln (Bamberg, Ducki & Metz,1998; Sniehotta und Schwarzer, 2003).
Die Rezipienten der GK sollen vom Leitfaden profitieren, indem sie einen persönlichen Nut- zen aus GK ziehen können, wenn diese sie zu einer gesundheitsförderlichen VÄ motiviert und befähigt, sie dadurch ihr Leben verlängern und ihre Lebensqualität steigern können.
Die Kostenträger wie z.B. Krankenkassen, Arbeitgeber und letztlich die gesamte Volkswirt- schaft profitiert von effektiven und effizienten Möglichkeiten und Techniken der GF durch sinkende Kosten und insbesondere durch bessere Präventionsmaßnahmen, durch die we- sentlich höhere Kurativkosten gesenkt werden können. Mit Hinblick auf den demographi- schen Wandel nimmt der Deutsche Bundestag im Schlussbericht der Enquête-Kommission „Demographischer Wandel - Herausforderungen unserer älter werdenden Gesellschaft an den Einzelnen und die Politik“ 2002 einen großen Bedarf an Präventionsmaßnahmen wahr und sieht in diesem Bereich gleichzeitig große Potentiale. (Deutscher Bundestag, 2002)
Letztlich soll der Leitfaden aber auch der Wissenschaft dienen, indem er den Austausch der einzelnen Fachdisziplinen untereinander fördert.
2. Theorie
2.1 Drei Perspektiven
Für eine Bestimmung der einzelnen Bausteine des zu erstellenden Leitfadens sollen im Folgenden Grundlagen für die Fragen erschlossen werden, was wann wie in effektiver GK transportiert werden sollte. Dazu erfolgt nun eine Annäherung an das zu bearbeitende theoretische Feld auf Ebene grundlegender Begriffserläuterungen und einer groben Darstellung des wissenschaftlichen Hintergrundes aus drei Perspektiven:
- Inhalt und Aufbau der GK, um eine Struktur für den Leitfaden festzulegen. Es sollten An- gaben darüber abzuleiten sein, wo im Verlauf des Kommunikationsprozesses was vermittelt werden soll, um eine effektive GK zu erstellen. Dazu wird zunächst der Bereich psychologi- scher Modelle zur Erklärung von Gesundheitsverhalten dargestellt, denn Gesundheitsverhal- ten stellt den Gegenstand der GK dar, für die der Leitfaden abgeleitet werden soll.
- Form der GK aus kommunikationspsychologischer Sicht, um den Inhalt der GK erfolgreich in Sprache umsetzen zu können. In diesem Bereich sollten Angaben abzuleiten sein, wie die Formulierungen und Darstellungen der Informationen umgesetzt werden können, um effektive GK zu gestalten. Weil Kommunikation das Medium zur Bewirkung einer VÄ sein soll, werden die kommunikationstheoretischen Grundlagen der GK dargestellt.
- Strategische Ausrichtung der GK aus Sicht des Social Marketing, um den Inhalt an den Rezipienten der GK auszurichten. Dadurch sollten Angaben darüber abzuleiten sein, welche inhaltliche Schwerpunkte die Kommunikation in Bezug auf ihre Rezipienten berücksichtigen sollte, um die GK effizient umzusetzen. Dazu werden Methoden aus dem Marketing darge- stellt, die Kommunikationsprozesse mit dem Ziel der VÄ erfolgreich umsetzen können.
A) Psychologische Modelle zum Gesundheitsverhalten und ihre Anwendung in der Gesundheitsförderung
Die bekanntesten sozial-kognitiven Modelle zur Erklärung und Vorhersage des Gesundheits- verhaltens und seiner Veränderungen sind das Health Belief Model (Becker, 1974; Rosen- stock, 1966), die Theory of Planned Behavior (Ajzen, 1985, 1991; Ajzen & Madden, 1986), und die Protection Motivation Theory (Rogers, 1975; für einen Überblick und eine Kritik die- ser und anderer Modelle s. Conner & Norman, 1996; Sutton, 2000; Wallston & Armstrong, 2002; Weinstein 1993). Bei den genannten Modellen handelt es sich um statische Prädikti- onsmodelle, in denen sozial-kognitive Konstrukte dazu verwendet werden, die Wahrschein- lichkeit dafür vorherzusagen, ob eine Intention gebildet und ein Gesundheitsverhalten durch- geführt wird. Sie fassen die Veränderung des Gesundheitsverhaltens als kontinuierlichen Prozess auf (Sniehotta und Schwarzer, 2003).
Dynamische Ansätze der Gesundheitspsychologie gehen davon aus, dass neben der Intentionsbildung solche psychologischen Prozesse für die Ausführung eines bestimmten gesundheitsförderlichen Verhaltens verantwortlich sind, die in die Aktionsinitiierung und - regulation involviert sind. Diese Ansätze basieren auf der Ansicht, dass die VÄ über eine zeitlich geordnete Abfolge unterschiedlicher Phasen verläuft (Norman, Abraham & Conner, 2000). Aufgrund dieser Struktur ermöglicht die Anpassung der Kommunikation an den Prozess der VÄ durch ein dynamisches Modell das Setzen phasenspezifischer Teilziele. Das Erreichen dieser Teilziele sichert den Fortschritt in die jeweils nächste Phase. GK erhält durch eine solche Struktur einen klaren Rahmen, in dem ihr Gesamterfolg auf dem sukzessiven Erreichen der Teilziele basiert. (Sniehotta & Schwarzer, 2003)
Ein praktisches Anwendungsfeld haben Modelle zur Erklärung von Gesundheitsverhalten bei personenbezogenen Interventionsmaßnahmen der Gesundheitsförderung. Diese zielen darauf ab, über eine Modifikation des Verhaltens und/oder kognitiv-emotionaler Merkmale GF zu bewirken (Bamberg & Metz, 1998). Interventionsmethoden zur GF, die auf Theorien des individuellen Verhaltens beruhen, haben unterschiedliche Ansatzpunkte. Sie wollen typi- scherweise über Belastungen und Ressourcen informieren und aufklären, Problembewusst- sein schaffen, zu Verhaltensmodifikationen motivieren und erreichte Änderungen aufrechter- halten (Bamberg & Metz, 1998). Auf der Seite der Person stellen Problembewusstsein, Wis- sen, Motivation, Fähigkeiten und Skills, Ausführung und Aufrechterhaltung des Gesundheits- verhaltens Zielfelder dar. (Bamberg & Metz, 1998, Bamberg, Ducki & Metz, 1998)
In der GF differenziert der Begriff der Ressourcen grundsätzlich situative und personale bzw. materielle und psychische Ressourcen. (Weber, 2002) Die personalen werden oft auch als interne Ressourcen beschrieben, im Gegenteil zu externen Ressourcen, unter denen alle äußeren, situativen Bedingungen mit protektivem Charakter zusammengefasst werden. Da- bei unterscheiden sich bei Präventionsmaßnahmen solche der Verhaltensprävention, die bei personalen Ressourcen (PR) ansetzen von solchen der Verhältnisprävention, die auf exter- nale Ressourcen aufbauen (Zimolong & Stapp, 2001). PR sind Konstrukte aus den Berei- chen der Emotionalität, der Erwartungen und Überzeugungen und der Kompetenzen. (We- ber, 2002) Einen umfassenden Überblick über gesundheitsrelevante Ressourcen geben Shabracq et al. (2003), Udris, Kraft und Mussmann (1991). PR stellen in der Gesundheits- förderung notwendige Bestandteile für den Prozess der gesundheitsförderlichen VÄ dar.
Zur Herleitung des Leitfadens zur Erstellung einer GK sollen in dieser Arbeit vorrangig per- sonenbezogene Interventionsmaßnahmen der GF mit Fokus auf PR beachtet werden. GF benötigt zwar immer auch externale Ressourcen, um erfolgreich umgesetzt und aufrechter- halten zu werden (Bamberg, Ducki & Metz, 1998). Die PR stellen aber einen wichtigen An- satzpunkt dar, auf den insbesondere individuelle GK oft abzielt (siehe Punkt 2.4.1 Tailoring).
B) Kommunikationstheoretische Grundlagen der Gesundheitskommunikation
Das Foschungsfeld der GK hat sich aus einer starken Praxis- und Anwendungsorientierung heraus entwickelt. Deshalb mangelt es an einschlägiger Grundlagenforschung, die eine Integration der beiden Begriffe „Gesundheit“ und „Kommunikation“ erst ermöglichen würde (Hurrelmann & Leppin, 2001).
Kommunikation beinhaltet generell die Übermittlung von Botschaften und Nachrichten durch den Gebrauch von Zeichen, und zwar ausgehend von einem Sender (Kommunikator) an einen Rezipienten (Zielperson, Abk.: ZP) gerichtet (Graumann, 1972; Prakke, 1968).
Als Kommunikationsmodell hat das Organon-Modell von Bühler (1934) immer wieder zu A- daptationen geführt (siehe z.B. Maser, 1971; Prakke, 1968; Shannon & Weaver 1949; Watz- lawik, Beaven & Jackson, 1969). Nach dem Modell durchlaufen die Botschaften einen Pro- zess von Enkodierung in Signale seitens des Kommunikators und der Dekodierung dieser Signale in Botschaften seitens der ZP. Auf beiden Seiten der Kommunikation bedienen sich die Involvierten dafür eines Zeichenvorrats, der individuelle Unterschiede beinhaltet und somit nicht identisch mit dem der jeweils anderen Seite ist. Die Abbildung in Anhang 2 verdeutlicht diesen Ansatz der Kommunikation.
Zur Herleitung des Leitfadens stellt diese Arbeit auf der Grundlage des dargestellten Ver- ständnisses von Kommunikation verschiedene Elemente und Techniken dar, die den Erfolg einer gesundheitsförderlichen Kommunikation im Sinne einer Änderung von Verhalten unter- stützen können.
C) Grundlagen der Gesundheitskommunikation aus Sicht des Social Marketing
Als Strategie zur GF bedient sich die GK verschiedener Techniken aus dem Marketing, ge- nauer, dem „Social Marketing“. Social Marketing ist der Gebrauch von Marketing bei der Er- stellung und Implementierung von Programmen, die das Ziel unterstützen, sozial wün- schenswerte Verhaltensveränderungen zu fördern. (Grier & Bryant, 2005) Die Beziehung zwischen GK und Social Marketing ist somit beidseitig integrativ: Das Social Marketing stellt der GK Instrumente zur Seite, die zu ihrer Zielerreichung angewendet werden können. E- benso kann GK Mittel zur Zielerreichung im Social Marketing sein. (Ling et al., 1992)
Der Begriff „Kommunikation“ gehört im Bereich des Marketing in die Kommunikationspoli- tik, die eines der vier Marketing-Instrumente ist, das neben Produkt-, Preis- und Distributi- onspolitik den Marketing-Mix ausmacht. Sie stimmt den Einsatz verschiedener kommunikati- onspolitischer Einzelmaßnahmen aufeinander ab, die jeweils Teilziele des übergeordneten Ziels verfolgen. Voraussetzung für die Erstellung einer Kommunikationsstrategie ist eine Vorbereitung, bei der beeinflussende Rahmenbedingungen analysiert werden. Dieser Vorbe- reitung schließt sich eine Planungsphase an, in der unter anderem Ziele, Zielgruppen, Aus- sagenkonzeption und Mittelauswahl aufeinander abgestimmt werden. Nach der Umsetzung der geplanten Strategie erfolgt eine Erfolgskontrolle (Schneider, 2000). Die Parallelen zu der Entwicklung einer Kommunikationsstrategie im Bereich der GF ergeben sich aus der Ziel- kongruenz beider Bereiche, einer ZP Kommunikationsinhalte erfolgreich zu vermitteln, die sich auf ihre Einstellungen und Verhaltensweisen auswirken, um letztlich eine möglichst kon- stante VÄ in der intendierten Weise herbeizuführen.
Ein Bereich, in dem ganz konkret Techniken aus dem Marketing für die GF adaptiert wurden, ist die Segmentierung einzelner Subpopulationen unter der gesamten Zielgruppe der GK (Albrecht & Bryant, 1996).
Im Hintergrund steht dabei der Kerngedanke, Botschaften an Kennwerten der Zielgruppe auszurichten, um die Nachricht für diese Zielgruppe relevant zu gestalten. Eine Nachricht wird von einem Individuum wahrscheinlicher als relevant wahrgenommen, wenn sie ihren speziellen Umständen, Lebenserfahrungen oder Prädispositionen entspricht. (Kreuter & Wray, 2003) Nur so kann eine Beeinflussung des Verhaltens bei der ZP überhaupt gelingen (Atkin & Freimuth, 1989; Fishbein & Ajzen, 1981; Flora & Thoreson, 1988).
Segmentierung ist eine effektive Hilfe dabei, Zielgruppen strategisch zu definieren, Kampagnen effizient auf diese Zielgruppen auszurichten und auf diesem Weg eine Veränderung in gesundheitsrelevantem Verhalten zu bewirken. (Abratt, 1993; Albrecht & Bryant, 1996; Dickson & Ginter, 1987; Grover & Srinivasan, 1992; Kumar & Rust, 1989) Sie ist somit das Fundament, auf dem Erfolg oder Misserfolg einer Kommunikationsanstrengung basiert (Grunig & Hunt 1984; Rogers & Storey, 1987).
Für diese Arbeit stellen die Ergebnisse über die Zielgruppensegmentierung (ZGS) bei der Erstellung einer GK einen wichtigen Bestandteil dar.
2.1.1 Fazit und Überblick über das weitere Vorgehen und die Arbeitsstruktur
Aufgrund der Ergebnisse aus dieser Annäherung an das Feld der GK ergibt sich für diese Arbeit folgende Struktur:
Zunächst wird unter Punkt 2.2 der Prozess gesundheitsförderlicher VÄ anhand des sozial- kognitiven Prozessmodells von Schwarzer (1992, 1999, 2001) dargestellt. Das Modell be- schreibt unterschiedliche Phasen der Entstehung von Gesundheitsverhalten. Methode zur Informationsgewinnung ist hierbei eine ausführliche Literaturrecherche. Auf der Basis der Ergebnisse werden in der Arbeit für den Leitfaden zur Umsetzung der GK Aussagen über Teilziele und die daraus resultierende Abfolge einzelner Kommunikationsinhalte getroffen.
Unter Punkt 2.3 sollen wissenschaftliche Ergebnisse zu kommunikationspsychologischen Aspekten der GK dargestellt, die ebenfalls aus einer ausführlichen Literaturrecherche resultieren. Diese Ergebnisse werden zu Anleitungen für die Formulierung der Kommunikationsinhalte in Abhängigkeit von dem jeweiligen Teilziel genutzt.
Aus den Resultaten dieser beiden Teile leitet die Arbeit den Leitfaden zur Umsetzung gesundheitsförderlicher Kommunikation ab. Er liegt der Arbeit bei (Anhang 3: Leitfaden).
Das Vorgehen der beiden ersten Teile, auf der Grundlage von Theorien Interventionen zu entwickeln, wird aus wissenschaftlicher Sicht in der Psychologie weit verbreitet angewandt; explizit unterstützt wird es im Bereich der GK z.B. von Slater (1995) und Sniehotta und Schwarzer (2003).
Unter Punkt 2.4 stellt die Arbeit weitere Ansatzpunkte zur strategischen Ausrichtung der GK auf die Zielgruppe dar und führt exemplarisch eine ZGS anhand gesundheitsrelevanter Merkmale der ZP durch (Punkt 3). Dazu verwendet sie einen Fragebogen zur Erhebung ge- sundheitsrelevanter Merkmale und analysiert die so gewonnenen Daten mit statistischen Auswertungsmethoden in der Software SPSS 12.0. Unter Punkt 3.2.4 trifft sie für die Ziel- gruppe aus der Beispielanalyse Aussagen zur konkreten Ausrichtung der GK auf die unter- schiedlichen Segmente.
Im Anhang der Arbeit werden der Leitfaden und die Empfehlungen aus dem statistischen Teil der Arbeit in einer Diskussion in Punkt 4 unter Nutzen- und Begrenzungsaspekten darge- stellt. Außerdem werden Empfehlungen für weitere Arbeiten in diesem Feld abgeleitet.
Die Arbeit kann im vorgegebenen Rahmen keinen Anspruch auf Vollständigkeit in der Darstellung erfüllen. Sie legt den Fokus viel mehr darauf, die Forschungsergebnisse für die praktische Umsetzung im Sinne der Fragestellung nutzbar zu machen.
2.2 Gesundheitsverhalten: Das sozial-kognitive Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens von Schwarzer (1992)
Ein Modell, das den gesamten Prozess des Gesundheitsverhaltens vom Zustandekommen über den Verlauf bis zu der Aufrechterhaltung bzw. dem Disengagement schematisch dar- stellt, ist Schwarzer`s (1992) sozial-kognitives Prozessmodell des Gesundheitsverhaltens (engl.: Health Action Process Approach; Abk.: HAPA; Schwarzer, 1992, 1996, 1999, 2001; siehe Anhang 4). Das Modell beschreibt den Verlauf gesundheitsgerechten Verhaltens in unterschiedlichen, aufeinander folgenden Phasen. Es ähnelt damit in seiner Struktur stark dem Handlungsphasenmodell von Heckhausen (1987, 1989), hebt sich aber durch seinen Fokus auf Gesundheitsverhalten von dem Modell ab. Das HAPA-Modell beinhaltet die moti- vationalen Elemente früherer sozial-kognitiver Modelle, so wie des Health Belief Models (Ro- senstock, 1966) und der Theory of Reasoned Action (Fishbein & Ajzen, 1975), bzw. der dar- aus hervorgegangenen Theory of Planned Behavior (TPB; Ajzen & Madden, 1986, siehe Punkt 2.2.1.5). Es erweitert diese Modelle um eine volitionale Phase. Beeinflusst wurde der HAPA durch das Transtheoretische Modell (Abk.: TTM; Prochaska und DiClemente, 1983) und das Precaution Adoption Process Model (Abk.: PAPM) von Weinstein (1987, 1989). Die- se Modelle sind immer wieder Grundlage wissenschaftlicher Studien und Forschungsansätze gewesen. So hat das TTM zwar zu weiterer Forschung angeregt, die ihrerseits andere Modelle hervorgebracht hat, selbst allerdings hat es sich mittlerweile als wissenschaftlich nicht haltbar erwiesen (siehe hierzu Herzog et al., 1999; Jeffery et al., 1999). Das PAPM hingegen, das auch in den letzten Jahren noch weiterentwickelt wurde (Weinstein et al., 1998), ist wie auch der HAPA oft Grundlage wissenschaftlicher Forschung; gemeinsam ist den beiden Modellen, dass unterstützende Ergebnisse weitgehend aus Querschnittuntersuchungen stammen, wie z.B. von Blalock et al. (1996) für das PAPM.
Die erste der zwei Phasen des HAPA ist die präintentionale Entscheidungs- oder Motivati- onsphase, in der eine Person als Produkt einer Interaktion zwischen Risikowahrnehmung, Handlungsergebniserwartung und Selbstwirksamkeitserwartung (Bandura, 1997; Conner & Norman, 1996; siehe Punkt 2.2.1) ein Ziel in Bezug auf ihr Gesundheitsverhalten setzt. An- schließend versucht die Person in der postintentionalen Aktions- oder Volitionsphase, dieses Ziel zu erreichen. Die Volitionsphase setzt sich aus drei Teilen zusammen: Die präaktionale Phase fokussiert die konkrete Umsetzung der Ziele in Handlungspläne. Die aktionale Phase stellt die Handlungsausführung und -aufrechterhaltung unter dem Einfluss situativer Barrie- ren und Gelegenheiten dar. Die postaktionale Phase fokussiert Prozesse der Wiederholung oder Nichtwiederholung des Verhaltens nach einem Misserfolg. (Schwarzer, 1992)
Teile des Modells wurden in einzelnen Untersuchungen überprüft. So wurde dem HAPA in der Anwendung als Prädiktor für zukünftiges Trinkverhalten in einer Untersuchung von Murgraff, Mc Dermott & Walsh (2003) mit 29% erklärter Varianz eine gute Nützlichkeit bestä- tigt. In Bezug auf gesundes Essverhalten klärte das Modell in einer Studie 20% der Varianz auf, wobei Handlungsintention und Selbstwirksamkeit die einzigen signifikanten Prädiktoren waren (Schwarzer & Fuchs, 1996). Eine Längsschnittstudie im Bereich Ernährungsverhalten von Satow und Schwarzer (1997) konnte ebenfalls Teile des Modells bestätigen. Bislang stützen empirische Untersuchungsergebnisse von Weinstein et al. (1998) die Unterteilung des Prozesses der Gesundheitsverhaltensänderung in eine prä- und eine postintentionale Phase. Für den Leitfaden zur gesundheitsförderlichen Kommunikation bedeutet dieses Er- gebnis, in den zwei Phasen die Schwerpunkte jeweils exakt auf die Faktoren zu setzen, die phasenspezifische Bedürfnisse der Rezipienten befriedigen.
Der HAPA ist gemäß Sniehotta und Schwarzer (2003) als heuristisches Modell konzipiert, nicht als eine umfassende Theorie. Er soll Mechanismen verständlich machen, die ablaufen, wenn ein Individuum dazu motiviert wird, seine Gewohnheiten zu verändern, wenn es eine neue Gewohnheit beginnt und aufrechterhält, und wenn es sich bemüht Rückfällen zu widerstehen oder sich von ihnen zu erholen.
Für diese Arbeit erreicht das Modell zum einen besondere Attraktivität durch die Aufteilung des Gesamtprozesses der VÄ in verschiedene Phasen und die daraus resultierenden An- satzpunkte für die GK. Zum anderen zeichnet es sein integrativer Charakter aus. Denn es bietet die Möglichkeit, weitere Modelle zu integrieren, welche phasenspezifische Prozesse genauer erklären. Für die Erstellung der gesundheitsförderlichen Kommunikation eröffnet das die Gelegenheit, je nach Phasenzugehörigkeit aus unterschiedlichen Modellen Teilziele abzuleiten, die auf einzelne Aspekte im Prozess der VÄ abzielen. Diese Arbeit leitet für die Handlungsempfehlungen zur praktischen Umsetzung im Leitfaden genau diese Teilziele ab. Das geschieht unter Punkt 2.2.1-2.2.2 jeweils nach der Beschreibung der phasenzugehöri- gen Modelle.
2.2.1 Präintentionale Phase
Für ein besseres Verständnis der motivationalen, präintentionalen Phase des HAPA werden im folgenden Punkt die drei Konstrukte der Risikowahrnehmung, der Handlungs-Ergebnis- Erwartung und der Selbstwirksamkeitserwartung nach Bandura (1977, 1997) erklärt.
2.2.1.1 Persönliche Risikowahrnehmung
Persönliche Risikowahrnehmung (RW) ist die Wahrnehmung des persönlichen Risikos bzw. das Erleben persönlicher Verwundbarkeit (Renner und Schwarzer, 2000). Eine Unterscheidung zwischen allgemeiner und persönlicher RW nimmt Renner (2002) vor. Die persönliche RW hängt vom wahrgenommenen Schweregrad eines Ereignisses, also dem Ausmaß der erwarteten Beeinträchtigungen und seiner wahrgenommenen Eintrittswahrscheinlichkeit für die eigene Person ab. Die Wahrnehmung eines persönlichen Risikos kann zu präventivem Handeln motivieren (Renner und Schwarzer, 2000).
Die persönliche RW beinhaltet eine Unterschätzung des persönlichen Risikos im Vergleich zu anderen Personen. Dieses als „unrealistischer Optimismus“ (Weinstein, 1980) be- zeichnete Phänomen stellt im Rahmen der RW eine Gefahrenquelle dar. Renner (2002) und Renner und Hahn (1996) sprechen in diesem Zusammenhang von einem Risikostereotyp, den die bewertende Person bei der Abschätzung des persönlichen Risikos zum Vergleich heranzieht. Damit ist eine stereotypisch gefährdete Person gemeint, deren Risikoprofil und vor allem Risikoverhalten so extrem ausgeprägt sind, dass die eigene Person in diesem Ver- gleich weniger gefährdet scheint.
Der Stellenwert der RW für Gesundheitsverhalten ist im HAPA an seinen Kontext mit der Handlungsergebniserwartung und der Selbstwirksamkeitserwartung gebunden, was sich in der wahrgenommenen Kontrollierbarkeit des Risikos niederschlägt (Greening & Chandler, 1997) (siehe auch Selbstwirksamkeit, Punkt 2.2.1.3). Eine unterschiedliche Gewichtung der RW hängt außerdem ab von der Art des spezifischen Verhaltens (Gerrard, Gibbons & Reis- Bergan, 1999). Der optimistische Fehlschluss wird in vielen Studien empirisch belegt (Clarke, Lovegrove, Williams & Machperson, 2000; McKenna, 1993; Weinstein, 1987, 1989). Einen Einfluss des Alters auf den optimistischen Fehlschluss weisen Irwin und Millstein (1986) nach. Ihren Ergebnissen zufolge erliegen ihm jüngere Personen stärker als ältere. Schon für 10 bis 13-jährige wurde der optimistische Fehlschluss nachgewiesen (Whalen et al., 1994). Weinstein (1983) kommt zu dem Schluss, dass der optimistische Fehlschluss ein wichtiger Grund für das Scheitern vieler Präventionskampagnen ist.
In der präintentionalen Phase hat GK in Bezug auf die RW das Ziel, die Aufmerksamkeit der ZP auf das Thema zu lenken und eine persönliche Relevanz zwischen dem Gegenstand der Kommunikation und der ZP so herzustellen, dass sie wenig Möglichkeit zur Abwertung des eigenen Risikos hat.
Von den drei Arten, risikorelevante Informationen zu vermitteln - durch die Vermittlung per- sonenunspezifischer Informationen, Informationen über das Risiko einer durchschnittlichen Person und Informationen über das persönliche Risiko - gilt letztere als die wirksamste Me- thode, da ein persönliches Risiko eine hohe Relevanz für die eigene Person aufweist und der ZP geringen Spielraum bietet, die Information selbstdefensiv abzuwerten (Renner, 2002).
Risikokommunikation (RiKo) wird in diesem Zusammenhang unter Punkt 2.3.1 genauer be- handelt. Die Ziele, ein persönliches Risiko so rezipientenrelevant wie möglich zu vermitteln sind im Leitfaden in Phase 1.1.1 bis 1.3 berücksichtigt, ebenso der optimistische Fehl- schluss.
2.2.1.2 Handlungsergebniserwartung
Um die Notwendigkeit einer VÄ bzw. des Aufnehmens eines neuen Verhaltens zu verspüren, muss die Person neben der Wahrnehmung einer aktuellen Bedrohung die Abhängigkeit nachfolgender Ereignisse, hier gesundheitlicher Konstitutionen, von antezedenten Handlun- gen und Verhaltensweisen erkennen. Die Einsicht in Zusammenhänge zwischen dem eige- nem Verhalten und Gesundheit ist ein erster notwendiger Schritt im Prozess der VÄ. Diesen Zusammenhang stellt die Handlungsergebniserwartung (HEE) dar. Je enger das Verhalten in der Wahrnehmung des Individuums an die Konsequenzen gebunden wird, desto wahr- scheinlicher ist die Ausführung und Beibehaltung des Verhaltens (Schwarzer, 1992). Dieser Zusammenhang stellt allerdings gerade im Bereich der Gesundheitsprävention eine Heraus- forderung dar: Positive oder negative Konsequenzen von Präventivverhalten sind meist zeit- lich weit entfernt vom jeweiligen Verhalten. Außerdem führt angemessenes Verhalten nicht notwendigerweise zu Gesundheit. Anders herum führt auch unangemessenes Verhalten nicht immer zu Krankheiten. Um ein Verhalten zu verändern, müssen der Person alternative Handlungsmöglichkeiten bekannt sein, die ihr zur Problemlösung geeignet erscheinen. Dies ist eine notwendige, nicht hinreichende Bedingung zur VÄ (Sniehotta & Schwarzer, 2003; Ducki, 2003).
Kommunikation hat somit in Bezug auf HEE die Aufgabe, die Kontingenz zwischen eigenem Verhalten und gesundheitsbezogenen Konsequenzen zu verdeutlichen. Ein signifikanter Anteil der erklärten Varianz von Verhalten kann allein auf Wissen über die Konsequenzen eines spezifischen Verhaltens zurückgeführt werden (Rimal, 2000).
Kommunikation kann außerdem die Wirkungsweise der HEE nutzen, wenn sie die Zielgrup- pe in der motivationalen Phase dazu anregt, eine Neubewertung der Handlungsergebnisse vorzunehmen. Dazu bedient sie sich der Technik der Ressourcenkommunikation (siehe Punkt 2.3.2). Ziel der Kommunikation ist es, in der präintentionalen Phase in Bezug auf die HEE auf der einen Seite neue positive Aspekte der Handlungsergebnisse zu präsentieren und bereits bekannte Aspekte zu stärken. Auf der anderen Seite beinhaltet Kommunikation das Ziel, Barrieren und Schwierigkeiten zu minimieren und als überwindbar darzustellen. Dazu gehört auch das Vermitteln von Strategien zum Umgang mit Barrieren und Rückschlä- gen, die sich in der Volitionsphase positiv auf die Aufrechterhaltung des Verhaltens auswir- ken. (Sniehotta & Schwarzer, 2003) Die Punkte 2.1 bis 2.5 im Leitfaden beziehen sie auf die HEE.
Die Interaktion von PRW und HEE wirkt sich über den Zusammenhang von RiKo und der informalen Ebene der Ressourcenkommunikation auf die Kommunikationsstrategie aus. Dem in der RiKo vermittelten Wissen über Gefahren und Risiken werden in diesem Schritt der Ressourcenkommunikation Möglichkeiten gegenübergestellt, dem Risiko aktiv entgegen- zuwirken.
2.2.1.3 Selbstwirksamkeit
Neben den beiden bereits beschriebenen Konstrukten benötigt VÄ seitens der ZP die Über- zeugung, ein neues oder schwierig zu realisierendes Verhalten erfolgreich ausführen zu können. Auf diesen Aspekt zielt die Selbstwirksamkeit (SW; Bandura, 1977, 1997) ab, die in ihrer breiteren theoretischen Perspektive in der sozial-kognitiven Theorie von Bandura (1986) dargestellt wird. Insbesondere gilt sie für Situationen, die neue, unvorhersehbare, schwierige oder stressreiche Elemente beinhalten. (Weber, 2002). Eine Unterscheidung zwi- schen generalisierter und spezieller SW beschreibt Schwarzer (1996), zwischen der präin- tentionalen Action-SW und der postintentionalen Coping-SW (Schwarzer und Renner 2000).
Die Wahrnehmung, durch eigenes Handeln die Kontrolle über erwünschte Handlungsfolgen zu haben, wird in diesem Zusammenhang internale Kontrollüberzeugung (engl.: internal locus of control, ILOC) genannt. Sie grenzt die externale Kontrollüberzeugung ab, in der sich eine Person äußeren Einflüssen wie Schicksal, Zufall oder Glück erlegen wahrnimmt, die sie nicht aktiv beeinflussen kann (Bierhoff, 2000). Der ILOC stellt die Verbindung zwischen HEE und SW dar: HEE beschreibt den Zusammenhang zwischen Handlungen und ihren Folgen, ILOC spricht der ZP durch Kontrolle über ihr Handeln die Kontrolle über die Handlungsfolgen zu, und SW stattet die ZP mit dem nötigen Selbstvertrauen aus, dieses Beeinflussungs- und Kontrollverhalten durchzuführen.
Hohe Selbstwirksamkeitserwartungen sind für VÄ besonders förderlich, denn sie wirken sich positiv auf das Setzen von realistischen Zielen, die Investition von Anstrengung, die Ausdauer und Rückfallvermeidung aus (Schwarzer, 1999). Im HAPA ist die SW somit die zentrale PR, da sie direkten Einfluss auf alle Phasen des Modells hat - im Gegensatz zu der persönlichen RW, die über die präintentionale Phase hinaus keine Wirkung hat.
Viele empirische Untersuchungen stützen Bandura`s Konstrukt der SW in seiner Nützlichkeit für VÄ, besonders auch im Gesundheitsbezug. So z.B. im Kontext mit Drogenmissbrauch (Hays & Ellickson, 1990), bei Präventivverhalten bei sexuellen Aktivitäten (Jemmot, Jemmot, Spears, Hewitt & Cruz-Collins, 1991; Kalisky, Rubinson, Lawrance & Levy, 1990; Kasen, Vaughan & Walter, 1992) im Zusammenhang mit Rauchen (Lawrance & Rubinson, 1986) und bei gewichtsreduzierenden Diäten (z.B. Baranowski et al., 1990; Glynn & Ruderman, 1986). Modelle wie z.B. das Health Belief Model (Becker, 1974), die Protection Motivatin Theory (Maddux & Rogers, 1983) und die Theory of Reasoned Action (Ajzen & Madden, 1986) wurden nachträglich um die SW erweitert.
Als Bestandteil mehrerer Konstrukte entlang dem HAPA stellt die SW für die GK als präinten- tionale Action-SW bzw. postintentionale Coping-SW einen wichtigen Ansatzpunkt für konkre- te Ableitungen dar. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet sie dabei in Verbindung mit anderen Kon- strukten und Prozessen im Rahmen der Gesundheitsverhaltenstheorien (Schwarzer, 2002).
Während Kommunikation, die auf Handlungsergebnisse abzielt, eher die positiven Effekte der Handlung in den Vordergrund stellt, wird bei der Kommunikation die auf SW abzielt der Fokus auf persönliche Fähigkeiten gelegt.
Ajzen (1991) liefert empirische Unterstützung für die Annahme, dass SW einen direkten Einfluss auf eine gesundheitsbezogene Intentionsbildung hat. Je stärker diese resultierende Intention ist, desto wahrscheinlicher wird die VÄ (Abraham & Sheeran, 2000). SW hat nicht nur einen direkten Einfluss auf Gesundheitsverhalten, sie erleichtert auch die Übertragung von Wissen in Verhaltensweisen (Rimal, 2000). Um eine Intentionsbildung optimal zu unterstützen hat Kommunikation in Bezug auf die SW in der präintentionalen Phase das Ziel, der ZP das aufgabenspezifische Selbstvertrauen zu vermitteln, dem Problem (RW) durch die erfolgreiche Durchführung neuer Verhaltensweisen aufgrund eigener Fähigkeiten (SW) erfolgreich entgegenwirken zu können (HEE). Sie erfüllt damit die affektive Ebene der Ressourcenkommunikation (siehe Punkt 2.3.2). Die resultierende Intention hängt wesentlich von diesem Zusammenhang ab (Sniehotta und Schwarzer, 2003).
Zur Stärkung der SW gibt es für die Kommunikation drei Ansätze (Bandura, 1986, 1997): Die Vermittlung eigener Erfolgserfahrungen, Verhaltensmodelle, deren Nachahmung angeregt wird und Überredungen im Sinne von direktem, stärkendem Zureden z.B. „Du verfügst über die notwendigen Fähigkeiten, ich weiß, dass Du es kannst!“ (Chambliss und Murray, 1979; Bandura, 1997). Wenn diese Überredungen allerdings unrealistisch euphemistisch umge- setzt werden, können sie bei der ZP zu Argwohn und Ablehnung führen (Schwarzer, 2002). Das gilt besonders für Verhaltensweisen, bei denen es der ZP schwer fällt, die eigenen Kompetenzen objektiv zu beurteilen.
Letztere dienen der Handlungsinitiierung und -aufrechterhaltung. Siehe Punkt 2.2.2.2. Die Aspekte sind im Leitfaden in den Punkten 4.1-4.1.5 umgesetzt.
Die Interaktion zwischen SW und HEE findet sich darin, dass beide Konstrukte als notwendig für die Intentionsbildung gesundheitsförderlichen Verhaltens angesehen werden. Gleichzeitig sind sie voneinander isoliert unzureichend (Schwarzer & Renner, 2000).
Durch die Wirkungsweisen des Modelllernens nach Bandura und Ross (1963) kann auf SW abzielende Kommunikation in der präintentionalen Phase zu einer starken HEE beitragen.
Kommunikation geht in diesem Bereich vom Modell selber aus, das deutlich kommuniziert, wie es mit der Problemsituation umgeht, wie einzelne Schwierigkeiten überwunden werden können und wie es das Lösungsverhalten erfolgreich ausführt (Schwarzer, 2002). Zum er- folgreichen Modelllernen müssen weitere Aspekte beachtet werden, wie z.B. das Darstellen nicht beobachtbarer Prozesse beim Ausführen des Verhaltens oder das Kontrastieren von erfolgreicher und erfolgloser Ausführung des Verhaltens. Diese Prozesse werden genauer diskutiert und dargestellt bei Bandura (1986), Hosford und Mills (1983) und Perry und Furu- kawa (1986). Punkt 4.1.3 im Leitfaden bezieht sich auf das Modelllernen.
Interaktion zwischen RW und SW kommt zustande, indem SW-fokussierende Kommunika- tion die Ressourcen und Stärken der ZP adressiert. So stellt sie das Gegengewicht zu der affektiven Ebene der RiKo dar. Kommunikation im Bereich der HEE und der SW erfüllt damit sowohl die informale als auch die affektive Ebene der Ressourcenkommunikation. Sie muss sich der RiKo anschließen, um die ZP effektiv und positiv zu dem neuen Verhalten zu moti- vieren (Hale & Dillard, 1995). Zur Ressourcenkommunikation siehe auch Punkt 2.3.2.
Im HAPA werden die drei Konstrukte SW, HEE und PRW in einer interaktiven Funktion dar- gestellt, durch die eine gesundheitsbezogene Zielsetzung zustande kommt. Gibt es mehrere mögliche Handlungsalternativen, wird ihr jeweiliger Wert gemäß der HEE durch verschiede- ne positive und negative Ergebniswahrscheinlichkeiten ermittelt, die Anreize und Vorteile oder Nachteile und Barrieren beinhalten. In der präintentionalen Motivationsphase des HAPA werden diese gegeneinander abgewogen. Der Prozess menschlichen Entscheidungsverhal- tens wird in motivationspsychologischen Erwartungs-mal-Wert-Theorien genauer erklärt (Nerdinger, 1995; Schneider & Schmalt, 2000). Zwei davon werden im Folgenden beschrie- ben.
2.2.1.4 Das erweiterte Motivationsmodell von Heckhausen (1987)
Heckhausen (1987) konstruierte aufbauend auf der VIE-Theorie von Vroom (1964) ein erwei- tertes Motivationsmodell (Heckhausen 1987, 1989), das dem HAPA in der HEE ähnelt (Ner- dinger, 1995). Heckhausen bezieht zusätzlich die Situations-Ergebnis-Erwartung mit ein, welche die Konsequenzen der Situation ohne aktives Handeln beschreibt. Für die VIE- Theorie, auf der Heckhausens Modell fußt, besteht allerdings eine widersprüchliche Befund- lage (Holling & Kanning, 2003). Weitere empirische Kritikpunkte stellen z.B. Neuberger (1985) und Schuler und Moser (1992) dar. Heckhausen (1989) leitet eine Fragesequenz aus seinem Modell ab, die nach seinem Modell einer Handlungsentscheidung zugrunde liegt. Durch dieses Abzielen auf die Bildung einer Handlungsintention kann der Fragenkatalog den Erfolg der Kommunikationsstrategie in der ersten Phase des HAPA unterstützen. Er wird daher leicht abgewandelt in den Leitfaden übernommen (siehe Leitfaden, Punkt 3.6).
2.2.1.5 Die Theorie des geplanten Verhaltens von Ajzen und Madden (1986)
Die Konzepte der TPB von Ajzen und Madden (1986) sind im HAPA zum Großteil berück- sichtig. Eine Metastudie von Armitage & Conner (2001) unterstützt die TPB und bestätigt ihr valide Prädiktorwerte. Die subjektive Norm stellt in der TPB einen zusätzlichen Einfluss auf Entscheidungsverhalten dar, der im HAPA nicht repräsentiert ist. Sie fasst die Überzeugun- gen über die Erwartungen signifikanter Anderer und die Motivation, diesen Erwartungen ent- sprechen zu wollen, zusammen. Dieser Aspekt stellt eine Brücke zwischen personalen und externen Ressourcen dar: während „relevante andere“ Menschen aus dem direkten oder indirekten sozialen Umfeld der ZP und somit zu externalen Ressourcen zu zählen sind, stel- len andererseits der Prozess, diese Personen als relevant zu bewerten sowie die Motivation, ihren Erwartungen entsprechen zu wollen, im Feld der Emotionen und Überzeugungen inter- nale Ressourcen dar. GK kann diese Struktur auf Ebene der PR nutzen, indem sie an solche Motivationen in der ZP appelliert, wie es im Leitfaden unter Punkt 3.5 a) und b) geschieht.
2.2.2 Postintentionale Phase
2.2.2.1 Präaktional
2.2.2.1.1 Theorie der Zielsetzung von Locke und Latham (1990)
Spezifische und herausfordernde Ziele führen nach der Zielsetzungstheorie nach Locke und Latham (1990) zu besseren Leistungen als allgemeine, vage Ziele. Die Effektivität der schrift- lichen Formulierung von Ausführungsintentionen wurde in diesem Zusammenhang in der Raucherentwöhnung mit Erfolg praktiziert (Dijkstra, De Vries, Roijackers und van Breukelen, 1998). Ziele wirken direkt auf Ausrichtung, Anstrengung und Ausdauer des Handelns (Locke und Latham, 1990). Außerdem stimulieren sie die Entwicklung aufgabenspezifischer Pläne und Strategien und haben somit eine direkte Wirkung auf die Planungsphase des HAPA.
Locke und Latham (1990) beschreiben in ihrem High Performance Cycle die Auswirkung von Zielen auf Leistung und die Auswirkung von Leistung auf Zufriedenheit. In ihrem Modell, das in den HAPA am Punkt der Zielsetzung integriert werden kann, beschreiben sie neben der SW weitere Moderatoren, die für eine unterstützende Kommunikation Ansätze darstellen. Punkt 5.2.1-5.3.1 und 5.3.3 des Leitfadens beziehen sich auf sie.
Persönliche Ziele werden in diesem Zusammenhang als die wichtigste Quelle für eine ver- haltensverändernde Motivation und langfristige Aufrechterhaltung des neuen Verhaltens ge- sehen (Bandura, 1986). Das Erreichen persönlicher Ziele wirkt sich positiv auf das wahrge- nommene Wohlbefinden aus. Dass der Grad der Elaboriertheit und die Vernetzung einzelner Ziele untereinander die Realisierungswahrscheinlichkeit der Ziele maßgeblich beeinflussen, vermuten Bagozzi und Edwards (2000), konnten es aber bisher nicht empirisch belegen.
Somit ist ein Kommunikationsziel in der Zielsetzungsphase, unterstützende Informationen und Anleitungen zu transportieren, welche die ZP dazu veranlassen, ihre Ziele so spezifisch wie möglich und herausfordernd zu formulieren und sie schriftlich zu fixieren. Nach Möglichkeit sollten die ZP gesundheitsförderliche Ziele mit ihren persönlichen Zielen in Zusammenhang bringen (Punkt 5.1.1-5.3.3 im Leitfaden).
Durch eine realistische Einschätzung der eigenen Kompetenzen vermeiden Personen mit hoher SW Handlungen, die ihre Fähigkeiten weit übersteigen und die Zielerreichung dadurch unwahrscheinlich machen. Sie setzen sich viel mehr realistische, herausfordernde Ziele (Bandura, 1986). Auf eine hohe Action-SW achtet der Leitfaden deswegen unter Punkt 5 & 6.
Wenn die ZP einen Fortschritt in der Annäherung an das zu erreichende Verhalten erlebt, trägt das förderlich zur SW bei. Ein wiederholter Erfolg in abgesicherten Situationen macht die Ausführung des Zielverhaltens in schwierigeren, reellen Situationen wahrscheinlicher. GK kann die SW der ZP stärken, indem sie der ZP Erfolge vermittelt, die sie ihrer persönlichen Anstrengung und Fähigkeit zuschreiben können (Schwarzer, 2002). Gleichzeitig besteht die Möglichkeit, den ZP Instruktionen zu selbstgesteuerter Nahzielformulierung zu geben, die das Erleben von Teilerfolgen ermöglichen (Leitfaden, Punkt 5.2.1 und 5.3.3).
2.2.2.1.2 Handlungsplanung
Eine starke interne Kontrollüberzeugung wirkt sich positiv auf die Handlungsplanung aus, die das weitere Verhalten einer Person im Wesentlichen bestimmt (Bierhoff, 2000). Somit spielt die SW in der Planungsphase des HAPA eine Hauptrolle. Anzahl und Qualität von Aktionsplänen sind abhängig von subjektiv wahrgenommener Kompetenz. SW beeinflusst somit die kognitive Konstruktion von spezifischen Handlungsplänen.
Eine Studie von Murgraff, Mc Dermott und Walsh (2003) bestätigt Handlungspläne als signifikante Prädiktoren für Aktionsplanung und -ausführungskontrolle.
Eine Studie von Sheeran und Orbell (2000) demonstriert, dass Zielintentionen, die durch Ausführungsintentionen ergänzt werden, eine deutlich höhere Realisierungsrate haben. Ähnliche Ergebnisse stellen auch Studien von Sheeran und Orbell (1999) und Verplanken und Faes (1999) dar. Wie auch bei der Zielsetzung sind solche Handlungspläne erfolgreicher, die sehr detailliert festhalten wie, wo und wann ein Verhalten ausgeführt werden soll. Kommunikation hat in der Planungsphase das Ziel, zu einer solchen Spezifizierung anzuregen und die SW entsprechend zu stärken (siehe Punkt 6.1-6.3 im Leitfaden).
2.2.2.2 Aktional
2.2.2.2.1 Initiierung: Tu-Es - Motivation von McArthur et al. (1969)
Eine Aktionsinitiierung wurde in der Handlungsphase insofern vorprogrammiert, als dass die ZP bereits Szenarien ausgemalt haben, die detailliert festlegen, zu welchen Gelegenheiten und unter welchen Umständen das Zielverhalten ausgeführt werden kann. Zusätzlich können die Einstellungen, die in den vorangegangenen Phasen bezüglich des Zielthemas gebildet wurden, mittels einer Tu-Es-Motivation für die Aktionsinitiierung genutzt werden. Dabei han- delt es sich um ein Phänomen, dass Mc Arthur et al. (1969) im Zusammenhang mit der The- orie der Selbstwahrnehmung feststellten: Wenn der ZP die Selbstwahrnehmung vermittelt wird, konsequent nach ihren Überzeugungen zu handeln, erhöht diese die Einstellungs- Verhaltens-Konsistenz (Bierhoff, 2000). Forschungsergebnisse von Snyder und Kendzierski (1982) stützen das Vorgehen.
Gesundheitsförderliche Kommunikation kann dieses Phänomen nutzen, um die Aktionsinitiierung zu untermauern. Punkt 6.5 im Leitfaden bezieht sich darauf.
2.2.2.2.2 Aufrechterhaltung: Theorie der Handlungskontrolle von Kuhl (1983)
Die Theorie der Handlungskontrolle (Kuhl, 1983) beschreibt, wie eine Handlung trotz Ablenk- reizen und konkurrierender Intentionen bis zur Zielerreichung beibehalten werden kann. Kuhl postuliert sieben Merkmale, die bei diesem Prozess zum Erfolg führen können und mittels gesundheitsbezogener Kommunikation nach dem erfolgreichen Aufbau des neuen Verhal- tens eine Unterstützung desselben begünstigen. Aufmerksamkeitskontrolle, Enkodierkontrol- le, Motivationskontrolle, Umweltkontrolle, sparsame Informationsverarbeitung und Misser- folgsbewältigung sind deswegen im Leitfaden in den Punkten 6.4.1-6.4.4 berücksichtigt.
Die Interaktion von SW und Aufrechterhaltung gestaltet sich dabei so, dass SW sich durch ihren positiven Einfluss auf Anstrengung und Durchhaltevermögen auf den Prozess des Verhaltensaufbaus und die Aufrechterhaltung des Verhaltens auswirkt. Personen mit hoher SW neigen im Gegensatz zu Personen mit niedriger SW dazu, bei Rückschlägen ihre Anstrengungen zu intensivieren bis sie Erfolg haben (Bandura & Cervone, 1983). Die Aus- wirkung von SW auf die Aufrechterhaltung von Gesundheitsverhalten wird in diversen Stu- dien dargestellt. Einen Überblick geben Strecher, DeVellis, Becker & Rosenstock (1986). Maibach und Cotton (1995) vermuten, dass dieser Wirkung eine unterschiedliche Repräsen- tationsart zugrunde liegt. Sie mutmaßen, dass Personen mit hoher SW auftretende Hinder- nisse als Herausforderungen repräsentieren (siehe auch Punkt 2.3.3). Dadurch sind Perso- nen mit hoher SW in der Phase der Handlungsbewertung bei Rückschlägen eher lösungs- als problemorientiert. Sie können Rückschläge und Schwierigkeiten besser sachlich analy- sieren als Personen mit niedriger SW (Wood & Bandura, 1989). Personen, die eine niedrige SW haben, sind in beanspruchenden Situationen anfälliger für Stress und Depressionen (Bandura, 1986).
Für die Kommunikation beinhaltet dieser Ansatz die Implikation, Hürden und Barrieren als Herausforderungen darzustellen, um eine Aufrechterhaltung des Zielverhaltens zu unterstützen. Punkt 7.2 im Leitfaden bezieht sich darauf.
2.2.2.3 Postaktional
2.2.2.3.1 Bewertung: Der Optimistische Attributionsstil von Heider (1958) und Weiner (1971)
Über die Bewertung von auftretenden Schwierigkeiten müssen auch eventuelle Misserfolge verarbeitet werden. Der optimistische Attributionsstil (Heider, 1958; Weiner et al., 1971) ist ein Mechanismus, „der positive Illusionen erzeugt, die zum allgemeinen Wohlbefinden der Individuen beitragen“ (Bierhoff, 2000, S. 165). Er führt negative Ereignisse auf externale Ein- flüsse zurück, und unterstellt ihm, instabil und spezifisch zu sein (Buchanan & Seligman, 1995), was eine Ursachenzuschreibung auf die eigene Person und somit die Wahrnehmung persönlichen Versagens verhindert. Eine Wiederaufnahme oder Weiterführung des Verhal- tens, während dem es zu einem Scheitern kam, wird durch diesen Stil ermöglicht. Ursachen für Erfolge werden in diesem Attributionsmuster auf die eigene Person zurückgeführt, und zwar als zeitlich und situationsübergreifend konsistent. Ein solcher Attributionsstil beeinflusst die Erwartungen künftiger Ereignisse positiv. Gesundheitsförderliche Kommunikation kann diesen Attributionsstil durch das Anbieten entsprechender Repräsentations- und Erklärungs- ansätze nutzen. Punkt 7.3 im Leitfaden bezieht sich auf diese Ansätze.
2.3 Kommunikationstechniken
2.3.1 Risikokommunikation: Fakten vs. Furchtappelle
Risikokommunikation hat zwei Ebenen. Auf der informativen Ebene erfüllt sie das Ziel, auf Gefahren und mögliche Konsequenzen aus riskantem Verhalten hinzuweisen. Auf der affektiven Ebene kann sie Furcht vor möglichen Negativfolgen induzieren.
Die Überzeugungskraft von Furchtappellen in der GK bekommt Unterstützung durch drei quantitative Metaanalysen von Boster & Mongeau (1984), Sutton (1982) und Witte & Allen (2000). Die Metaanalysen zeigen, dass Furchtappelle mit Einstellungs-, Intentions- und Ver- haltensänderungen einhergehen. Explizit Sutton (1982) bestätigt eine starke positive Korrela- tion zwischen wahrgenommener Angst und Verhalten. Also kann der Gebrauch von Furcht- appellen bei gesundheitsförderlicher Kommunikation nützen. Punkt 1.3 aus dem Leitfaden bezieht sich auf diesen Aspekt.
Problematische Zielgruppen wie z.B. unfreiwillige Teilnehmer einer Intervention und für die jeweilige Zielgruppe sensible Themen, beispielsweise Jugendliche bei einer schulischen Pflichtveranstaltung zur Aufklärung über die Schädlichkeit von alkoholischen Trendgeträn- ken, reagieren auf Furchtappelle leicht mit Reaktanzeffekten (Horowitz, 1969). Solche Grup- pen erfordern ein gestuftes Vermitteln von Informationen in Bezug auf Risiken über alle drei Ebenen des Personenbezugs (siehe Punkt 2.2.1.1) unter allmählicher Annäherung der In- formationen von der Allgemeinheit an die konkrete Populationssubgruppe. Generell sind Furchtappelle effektiver bei älteren ZP als bei Teenagern. Das kann an einer Veranlagung dafür liegen, dass Ältere eine stärkere Verletzlichkeitswahrnehmung haben als Teenager (Irwin & Millstein, 1986). Um eine Botschaft gemäß dem Furchtappell erfolgreich zu formulie- ren, muss sie eine ernste Bedrohung, die Verwundbarkeit der ZP in Bezug auf diese Bedro- hung und effektive sowie umsetzbare Lösungsvorschläge enthalten (Hale & Dillard, 1995).
Eine besondere Herausforderung sind im Zusammenhang mit RiKo defensive Verzerrungs- und Abwehrmechanismen, die als Reaktionen auf konkrete Risikorückmeldungen empi- risch belegt sind. Neben dem unter Punkt 2.2.1.1 dargestellten optimistischen Fehlschluss liegen generell Belege für Verharmlosung oder Minimierung der möglichen Gefahr vor, wie von Jemmott et al. (1986) bei Reaktionen auf positive Testresultate für Pankreas- Erkrankungen zeigen konnte, Croyle (1990) anhand fiktiver Blutdruckwerte und Croyle et al. (1993) anhand hoher Cholesterinwerte. Ebenso gibt es Untersuchungen zu Invalidie- rungstendenzen gegenüber Tests mit persönlicher Risikobedeutung (Croyle & Sande, 1988), die von Liberman und Chaiken (1992) auch als motivierter Skeptizismus bezeichnet werden. Weitere Bewältigungsstrategien sind die Prävalenz-Überschätzung („Andere haben das auch.“), die Croyle et al. (1993) bei Rückmeldungen bzgl. Enzymmangels zeigen konnten, die Entchronifizierung („Das geht vorüber!“) und Abwehrtendenzen in der Erinnerung (Croyle, 1990; Croyle et al., 1997). Diese Abwehrmechanismen haben zur Folge, dass Informationen über ein persönliches Risiko bei den Rezipienten kein Bewusstsein über ein Risiko in Bezug auf die eigene Person hervorruft, weshalb die ZP an riskanten oder ungesunden Verhal- tensweisen festhalten (Irvine & Logan, 1994; Kreuter & Strecher, 1995; Strecher & Kreuter, 1995).
Auf Grundlage dieser Ergebnisse ist es eine zentrale Aufgabe der RiKo, kognitive Fehler bei der Einschätzung von Risiken zu reduzieren. Eine Möglichkeit, diese Verzerrungs- und Ab- wehrmechanismen zu verringern und somit eine bessere Aufnahme der Botschaft zu errei- chen besteht in der Vermittlung einer Selbstbestätigung (Reed et al., 1998; Sherman et al., 2000). In der Praxis kann diese Selbstbestätigung hergestellt werden, indem die ZP Anlei- tungen kriegen, an ihre positiven, zentralen Selbstwerte zu denken, ehe sie mit der persön- lich nachteiligen Gesundheitsinformation konfrontiert werden. Punkt 1.3 c im Leitfaden be- zieht sich auf diese Erkenntnis.
Die notwendigen Einschätzungs- und Bewertungsprozesse von Risikoinformationen sind komplex: sie involvieren sowohl die Anwendung objektiv-statistischer Informationen auf die eigene Person, wie subjektives Wissen (Bogardus, Holmboe & Jekel, 1999).
Viele Autoren empfehlen, Wahrscheinlichkeiten über Risiken quantitativ statt qualitativ zu formulieren (Bogardus et al., 1999; Littenberg & Nease, 1994; Jardine & Hrudey, 1997). Bo- gardus et al. (1999) schlagen vor, numerische Schätzungen verständlicher und plastischer zu machen, wie z.B. durch graphische Darstellungen, Beispiele, Analogien und Vergleiche der Befunde mit Alltagsrisiken, auf jeden Fall aber einen Referenzpunkt im Alltagsleben der betroffenen Person zu finden. Leppin (2001) stellt heraus, dass wirksame RiKo die Erfahrun- gen, Werte, Erwartungen und Einstellungen der Empfänger ihrer Botschaft nicht ignorieren darf. In diesem Kontext können Darstellungen über komplexe Zusammenhänge an Spezifi- zierung gewinnen, indem das Risiko nicht nur für die Gesamtpopulation, sondern z.B. auch alters- oder geschlechtsspezifisch aufgeschlüsselt wird (Walker, 1995). Diese zusammenge- stellten Maßnahmen beschreibt Leppin (2001) als eher punktuelle Ansätze anstelle systema- tischer Strategien.
Für eine Förderung des Risikoverständnisses schlagen Sniehotta und Schwarzer (2003) vor, möglichst personenbezogene Informationen bereit zu stellen und dabei a) das relative Risiko einer Erkrankung in Vergleich zu anderen bekannten Erkrankungen setzen, b) angeben, wie das Risiko über die Zeit bzw. über die Häufigkeit der Exposition zunimmt und c) darüber Auskunft geben, wie verschiedene Risikofaktoren kumuliert das Gesamtrisiko erhöhen.
Besonders wichtig ist für die behutsame Anwendung beider Ebenen der RiKo, nicht isoliert, sondern immer in Zusammenhang mit der notwendigen Handlungsempfehlung und Kompe- tenzvermittlung, z.B. durch Stärkung der SW, zu erfolgen (Barth & Bengel, 1997; Floyd et al., 2000; Leppin, 1994; Milne et al., 2000; Schwarzer & Renner, 1997; van der Pligt, 1996; Witte & Allen, 2000). Studien vermuten, dass in erster Linie Furchtappelle ohne Handlungsempfeh- lung die erwünschte Wirkung verfehlen (Abraham et al., 1994; Rippetoe & Rogers, 1987; Witte & Allen, 2000). Der Leitfaden berücksichtigt diese Aspekte unter Punkt 1.3 d. Schwarzer und Renner (2000) schlagen vor, primär eine Ressourcen- anstelle von Risikokommunikation zur VÄ zu nutzen (siehe auch Sniehotta & Schwarzer, 2003).
2.3.2 Ressourcenkommunikation
Ressourcenkommunikation vermittelt Informationen, durch die auf der einen Seite neue posi- tive Aspekte der Handlungsergebnisse präsentiert und bereits bekannte gestärkt werden und auf der anderen Seite Barrieren und Schwierigkeiten minimiert und als überwindbar darge- stellt werden. Sie besteht in der Vermittlung von positiven HEE und der Förderung von SW (Sniehotta und Schwarzer, 2003). Im Rahmen des HAPA dient die RiKo lediglich dazu, die Aufmerksamkeit der ZP zu erhalten, ihr die persönliche Relevanz des Themas zu vermitteln und sie für die VÄ zu motivieren. Daran anschließend motiviert die Ressourcenkommunikati- on während allen folgenden Phasen. Punkt 1.3 d im Leitfaden drückt diesen Aspekt aus.
2.3.3 Framing
Kommunikation kann Entscheidungsverhalten beeinflussen, indem sie Informationen in posi- tiven und negativen Rahmen darstellt. Unterschiedliche Darstellungsweisen aktivieren unter- schiedliche Konzepte bei der ZP. Dieser Vorgang des Darstellens derselben Information in unterschiedlichen Rahmen heißt „Framing“. Framing hat den Effekt, dass die ZP je nach Präsentationsrahmen unterschiedlich auf dieselbe Information reagiert. (Elstein, 1987)
In Bezug auf Verhalten stellen positive Rahmen Chancen dar und zeigen Möglichkeiten auf, aus neuen Verhaltensweisen Nutzen zu ziehen. In diesem Rahmen (Gewinn-Rahmen) moti- viert der antizipierte Gewinn des erfolgreich ausgeführten Verhaltens zu der Aktionsinitiie- rung. Negative Rahmen stellen verpasste Chancen und die Negativfolgen in Form von Ver- lusten bei Nichtausführen des Zielverhaltens in den Vordergrund (Verlust-Rahmen). (Rothman & Salovey, 1997) Dieser „Framing Effect“ zeigt sich in vielen Untersuchungen sehr robust (z.B. Elstein, 1987; Fischhoff, 1989; Meyerowitz & Chaiken, 1987; Tversky & Kahne- mann, 1986).
Für die Frage, welcher Rahmen zuverlässigere Ergebnisse produziert, existieren unter- schiedliche Untersuchungsergebnisse. Verlustrahmen zeigten sich beispielsweise in einer Studie von Meyerwoitz und Chaiken (1987) bei der Einstellungsänderung zu autodiagnosti- schem Verhalten effektiver als Gewinnrahmen. In einer Studie zu Einstellungsänderung in Bezug auf sexuelles Präventivverhalten von Fischhoff (1989) zeigten Gewinnrahmen effekti- vere Ergebnisse. In einer neueren Studie von Wang und McMurray (2002) zeigten sich für die Intention mit dem Rauchen aufzuhören negative Rahmen erfolgreicher für Raucher, die bereits die Absicht hatten, aufzuhören. Positive Rahmen bewirkten, dass sich Raucher ohne Absicht aufzuhören aktiv mit dem Thema auseinandersetzten. Beide Rahmen waren geeig- net, kurzzeitig die SW der Raucher zu stärken. Bierhoff (2000) kommt zu dem Ziel, dass die Vorhersagen über die Bewertungen und Entscheidungen der ZP nur eintreten, wenn sie den Appell in dem Frame kognitiv repräsentiert, in dem er dargeboten wird, und wenn sie die Ri- sikoeinschätzung des Kommunikators teilt.
Rothman und Salovey (1997) kommen zu dem Ergebnis, das Informationen, die in einem Gewinnrahmen dargestellt werden, zur Unterstützung von Präventivverhalten geeigneter sind als Informationen, die in einem Verlustrahmen dargestellt werden.
Für eine effektive GK implizieren diese Ergebnisse, dass die Information abhängig vom Kommunikationsziel, gesundheitsförderliches Verhalten auf- oder gesundheitsschädliches Verhalten abzubauen, in positivem bzw. negativem Rahmen dargestellt werden sollte. Darauf wird in den Punkten III 3.1 - 3.2 und 5.4.1 im Leitfaden hingewiesen.
Burroughs (1998) fand bestätigende Ergebnisse dafür, dass der negative Rahmen zu gesteigerter RW führte, während der positive Rahmen zu einer gesteigerten Wahrnehmung eigener Kontrolle führte, was zu Verhaltensänderungen führte.
GK kann diese Ergebnisse umsetzen, indem sie RiKo in negativen Rahmen umsetzt und Ressourcenkommunikation in positiven. Der Leitfaden beinhaltet diesen Aspekt in Punkt III.
2.4 Strategische Ausrichtung der Gesundheitskommunikation an der Zielgruppe
2.4.1 Tailoring vs. Targeting
Dass GK möglichst genau am Rezipienten ausgerichtet sein muss um effektiv zu sein, spricht diese Arbeit bereits in mehreren Abschnitten an (siehe Einleitung unter Punkt 2.1, Thematik Social Marketing, Punkt 2.3.2: RiKo, Punkt 2.3.2: optimistischer Bias).
Je größer die Zielgruppe ist, desto unterschiedlicher gestalten sich individuelle Umstände und Bedürfnisse. Im Social Marketing werden zwei strategische Ansätze unterschieden: Tailoring und Targeting. Ihr Unterschied besteht in dem Ausmaß, zu dem sie Charakteristiken der Zielgruppe in der Kommunikation reflektieren. (Kreuter & Wray, 2003)
Tailoring soll ein spezifisches Individuum erreichen, indem individuelles Datenmaterial die Grundlage für eine Zuschneidung der Kommunikation auf Charakteristiken des Rezipienten ermöglicht, die für diesen einzigartig sind. Die Daten über den Rezipienten hat dieser im Vor- feld zur Verfügung gestellt, typischerweise in einem formalen Fragebogen. (Kreuter & Skin- ner, 2000) Die zugeschnittenen Nachrichten können auf die Ausprägung eines Individuums auf einer einzigen Variablen abzielen oder auf komplexere Interaktionen zwischen multiplen Variablen (Kreuter & Wray, 2003).
Verglichen mit nicht-zugeschnittenen Nachrichten fanden Studien Belege dafür, dass zuge- schnittene Nachrichten eher gelesen und erinnert werden, dass sie als aufmerksamkeitser- regend bewertet, behalten und mit anderen diskutiert werden und als persönlich relevant wahrgenommen werden (Brug, 1999, Bull et al., 1999; Strecher, 1999; Skinner et al., 1999). Bei einzelnen Zielgruppensegmenten hat die Auseinandersetzung mit zugeschnittenen Nachrichten zu Veränderungen in einer Reihe gesundheitsbezogener Verhaltensweisen ge- führt, so z.B. für einen gesteigerten Anteil an Früchten, Gemüse und Ballaststoffen in der Ernährung (Brug, 1999), einen reduzierten Fettanteil in der Ernährung (Campbell et al., 1994), Raucherentwöhnung (Strecher, 1999), gesteigertes Sportverhalten (Bull et al., 1999), Brustkrebsuntersuchung (Skinner et al., 1994), Kinderimpfung (Kreuter et al., 2004), Cho- lesterolscreenings (Kreuter & Strecher, 1996) und der Teilnahme an Programmen zur GF (Nansel et al., 2002).
Tailoring als eine Form von datenbasierter Kommunikation ist nur dann eine Option unter den zu wählenden Kommunikationsstrategien, wenn Möglichkeiten bestehen, genügend Informationen über das Individuum auf der Ebene der Schlüsseldeterminanten der VÄ zu erhalten (Kreuter & Wray, 2003). Im Bereich computergestützter GK hat das Tailoring aufgrund der einfachen Gestaltung von interaktiven Kommunikationsprozessen ein breites Anwendungsfeld gefunden (Hurrelmann & Leppin, 2001).
Ansonsten bietet sich eine abgeschwächte Art der Ausrichtung an die ZP an. Insbesondere, wenn es sich nicht um ein Individuum, sondern um eine Gruppe von Personen handelt, de- ren Mitglieder sich in Charakteristiken ähneln, die für das Kommunikationsziel relevant sind. Diese Form der Rezipientenorientierung ist das Targeting (Kreuter & Skinner, 2000). Dabei kann eine Zielgruppe sehr breit gefasst oder sehr spezifisch sein (Kreuter & Wray 2003).
Es ist nicht bekannt, ob zielgerichtete oder zugeschnittene Nachrichten effektiver sind als die jeweils andere Form der Ausrichtung an die ZP; Studien arbeiten bisher nur mit dem Ver- gleich von Tailoring oder Targeting mit nicht spezifizierter Kommunikation (Kreuter & Wray 2003).
GK sollte also nach Möglichkeit das Tailoring als Form der Orientierung der Kommunikation an den Rezipienten anwenden. Fehlen ausreichende, personenbezogene Daten, sprechen die Ergebnisse dieses Punktes dafür, zumindest Subgruppen der Zielgruppe zu differenzieren, und zwar besonders, wenn diese sehr groß ist.
Der Leitfaden berücksichtigt diesen Aspekt unter Punkt I. Die ZGS wird im Folgenden genauer dargestellt.
2.4.2 Zielgruppensegmentierung
Um bei gegebenen Mitteln einen größtmöglichen Nutzen seitens der Rezipienten zu erzielen, lassen sich auf Grundlage von Ähnlichkeiten Gruppen oder Cluster innerhalb der Zielgruppe identifizieren, die in sich auf gesundheitsrelevanten Faktoren homogener sind als die Ge- samtgruppe. Aufgrund dieser Qualitätsausprägungen kann sich die Kommunikation gezielt auf einzelne Bedarfe der Menschen innerhalb unterschiedlicher Cluster beziehen und ermög- licht so eine genauere Zielausrichtung der Kommunikations- oder Interventionsmaßnahme. (Albrecht & Bryant, 1996; Morris, Tabak & Olins, 1992; Slater & Flora, 1991; Slater, 1995) Wie Slater (1995) ausführt, ist der Erfolg durch eine intelligente ZGS noch nicht garantiert. Keine oder schlechte ZGS führt aber durch hohe Streuverluste zu schlechteren Ergebnissen.
2.4.3 Zusammenfassung und Fazit
Bis zu diesem Punkt wurde auf Grundlage theoretischer Überlegungen und wissenschaftlicher Ergebnisse ein Leitfaden zur Erstellung gesundheitsförderlicher, zielgruppenaffiner Kommunikation abgeleitet. Im folgenden Teil wird auf der Basis gesundheitsrelevanter Daten exemplarisch eine ZGS durchgeführt. Dadurch soll demonstriert werden, wie der Kommunikationsleitfaden Subgruppen effektiver erreichen kann.
3. Untersuchung
3.1 Ziele
Ziel der ZGS ist es, auf der Grundlage gesundheitsrelevanter Faktoren Subgruppen einer größeren Population zu identifizieren, zu prüfen, ob die Unterschiede zwischen den Clustern signifikant sind, und die Unterschiede der Gruppen untereinander zu analysieren. Im An- schluss daran soll die Frage geklärt werden, wie die Faktoren zur Unterteilung in die Cluster, zu der Bewertung der Arbeitszufriedenheit und der subjektiven Belastung beitragen.
In der folgenden Übersicht sind die Forschungshypothesen für den sich anschließenden Teil statistischer Methodik zusammengefasst.
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- Citation du texte
- Ulrich Stephany (Auteur), 2005, Herleitung eines Leitfadens zur Umsetzung gesundheitsförderlicher, zielgruppenaffiner Kommunikation, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/63224
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