Durch die zunehmende Komplexität einer individualisierter Gesellschaft sowie größerer Mobilität und Durchlässigkeit innerhalb der Sozialstruktur, verwischen zusehends die Grenzen im sozialen Ungleichheitsgefüge. Eine Klassengesellschaft im traditionellen Sinn, die einer sozial definierbaren herrschenden Klasse eine ihr untergeordnete Klasse der Arbeiterschaft gegenüberstellt, gibt es nicht mehr. Es wäre allerdings verfrüht, deshalb von einer klassenlosen Gesellschaft zu sprechen.
Die weltweite wirtschaftliche Entwicklung hat neue Klassen hervorgebracht und Faktoren wie Herkunft, Bildung, Beruf und Einkommen bestimmen noch immer die Lebenschancen des Einzelnen. Grundbegriffe der Klassengesellschaft werden abgelöst durch Leitbegriffe wie Differenzierung, Individualisierung und Globalisierung. Das Untersuchungsobjekt „soziale Ungleichheit“ unterliegt heute der stetigen Veränderung. Diese stetige Veränderung hat auch Auswirkungen auf die Organisationsstrukturen der Unternehmen und auf die Karrierefelder ihrer zukünftigen Führungskräfte.
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich damit, wie soziale Ungleichheit und die damit verbundene ungleiche Verteilung von Lebenschancen sich heute und in Zukunft darstellen wird, welche bestehenden Entwicklungslinien der westeuropäischen und globalen Gesellschaft sich abzeichnen und welche Folgen sich daraus für die Unternehmen und ihrer Führungskräfte ableiten lassen.
Inhaltsverzeichnis
1. Prolog zur sozialen Ungleichheit
2. Gesellschaftsstruktur und sozialer Wandel
3. Moderne strukturierte soziale Ungleichheit
3.1. Traditionelle und moderne Klassentheorien
3.2. Fortgeschrittene Gesellschaft - Klassenlose Gesellschaft?
3.3. (Post-) Moderne Gesellschaft – ein Versuch der Orientierung
3.4. Hierarchien (post-) moderner Klassen
4. Wandel der Arbeitswelt
4.1. Organisationsstruktur
4.2. Neue Arbeitsformen
4.3. Neue Karrierefelder
5. Mögliche Folgen für den Führungsnachwuchs
6. Schlusswort
Quellenverzeichnis
Stichwortverzeichnis
Thesen
1. Prolog zur sozialen Ungleichheit
Die individuelle Freiheit, einst eine Belastung und ein Problem für alle Ordnungsstifter in der Moderne; wurde zum wichtigsten Aktivposten und Hauptressource der heutigen Gesellschaft: „Postmoderne Männer und Frauen haben ein Stück ihrer Sicherheitsmöglichkeit gegen ein Stück Glück eingetauscht. Das Unbehagen in der Postmoderne entsteht aus einer Freiheit, die auf der Suche nach Lustgewinn zuwenig individuelle Sicherheit toleriert“.[1]
Es finden sich in der Soziologie heute kaum noch Beiträge zur Arbeiterklasse, zur herrschenden Klassen oder der Klassengesellschaft im traditionellen Sinn. Ein ausgeprägtes Klassenbewusstsein, wie es selbst noch in der aufstrebenden Wohlstands-gesellschaft der BRD der sechziger und siebziger Jahre vorhanden war, ist fast nicht mehr anzutreffen. Durch die zunehmende Komplexität einer individualisierter Gesellschaft sowie größerer Mobilität und Durchlässigkeit innerhalb der Sozialstruktur, verwischen zusehends die Grenzen im sozialen Ungleichheitsgefüge. Es wäre allerdings verfrüht, deshalb von einer klassenlosen Gesellschaft zu sprechen. Untergründig sind sehr wohl spezifische Sozialstrukturen auszumachen, jedoch können selbst moderne Klassenkonzepte wie die von Giddens oder Wright[2] dem hoch differenzierten sozialen Geflecht komplexer (post-) moderner Gesellschaften kaum noch gerecht werden.[3]
Wie soziale Ungleichheit und die damit verbundene ungleiche Verteilung von Lebenschancen sich heute und in Zukunft darstellen wird, welche bestehenden Entwicklungslinien der westeuropäischen und globalen Gesellschaft sich abzeichnen und die daraus abgeleiteten Folgen für die Unternehmen und ihrer Führungskräfte, soll Thema dieser Arbeit sein. Dazu wird zuerst ein kurzer Einblick in die Klassentheorien der modernen Gesellschaft gegeben, daran anschließend sind aktuelle sozial-ökonomische Entwicklungstendenzen skizziert, die ihrerseits zur Bestimmung (post-) moderner Gesellschaftsklassen führen.
Anhand dieser Klassen wird sodann, der engen Zusammenhang aufgezeigt, der zwischen der Position die ein Individuum im sozialen Gesellschaftsgefüge einnimmt und seiner Stellung, welche es im wirtschaftlichen Leben inne hat, besteht. Schließlich wird der Frage nachgegangen, welchen Einfluss die im sozialen Wandel identifizierten Tendenzen auf die Entwicklung von Unternehmen und ihre Organisationsformen haben und in welcher Form sich (post-) moderner Gesellschaftsklassen in den Organisationsstrukturen der Unternehmen widerspiegeln.
2. Gesellschaftsstruktur und sozialer Wandel
Die Sozialstruktur in Deutschland und anderer Industrienationen ist in den letzten Jahrzehnten insgesamt komplizierter geworden. Tendenzen zur breiteren Verteilung von sozialer Benachteilung durch soziale Einschnitte und erhöhte soziale Risiken verstärken in weiten Teilen der Bevölkerung die Unübersichtlichkeit und Inkonsistenz gesellschaftlicher Gruppen.[4] Eine größer werdende individuelle Freiheit sowie kulturelle Anreicherung durch multinationale Gruppen führen darüber hinaus zu wachsender sozialer Vielfalt. Die Klassenstruktur fortgeschrittener Gesellschaften ist, sowohl auf horizontaler als auch vertikaler Ebene gekennzeichnet durch Vielschichtigkeit und Pluralismus.[5] Rangunterschiede innerhalb der Gruppen können je nach Betrachtungs-ansatz differenzieren oder gar widersprüchlich sein, andererseits ermöglicht soziale Mobilität einen schnelleren Auf- und Abstieg in eine andere gesellschaftliche Schicht. Die dynamischer werdende Beschleunigung des sozialen Wandels und somit eine rasante Veränderung der Sozialstruktur entlang der Zeit, kommt bei der Betrachtung der ohnehin komplexen sozial-ökonomischen Verhältnisse unserer Gesellschaft erschwerend hinzu.
3. Moderne strukturierte soziale Ungleichheit
Das Untersuchungsobjekt „soziale Ungleichheit“ in der Gesellschaft unterliegt somit der stetigen Veränderung. Die Darstellung sozialer Großgruppen, die eine gemeinsame Subkultur, starke Interaktion und ein gemeinschaftliches Zugehörigkeitsgefühl aufweisen, mittels bestehender Klassentheorien, erweist sich gegenüber der Realität als zunehmend unzulänglich. Neue Konzepte, wie z.B. das der strategischen Gruppen[6] oder Power Structure Research[7] müssen deshalb heute in die Betrachtungen mit einbezogen werden.
3.1. Traditionelle und moderne Klassentheorien
Der starre marxistische Klassenbegriff (1848), der sich ausschließlich auf die Faktoren Arbeit und Kapital und ihre Stellung im Produktionsprozess bezieht, die durch den Besitz (der herrschenden Klasse) oder Nichtbesitz an den überwiegenden Produktionsmittel determinierte wird, wurde im 20. Jahrhundert von verschiedenen Soziologen kontinuierlich erweitert und modifiziert.[8]
Max Weber (1922) prägte den Begriff der „Sozialen Klasse“, indem er, der auf Eigentumsverhältnissen basierenden Besitzklasse eine durch ihre Chancen im (Arbeits-) Marktprozess definierte Erwerbsklasse hinzufügte.[9] Mit dem Schichtenmodel von Theodor Geiger (1949) gewann die Betrachtung der Gesellschaftsstruktur erstmals auch eine stärkere Betonung der horizontalen Dimension. Er bestimmte soziale Lagen, in denen auf Grund von ähnlichem Status gemeinsame Mentalitäten entstehen und denen ein bestimmender Einfluss auf die Lebenschancen zugewiesen werden kann.[10]
Moderne Modelle berücksichtigten somit immer stärker die sozialen Unterschiede innerhalb der gesellschaftlichen Schichten und die soziale Mobilität zwischen ihnen. Statt übereinander gelagerter sozialer Schichten wird die gesellschaftliche Realität zunehmend als komplexe Vielfalt von möglichen Konstellationen verschiedener Lebenschancen, Klassenlagen und sozialer Lagen gesehen.[11] Pierre Bourdieu (1979) erneuerte die Klassentheorie als „Theorie der sozialen Distinktion“. Er unterscheidet drei große Klassen. Diese verteilen sich im sozialen Raum entlang der vertikalen Achse, auf der die Herrschaftsverhältnisse abgebildet sind, innerhalb der einzelnen Klassen werden Klassenfraktionen auf einer horizontalen Achse anhand ihres Kapitals gegeneinander abgrenzt, wobei er ökonomisches von kulturellem Kapital trennt. Die Position im sozialen Raum bestimmt außerdem den jeweils unterschiedlichen Habitus, welcher den präferierten Lebensstil prägt. In einer umfangreichen empirische Untersuchung wurden von ihm die unterschiedlichen Lebensstile und ihre Auswirkungen auf die Lebenschancen bestätigt.[12] Nach Giddens (1979) basieren Klassen als strukturierte Phänomene auf einer „mit gemeinsamer Lebensführung verbundenen gemeinsamen Wahrnehmung und der Anerkennung ähnlicher Einstellungen und Überzeugungen“ und Wright (1985) untersuchte empirisch die „widersprüchlichen Klassenlagen“, wobei er auf den Aspekt von Ausbeutungsverhältnissen innerhalb von zwölf Klassenlagen abstellte.[13]
Schließlich gewinnen postmoderne Denkfiguren, wie die von Luhmann (1986), Hradil (1987) oder Becks (1986) These von der „Unmittelbarkeit von Individuen und Gesellschaft“ in der „Risikogesellschaft“, zunehmend an Bedeutung. Der Grundbegriff der strukturierten sozialen Ungleichheit wird abgelöst durch Leitbegriffe wie Differenzierung, Individualisierung und Globalisierung.[14]
3.2. Fortgeschrittene Gesellschaft - Klassenlose Gesellschaft?
Beck hat auch das paradoxe Bild der „Klassengesellschaft ohne Klassen“ gezeichnet. Er begründete dies einerseits mit dem ansteigenden Wohlstand in den westlichen Industriennationen und dem damit verbundenen „Fahrstuhleffekt“ für die Klassengesellschaft. Andererseits führe der durch die informelle Revolution hervorgerufene soziale und ökonomische Wandel zu einem fortschreitenden Prozess der Individualisierung und Flexibilisierung, wodurch die Menschen aus ihren traditionellen Bindungen herausgelöst werden und eine neue Freiheit, aber auch neue Risiken entstehen. Diese Transformationen in der Sozialstruktur haben zur Folge, dass klare Trennungen von Gesellschaftsklassen oder –schichten immer weniger wahrgenommen werden können.[15]
Auf nationaler Ebene ist dem sicherlich zuzustimmen, doch bezieht man in die Betrachtung eine globale Perspektive mit ein, wird offenkundig, dass ein deutlich erkennbares soziales Ungleichgewicht zwischen den Klassen lediglich in eine andere Dimension verlagert wurde. Des weiteren wird ebenso schnell klar, wie wesentlich für die Analyse sozialer Ungleichheitsverhältnisse auch heute noch, die Stellung im Produktions-prozess und die unterschiedliche Verfügungsgewalt über verwertbare Ressourcen, als Merkmal der Abgrenzung (internationaler) gesellschaftlicher Gruppen ist. Nur eben mit dem Unterschied, dass die im gesellschaftlichen und ökonomischen Reproduktions-prozess verwertbaren Ressourcen ebenfalls einem Wandel unterliegen.
3.3. (Post-) Moderne Gesellschaft – ein Versuch der Orientierung
Innerhalb der Moderne-Postmoderne-Diskussion[16] erweist sich der Versuch einer Orientierung, angesichts der Vielschichtigkeit und Verflechtung der Entwicklung dieser Begriffe, als äußerst problematisch. Das liegt vor allem an der Tatsache, dass Postmodernismus als Oppositionsbegriff zur Abgrenzung gegenüber dem Modernismus zu verstehen ist.[17] Die Erschütterung traditioneller Werte ist ein charakteristisches Merkmale für die Epoche der Moderne, die Postmodernen dagegen, manchmal auch reflektive oder dritte Moderne genannt, ist bestimmt durch ihren Sinn für Differenz und radikale Pluralität. Fixpunkt der postmodernen Lebensstrategie ist es nicht, Identität zu finden und zu fundieren, sondern vielmehr eine Festlegung zu vermeiden.[18]
[...]
[1] Baumann (1999), S. 12
[2] siehe zu beidem S. 5
[3] vgl. Jain (2000), S. 3
[4] vgl. Wittich (2001), S. 119
[5] vgl. Preglau (1998), S. 5
[6] Strategische Gruppen bilden sich als vertikale Vernetzung von Personen, die eine gemeinsame Aneig- nungsstrategie im Zusammenhang mit neu auftretenden Ressourcen aufweisen. Vgl. Evers (2005), S. 4
[7] Gegenstand der Forschung sind die sozialen und ökonomischen Interessen der Machteliten, die sich durch
Konzentrationsprozesse, Globalisierung und Informatisierung bilden. Vgl. Krysmanski (2004), S. 16
[8] vgl. Krysmanski (2004), S. 3
[9] vgl. Jain (2000), S. 2
[10] vgl. Krysmanski (2004), S. 7
[11] vgl. Krysmanski (2004), S. 9
[12] vgl. dazu Hartmann (2001), S.2 f.
[13] vgl. Krysmanski (2004), S. 9 f.
[14] vgl. Kreckel (1995), S. 5
[15] vgl. Beck (1986), S. 121 f.
[16] Der Begriff Postmoderne selbst, prägt sich Ende der fünfziger Jahre zunächst in Bereichen der Kunst, Literatur und Architektur. Erst später wurde er auch in der Philosophie und den Sozialwissenschaften etabliert.
[17] vgl. Kirsch (1998), S. 31
[18] vgl. Baumann (1999), S. 160
- Quote paper
- Ulrike Messbacher (Author), 2006, (Post-) Moderne Klassen als Vorbilder für die Bildung von Karrierestufen in Unternehmen?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62908
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