Am 22./23. März 2005 billigte der Europäische Rat die nach kontroverser Diskussion am 20. März 2005 erzielte Einigung der EU-Finanzminister zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.
Der Pakt wird seit seiner Formulierung und seines Inkrafttretens hinsichtlich seiner Notwendigkeit von Politikern wie Ökonomen diskutiert und wurde vielfach auch als wirkungslos betrachtet nachdem am 25. November 2003, unter Kritik der EZB, der europäischen Kommission und einiger EWU-Teilnehmerstaaten, das gegen Deutschland und Frankreich aufgrund des Stabilitäts- und Wachstumspakts eingeleitete Defizitverfahren vom ECOFIN-Rat vorläufig ausgesetzt wurde, obgleich bereits im Jahr 2002 für beide Länder ein übermäßiges Defizit festgestellt, die gestatteten 3 % vom BIP überschritten wurden.
Diese Arbeit stellt die Entwicklung des Paktes aus dem Vertrag von Maastricht und dem deutschen Vorschlag eines „Stabilitätspakts für Europa“ dar. Nach Analyse der wichtigsten Argumente für die strenge Auslegung des Paktes sowie derjenigen für eine Modifikation des Regelwerks werden die Neuregelungen des Paktes, zu denen es am 20. März 2005 kam, vorgestellt und auf ihre Sinnigkeit hin geprüft.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Symbolverzeichnis
1 Einleitung
2 Der Vertrag von Maastricht und der SWP
2.1 Der Vertrag von Maastricht
2.1.1 Darstellung der Konvergenzkriterien
2.1.2 Kritik am Vertragswerk von Maastricht
2.2 Vom „Stabilitätspakt für Europa“ zum SWP
2.3 Funktionsweise des Sanktionsmechanismus
3 Staatsverschuldung und Inflation
3.1 Ermittlung der Staatsverschuldung
3.2 Der Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung und Inflation
3.3 Inflationsursachen nach Keynesianischer und Neoklassischer Theorie
4 Argumente für eine Beibehaltung des ursprünglichen Pakts
4.1 Gefahr für die Geldwertstabilität
4.2 Erhalt der Glaubwürdigkeit
5 Argumente gegen eine Beibehaltung des ursprünglichen Pakts
5.1 Unrealistische Verschuldungskriterien
5.2 Umstrittene Korrelation von Defizit und Inflation
5.3 Mangelnde Differenzierung der staatlichen Ausgaben
5.4 Wirken des Sanktionsmechanismus
5.5 Mangelnde Flexibilität und Förderung einer prozyklischen Fiskalpolitik
6 Neuregelungen des Stabilitäts- und Wachstumspakts
7 Schlussbetrachtung
Anhang: Notwendige Wachstumsrate des BIP zur Neutralisierung des Zuwachses der Schuldenquote durch die Neuverschuldung
Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Sanktionsmechanismus des Stabilitäts- und Wachstumspakts
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Am 22./23. März 2005 billigte der Europäische Rat die nach kontroverser Diskussion am 20. März 2005 erzielte Einigung der EU-Finanzminister zur Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes.[1]
Der SWP wird seit seiner Formulierung und seines Inkrafttretens hinsichtlich seiner Notwendigkeit von Politikern wie Ökonomen diskutiert und wurde auch schon für tot[2] erklärt nachdem am 25. November 2003, unter Kritik der EZB, der europäischen Kommission und einiger EWU-Teilnehmerstaaten, das gegen Deutschland und Frankreich aufgrund des SWP’s eingeleitete Defizitverfahren vom ECOFIN-Rat[3] vorläufig ausgesetzt wurde, obgleich bereits im Jahr 2002 für beide Länder ein übermäßiges Defizit festgestellt, die gestatteten 3 % vom BIP überschritten wurden.
Die vorliegende Arbeit stellt zunächst die Entwicklung des Paktes aus dem Vertrag von Maastricht und dem deutschen Vorschlag eines „Stabilitätspakts für Europa“ dar. In Kapitel 3 wird die Berechnung der Staatsverschuldung sowie deren Zusammenhang mit der Inflationsrate untersucht und die keynesianische mit der neoklassischen Begründung für Inflation verglichen. In den Kapiteln 4 und 5 werden die wichtigsten Argumente für die strenge Auslegung des Paktes sowie diejenigen für eine Modifikation des Regelwerks erläutert, um in Kapitel 6 die, schließlich der Diskussion gefolgten, am 20. März 2005 beschlossenen Neuregelungen des Paktes vorzustellen. In der Schlussbetrachtung soll eine Beurteilung der Sinnigkeit des Paktes bzw. seiner Änderungen die Arbeit abschließen.
2 Der Vertrag von Maastricht und der SWP
Nachfolgend werden der Vertrag von Maastricht, dessen Konvergenzkriterien, die Entwicklung des SWP’s aus dem „Stabilitätspakt für Europa“ und das Wirken seines Sanktionsmechanismus vorgestellt.
2.1 Der Vertrag von Maastricht
Der Vertrag von Maastricht sollte die Rahmenbedingungen für die Einführung des Euro in Europa setzen und versucht die Stabilität der gemeinsamen Währung zu sichern, wobei Konsens herrschte, dass dies nur durch das Erzwingen solider Staatsfinanzen innerhalb der Teilnehmerländer der Währungsunion garantiert werden kann.[4] Als Starttermin für die Einführung des Euro wurde damals der 1.1.1999 festgelegt.[5]
2.1.1 Darstellung der Konvergenzkriterien
Der Vertrag von Maastricht legt für die Länder drei Kriterien hinsichtlich des Geldwesens und zwei weitere in Bezug auf die öffentlichen Finanzen fest, deren Erfüllung zur Teilnahme an der Währungsunion berechtigen.
Zunächst wird gefordert, dass der Anstieg der Verbraucherpreise höchstens 1,5 % über dem eines der drei preisstabilsten Euro-Länder liegt.
Um Wechselkursstabilität zu garantieren, müssen Länder, die der Währungsunion beitreten wollen, vorweisen, dass ihre Währung in den letzten beiden Jahren vor der Prüfung nicht einseitig abgewertet wurde und keine Spannungen auftraten.
Ferner wurde festgelegt, dass der langfristige nominale Zins im Jahr vor der Prüfung höchstens 2 % über dem Zinssatz eines der preisstabilsten Länder liegen darf.
Schließlich darf, zur Erhaltung gesunder Staatsfinanzen, das Haushaltsdefizit höchstens 3 % des BIP betragen, die Gesamtschuld maximal 60 % des BIP.[6]
In Art. 104 des Vertrags sind mögliche Sanktionen bei Verstößen gegen eines oder mehrere der Kriterien genannt.[7] So kann die Auflage von Schatzanleihen und anderen Staatspapieren oder eine Kreditsperre erschwert werden oder ein Land gezwungen werden, "eine unverzinsliche Einlage in angemessener Höhe bei der Gemeinschaft zu hinterlegen" oder "beträchtliche Geldstrafen" zu zahlen.
2.1.2 Kritik am Vertragswerk von Maastricht
1992 veröffentlichten 60 Ökonomen ein Manifest gegen Maastricht, in dem sie in elf Punkten eine geeignete Realisierungsgrundlage für die grundsätzlich erwünschenswerte Währungsunion anzweifeln.[8] Begründet wurde dies unter anderem mit den Konvergenzkriterien, die sie als relative Größen als zu weich ansahen und die bei stichtagsbezogener Überprüfung hinsichtlich der Angleichung der Wirtschaftsstrukturen der Mitgliedsländer keinen Nachweis geben würden. Des Weiteren wurde das Erreichen von Preisstabilität innerhalb Europas angezweifelt,[9] einmal aufgrund der geringen Anreize für die Regierungen, die Preisstabilität über nationale Interessen zu stellen, und zum andern durch das Fehlen eines europaweiten Stabilitätskonsenses, der sowohl von der Bevölkerung als auch von Tarifparteien und Regierungen getragen werden müsste.[10]
2.2 Vom „Stabilitätspakt für Europa“ zum SWP
Nachdem von vielen Seiten vermutet wurde, dass die im Maastricht-Vertrag festgelegten Sanktionen die Haushaltsdisziplin nicht im erwünschten Maße sicherstellen würden, wurden in diesem Zusammenhang europaweit etliche Vorschläge eingereicht.[11] So legte der damalige deutsche Finanzminister Theo Waigel am 10. November 1995 den „Stabilitätspakt für Europa“ vor, der folgende drei Elemente für die an der Währungsunion teilnehmenden Staaten vorsah:[12]
Materiell-rechtlich:
Zunächst verpflichten sich die Mitgliedstaaten, ihr Haushaltsdefizit – selbst bei ungünstiger Wirtschaftslage - nicht über 3 % des Bruttoinlandsprodukts anwachsen zu lassen. Für einen Dispens in Ausnahmesituationen wäre die qualifizierte Mehrheit der Teilnehmer notwendig.[13] In normaler wirtschaftlicher Situation soll das Haushaltsdefizit unter der Marke von 1 % des BIP bleiben.
Außerdem dürften die Schulden eines Landes 60 % des BIP nicht übersteigen und wären auch unterhalb dieser Marke nachhaltig abzubauen.
Verfahrensrechtlich:
Die Mitgliedsländer sollen sich einem effektiven Sanktionsmechanismus unterwerfen, der vorsieht, dass ein europäischer Stabilitätsrat die Einhaltung der Defizitobergrenze von 3 % überwacht und eine Nichteinhaltung automatisch zu einer unverzinslichen Einlage von 0,25 % des BIP pro angefangenen Prozentpunkt der Defizitüberschreitung verpflichtet, wenn der Dispens nicht erteilt wird. Wird das Defizitkriterium nicht mehr verletzt wird diese „Stabilitätseinlage“ zurückgezahlt, es sei denn die Defizitverfehlung dauert zwei Jahre an – dann wandelt sich die Einlage in eine Geldbuße um.[14] Dieser Automatismus der Sanktionsregelung hat einige Vorteile,[15] so würde verhindert werden, dass nötige Korrekturmaßnahmen hinausgezögert werden und dies zu einer Überschuldung führt; der Zusammenhalt innerhalb der Union würde nicht durch eine „Verurteilung“ eines Staates durch die anderen Mitglieder gefährdet; schließlich ist durch die Vorhersehbarkeit der Sanktionen ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, die Defizitquote langfristig unter den Schwellenwert zu senken, um diesen auch in wirtschaftlichen Schwächephasen nicht zu überschreiten. Somit haben die Sanktionen auch eine prophylaktische Wirkung.[16]
[...]
[1] Nachfolgend abgekürzt mit SWP.
[2] Vgl. von Hagen, J., Stabilität und Wachstum in Euroland: Plädoyer für einen Stabilitätsrat, 2004, S. 11 oder auch Welfens, P., Eine kluge Reform des Stabilitätspaktes ist notwendig, 2004, S. 18.
[3] Dem Rat der Wirtschafts- und Finanzminister der Teilnehmerstaaten an der Währungsunion.
[4] Vgl. Peffekoven, R., Strikte Anwendung geboten – nationale Voraussetzungen schaffen, 2002, S. 127.
[5] Kohl akzeptierte diesen Termin, was politisch wohl ein Fehler war, da die Entscheidung über die teilnehmenden Länder nun spätestens im Frühjahr 1998 getroffen werden musste, was die Einhaltung der haushaltspolitischen Konvergenzkriterien 1997 zwingend erforderlich machte und sich auf die Konjunktur im Wahljahr negativ auswirken musste. Vgl. Vaubel, R., Geschichtsforschungen zu dem Buch von Kenneth Dyson und Kevin Featherstone „The Road to Maastricht“, 2002, S. 470.
[6] Vgl. Vertrag über die Europäische Union, Protokoll über das Verfahren bei einem übermäßigen Defizit und Protokoll über die Konvergenzkriterien nach Art. 109j, 1992.
[7] Siehe hierzu Kapitel 2.3.
[8] Vgl. für den Abdruck Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 11. Juni 1992.
[9] Dass sich eine Währungsunion nur auf dem Wege des Vorrangs der Preisstabilität erreichen lassen würde, stellten Willgerodt, H. u. a. 1972 heraus. Vgl. Willgerodt, H., Domsch, A., Hasse, R., Merx, V., Wege und Irrwege zur europäischen Währungsunion, 1972, S. 69 f.
[10] Vgl . Weinbörner, Susanne, Die Stellung der Europäischen Zentralbank (EZB) und der nationalen Zentralbanken in der Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vertrag von Maastricht, 1998, S. 254.
[11] Für eine Übersicht der Vorschläge vgl. Holzmann, R., Hervè, Y., Demmel, R., The Maastricht fiscal criteria: Required but inefficient?, 1996, S. 49 ff.
[12] Vgl. Bundesministerium für Finanzen, Stabilitätspakt für Europa, 1995.
[13] Dies entspricht der Struktur des repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt. Vgl. hierzu Maurer, H., Allgemeines Verwaltungsrecht, 1992, §9 Rn. 51 ff.
[14] Es wurde von Seiten der Nationalökonomie auch diskutiert, ergänzend zu finanziellen Sanktionen den Verlust des Stimmrechts im Rat als politische Sanktion einzuführen. Vgl . Hasse, Alternativen zum Stabilitätspakt von Dublin, 1997, S. 18.
[15] Friedrich, K. sieht darin gar die Voraussetzung für deren Wirksamkeit. Vgl. Friedrich, Klaus, Auf dem Weg zur Europäischen Währungsunion, 1997, S. 170.
[16] Vgl . Lehment, H., Scheide, J., Der Fahrplan für die Europäische Währungsunion: Noch erheblicher Handlungs- und Klärungsbedarf, 1995, S. 16 f.
- Arbeit zitieren
- Anonym,, 2005, Der Stabilitäts- und Wachstumspakt in der Krise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62853
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