Zwei Monate vor Ausbruch des ersten Weltkrieges vollendet Heinrich Mann im Jahre 1914 seinen Roman Der Untertan. Neben den beiden Romanen Die Armen und Der Kopf zählt er zur berühmten Kaiserreich – Trilogie. Wie aus den drei Titeln hervorgeht, behandelt jeder Band eine bestimmte Schicht der Bevölkerung. Im Roman Die Armen befasst sich Heinrich Mann mit dem Proletariat, mit dessen Ausbeutung durch die Bürger und der daraus resultierenden Notlage. Der Kopf nimmt Bezug auf die intellektuellen Kreise, die das politische und wirtschaftliche Schicksal Deutschlands entschieden. Der Untertan ist der Bourgeoisie gewidmet, obwohl dies aufgrund der vorherrschenden politischen Spannungen nicht direkt zum Ausdruck kommt. „Den Roman des bürgerlichen Deutschen unter der Regierung Wilhelm des Zweiten dokumentierte ich seit 1906“ schreibt Heinrich Mann in seiner Autobiographie. Der Gedanke, die wilhelminische Untertanenseele zum Gegenstand eines Romans zu machen, kam dem Autor in Berlin:
„1906 in einem Café unter den Linden betrachtete ich die gedrängte Menge bürgerlichen Publikums. Ich fand sie laut, ohne Würde, ihre herausfordernden Manieren verrieten mir ihre geheime Feigheit, sie stürzten massig an die breiten Fensterscheiben als draußen der Kaiser ritt. Er hatte die Haltung eines bequemen Triumphators. Wenn er gegrüßt wurde, lächelte er – weniger streng als mit leichtsinniger Nichtachtung. […] Ich brauchte sechs Jahre immer stärkerer Erlebnisse, dann war ich reif für den ´Untertan´, meinen Roman des Bürgertums im Zeitalter Wilhelm des Zweiten.
1914 erfolgen erste Veröffentlichungen des Romans in der Münchner Zeitschrift „Zeit im Bild“. Diese müssen jedoch wegen drohender Zensurschwierigkeiten eingestellt werden. Erst nach Ende des Krieges wird die „Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II“ – so lautete der ursprüngliche Untertitel – für die Leser zugänglich.
Inhaltsverzeichnis
1. „Der Untertan“ – Zu Entstehung und Inhalt
1.1. Entstehungsgeschichte
1.2. Inhalt
2. Figurenkonstellation
3. Diederichs autoritärer Charakter
4. Der Kaiser und sein Untertan
5. „Der Untertan“: Satire und umgekehrter Entwicklungsroman
6. Literaturverzeichnis
1. Der Untertan – Zu Entstehung und Inhalt
1.1. Entstehungsgeschichte
Zwei Monate vor Ausbruch des ersten Weltkrieges vollendet Heinrich Mann im Jahre 1914 seinen Roman Der Untertan. Neben den beiden Romanen Die Armen und Der Kopf zählt er zur berühmten Kaiserreich – Trilogie. Wie aus den drei Titeln hervorgeht, behandelt jeder Band eine bestimmte Schicht der Bevölkerung. Im Roman Die Armen befasst sich Heinrich Mann mit dem Proletariat, mit dessen Ausbeutung durch die Bürger und der daraus resultierenden Notlage. Der Kopf nimmt Bezug auf die intellektuellen Kreise, die das politische und wirtschaftliche Schicksal Deutschlands entschieden. Der Untertan ist der Bourgeoisie gewidmet, obwohl dies aufgrund der vorherrschenden politischen Spannungen nicht direkt zum Ausdruck kommt.[1] „Den Roman des bürgerlichen Deutschen unter der Regierung Wilhelm des Zweiten dokumentierte ich seit 1906“[2] schreibt Heinrich Mann in seiner Autobiographie. Der Gedanke, die wilhelminische Untertanenseele zum Gegenstand eines Romans zu machen, kam dem Autor in Berlin:
„1906 in einem Café unter den Linden betrachtete ich die gedrängte Menge
bürgerlichen Publikums. Ich fand sie laut, ohne Würde, ihre herausfordernden
Manieren verrieten mir ihre geheime Feigheit, sie stürzten massig an die
breiten Fensterscheiben als draußen der Kaiser ritt. Er hatte die Haltung eines
bequemen Triumphators. Wenn er gegrüßt wurde, lächelte er – weniger streng
als mit leichtsinniger Nichtachtung. […] Ich brauchte sechs Jahre immer stärkerer
Erlebnisse, dann war ich reif für den ´Untertan´, meinen Roman des Bürgertums
im Zeitalter Wilhelm des Zweiten.[3]
1914 erfolgen erste Veröffentlichungen des Romans in der Münchner Zeitschrift „Zeit im Bild“. Diese müssen jedoch wegen drohender Zensurschwierigkeiten eingestellt werden. Erst nach Ende des Krieges wird die „Geschichte der öffentlichen Seele unter Wilhelm II“ – so lautete der ursprüngliche Untertitel – für die Leser zugänglich.
1.2. Inhalt
Die im Untertan geschilderten Ereignisse finden – wenn man die Kindheit und Jugend der Hauptfigur Diederich Heßling abrechnet - in der Zeit zwischen 1890 und 1897 statt und bieten dem Leser eine „satirische Analyse nationalsozialistischer Politik und Machtverhältnisse unter der Regierung Kaiser Wilhelm II.“[4]. Auch ist der Roman in gewisser Weise „zeithistorisch“[5], denn Heinrich Mann flicht geschichtliche Ereignisse in einer stimmigen Chronologie in den Roman ein. So werden die Februarkrawalle 1892 ebenso Schauplatz der Ereignisse, wie die zweite Begegnung Diederichs mit Wilhelm II. in Rom Hinweis auf die historische Italienreise des Kaisers im Jahre 1893 gibt.
Zu Beginn des Romans streift Heinrich Mann die frühe Kindheit der Hauptfigur und legt hier besonderes Augenmerk auf die psychologische und charakterologische Entwicklung Diederichs. Mit dem wilhelminischen Geist, der im Kaiserreich in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens präsent war und der hochkapitalistischen Gesellschaft, in der nur der Starke und Mächtige zu überleben vermag, kommt Diederich schon früh in Berührung. Überall begegnen ihm „furchtbare Gewalten“ (S.12)[6], denen er unterworfen ist: Der „schreckliche liebe Gott“ (S.10), das Burggespenst (S.12) und der Doktor, „der einem den Hals pinseln durfte und schütteln, wenn man schrie“ (S.12) flößen Diederich ebenso Angst ein, wie die „den Menschen auf einmal ganz verschlingende [Gewalt]: Die Schule“(S.12). Vor allem aber war es sein autoritärer Vater, der „fürchterlicher als Gnom und Kröte war“ (S.9), der für Diederich die Macht verkörpert. Diese Macht, die keine Schranken kennt, ist von Kind an der wichtigste Dreh- und Angelpunkt seiner Gefühle. In der Familie erlebt Diederich ein „Wechselspiel von Macht und Unterwerfung“[7] und wird in mehreren Bildungsstufen - in der Schule, als Mitglied der Korporation Neuteutonia und beim Militär – auf seine Rolle als Untertan vorbereitet.[8] Seine Unterwürfigkeit geht sogar so weit, dass Diederich am Geburtstag des Lehrers den Rohrstock, das Symbol der Macht, mit Girlanden umwindet.
„Denn Diederich war so beschaffen, dass die Zugehörigkeit zu einem unpersönlichen
Ganzen, zu diesem unerbitterlichen, menschenverachtenden, maschinellen
Organismus, der das Gymnasium war, ihn beglückte, dass die Macht, die
kalte Macht, an der er selbst, wenn auch nur leidend teil hatte, sein Stolz war“ (S.13).
Der Roman erzählt in den folgenden Kapiteln die Geschichte des strengen Familienvaters und Papierfabrikbesitzers Diederich Heßling, der versucht, durch Anpassung an die vorherrschenden Machtverhältnisse und an das politische und gesellschaftliche Leben selbst Macht zu erlangen und sich seine Position in seiner Heimatstadt Netzig zu sichern. Nach und nach gelingt es Heßling, seinen Einfluss weiter auszubauen, obwohl er mit seiner in Berlin erworbenen national – konservativen Gesinnung in der Kleinstadt nicht nur auf Zustimmung stößt. Die Verwicklung in den von ihm selbst initiierten Majestätsbeleidigungs-Prozess gegen den jüdischen Fabrikanten Lauer hätte ihn fast seine soziale Stellung gekostet, doch im Laufe der Verhandlung schlägt die Stimmung zu Gunsten Heßlings um und er rettet sich geschickt aus der Affäre. Seine durch „chauvinistische Überheblichkeit“[9] ausgelösten finanziellen Schwierigkeiten löst Heßling, indem er seine Schwester Magda mit dem gut situierten Kienast und sich selbst mit der vermögenden Guste Daimchen verheiratet.[10] Von Liebe kann man hier kaum sprechen, da Heßling ihr nach der schweren Geburt seines Sohnes verkündet, „dass er, vor die Wahl gestellt, sie glatt hätte sterben lassen. So peinlich es [ihm] gewesen wäre. Aber die Rasse ist wichtiger und für meine Söhne bin ich dem Kaiser verantwortlich“ (S.442).
Durch Bündnisse mit der „Partei des Kaisers“ und anderen reaktionären Kräften kämpft er schrittweise die liberalen Vertreter des Bürgertums nieder und schreckt nicht einmal vor einem Arrangement mit seinen politischen Feinden zurück. Skrupelloses Handeln und Provokation sind die Instrumente, derer Heßling sich bedient, um auf den Höhepunkt der Macht zu gelangen.
[...]
[1] Weissstein, Ulrich: Heinrich Mann, S. 127
[2] Heinrich Mann: Ein Zeitalter wird besichtigt, S. 178
[3] Heinrich Mann: Ein Zeitalter wird besichtigt, S. 211f.
[4] Imm, Ursula: Anatomie-Atlas des Reichs, S. 14
[5] Emmerich, Wolfgang: Heinrich Mann: „Der Untertan“, S. 9
[6] Die im Text auftauchenden Seitenzahlen beziehen sich auf Heinrich Mann: Der Untertan. 12.Auflage,Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main, 2004
[7] Emmerich, Wolfgang: Heinrich Mann: „Der Untertan“, S. 47
[8] Seifer, Claus: Heinrich Mann. „Der Untertan“, S. 25/26
[9] Vogt, Jochen: Diederich Heßlings autoritärer Charakter, S. 58
[10] Imm, Ursula: Anatomie – Atlas des Reichs, S. 74
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