Obwohl in Großbritannien ein gesetzlich verankertes Grundrecht auf Pressefreiheit fehlt, haben die britischen Medien große publizistische Freiräume. Die Hitliste der beliebtesten Klatsch-Ziele führen zweifellos die Mitglieder der Königsfamilie an. Ob es der erste öffentliche Kuss von Prinz William und seiner Freundin Kate Middleton ist oder der neueste Hut von Camilla, der Gattin des Thronfolgers – kaum ein Tag vergeht, an dem die Boulevardblätter auf der Insel nicht mit einer Geschichte aus dem Königshaus aufwarten. Häufig enthüllen die Storys Details aus dem Privatleben der Royals, die diese wahrscheinlich lieber für sich behalten hätten.
Die Frage, die man sich in diesem Zusammenhang fast zwangsläufig stellt und der die vorliegende Arbeit nachgehen will, lautet: In welchem Verhältnis stehen britisches Königshaus und Medien zueinander? Damit verbunden sind folgende Unterfragen: Inwieweit sind Monarchie und Medien aufeinander angewiesen? Sind die Royals „Opfer“ der Medien oder nehmen sie aktiv Einfluss auf die Berichterstattung? Mit welchen Widersprüchen muss das Königshaus kämpfen?
Um diese Zusammenhänge genauer betrachten zu können, muss zunächst geklärt werden, wie sich die Aufgaben des britischen Monarchen gewandelt haben und welchen Stellenwert dabei die symbolische Funktion heutzutage einnimmt. In einem zweiten Schritt gilt es herauszufinden, wie sich analog zu dieser Wandlung das Verhältnis zwischen Königsfamilie und Medien verändert hat. Zum Schluss sollen mögliche Auswirkungen der zuvor skizzierten Entwicklung auf die Zukunft der Monarchie betrachtet werden.
Inhaltsverzeichnis
1. Vorüberlegungen
2. Die Funktionen der britischen Monarchie heute
3. Die Ausübung der symbolischen Funktion mithilfe der Medien
4. Das Verhältnis zwischen Königshaus und Medien in den vergangenen 150 Jahren
4.1 Von Geheimhaltungsabkommen und Maulkörben (1860-1936)
4.2 Von Skandalen und PR-Kampagnen (1936-1980)
4.3 Von Superstars und Seifenopern (1980-2006)
5. Fazit und Ausblick auf die Zukunft der Monarchie
Literaturverzeichnis
1. Vorüberlegungen
Obwohl in Großbritannien ein gesetzlich verankertes Grundrecht auf Pressefreiheit fehlt, haben die britischen Medien große publizistische Freiräume. Laut Hans Kastendiek gehen in keinem anderen europäischen Land die Medien so respektlos mit Politikern und Repräsentanten anderer gesellschaftlicher Führungsgruppen um, wie in Großbritannien (vgl. Kastendiek 1999: 220). Der Klatsch der britischen Zeitungen sei „härter, aggressiver, verletzender“ als der der deutschen Medien, schreibt Hendrik Bebber (vgl. Bebber 2002: 54).
Die Hitliste der beliebtesten Klatsch-Ziele führen in Großbritannien zweifellos die Mitglieder der Königsfamilie an. Ob es der erste öffentliche Kuss von Prinz William und seiner Freundin Kate Middleton ist oder der neueste Hut von Camilla, der Gattin des Thronfolgers – kaum ein Tag vergeht, an dem die Boulevardblätter auf der Insel nicht mit einer Geschichte aus dem Königshaus aufwarten. Häufig enthüllen die Storys Details aus dem Privatleben der Royals, die diese wahrscheinlich lieber für sich behalten hätten. Hinter Bezeichnungen wie „Dianagate“, „Fergiegate“ oder „Camillagate“ verbergen sich ganze Serien von Skandalen, die die Presse in den vergangenen 15 Jahren öffentlich gemacht hat.
Die Frage, die man sich in diesem Zusammenhang fast zwangsläufig stellt und der die vorliegende Arbeit nachgehen will, lautet: In welchem Verhältnis stehen britisches Königshaus und Medien zueinander? Damit verbunden sind folgende Unterfragen: Inwieweit sind Monarchie und Medien aufeinander angewiesen? Sind die Royals „Opfer“ der Medien oder nehmen sie aktiv Einfluss auf die Berichterstattung? Mit welchen Widersprüchen muss das Königshaus kämpfen?
Die Hypothese, die dieser Untersuchung zugrunde liegt, geht davon aus, dass das Verhältnis zwischen den Vertretern der Monarchie auf der einen Seite und den Journalisten auf der anderen Seite sehr ambivalent ist. Die Anforderungen, die die Medien an die Königsfamilie stellen, widersprechen häufig dem, was Buckingham Palace mit seiner Öffentlichkeitsarbeit erreichen will. Die Royals versuchen, den Briten als Vorbild zu dienen, eine ideale Familie zu verkörpern, die für die Einheit der Nation sowie das Bewahren von Traditionen und Werten steht. Die Medien stellen aber andere Anforderungen an die Königsfamilie. Sie zeigen immer wieder, dass die Royals auch nur Menschen und keineswegs perfekt sind. Vor allem die Boulevardmedien inszenieren die Mitglieder der Königsfamilie gerne als Seifenoper und tragen so zu einer Entzauberung der Monarchie bei. Dennoch sind die Royals auf die Medien angewiesen, denn nur mit ihrer Hilfe können sie ihre symbolische Funktion überhaupt ausüben.
Um diese Zusammenhänge genauer betrachten zu können, muss zunächst geklärt werden, wie sich die Aufgaben des britischen Monarchen gewandelt haben und welchen Stellenwert dabei die symbolische Funktion heutzutage einnimmt. In einem zweiten Schritt gilt es herauszufinden, wie sich analog zu dieser Wandlung das Verhältnis zwischen Königsfamilie und Medien verändert hat. Zum Schluss sollen mögliche Auswirkungen der zuvor skizzierten Entwicklung auf die Zukunft der Monarchie betrachtet werden.
2. Die Funktionen der britischen Monarchie heute
Großbritannien ist eine konstitutionelle Monarchie; die Souveränität liegt beim Parlament. Die früheren Hoheitsrechte der Königin sind im Verlauf der Jahrhunderte beseitigt oder so stark eingeschränkt worden, dass sie nur noch formal dafür verantwortlich zeichnet. So ernennt die Königin zwar die Regierung, die Spitzen von Kirche, Justiz und Militär, das Vorschlagsrecht für diese Ämter hat jedoch der Premierminister. So verhält es sich mit den meisten der Prärogativrechte des Monarchen.[1] „[T]he vast bulk of the prerogative powers of the Crown – probably over 95% of these powers – are exercised not by the sovereign personally but either by her on the advice of ministers or by ministers directly”, schreibt Bogdanor (Bogdanor 1996: 414). Von Ziegesar zufolge wurde die königliche Prärogative fast vollständig eingeschränkt, als Königin Viktoria regierte (1837-1901). „Sie war der letzte Monarch, der mit Lord Rosebery im Jahre 1894 den Premierminister berief und selbst Gesetze initiierte. Sie war auch die letzte Monarchin, die gegen das Neutralitätsgebot der Krone verstieß []“ (von Ziegesar 1993: 7).
Es muss jedoch unterschieden werden zwischen der politischen Funktion, die der Königin rechtlich zugeschrieben wird, und dem tatsächlichen politischen Einfluss, den sie zum Beispiel in Vier-Augen-Gesprächen mit den Mitgliedern des Kabinetts ausüben kann. Über das Ausmaß ihres Einflusses könne laut von Ziegesar nur spekuliert werden, er vermutet jedoch, dass er nicht unwesentlich ist (vgl. von Ziegesar 1993: 16).
Viel wichtiger als die politische Funktion der Monarchie ist heutzutage ihre symbolische[2]. Die Krone ist nicht mehr zuständig für die politische Führung des Landes, sondern bietet der Bevölkerung ein Symbol für die nationale Einheit, einen Garanten für die Bewahrung von Werten und Traditionen. Sie liefert Rituale, die dem Volk Sicherheit und ein Zusammengehörigkeitsgefühl vermitteln. Dies geschieht vor allem durch prunkvolle Zeremonien. David Cannadine zeigt, dass die meisten der vermeintlich altehrwürdigen Zeremonien gar nicht so alt sind, sondern zumeist erst Ende des 19. Jahrhunderts entstanden (vgl. Cannadine 1994: 7). „Ermöglicht wurde dies in gewisser Weise durch den Rückzug der Monarchen aus der Politik“, erklärt Cannadine (ebd.: 23). Die Bedeutung der symbolischen Funktion hat also zugenommen, während die Bedeutung der politischen Funktion gesunken ist.
Zur symbolischen Funktion der Monarchie gehört auch, dass die königliche Familie als Modellfamilie wahrgenommen wird, die als Vorbild für andere britische Familien dient. Schon der englische Verfassungstheoretiker Walter Bagehot bezeichnete die Krone als oberste Hüterin der Moral und begründete das folgendermaßen: „Wir haben uns an die Vorstellung gewöhnt, daß es selbstverständlich ist, einen tugendhaften Souverän zu besitzen, und daß die häuslichen Tugenden ebenso leicht auf Thronen zu finden sind, wie sie hervorragen, wenn sie dort auftreten.“ (vgl. Bagehot 1971: 82). Laut Michael Hassels muss sich der Herrscher durch exemplarische Handlungen und persönliche Leistung legitimieren, da er seine Position nicht mehr mit Geburtsrecht und Gottesgnadentum rechtfertigen kann. (vgl. Hassels 1996: 90)
Legitimiert wird die britische Monarchie natürlich auch durch ihre Tradition. Das unterstrich schon Bagehot, als er zwischen ehrwürdigen („dignified“) und leistungsfähigen („efficient“) Institutionen unterschied (vgl. Bagehot 1971: 49). Zu den ehrwürdigen zählte er die Monarchie und das House of Lords, zu den leistungsfähigen das House of Commons und das Kabinett. Die ehrwürdigen Elemente weckten und bewahrten die Ehrerbietung der Bevölkerung. „[Sie] sind notwendig, denn auf ihnen beruht die Lebenskraft der Verfassung“, schrieb Bagehot (ebd.).
Gleichzeitig warnte Bagehot davor, die nicht klar definierten Handlungs-spielräume des Monarchen zu genau zu betrachten:
„Unser Königshaus soll vor allen Dingen verehrt werden; doch sobald man darum herumzuschnüffeln beginnt, kann man ihm keine Ehrerbietung mehr entgegenbringen. Sobald es einen Sonderausschuß für die Königin gibt, wird der Zauber der Monarchie verschwinden. Ihr Geheimnis ist ihr Leben. Wir dürfen das Magische nicht dem hellen Tag aussetzen.“ (Bagehot 1971: 86)
Im 20. Jahrhundert wurde dieser Hinweis missachtet. Das Magische der Monarchie wurde nicht nur dem hellen Tageslicht ausgesetzt, sondern dem noch viel helleren Scheinwerferlicht und Blitzlichtgewitter der Medienwelt. Doch bevor gezeigt wird, wie es zu dieser Öffnung kam, sollen zunächst ein paar allgemeine Aussagen über das Zusammenspiel von Medien und Königshaus getroffen werden.
[...]
[1] Die Hoheitsrechte des britischen Monarchen hat unter anderem Detlef von Ziegesar aufgelistet (vgl. Ziegesar 1993: 5f.).
[2] Detlef von Ziegesar unterscheidet neben der politischen Funktion noch zwischen einer symbolischen Funktion, einer soziokulturellen Funktion und einer Leit- und Modellfunktion der Monarchie (vgl. Ziegesar 1993: V). Ich fasse die letzten drei Kategorien unter der Bezeichnung der symbolischen Funktion zusammen, da mir die von von Ziegesar getroffene Zuordnung der jeweiligen Aspekte zu den drei Oberbegriffen wenig plausibel erscheint. Somit werden im Folgenden alle nicht-politischen Aufgaben der Königin der symbolischen Funktion der Monarchie zugeordnet.
- Quote paper
- Ulrike Wronski (Author), 2006, Die britische Monarchie im Widerspruch zwischen symbolischer Vorbildfunktion und den Anforderungen der Medienwelt, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62722
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