Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitnehmervereinigungen gem. § 2 Abs. 1 BetrVG. Diese Vorschrift ist herrschend in der Betriebsverfassung; denn sie normiert das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. Daraus ergibt sich nicht lediglich eine Reflexwirkung für die Gewerkschaften, sondern die Zuerkennung eines der Koalitionszwecksetzungen gemäßen subjektiven Rechts. Um vor allem das Zusammenwirken mit den Gewerkschaften sicherzustellen, sieht das Gesetz ein Zutrittsrecht der Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zur Wahrnehmung der ihnen nach diesem Gesetz zustehenden Aufgaben und Befugnisse vor, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen. Die Gewerkschaften und die Betriebsräte haben unterschiedliche Aufgabe und Funktionen. § 2 Abs. 1 BetrVG hat die Betriebsvertretung der Arbeitnehmer nicht nur organisatorisch verselbständigt, sondern den Betriebsrat als einen gewerkschaftlich unabhängigen Repräsentanten der Belegschaft verfasst. Damit hält es am Prinzip der Trennung fest. § 2 Abs. 3 BetrVG stellt deshalb klar, dass die Aufgaben der Gewerkschaft durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Das gilt insbesondere für die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder. Arbeitnehmer, die im Rahmen der Betriebsverfassung Aufgaben übernehmen, werden dadurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt, § 74 Abs. 3 BetrVG. Den Gewerkschaften wurde ebenfalls keine Befugnisse zu innerbetrieblichen Rechtssetzungen übertragen, sondern innerhalb der Betriebsverfassung nur bestimmte, gesetzliche umgeschriebene Befugnisse eingeräumt.
Gliederung
A. Grundsatz der Zusammenarbeit im Betrieb
B. Begriff der Gewerkschaft
I. Freiwilligkeit
II. Gegnerfrei und unabhängig
III. Überbetriebliche Organisation
IV. Tarifwilligkeit und Arbeitskampfbereitschaft
C. Die Rechtsstellung und Aufgaben der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung
I. Voraussetzung für eine Beteiligung an der Betriebsverfassung
II. System der kooperativen Trennung zwischen Gewerkschaften und Betriebsrat
III. Die koalitionsrechtliche Stellung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung
IV. Rechte und Pflichten der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung
1. Initiativrechte der Gewerkschaften für die Bildung eines Betriebsrats
2. Teilnahme- und Beratungsrechte der Gewerkschaft
3. Kontrollrechte, § 23 Abs. 1 BertVG
D. Betriebsverfassungsrechtliches Zutrittsrecht der Gewerkschaft zum Betrieb nach § 2 Abs. 2 BetrVG
I. Rechtsdogmatische Einordnung des § 2 Abs. 2 BertVG
II. Voraussetzungen des Zugangsrecht gem. § 2 Abs. 2 BertVG
III. Inhalt des Zugangsrechts
1. Beauftragter der Gewerkschaft
2. Zeitpunkt und Dauer des Besuchs des Gewerkschaftsbeauftragten
3. Örtlichkeit des Zugangs zum Betrieb
4. Ausübung des Zugangsrechts
IV. Schranken des betriebsverfassungsrechtlichen Zugangsrechts
1. Unumgängliche Notwendigkeit des Betriebsablaufs
2. Sicherheitsvorschriften
3. Betriebsgeheimnisse
4. Tatsachendarlegung des Arbeitgebers
E. Bedeutung der durch das BetrVG nicht berührten Aufgaben der Koalitionen für die Betriebsverfassung
F. Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit im Betrieb
I. Anspruch der Gewerkschaften auf Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit im Betrieb
II. Schranken gewerkschaftlicher Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit im Betrieb
1. Gewerkschaftliche Betätigung und Arbeitsverhältnis
2. Gegenrecht des Betriebsinhabers
a) Plakatieren am "schwarzen Brett"
b) Wildes Plakatieren
c) Kein Recht auf Vorzensur
3. Schranken aus dem Funktionszusammenhang mit der Koalitionsfreiheit
G. Gewerkschaftliche Mitgliederwerbung und Informationstätigkeit durch Betriebsrat und Betriebsratmitglieder
H. Gewerkschaftliche Vertrauensleute
I. Stellungnahme und Schlusswort
A. Grundsatz der Zusammenarbeit im Betrieb:
Die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitnehmervereinigungen gem. § 2 Abs. 1 BetrVG. Diese Vorschrift ist herrschend in der Betriebsverfassung; denn sie normiert das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erfolgt im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen. Daraus ergibt sich nicht lediglich eine Reflexwirkung für die Gewerkschaften, sondern die Zuerkennung eines der Koalitionszwecksetzungen gemäßen subjektiven Rechts. Um vor allem das Zusammenwirken mit den Gewerkschaften sicherzustellen, sieht das Gesetz ein Zutrittsrecht der Beauftragten der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zur Wahrnehmung der ihnen nach diesem Gesetz zustehenden Aufgaben und Befugnisse vor, soweit dem nicht unumgängliche Notwendigkeiten des Betriebsablaufs, zwingende Sicherheitsvorschriften oder der Schutz von Betriebsgeheimnissen entgegenstehen1. Die Gewerkschaften und die Betriebsräte haben unterschiedliche Aufgabe und Funktionen2. § 2 Abs. 1 BetrVG hat die Betriebsvertretung der Arbeitnehmer nicht nur organisatorisch verselbständigt, sondern den Betriebsrat als einen gewerkschaftlich unabhängigen Repräsentanten der Belegschaft verfasst3. Damit hält es am Prinzip der Trennung fest4. § 2 Abs. 3 BetrVG stellt deshalb klar, dass die Aufgaben der Gewerkschaft durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Das gilt insbesondere für die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder. Arbeitnehmer, die im Rahmen der Betriebsverfassung Aufgaben übernehmen, werden dadurch in der Betätigung für ihre Gewerkschaft auch im Betrieb nicht beschränkt, § 74 Abs. 3 BetrVG5. Den Gewerkschaften wurde ebenfalls keine Befugnisse zu innerbetrieblichen Rechtssetzungen übertragen, sondern innerhalb der Betriebsverfassung nur bestimmte, gesetzliche umgeschriebene Befugnisse eingeräumt6.
B. Begriff der Gewerkschaft:
Der Begriff der Gewerkschaft wird im Gesetz vorausgesetzt. Der Gewerkschaftsbegriff hat im Bereich des Betriebsverfassungsrechts dieselbe Bedeutung wie im Bereich des Tarifrechts7. Ebenso wie das Tarifvertragsgesetz enthält das Betriebsverfassungsgesetz keine Begriffsbestimmung. Bei der Zusammenführung der staatlichen Einheit Deutschlands ergab sich bei der Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion die Notwendigkeit festzulegen, welche Merkmale eine Gewerkschaft innerhalb einer freiheitlichen Ordnung erfüllen müssen. Der Gewerkschaftsbegriff muss demnach alle Voraussetzungen erfüllen, die man an eine Koalition i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG stellt. Das ergibt sich aus dem Zusammenhang mit der Koalitionsfreiheit, die in Art. 9 Abs. 3 GG primär als Individualgrundrecht gewährleistet ist, aber wegen dessen Zielsetzung auch die Koalition als solche in den Grundrechtsschutz mit einbezieht8. Eine Gewerkschaft muss danach, frei gebildet, gegnerfrei, auf überbetrieblicher Grundlage organisiert und unabhängig sein sowie das geltende Tarifrecht als für sich verbindlich anerkennen; ferner müssen sie in der Lage sein, Tarifabschlüsse durch Arbeitskämpfe zu erzwingen.
I. Freiwilligkeit:
Zunächst muss die Vereinigung auf freiwilliger Basis beruhen9. Zwangsverbände sind keine Koalitionen.
II. Gegnerfrei und unabhängig:
Als weitere Voraussetzung muss eine Gewerkschaft gegnerunabhängig sein. Daraus folgt, dass sie gegnerfrei sein muss. In einer Gewerkschaft dürfen daher kein Arbeitgeber, wie umgekehrt in einem Arbeitgeberverband kein Arbeitnehmer Mitglied sein10. Mit dem Grundsatz der Gegnerfreiheit ist vereinbar, dass der Gewerkschaft ehemalige Arbeitnehmer angehören, die keine Arbeitnehmer beschäftigen und dass eine Gewerkschaft Mitglieder hat, die zugleich Arbeitgeber einer Hausangestellten sind, auch wenn für sie die gleiche Gewerkschaft tarifzuständig ist11. Gegnerunabhängigkeit gebietet, dass die Koalition in ihrer Willensbildung frei und unbeeinflusst von der Gegenseite ist12.
III. Überbetriebliche Organisation:
Aus dem Merkmal der Gegnerunabhängigkeit folgt weiterhin, dass die Gewerkschaft überbetrieblich organisiert sein muss. Danach darf sich nicht die Mitgliedschaft auf die Angehörigen eines bestimmten Betriebs beschränken. Das Erfordernis der Errichtung auf überbetrieblicher Ebene sichert aber nur das Gebot der Koalitionsreinheit; es soll verhindern, dass Arbeitgeber mittelbar Einfluss darauf gewinnen, wer Mitglied einer Gewerkschaft sein kann. Unschädlich ist es dagegen, wenn es nicht Betriebe anderer Unternehmen mit gleichem Betriebszweck gibt.
IV. Tarifwilligkeit und Arbeitskampfbereitschaft:
Der Gewerkschaftsbegriff hat für die Betriebsverfassung dieselbe Bedeutung wie im Bereich des Tarifvertragsrechts13. Dem Folgend kommt der Gewerkschaftseigenschaft nur den Arbeitnehmervereinigungen zu, die tariffähig sind. Die Tariffähigkeit gehört nicht zum Koalitionsbegriff; sie ist vielmehr von der Koalitionseigenschaft zu unterscheiden14. Das Grundrecht der Koalitionsfreiheit gebietet nicht, dass jeder Vereinigung Tariffähigkeit zukommt. Der Staat kann vielmehr die Zuerkennung der Tariffähigkeit von bestimmten Voraussetzungen abhängig machen, die von der Funktion der Tarifautonomie zu Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens her gefordert sind15. Voraussetzung für ein Funktionieren der Tarifautonomie ist, dass die sozialen Gegenspieler ein Verhandlungsgleichgewicht herstellen und wahren können. Demnach muss eine Koalition "ihrer Struktur nach unabhängig genug sein, um die Interessen ihrer Mitglieder auf Arbeits- und sozialrechtlichem Gebiet nachhaltig zu vertreten"16. Zu den Merkmalen einer Gewerkschaft gehört damit zudem die Fähigkeit und die Bereitschaft zum Arbeitskampf. Durch die Zahl ihrer Mitglieder oder deren Stellung im Arbeitsleben muss die Gewerkschaft im Stande sein, einen wirkungsvollen Druck oder Gegendruck auf die sozialen Gegenspieler auszuüben. Die Koalitionsmächtigkeit ist aber keine Voraussetzung für die Anerkennung einer Vereinigung als Koalition. Da auf Grund der Koalitionsfreiheit der freiheitliche Charakter auch den kollektiven Tatbestand des Koalitionswesens beherrscht hat, ist es bedenklich, eine Arbeitnehmervereinigung nur dann als tariffähige Gewerkschaft anzuerkennen, wenn sie bereits über ein ausreichendes Machtpotenzial verfügt17. Primär ist notwendig, dass eine Arbeitnehmervereinigung nach ihrer Satzung und Organisation in der Lage ist, durch Ausüben von Druck auf die Tarifpartner zu einem Tarifabschluss zu kommen.
C. Die Rechtsstellung und Aufgaben der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung:
Der Gesetzgeber hat den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften zur Entfaltung der kollektiven Koalitionsfreiheit in der Betriebsverfassung besondere Rechte, Aufgaben und Befugnisse eingeräumt18. Durch sie leisten sie einen Beitrag für die Realisierung der gesetzlichen Betriebsverfassung.
I. Voraussetzung für eine Beteiligung an der Betriebsverfassung:
Die im Betriebsverfassungsgesetz vorgesehenen Gewerkschaftsrechte stehen den Gewerkschaften zu, wenn es sich um eine im Betrieb vertretenen Gewerkschaft handelt19. Auf Arbeitgeberseite kommen alle Arbeitgebervereinigungen in Betracht, denen der Arbeitgeber angehört20. Im Betrieb vertreten ist eine Gewerkschaft, wenn sie mindestens einen Arbeitnehmer des Betriebs zu ihren Mitgliedern zählt21. Voraussetzung ist, dass der Arbeitnehmer zur Belegschaft gehört, die vom Betriebsrat repräsentiert wird, also nicht leitender Angestellter ist22. Leitende Angestellte werden nicht vom Betriebsrat repräsentiert. Verbände, die nur sie organisieren, können deshalb keine Befugnisse als Gewerkschaft im Rahmen der Betriebsverfassung in Anspruch nehmen23. Weiterhin erforderlich für die Beteiligung der Gewerkschaften an der Betriebsverfassung ist, dass die Gewerkschaft für den Arbeitnehmer auch tätig werden kann; sie muss ihn also nach ihrer Satzung auch als Mitglied aufnehmen können. Die Deutsch- Angestellten-Gewerkschaft ist somit beispielsweise nicht in einem Betrieb vertreten, wenn ihr nur ein Arbeiter angehört; denn nach ihrer Satzung können Arbeiter nur Mitglieder werden, wenn es sich um einen Angestelltenbetrieb handelt. Es ist allerdings nicht ausreichend, dass eine Gewerkschaft für den Betrieb fachlich zuständig ist, wenn ihm kein Mitglied angehört. Beweispflichtig ist die Gewerkschaft, wenn sie Rechte aus ihrer Vertretung im Betrieb herleitet. Den erforderlichen Nachweis kann sie, ohne den Namen ihres betriebsangehörigen Mitglieds zu nennen, durch notarielle Erklärung erbringen24. Die notarielle Erklärung ist eine öffentliche Urkunde i.S.d. § 415 ZPO25. Die öffentliche Urkunde ist jedoch nur ein mittelbares Beweismittel. Es unterliegt deshalb der freien Beweiswürdigung, ob diese Beweisführung ausreicht. Darüber hinaus steht das vorgesehene Gewerkschaftsrecht zur beratenden Teilnahme an Betriebsratssitzungen nur einer im Betriebsrat vertretenen Gewerkschaft zu, § 31 BetrVG. Dabei ist es also nicht ausreichend, dass die Gewerkschaft im Betrieb vertreten ist; sie muss vielmehr ein Mitglied des Betriebsrats zu ihren Mitgliedern zählen. Damit ist die Teilnahmemöglichkeit den Gewerkschaften eröffnet, die durch die Wahl eine ihrer Mitglieder eine entsprechende Legitimation durch die Belegschaft erhalten haben.
II. System der kooperativen Trennung zwischen Gewerkschaften und Betriebsrat:
Das Gesetz hat die Betriebsvertretung der Arbeitnehmer organisatorisch verselbständigt und als einen gewerkschaftlich unabhängigen Repräsentanten der Belegschaft verfasst. Der Betriebsrat hat damit ein Repräsentationsmandat inne26. In der früheren DDR wurde dagegen die Arbeitnehmerinteressen auch im Betrieb von den Gewerkschaften wahrgenommen(sog. Betriebsgewerkschaftsleitung)27. Es gilt also ein System der Trennung28. Dies zeigt sich einmal an § 2 Abs. 3 BertVG, wonach die Aufgaben der Gewerkschaften durch dieses Gesetz nicht berührt werden. Zudem zeigt es sich auch im Grundsatz der gewerkschaftlichen Neutralität in § 75 Abs. 1 BertVG, sowie in der Regelung des § 74 Abs. 3 BertVG über die Unbeschränktheit von Gewerkschaftsaufgaben innerhalb des Betriebs. Das Gesetz hat bewusst drauf verzichtet, den Betriebsräten die Pflicht zur Zusammenarbeit mit den Gewerkschaften aufzuerlegen29. Es bleibt somit ausschließlich der Initiative des Betriebsrates überlassen, wie er sein Verhältnis zu den Gewerkschaften gestaltet. Die im Betrieb vertretenen Gewerkschaften erhalten durch § 2 Abs.1 BetrVG kein eigenständiges Recht, sich in die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat einzuschalten. Arbeitgeber und Betriebsrat sind dazu verpflichtet, unter Beachtung der geltenden Tarifverträge vertrauensvoll und im Zusammenwirken mit den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften und Arbeitgebervereinigungen zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs zusammenzuarbeiten. Das Gebot vertrauensvoller Zusammenarbeit wirkt sich auf die Aufgabenerfüllung der Beteiligten aus. Es ist zwingendes Recht und entfaltet unmittelbare Wirkung zwischen den Beteiligten30. Es wirkt sich auf sämtliche Rechte und Pflichten im Rahmen der Mitbestimmung aus. Arbeitgeber und Betriebsrat sind trotz gegenläufiger Interessen Partner einer gemeinsamen Aufgabe31. § 2 Abs. 1 BetrVG verpflichtet sie damit zu Ehrlichkeit und Offenheit, Einhaltung betriebsverfassungsrechtlicher Vorschriften, wechselseitiger Rücksichtnahme, Sachlichkeit und Kompromissbereitschaft32. Das Prinzip vertrauensvoller Zusammenarbeit ist das oberste Leitprinzip, § 2 Abs. 1 BetrVG. Das Gesetz geht davon aus, dass die Betriebsräte in enger Verbindung zu den Gewerkschaften stehen und in Verbindung mit ihnen ihre Aufgaben erfüllen. Die Kooperationsmaxime des § 2 Abs. 1 bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Daraus ergibt sich kein Rechtsanspruch der im Betrieb vertretenen Gewerkschaften auf Zusammenarbeit, wie auch umgekehrt sie nicht zur Zusammenarbeit verpflichtet sind. Die Rechte der Gewerkschaften sind nicht durch eine Generalklausel festgelegt. Vielmehr erfolgen sie durch ein System besonderer Unterstützungs- Hilfs- und Kontrollrechte für den Betriebsrat, wenn dieser auf die Unterstützung zurückgreifen will. Dabei sind die allgemeinen Rechtsgrundsätze von Treu und Glauben i.S.d. § 242 BGB heranzuziehen33. In der Praxis ist die vertrauensvolle Zusammenarbeit freilich vom guten Willen der Beteiligten abhängig34. Ihre Umsetzung und ihr Gelingen ist maßgeblich an den persönlichen Kontakt der Beteiligten geknüpft.
III. Die koalitionsrechtliche Stellung der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung:
Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistet nicht nur die individuelle Koalitionsfreiheit, sondern schützt auch die Koalitionen als solche in ihrem Bestand und ihrer Betätigung zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen. Die Koalitionsfreiheit ergibt sich gem. Art. 9 Abs. 3 GG für jedermann und für alle Berufe35. Sie ist nicht als Arbeitnehmergrundrecht ausgestaltet, sondern steht ebenso Arbeitgebern zu. Mit der Freiheit des Zusammenschlusses zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gewährleistet Art. 9 Abs. 3 GG zugleich die Freiheit der gemeinsamen Verfolgung dieses Zwecks durch spezifisch koalitiongemäße Betätigungen. Der Schutz der Betätigungsfreiheit bedeutet keine Freistellung von der Geltung der allgemeinen Rechtsordnung. Es ist Sache des Gesetzgebers die Befugnisse der Koalitionen im Einzelnen auszugestalten und näher zu regeln36. Ein wesentlicher Koalitionszweck ist insbesondere die Beteiligung der Koalitionen an der Privatautonomie zur Sicherung der Interessen ihrer Mitglieder an der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen i.S.d. Art. 9 Abs. 3 GG. Unter die Verfassungsautonomie fällt deshalb die Tarifautonomie. Zur Herstellung und Wahrung eines Verhandlungsgleichgewichts werden Streik und Aussperrung von der Koalitionsfreiheit erfasst. Die für den Einsatz von Arbeitskampfmaßnahmen geltenden Regeln müssen nach Ansicht des BVerfG nicht auf formellen Gesetze beruhen, soweit es sich um Streitigkeiten zwischen den Tarifvertragsparteien handelt. Erforderlich ist das die Gerichte, das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten37.
IV. Rechte und Pflichten der Gewerkschaften in der Betriebsverfassung
Zur Entfaltung der kollektiven Koalitionsfreiheit hat der Gesetzgeber den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften besondere Rechte in der Betriebsverfassung eingeräumt. Der Gesetzgeber hat außerdem Regelungen geschaffen, die mittelbar den Einfluss der Gewerkschaften auf die Betriebsverfassung begünstigen38. Die Gewerkschaftsrechte lassen sich rechtsdogmatisch in Initiativ- Teilnahme- und Beratungsrechte sowie in Kontrollrechte unterteilen39.
1. Initiativrechte der Gewerkschaften für die Bildung eines Betriebsrats
Nach den §§ 16 Abs. 2, 17 Abs. 3 und 4, 18 Abs. 1 S.2, 3 werden den im Betrieb vertretenen Gewerkschaften Initiativrechte für die Bildung eines Betriebsrats gewährt. Danach können die Gewerkschaften sicherstellen, dass ein Wahlvorstand bestellt und ein säumiger Wahlvorstand ersetzt wird. Kommt eine entsprechende Initiative der Belegschaft nicht zustande, können die um Betrieb vertretenen Gewerkschaften zu einer Wahlversammlung einladen und Vorschläge für die Zusammensetzung des Wahlvorstandes machen40. Darüber hinaus kann jede im Betrieb vertretene Gewerkschaft zusätzlich einen dem Betrieb angehörigen Beauftragten als nicht stimmberechtigtes Mitglied in den Wahlvorstand entsenden, sofern ihr nicht ein stimmberechtigtes Wahlvorstandsmitglied angehört, § 16 Abs. 1 S.6 BetrVG.
[...]
1 Richardi, § 2 Rdnr. 36.
2 Hoyningen-Huene, S. 94.
3 BT-Drucks. VI/1986, S. 33 f.; zu BT-Drucks. VI/2729, S. 10.
4 D ä ubler, Rdnr. 45 ff.; Richardi, RdA 1972, 8 ff.
5 Edenfeld, § 4 II, Rdnr. 76.
6 Biedenkopf, S. 292 ff., 318 ff; Richardi, § 2 Rn. 37.
7 BAG 23. 4. 1971 E 23, 320, 324 = AP Nr. 2 zu § 97 ArbGG 1953.
8 BAG vom 23. 4. 1971, BAGE 23, 320, 324; Richardi, BertVG, § 2 Rdnr. 40.
9 Richardi, § 2 Rdnr. 42; D ä ubler/Berg, § 2 Rdnr. 11.
10 Vgl. BVerfG 18. 11. 1954 E 4, 96, 106 = AP Nr. 1 zu Art. 9; 6. 5. 1964 E 18, 18, 28 = AP Nr. 15 zu § 2 TVG.
11 BAG 19. 1. 1962 E 12, 184, 187 f = AP Nr. 13 zu § 2 TVG.
12 Vgl. BVerfG 1. 3. 1979 E 50, 290, 367 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG.
13 BAG 15. 3. 1977 E 29, 72, 79 = AP Nr. 2 zu § 97 ArbGG 1953.
14 BVerfG 18. 11. 1954 E 4, 96, 107 = AP Nr. 1 zu Art. 9 GG st. Rspr; vgl. auch BAGE 29, 72.
15 Vgl. BAGE 29, 72, 81 f.
16 BVerfG 1. 3. 1979 E 50, 290, 368 = AP Nr. 1 zu § 1 MitbestG.
17 Vgl. Staudinger/Richardi, vor § 611 Rdnr. 585.
18 Richardi, § 2 Rdnr. 65.
19 Hoyningen-Huene, S. 92.
20 Edenfeld, § 4 II Rn. 76.
21 BAG 25. 3. 1992 NZA 1993, 134; bereits zum BertVG 1952 BAG 4. 11. 1960 E 10, 154, 156 = AP Nr. 2 zu § 16 BertVG; Fitting, § 2 Rdnr. 26; L ö wisch, § 2 Rdnr. 36; Berg, § 2 Rdnr. 29; Stege/Weinspach, § 2 Rdnr. 9.
22 BAG 25.03. 1993 E 70, 85, 89 = AP Nr. 4 zu § 2 BertVG 1972.
23 BAG 15.3. 1977 E 29, 72, 86 = AP Nr. 24 zu Art. 9 GG.
24 Richardi, § 2 Rdnr. 37.
25 Edenfeld, § 4 II Rdnr. 76.
26 BVerfG 16. 2. 1973 E 25, 60, 67 = AP Nr. 1 zu § 19 BertVG 1972 ; Hess, § 2 Rdnr. 26BAG vom 21. 2. 1978, AP Nr. 1 zu § 74 BertVG 1972; Fitting/Kaiser/Heihter/Engels, BertVG, § 2 Rdnr. 19; Heinze, ZfA 1988, 53, 74; Weber, ZfA 1991, 187, 223.
27 Hoyningen-Huene, S. 92.
28 Hoyningen-Hune, S. 92.
29 Brecht, § 2 Rdnr. 15; Galperin, S. 29; Buchner, DB 1972; Fitting, § 2 Rdnr. 31.
30 Edenfeld, § 4 I Rdnr. 66.
31 BAG vom 22. 5. 1959, AP Nr. 3 zu § 23 BertVG; vom 27. 8. 1982, BAGE 40, 95, 100; vom 22. 9. 1994, AP Nr. 68 zu § 102 BertVG 1972; Dietz, RdA 1969, 1, 3; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BertVG, § 2 Rdnr. 23; S ö llner, DB 1968, 571, 572 f.
32 Edenfeld, § 4 I Rdnr. 66.
33 Edenfeld, § 4 I Rdnr. 67.
34 Edenfeld, § 4 I Rdnr. 67.
35 BetrVG 84, 212, 224.
36 BetrVG 19, 303, 321; 28, 295, 304; 38, 281, 305; 50, 290, 368; 57, 220, 245; 58, 233, 247.
37 Vgl. BVerfGE 84, 212, 226.
38 Richardi, § 2 Rdnr. 86.
39 Edenfeld, § 4 II Rdnr. 76.
40 Richardi, § 2 Rdnr. 88.
- Citar trabajo
- Anónimo,, 2005, Die Stellung der Gewerkschaften im Betrieb, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62718
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