Taiwan teilt sein Wahlsystem für Parlamentswahlen mit nur wenigen anderen Staaten weltweit. Durch die taiwanesischen Clanstrukturen, Patron-Klientel-Beziehungen und damit verbundenen Faktionen hat sich eine bestimmte Vorgehensweise für Parteien, Kandidaten und Wähler im Vorfeld der Wahlen ergeben. Seit der Demokratisierung in Taiwan lässt sich eine Veränderung beobachten. Die derzeitige Regierung unter Chen Shuibian ist bemüht, die Faktionen einzudämmen - durch ein Gesetz, dass Stimmenkauf verbietet und strafbar macht -, die damit verbundene Korruption zu ersticken und endlich vollkommen freie Wahlen stattfinden zu lassen.
Wie konnte es in Taiwan zu der momentanen Situation kommen, dass auch noch in einerseit mehreren Jahren vorhandenen und konsolidierten - Demokratie die Faktionen, besonders auf der lokalen Ebene aber auch bei den nationalen Parlamentswahlen, den Wahlausgang bestimmen? Diese Frage soll in der Arbeit beantwortet werden. Zu Beginn soll im zweiten Kapitel eine Zusammenfassung von grundlegenden Informationen über Taiwan gegeben werden, auch über die politische Kultur und das politische System. Im dritten Kapitel wird das taiwanesische Wahlsystem erläutert und auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie auf die Besonderheiten des Wahlsystems speziell in Taiwan eingegangen.
Abschließend soll im vierten Kapitel das heutige Taiwan beschrieben und die oben gestellte Frage beantwortet werden.
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Taiwan
2.1 Basisdaten
2.2 Bevölkerung
2.2.1 Bevölkerungszusammensetzung
2.2.2 Clanstrukturen
2.3 Politische Kultur
2.3.1 Historischer Hintergrund
2.3.2 Lokalfaktionen
2.4 Politisches System Taiwans
2.4.1 Regierungssystem
2.4.2 Parteiensystem
3 Nationale Wahlen in Taiwan
3.1 Präsidentschaftswahlen
3.2 Parlamentswahlen
3.3 SNTV in Taiwan
4 Taiwan heute – Fazit
Fazit
5 Literaturverzeichnis
Internetquellen:
1 Einleitung
Taiwan teilt sein Wahlsystem für Parlamentswahlen mit nur wenigen anderen Staaten weltweit. Durch die taiwanesischen Clanstrukturen, Patron-Klientel-Beziehungen und damit verbundenen Faktionen hat sich eine bestimmte Vorgehensweise für Parteien, Kandidaten und Wähler im Vorfeld der Wahlen ergeben. Seit der Demokratisierung in Taiwan lässt sich eine Veränderung beobachten. Die derzeitige Regierung unter Chen Shuibian ist bemüht, die Faktionen einzudämmen – durch ein Gesetz, dass Stimmenkauf verbietet und strafbar macht –, die damit verbundene Korruption zu ersticken und endlich vollkommen freie Wahlen stattfinden zu lassen.
Wie konnte es in Taiwan zu der momentanen Situation kommen, dass auch noch in einer – seit mehreren Jahren vorhandenen und konsolidierten – Demokratie die Faktionen, besonders auf der lokalen Ebene aber auch bei den nationalen Parlamentswahlen, den Wahlausgang bestimmen? Diese Frage soll in der Arbeit beantwortet werden.
Zu Beginn soll im zweiten Kapitel eine Zusammenfassung von grundlegenden Informationen über Taiwan gegeben werden, auch über die politische Kultur und das politische System. Im dritten Kapitel wird das taiwanesische Wahlsystem erläutert und auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie auf die Besonderheiten des Wahlsystems speziell in Taiwan eingegangen.
Abschließend soll im vierten Kapitel das heutige Taiwan beschrieben und die oben gestellte Frage beantwortet werden.
2 Taiwan
Auch bekannt als Republik China oder Formosa liegt Taiwan gegenüber der südöstlichen Küste des chinesischen Festlands, von dem es durch die Taiwanstraße getrennt ist.
Die Hauptstadt Taiwans ist T’aipei (Taipeh) und die Amtssprache ist Chinesisch. Taiwan besteht aus mehreren Inselgruppen, auf denen circa 22,5 Millionen Menschen leben, das entspricht ungefähr 626 Menschen pro Quadratkilometer.[1]
2.1 Basisdaten
Es gibt nur wenige Daten, die über Taiwan veröffentlicht werden. Dies hängt damit zusammen, dass Taiwan keine volle Souveränität hat und nur von wenigen Staaten anerkannt wird. Die Bertelsmann Stiftung hat mit dem Bertelsmann-Transformation-Index (BTI) eine Rangfolge aller sich transformierenden Länder erstellt und somit einige Daten veröffentlicht. Der Ergebnis-Status-Index liegt für Taiwan bei 9,2 – was einen achten Rang bedeutet. Dieser Index setzt sich aus demokratischen und marktwirtschaftlichen Indikatoren zusammen. Ein Index von 10 beschreibt ein vollständig marktwirtschaftlich demokratisiertes Land.
Taiwans HDI-Wert[2] lag 1998 bei 0,874 und im Jahr 2000 bei 0,891. Der GDI[3] erreichte 1998 einen Wert von 0,87 und zwei Jahre später einen Wert von 0,888.[4] Deutschland vergleichsweise, lag 2000 mit einem HDI-Wert von 0,927 auf dem 20. Platz[5] und erreichte 2003 mit einem GDI-Wert von 0,926 auch in der GDI-Rangliste einen 20. Rang.[6] Taiwan ist also nur einige Plätze hinter Deutschland in der Entwicklung einzuordnen.
Die politischen und zivilen Rechte wurden von der Organisation Freedom House untersucht und im Jahr 1996/1997 erstmals als frei eingestuft – dieses Ergebnis hat sich seitdem nicht mehr verändert.[7] Im Transformationsbericht der Bertelsmann Stiftung wird bestätigt, dass Taiwan bei der Transformation der politischen Ordnung Fortschritte gemacht hat und keine gravierenden Transformationsdefizite mehr bestehen. Des Weiteren wird festgestellt, dass arbeitsfähige Verwaltungsstrukturen bestehen und dass die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gewährleistet ist.[8]
2.2 Bevölkerung
2.2.1 Bevölkerungszusammensetzung
Die Bevölkerung setzt sich zusammen aus Taiwanesen (84%), Festlandchinesen (14%) und Gaoschan, einer malaiisch-polynesischen Minderheit (2%). Als Taiwanesen werden die Nachkommen der Siedler aus den südchinesischen Provinzen Guandong und Fujian bezeichnet, die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert nach Taiwan kamen. Die Flüchtlinge der 1940er Jahre und ihre Nachkommen werden bis heute noch als Festlandchinesen tituliert.[9]
Neben dem weit verbreiteten Konfuzianismus gehören 42% der Bevölkerung dem buddhistischen Glauben an, 34% sind Daoisten, 7,8% I-Kuan Tao-Anhänger, 3,6% sind Christen und 0,2% Muslime.[10]
2.2.2 Clanstrukturen
Clanstrukturen und der daraus resultierende Klientelismus waren bedeutende Ordnungsfaktoren der traditionellen chinesischen Gesellschaft. Diese Ordnungsstrukturen zeichnen sich durch reziproke Abhängigkeits- und Loyalitätsverhältnisse aus. Diese Verhältnisse bestehen auf der einen Seite zwischen Mitgliedern einer Sippe und auf der anderen Seite zwischen einem Patron, dem Oberhaupt einer einflussreichen Familie, und dem bäuerlichen Klientel. Diese Art von Verbindungen wird nicht aus ideologischen oder klassenbedingten Gesichtspunkten aufrechterhalten, sondern hat ihren Ursprung in festgelegten Sozialbeziehungen: Verwandtschaftsverhältnisse, Freundschaften, Patron-Klientel-Strukturen, konforme Namen oder geografisch bedingte Zugehörigkeiten.[11] Durch die Übersiedlung der Festlandchinesen wurden diese Strukturen nach Taiwan gebracht und sind Grundlage für die in Kapitel 2.3.2 beschriebenen Lokalfaktionen.
2.3 Politische Kultur
2.3.1 Historischer Hintergrund
Malaiisch-polynesische Ureinwohner und chinesische Siedler legten den Grundstein für die Bevölkerung Taiwans. Zwischen dem 12. und 17. Jahrhundert, als die Ming-Dynastie ihrem Ende zuging und sich die wirtschaftliche und politische Lage auf dem Festland verschlechterte, flüchteten viele Festlandchinesen nach Taiwan. Die Qing-Dynastie zwang Taiwan 1682 unter ihre Herrschaft und integrierte es 1885 als 22. Provinz.
Ende des 19. Jahrhunderts kam es zum chinesisch-japanischen Krieg, aus dem Japan als Sieger hervorging und Taiwan zu einer japanischen Kolonie machte.
Nach Ende des Zweiten Weltkrieges fiel Taiwan an China zurück. Ein unterdrückendes, korruptes Regime unter Gouverneur Chen Yi beutete Taiwan für die Finanzierung des nationalistischen Bürgerkrieges auf dem Festland aus. Unmut in der Bevölkerung führte zu brutalen Zwischenfällen und Säuberungen. Die Führung der Guomindang (GMD) flüchtete mitsamt zwei Millionen Anhängern nach der Niederlage im Bürgerkrieg nach Taiwan – fast vierzig Jahre GMD-Diktatur in Taiwan folgten.
Unter der Guomindang entwickelte sich die wirtschaftliche Lage zu Gunsten Taiwans. Jedoch wurde 1948 die taiwanesische Verfassung außer Kraft gesetzt und 1949 wurde das Kriegsrecht vom Festland auf die Insel ausgedehnt. Die in der Verfassung festgehaltenen Amtszeitbeschränkungen für Staatspräsident und Abgeordnetenmandate wurden aufgelöst, um eine formaldemokratische GMD-Herrschaft auf unbestimmte Zeit zu sichern. Ein neues politisches System wurde in Taiwan eingeführt, das den Anschein einer chinesischen Alleinvertretung aufrecht erhalten sollte.
Anfang der 1970er Jahre entspannte sich das Verhältnis zwischen den USA und der Volksrepublik China. Taiwan musste, um die engen Beziehungen mit den USA beibehalten zu können, Anpassungsleistungen beim politischen System vornehmen. Zu dieser Zeit konnte sich auch durch Öffnung der politischen Führungsebene eine Opposition von Einheimischen bilden, die 1977 große Wahlerfolge hatte. Die GMD-Führung fühlte sich davon bedroht und nahm bei einer Demonstration leitende Oppositionelle fest. Da die innenpolitische Unterstützung für die Parteilosen jedoch äußerst groß war und die GMD unter Druck geriet, weil Menschenrechtsverletzungen aufgedeckt wurden, konnte die Regierung eine oppositionelle Parteigründung der Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) und eine politischen Wende nicht verhindern. Der Weg in die Demokratie wurde durch die Aufhebung des Kriegsrechts am 14. Juli 1987 geebnet.
Die ersten freien Parlamentswahlen fanden 1992 statt, im Jahre 2001 erhielt die DPP die erste relative Mehrheit im Parlament. Der erste demokratisch legitimierte Präsident wurde im Mai 2000 gewählt. Seit Mitte der 1990er Jahre gilt Taiwan als konsolidierte Demokratie. Durch umfassende Reformen der politischen Struktur entfernte sich Taiwan vom chinesischen politischen System hin zu einem demokratischen Verfassungsstaat.[12] Auch die Bevölkerung zeigt großes Interesse an der Demokratie: Die Wahlbeteiligung liegt generell bei mindestens 70%, meistens sogar bei über 80%. Bei der Präsidentenwahl 2000 nahmen 82,69% der Wahlberechtigten an der Wahl teil.[13] Vier Jahre später waren es 80,28%.[14]
2.3.2 Lokalfaktionen
Aufgrund der Übersiedlung der Festlandchinesen nach Taiwan ergaben sich auf der Insel ähnliche Sozial- und Clanstrukturen wie auf dem Festland. Diese Clans entwickelten sich zu politischen Einflussgruppen ohne feste institutionelle Strukturen – zu Lokalfaktionen. Shelley Rigger ist jedoch der Meinung, dass der Urspurung für diese Patron-Klientel-Strukturen weitgehend aus den institutionellen Faktoren Taiwans hervorgeht: aus dem Parteiensystem, dem Regierungssystem und den Wahlkampfregeln.[15]
[...]
[1] Vgl. Fischer Taschenbuch Verlag (Hrsg.): Der Fischer Weltalmanach 2005, Frankfurt am Main 2004. S. 93.
[2] Der Human Developement Index setzt sich zusammen aus den Indikatoren Lebensdauer, Alphabetisierungsrate und Lebensstandard. Bei einem Index von 1 gelten die Länder als vollständig entwickelt. Der Human Developement Index wird nur bei der Bertelsmann Stiftung angegeben. Keine andere Organisation hat einen HDI-Wert oder Rang für Taiwan veröffentlicht.
[3] Der Gender Developement Index misst die gleichen Indikatoren wie der HDI (siehe oben), aber aufgeschlüsselt nach Geschlechtern; damit ist er ein Messinstrument für die Benachteiligung von Frauen. Der Gender Developement Index wird nur bei der Bertelsmann Stiftung angegeben. Keine andere Organisation hat einen GDI-Wert oder Rang für Taiwan veröffentlicht.
[4] Vgl. www.bertelsmann-transformation-index.de/131.0.html, 12.09.2005, 12:15 Uhr.
[5] Vgl. http://hdr.undp.org/statistics/data/indicators.cfm?x=15&y=1&z=1, 26.09.2005, 11:29 Uhr.
[6] Vgl. http://cfapp2.undp.org/hdr/statistics/data/rc_report.cfm, 26.09.2005, 11:52 Uhr.
[7] Vgl. http://www.freedomhouse.org/ratings/index.htm, 13.09.2005; 13:00 Uhr.
[8] Vgl. www.bertelsmann-transformation-index.de/131.0.html, 12.09.2005, 12:15 Uhr.
[9] Vgl. Venhoff, Michael: Länderbericht Taiwan in: Intemann, Gabriele u. a.: Diercke Länderlexikon, Braunschweig 1999. S. 787.
[10] Vgl. Fischer Taschenbuch Verlag (Hrsg.): Der Fischer Weltalmanach 2005, Frankfurt am Main 2004. S. 93.
[11] Vgl. Schubert, Gunter: Das politische System Taiwans, in: Derichs, Claudia/Heberer, Thomas (Hrsg.): Einführung in die politischen Systeme Ostasiens, Opladen 2003, S. 350 f.
[12] Vgl. Schubert, Gunter: Das politische System Taiwans, in: Derichs, Claudia/Heberer, Thomas (Hrsg.): Einführung in die politischen Systeme Ostasiens, Opladen 2003, S. 327 ff.
[13] Vgl. www.bertelsmann-transformation-index.de/131.0.html, 12.09.2005, 12:15 Uhr.
[14] Vgl. Friedrich, Stefan: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Eine Analyse zur Präsidentschaftswahl auf Taiwan am 20. März 2004. Download von: http://www.kas.de/publikationen/2004/4486_dokument.html, 15.09.2005, 12:03 Uhr.
[15] Vgl. Rigger, Shelley: Politics in Taiwan. Voting für democracy, Bodmin 1999, S. 46.
- Arbeit zitieren
- Katinka Gehrig (Autor:in), 2005, Das Wahlsystem SNTV in Taiwan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62630
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