Geschrieben von einem „Hofmann für Höfe“, ein „widerlich serviles Produkt durch und durch“ (beide Zitate aus Grawe, S. 194) sei Goethes Torquato Tasso,meint Johannes Scherr im Jahr 1851. Und im ersten Moment mutet das Drama auch als eine durchaus positive Beschreibung des höfischen Lebens an. Doch man muss zwischen den Zeilen lesen. Die wirkliche Handlung versteckt sich hinter Formen und Floskeln, ganz wie auf dem französisch geprägten Hof selbst. Und hier wie dort findet sich Brutales zwischen dem formgewandten Umgang von Adligen untereinander.
Das Theaterstück wurde auch von einem Hofmann geschrieben, aber von einem, der keineswegs mit allen Facetten dieser künstlichen, abgeschotteten Welt einverstanden war. Und als widerlich servil zeigen sich zwar die meisten Figuren, nicht aber das Stück selbst. Und so finden sich durchaus vielschichtige, bisweilen sogar ambivalente Handlungs- und Charakterdarstellungen. Torquato Tasso ist ganz sicher kein Lobgesang auf die adlige Gesellschaft, auch zu Goethes Zeiten dürfte wohl kaum jemand die dort beschriebene Welt als durchgehend positiv empfunden haben. So entpuppt sich das Stück beim genaueren Hinsehen als Kritik am übertrieben höfischen Leben, es ist eine Drama über einen Charakter, der, durchaus mit Schwächen behaftet, nicht in die gefühlssterile Welt des höfischen Theaters passt und dessen Leben durch eine Intrige zerstört wird.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Hauptteil
1. Vergleich von Tasso und Antonio in Goethes „Torquato Tasso“
1.1. Die Charaktere
1.2. Ihr Streit
2. Interpretation der Duellszene vor diesem Hintergrund
Schluss
Literaturliste
Einleitung
Geschrieben von einem „Hofmann für Höfe“, ein „widerlich serviles Produkt durch und durch“ (beide Zitate aus Grawe, S. 194) sei Goethes Torquato Tasso, meint Johannes Scherr im Jahr 1851. Und im ersten Moment mutet das Drama auch als eine durchaus positive Beschreibung des höfischen Lebens an. Doch man muss zwischen den Zeilen lesen. Die wirkliche Handlung versteckt sich hinter Formen und Floskeln, ganz wie auf dem französisch geprägten Hof selbst. Und hier wie dort findet sich Brutales zwischen dem formgewandten Umgang von Adligen untereinander.
Das Theaterstück wurde auch von einem Hofmann geschrieben, aber von einem, der keineswegs mit allen Facetten dieser künstlichen, abgeschotteten Welt einverstanden war. Und als widerlich servil zeigen sich zwar die meisten Figuren, nicht aber das Stück selbst. Und so finden sich durchaus vielschichtige, bisweilen sogar ambivalente Handlungs- und Charakterdarstellungen. Torquato Tasso ist ganz sicher kein Lobgesang auf die adlige Gesellschaft, auch zu Goethes Zeiten dürfte wohl kaum jemand die dort beschriebene Welt als durchgehend positiv empfunden haben. So entpuppt sich das Stück beim genaueren Hinsehen als Kritik am übertrieben höfischen Leben, es ist eine Drama über einen Charakter, der, durchaus mit Schwächen behaftet, nicht in die gefühlssterile Welt des höfischen Theaters passt und dessen Leben durch eine Intrige zerstört wird.
Hauptteil
1. Vergleich von Tasso und Antonio in Goethes
„Torquato Tasso“
1.1. Die Charaktere
Die aristokratisch-höfische Gesellschaft gilt uns heute als eine Welt voll Schein, Blendung und Intrigen. Nicht so für Tasso: Er sieht den Hof als einen idealen Ort, an dem er zwar als Diener seines Herren, aber dennoch frei und ohne äußere Zwänge leben kann. Später zeigt sich aber, dass sich diese Sicht als sehr naiv herausstellt. Unter anderem wird Tasso das von Antonio deutlich gemacht, dem Staatssekretär und Hofhistoriker von Fürst Alfons. Dieser zeigt sich vom ersten Treffen an und in allen Bereichen als Gegenspieler Tassos.
Er vertritt im Stück am „doktrinärsten den Geist der höfischen Welt“ (Borchmeyer, S. 78), ordnet also alles dem Nutzen, dem politischen Kalkül und vor allem dem Ansehen unter und zeigt somit wenig Verständnis für den Freigeist Tasso, der die Dichtung und den Dichter als eben diesen Zwängen entrückt wähnt. Antonios Auftreten zeugt von Anstand. Gefühle und Spontanität sind für ihn Schwächen, die sich ein Mensch am Hofe nicht leisten kann und darf. Dichtung hält er für ein nicht ernstzunehmendes Spiel, den Dichter als Müßiggänger kann er nicht ernst nehmen. (Vgl. Schulz, S. 181)
Tasso hingegen, und hier ist eine der Szenen, in denen Goethes Wurzeln aus dem Sturm und Drang hervortreten, setzt auf das Gefühl. Er bietet Antonio sofort innigste Freundschaft an und reagiert gekränkt, als dieser sich seinerseits mit Sympathiebekundungen zurückhält. Hier entsteht ein tragendes Element des Dramas, der Konflikt zwischen Tasso und Antonio, „aus der verzweifelten Bemühung des ersteren, diesen ablehnenden Wall der Vornehmheit zu durchbrechen und zu Antonios Herz vorzustoßen“. (Borchmeyer, S. 79)
Doch auch wenn es noch als positiv angesehen werden kann, dass Tasso seine Gefühle nicht hinter einem aufgesetzten, kühl kalkulierten Gestus verbirgt, so stellt sich seine übertriebene Irrationalität als charakterlicher Fehler dar. Diese äußert sich im Unvermögen, sich sein Handeln im Voraus zu überlegen und in der Tatsache, dass er seine gesellschaftlichen Umstände, nämlich ein angestellter Hofdichter von Gnaden des Fürsten zu sein, verkennt. So sehr hat er sich in sein Inneres zurückgezogen, dass er die Nuancen, die die gesellschaftliche Interaktion am Hof fordert, gar nicht mehr wahrnimmt. Er glaubt, wie seine innere Welt müsste die äußere seinem Willen, seinen Launen unterworfen sein. (Vgl. Borchmeyer, S. 80ff)
Damit eng zusammen hängt auch der Unterschied, der eine Versöhnung der beiden unmöglich macht, obwohl sowohl Tasso als auch Antonio durchaus versuchen, nicht zuletzt auf Bitten ihrer gemeinsamen Freunde, ihr Verhältnis wieder zurechtzurücken: Das abwartende Kalkül Antonios und der alles sofort einfordernde Überschwang Tassos. Dieser wird von Antonio ja auch getadelt: „In einem Augenblicke forderst du, Was wohlbedächtig nur die Zeit gewährt.“ (Goethe, S. 39) In einer Welt der Intrigen, in der jeder unbedachte Schritt gesellschaftlichen Schaden bedeuten kann, ruft dieser Überschwang natürlich Misstrauen hervor. Im Gegensatz dazu ist in der von Gefühlen geleiteten Welt Tassos solch eine Zurückhaltung geradezu eine Unverschämtheit und dementsprechend reagiert er sehr impulsiv.
1.2. Ihr Streit
Doch wirklich entscheidend für die Entwicklung des Streits ist eine andere Tatsache: Antonio ist eifersüchtig auf Tasso; sowohl was seine Stellung am Hof aufgrund seiner Dichtkunst als auch sein Verhältnis zu den beiden betrifft. Erste Anzeichen dafür gibt es schon in der ersten Begegnung der beiden und in der schroffen und unglaubwürdigen Argumentation Antonios (Vgl. Borchmeyer, S. 80), später wird er seine Gefühle, die er ja eigentlich als schädlich und überflüssig ansieht, Leonore gegenüber auch eingestehen. (Vgl. Goethe, S. 59)
Tasso hingegen fühlt, dass er als Dichter nur geringe Aufgaben wahrnehmen kann und interessiert sich deshalb auch für die Regierungsgeschäfte. (Vgl. Schulz, S. 182). Jeder der beiden Kontrahenten möchte also an der Sphäre des anderen teilhaben, in ihr erfolgreich sein.
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- Quote paper
- Christoph Aschenbrenner (Author), 2006, Vergleich von Tasso und Antonio in Goethes 'Torquato Tasso' - Interpretation der Duellszene vor diesem Hintergrund, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62612
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