Der Name René Descartes löst häufig folgende Reaktionen aus: Begründer der neuzeitlichen Philosophie, Rationalist, Wissenschaftler im strengsten Sinne, Erfinder der Philosophie des Subjekts und nicht zuletzt hört man den bekannten Satz: ‚Cogito ergo sum’1.
Gerade weil Descartes mit dem Nimbus der kompromisslosen Wissenschaftlichkeit, der Unbestechlichkeit und Aufgeklärtheit behaftet ist, neigt man als Leser seiner Texte dazu, jede Ungereimtheit in seinem Werk, die dann sogleich als Ungereimtheit in seinem Denken verstanden wird, was noch diskutiert werden muss, besonders kritisch zu betrachten. Ein Philosoph und Naturwissenschaftler, der mit den oben genannten Attributen behaftet ist, muss sich auch durch Stimmigkeit und Stringenz seines Denkens auszeichnen.
Gibt es jedoch Unstimmigkeiten bei Descartes?
Wie erklärt man sich, dass der Philosoph, mit dessen Schaffen nach unbestrittener Schulmeinung die neuzeitliche Philosophie beginnt, in seinem vielleicht wichtigsten Werk, den Meditationes de prima philosophia, es sich angelegen sein lässt Gott zu beweisen? Wollte Descartes nicht Schluss machen mit der Verquickung von Glauben und Vernunft? Was haben Glauben und Vernuft überhaupt miteinander zu tun?
Diesen Fragen möchte ich in meiner Arbeit nachgehen. Dazu werde ich das Widmungsschreiben Descartes an die Sorbonne sowie seine eigene Einleitung des Meditations-Textes daraufhin untersuchen, ob sie helfen können die gestellten Fragen zu beantworten. Ich beziehe selbstverständlich den Text der Meditationen in meine Überlegungen mit ein. Ein besonderes Augenmerk soll darauf gerichtet werden, inwiefern Descartes von den Prämissen seiner einleitenden Worte in den Meditationen abgewichen ist. Und ob der Zweck, den der Philosoph im Widmungsschreiben nennt, auch als solcher im Meditations-Text erkennbar ist. Nicht zuletzt möchte ich das Verhältnis von Glauben und Vernunft in Descartes’ Denken thematisieren.
Inhalt
1. Einleitende Überlegungen zur Fragestellung
2. Der Zweck der Meditationen
2.1 Der Zweck der Meditationen, wie er in Descartes Widmungsschreiben an die Sorbonne deutlich wird
2.1.1 Descartes Vorwort an den Leser
3. Der Zweck der Meditationen im Text der „Meditationes de prima Philosophia“
4. Schlussbetrachtung
Literaturverzeichnis
A. Quellen:
B. Darstellungen:
1. Einleitende Überlegungen zur Fragestellung
Der Name René Descartes löst häufig folgende Reaktionen aus: Begründer der neuzeitlichen Philosophie, Rationalist, Wissenschaftler im strengsten Sinne, Erfinder der Philosophie des Subjekts und nicht zuletzt hört man den bekannten Satz: ‚Cogito ergo sum’1.
Gerade weil Descartes mit dem Nimbus der kompromisslosen Wissenschaftlichkeit, der Unbestechlichkeit und Aufgeklärtheit behaftet ist, neigt man als Leser seiner Texte dazu, jede Ungereimtheit in seinem Werk, die dann sogleich als Ungereimtheit in seinem Denken verstanden wird, was noch diskutiert werden muss, besonders kritisch zu betrachten. Ein Philosoph und Naturwissenschaftler, der mit den oben genannten Attributen behaftet ist, muss sich auch durch Stimmigkeit und Stringenz seines Denkens auszeichnen.
Gibt es jedoch Unstimmigkeiten bei Descartes?
Wie erklärt man sich, dass der Philosoph, mit dessen Schaffen nach unbestrittener Schulmeinung die neuzeitliche Philosophie beginnt, in seinem vielleicht wichtigsten Werk, den Meditationes de prima philosophia, es sich angelegen sein lässt Gott zu beweisen? Gottesbeweise, gehören sie nicht in die Philosophie des Mittelalters? Wollte Descartes nicht Schluss machen mit der Verquickung von Glauben und Vernunft? Was haben Glauben und Vernuft überhaupt miteinander zu tun?
Es gibt ein Paradox bezüglich der Gottesbeweise, das häufig im Zusammenhang mit diesen zur Sprache kommt. Wenn man an Gott glaubt, muss man ihn sich selbst nicht beweisen. Wenn man nicht an Gott glaubt und es einem aber gelingt seine Existenz zu beweisen, dann kann man nicht mehr von Glauben sprechen. Genau so wenig sagt man, man glaube daran, dass sich die Erde um die Sonne dreht. Descartes hebt in seinem Widmungsschreiben an die Sorbonne den apologetischen Nutzen der Meditationen hervor. Er wollte Gott demnach nicht sich selbst, sondern anderen, den Ungläubigen, beweisen.
Kann es nicht auch sein, dass er die Fürsprache dieser mächtigen Institution suchte, um sich bereits im Vorfeld gegen Anfeindungen aller Art zu schützen? Fürchtete er sich davor, dass ihn ein Schicksal wie das Giordano Brunos hätte ereilen können. Die Neuartigkeit seiner Philosophie hätte ihn schließlich in den Verdacht des Atheismus bringen können. Oder brauchte er den Gottesbeweis aus einem ganz anderen Grund?
Diesen Fragen möchte ich in meiner Arbeit nachgehen. Dazu werde ich das Widmungsschreiben Descartes an die Sorbonne sowie seine eigene Einleitung des Meditations -Textes daraufhin untersuchen, ob sie helfen können die gestellten Fragen zu beantworten. Ich beziehe selbstverständlich den Text der Meditationen in meine Überlegungen mit ein. Ein besonderes Augenmerk soll darauf gerichtet werden, inwiefern Descartes von den Prämissen seiner einleitenden Worte in den Meditationen abgewichen ist. Und ob der Zweck, den der Philosoph im Widmungsschreiben nennt, auch als solcher im Meditations -Text erkennbar ist. Nicht zuletzt möchte ich das Verhältnis von Glauben und Vernunft in Descartes’ Denken thematisieren.
2. Der Zweck der Meditationen
2.1 Der Zweck der Meditationen, wie er in Descartes Widmungsschreiben an die Sorbonne deutlich wird
In der Grußformel des Widmungsschreibens bekundet Descartes durch die Anrede „an die sehr weisen und erlauchten Herren“2 eine gewisse Ehrfurcht den Dozenten und dem Dekan der theologischen Fakultät der Sorbonne gegenüber.
Unumwunden bezeichnet der Philosoph das Interesse, das ihn zu der Verfassung seiner Schrift bewegt hat; als berechtigt. Dies zeugt von Selbstvertrauen. Er bekundet sogleich die Hoffnung darauf, dass die angesprochenen Herren nicht zögern werden die Verteidigung seiner Meditationen zu übernehmen, sobald sie durch ihn über deren Intention in Kenntnis gesetzt seien.
Er stellt die These auf, dass die Philosophie geeigneter sei Fragen über das Wesen der Seele und das Wesen Gottes zu erörtern und zu beantworten als die Theologie. Er begründet diese Meinung, indem er darauf hinweist, dass Gläubige ohnehin im Glauben überzeugt seien, dass aber Ungläubige schwerlich anders von der Religion und von moralischer Tugend zu überzeugen seien als mittels „natürliche[r] Gründe [...]“3.
Er gibt zu bedenken, dass „Ungläubige“ die für fromme Menschen einleuchtende Erkenntnis, dass Gottes Dasein geglaubt werden müsse, weil es in der „Heiligen Schrift“ stehe und diese Schrift deshalb die Wahrheit enthalte, weil sie von Gott stamme, zu einem Zirkelschluss erklären würden. Die Vermutung liegt nahe, dass Descartes als Nicht-Theologe sein Engagement bezüglich des Gottesbeweises deshalb ausführlich rechtfertigt, weil er befürchtet, als „Fachfremder“ auf Ablehnung zu stoßen. Dies könnte auch erklären, warum er sich auf die Richtlinie des Laterankonzils unter Leo X beruft, die, wie er betont, die Menschen verdammt, die nicht an die Unsterblichkeit der Seele glauben und die christlichen Philosophen auffordert, ihnen das Gegenteil zu beweisen. Darüber hinaus beruft sich Descartes darauf, dass er beobachtet habe, dass „ [...] nicht nur ihr alle und andere Theologen versichern, man könne Gottes Dasein mit natürlichen Gründen beweisen, sondern auch aus den heiligen Schriften läßt sich dies folgern, daß seine Erkenntnis um vieles leichter ist als die geschaffener Dinge, ja, daß sie sogar so leicht ist, daß die, die sie nicht besitzen, Tadel verdienen“4.
Er belegt seine Überlegungen mit einigen Bibelstellen. Das heißt, er bedient sich einer nicht anfechtbaren Autorität. Im Grunde ist dies ein in der Scholastik übliches Verhalten, das Descartes ablehnt. Die Verteidigung mancher Atheisten, sie glaubten nicht an Gott und die Verschiedenheit der menschlichen Seele vom menschlichen Leib, da dies noch nicht hinreichend bewiesen sei, lehnt Descartes als unberechtigt ab, da es in der Vergangenheit bedeutenden Männern bereits gelungen sei diese Glaubenssätze zu beweisen. Er nennt jedoch niemand namentlich. Er will die wirkungsvollsten Beweise suchen und sie so genau und verständlich darlegen, dass niemand sie mehr leugnen könne.
Auch spricht er seine wissenschaftliche Methode an, die er in den Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft und in Von der Methode entwickelt hat. Diese Grundsätze sollten eine Hilfe bei der Klärung beliebiger Probleme in den verschiedenen Wissenschaften bieten. Er beruft sich darauf, dass bestimmte Personen, die er wieder nicht namentlich nennt, ihn gebeten haben sollen, diese seine Methode auf das Problem des Gottesbeweises und der Verschiedenheit der Seele vom Körper anzuwenden. Er sei nur den ersten und den wichtigsten Gründen nachgegangen. Seine aus den Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse könnten nun als die gewissesten und einsichtigsten Beweise gelten. Er lobt ganz freimütig seine von ihm konzipierte Methode als einen Weg zur Erkenntnis, der so fruchtbar ist wie kein anderer, der dem menschlichen Verstand offen steht.
[...]
1 „Dieser berühmte Gedankengang wird in der Literatur meistens „das Cogito-Argument“ genannt. Allerdings ist zu beachten, daß Descartes in den Meditationes nicht die viel zitierte lateinische Formulierung „Ego cogito, ergo sum“ verwendet. Dort sagt er nur: „Ich bin, ich existiere; das ist gewiß. [...]“ Die Standardformulierung findet sich erst in den späteren Principia [...], in französischer Fassung jedoch bereits im Discours [...] “. In: Dominik Perler: René Descartes, München 1998, S. 139.
2 René Descartes: Meditationen über die Grundlagen der Philosophie, lateinisch-deutsch, hg. v. Lüder Gäbe, Hamburg 1992³, S.3.
3 Ebd., S. 3.
4 Ebd., S. 5.
- Citar trabajo
- Nathalie Kónya-Jobs (Autor), 2003, Der Zweck der Meditationen in Descartes Widmungsschreiben und im Meditationstext selbst - Überlegungen zum Verhältnis von Glaube und Vernunft bei Descartes, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62595
-
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X. -
¡Carge sus propios textos! Gane dinero y un iPhone X.