Mit dem Ende der selbst verordneten Denkpause zum Thema „EU-Verfassung“ begannen die EU-Außenminister Ende Mai 2006 erstmals wieder mit Debatten über die Zukunft des Vertragswerkes. Inwieweit sich die Europäer an dieser Diskussion beteiligen werden bzw. überhaupt beteiligen können, ist indessen nicht weniger umstritten. Die These vom Öffentlichkeitsdefizit der Europäischen Union (EU) bewegt und spaltet die Wissenschaft.
Die Frage, ob es tatsächlich ein solches Defizit gibt, soll daher in dieser Arbeit anhand zweier ausgewählter Texte komparativ behandelt werden. Der erste Aufsatz unter dem Titel „Europäisierung von Ökonomie und Politik und die Trägheit der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit" stammt von Jürgen Gerhards. Gleichzeitig wird der Text „Transnationale Resonanzstrukturen in Europa - Eine Kritik der Rede vom Öffentlichkeitsdefizit" von Klaus Eder und Cathleen Kantner zur Untersuchung herangezogen. Während Gerhards die These vertritt, dass die Öffentlichkeit national verhaftet bleibt und ein europäisches Öffentlichkeitsdefizit besteht(Gerhards 2000, S.277ff.), kommen Eder und Kantner zu dem Schluss, dass sich ein europäisches Öffentlichkeitsdefizit empirisch nicht bestätigen lässt (Eder/Kantner 2000, S.307).
Diese gegensätzlichen Aussagen sind bedingt durch die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Autoren. Schon allein ihre Ausgangssituation weist große Kontraste auf. Daher werden im Folgenden die beiden Untersuchungen verglichen. Im Anschluss folgt ein kritisches Fazit zu Theorie und Empirie der Beiträge.
Inhalt
Einführung
Der Öffentlichkeitsbegriff
Der Defizitbegriff
Bedingungen und Barrieren einer europäischen Öffentlichkeit
Zum Verhältnis von Öffentlichkeits- und Demokratiedefizit
Empirische Ergebnisse
Fazit: Theoretische Unterschiede und empirische Mängel
Literaturverzeichnis
Einführung
Mit dem Ende der selbst verordneten Denkpause zum Thema „EU-Verfassung“ begannen die EU-Außenminister Ende Mai 2006 erstmals wieder mit Debatten über die Zukunft des Vertragswerkes. Inwieweit sich die Europäer an dieser Diskussion beteiligen werden bzw. überhaupt beteiligen können, ist indessen nicht weniger umstritten. Die These vom Öffentlichkeitsdefizit der Europäischen Union (EU) bewegt und spaltet die Wissenschaft.
Die Frage, ob es tatsächlich ein solches Defizit gibt, soll daher in dieser Arbeit anhand zweier ausgewählter Texte komparativ behandelt werden. Der erste Aufsatz unter dem Titel „Europäisierung von Ökonomie und Politik und die Trägheit der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit" stammt von Jürgen Gerhards. Gleichzeitig wird der Text „Transnationale Resonanzstrukturen in Europa - Eine Kritik der Rede vom Öffentlichkeitsdefizit" von Klaus Eder und Cathleen Kantner zur Untersuchung herangezogen.
Während Gerhards die These vertritt, dass die Öffentlichkeit national verhaftet bleibt und ein europäisches Öffentlichkeitsdefizit besteht(Gerhards 2000, S.277ff.), kommen Eder und Kantner zu dem Schluss, dass sich ein europäisches Öffentlichkeitsdefizit empirisch nicht bestätigen lässt (Eder/Kantner 2000, S.307).
Diese gegensätzlichen Aussagen sind bedingt durch die unterschiedlichen Vorgehensweisen der Autoren. Schon allein ihre Ausgangssituation weist große Kontraste auf. Daher werden im Folgenden die beiden Untersuchungen verglichen. Im Anschluss folgt ein kritisches Fazit zu Theorie und Empirie der Beiträge.
Der Öffentlichkeitsbegriff
Gerhards verwendet in seinem Artikel einen institutionellen Öffentlichkeitsbegriff, dem die „Funktion der Infovermittlung, der Meinungsbildung und der Kontrolle“(Gerhards 2000, S.287) zukommt. Er sieht die Öffentlichkeit als ein intermediäres System der Vermittlung zwischen Bürgern und politischen Entscheidungsträgern. Öffentlichkeit ist damit hier das Äquivalent zum Mediensystem.
Ferner differenziert er dabei in die Entstehung länderübergreifender europäischer Öffentlichkeit und eine Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten. Das länderübergreifende Modell ist ein einheitliches Mediensystem. Die Europäisierung der nationalen Öffentlichkeiten versteht er als „a) die Thematisierung europäischer Themen und Akteure in den nationalen Öffentlichkeiten einerseits und b) die Bewertung der Themen und Akteure unter einer nicht-nationalstaatlichen Perspektive andererseits“ (Gerhards 1993, zitiert nach Gerhards 2000, S.293).
Eder/Kantner hingegen verwenden in Anlehnung an Habermas einen diskurstheoretischen Definitionsansatz, der davon ausgeht, dass Öffentlichkeit dann existiert, wenn in einem anonymen Massenpublikum zum gleichen Zeitpunkt die gleichen Themen unter gleichen Relevanzgesichtspunkten behandelt werden (Eder/Kantner 2000, S.315). Hierfür spielt die „Konstruktion von Betroffenheit über nationale und sprachliche Grenzen hinweg“ (ebd., S. 326) eine wichtige Rolle. Die von Gerhards fokussierte Ausgestaltung der europäischen Medienlandschaft hingegen ist nur von sekundärer Bedeutung (ebd. ,S. 327).
Der Defizitbegriff
Bevor wir uns mit den empirischen Beweisen für oder wider ein europäisches Öffentlichkeitsdefizit beschäftigen können, muss vorab geklärt werden, was unter einem Defizit zu verstehen ist. Denn auch hier unterscheiden sich die Beiträge.
Gerhards sieht das Öffentlichkeitsdefizit stets im Hinblick auf die wirtschaftliche und politische Entwicklung der EU. Die Steigerungsraten in beiden Bereichen werden zum Maßstab, an dem Öffentlichkeit gemessen wird. Ein Öffentlichkeitsdefizit „besteht dann, wenn politische Entscheidungen immer häufiger nicht von den Nationalstaaten, sondern von der EU gefällt werden, die Berichterstattung der Öffentlichkeit aber nationalstaatlich verhaftet bleibt und nicht oder nur in geringen Maße von den europäischen Entscheidungen und Diskussionen berichtet“ (Gerhards 2000, S.288). Er betrachtet nicht die Frage, ob es eine europäische Öffentlichkeit, d.h. eine europäische Berichterstattung, gibt. Sondern er beschäftigt sich mit deren Ausmaß und vergleicht dieses zum einen mit der nationalen Dimension von Öffentlichkeit, um es dann der Europäisierung von Politik und Wirtschaft gegenüberzustellen. Durch diese Bezugsobjekte wird sein Verständnis vom Defizit zu einem relativen Begriff.
Bei Eder/Kantner erscheint der Defizitbegriff hingegen als absoluter Mangel, als gänzliches Fehlen einer europäischen Öffentlichkeit. Bei einer diskurstheoretischen Analyse stellt sich zwar die Frage, ob „es bereits in relevantem Ausmaß kollektive Meinungsbildungsprozesse in Europa gibt (Eder/Kantner 2000, S.315). Gleichzeitig wird dieses relevante Ausmaß von den Autoren jedoch weder näher definiert noch empirisch betrachtet. Sie untersuchen, ob es eine Präsenz oder Absenz europäischer Öffentlichkeit gibt, d.h., ob - nicht in welchem Maß - Themen zur gleichen Zeit unter gleichen Relevanzgesichtspunkten untersucht werden. Denn „normatives Benchmarking“ wird ebenso kritisch gesehen wie idealtypisches „nationales Benchmarking“ (ebd., S.326). Ein Öffentlichkeitsdefizit sollte so ihrer Ansicht nach nicht quantitativ im Vergleich mit nationalen Maßstäben, sondern vielmehr qualitativ bestimmt werden.
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- Isabella Holz (Autor), 2006, Die Europäisierung von Öffentlichkeit, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62473
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