Überall auf der Welt wird gelacht. Humor verbindet (und trennt) Menschen in allen Kulturen; auf allen Kontinenten wird gelacht und gescherzt, und das schon sehr lange. Die meisten Forscher sehen den Spieltrieb als direkten Vorläufer des Humors, das Lachen galt als ein Spielsignal (vgl. Grit Kienzlen 2006, S.1f.). Humor kann aber auch als „Entwicklungsphänomen beschrieben werden, das erfolgreiche Interaktion zwischen einem Individuum und seinem kulturellen und sozialen Kontext vermittelt“ (Bönsch-Kauke 2003, S. 59). Humorforschung ist angelehnt an diese Aussage ein interdisziplinäres Forschungsfeld, auf dem sich die verschiedensten Wissenschaften tummeln: Von der Philosophie, Anthropologie und Religionswissenschaft über Medizin und Psychologie bis hin zur Pädagogik und Soziologie beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit diesem Phänomen. Entsprechend dieser Bandbreite an Interesse und Interessenten gibt es eine Vielzahl von Definitionsansätzen und Erklärungsversuchen. Humor und Lachen als ein Ausdrucksmittel sollen beispielsweise dem Spannungs- und Aggressionsabbau dienen (Entspannungstheorie), schaffen Zugehörigkeits- bzw. Abgrenzungsempfindungen in sozialen Gruppen (Superioritätstheorie) und haben die Wahrnehmung von Kontrasten zur Grundlage (Inkongruenztheorie).
Ich beschäftige mich in dieser Arbeit exemplarisch mit dem Zusammenhang von Humor und Spracherwerb bei Kindern. Dass es eine physiologische Verknüpfung von aufrechtem Gang, Entwicklung des Kehlkopfs zum Sprechapparat und Spracherwerb einerseits und der Entwicklung von Humor andererseits gibt, hat der Humorforscher und Theologe John Morreall postuliert (ebd. S. 3). In der linguistischen Humorforschung ist es nun Hermann Helmers’ Verdienst, die Wechselwirkung von Humor und Spracherwerb bei Kindern untersucht zu haben. Seine Untersuchungsergebnisse werde ich im Folgenden darstellen. Dabei stelle ich die Entwicklungsschritte des kindlichen Humors und deren Voraussetzungen im Prozess des kindlichen Spracherwerbs vor. Nachfolgend wird die umgekehrte Wirkung des Humors auf die Entwicklungsschritte im Spracherwerb beschrieben. In einem kurzen letzten Abschnitt widme ich mich, sozusagen als Brückenschlag in die Gegenwart, den Unterschieden im Humor- und Sprachverhalten von Mädchen und Jungen. Die Arbeit schließt mit einem von der linguistischen Humorforschung formulierten zukünftigen Forschungsbedarf.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Vorüberlegungen zum Humorbegriff bei Kindern
2.1. Von Aristoteles über Freud
2.2. ... bis Helmers
3. Entwicklungsschritte des kindlichen Humors
3.1. Vorsprachlicher Humor
3.2. Umstrukturierung von Lauten und Umbau von Satzelementen
3.3. Semantische Verkehrungen
3.4. Episierung
3.5. Integration und Emanzipation als Faktoren des Humors
4. Bedeutung des Humors für die Sprachentwicklung
4.1. Reinforcement
4.2. Sprechtraining
4.3. Sprachliche Kreativität
4.4. Ästhetisierung
4.5. Kritische Reflexion
5. Humor bei Mädchen und Jungen
6. Fazit
7. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Überall auf der Welt wird gelacht. Humor verbindet (und trennt) Menschen in allen Kulturen; auf allen Kontinenten wird gelacht und gescherzt, und das schon sehr lange. Die meisten Forscher sehen den Spieltrieb als direkten Vorläufer des Humors, das Lachen galt als ein Spielsignal (vgl. Grit Kienzlen 2006, S.1f.). Humor kann aber auch als „Entwicklungsphänomen beschrieben werden, das erfolgreiche Interaktion zwischen einem Individuum und seinem kulturellen und sozialen Kontext vermittelt“ (Bönsch-Kauke 2003, S. 59). Humorforschung ist angelehnt an diese Aussage ein interdisziplinäres Forschungsfeld, auf dem sich die verschiedensten Wissenschaften tummeln: Von der Philosophie, Anthropologie und Religionswissenschaft über Medizin und Psychologie bis hin zur Pädagogik und Soziologie beschäftigen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit diesem Phänomen. Entsprechend dieser Bandbreite an Interesse und Interessenten gibt es eine Vielzahl von Definitionsansätzen und Erklärungsversuchen. Humor und Lachen als ein Ausdrucksmittel sollen beispielsweise dem Spannungs- und Aggressionsabbau dienen (Entspannungstheorie), schaffen Zugehörigkeits- bzw. Abgrenzungsempfindungen in sozialen Gruppen (Superioritätstheorie) und haben die Wahrnehmung von Kontrasten zur Grundlage (Inkongruenztheorie).
Ich beschäftige mich in dieser Arbeit exemplarisch mit dem Zusammenhang von Humor und Spracherwerb bei Kindern. Dass es eine physiologische Verknüpfung von aufrechtem Gang, Entwicklung des Kehlkopfs zum Sprechapparat und Spracherwerb einerseits und der Entwicklung von Humor andererseits gibt, hat der Humorforscher und Theologe John Morreall postuliert (ebd. S. 3). In der linguistischen Humorforschung ist es nun Hermann Helmers’ Verdienst, die Wechselwirkung von Humor und Spracherwerb bei Kindern untersucht zu haben. Seine Untersuchungsergebnisse werde ich im Folgenden darstellen. Dabei stelle ich die Entwicklungsschritte des kindlichen Humors und deren Voraussetzungen im Prozess des kindlichen Spracherwerbs vor. Nachfolgend wird die umgekehrte Wirkung des Humors auf die Entwicklungsschritte im Spracherwerb beschrieben. In einem kurzen letzten Abschnitt widme ich mich, sozusagen als Brückenschlag in die Gegenwart, den Unterschieden im Humor- und Sprachverhalten von Mädchen und Jungen. Die Arbeit schließt mit einem von der linguistischen Humorforschung formulierten zukünftigen Forschungsbedarf.
2. Vorüberlegungen zum Humorbegriff bei Kindern
Kinder beginnen schon in den ersten Wochen nach ihrer Geburt mit ihrer Stimme, ihren (vor)sprachlichen Äußerungen zu spielen – so klingt es zumindest für die Ohren der Außenstehenden. Diese stimmlichen und sprachlichen Bekundungen werden zusätzlich zunächst vom ersten Lächeln, später dann von deutlich als Lachen wahrnehmbaren Lauten begleitet und unterstützt. Äußerungen der Freude, des Vergnügens haben vermutlich vielfältige Gründe und Motive. Neben Interaktionen zwischen Kind und Bezugsperson, die dem Kind die Äußerungen seiner Bedürfnisse bzw. deren Befriedigung bestätigen, sind es immer häufiger gerade diese zwischenmenschlichen Kommunikationssituationen, die das Kind zum Lächeln und Lachen, zum Lallen und letztlich zum Sprechen bringen. Lachen als Ausdruck kindlichen Humors ist jedoch in die vielfältigen Auseinandersetzungen und Theorien über Humor über lange Zeit nicht mit eingeflossen.
2.1. Von Aristoteles über Freud...
Bereits Aristoteles und Cicero, Jean Paul, Hegel und viele andere Philosophen haben über das Phänomen des Komischen reflektiert (Geier 2006.) – allerdings erwähnten sie Kinder entweder gar nicht oder sprachen ihnen jeglichen Humor ab. Auch als im 18. Jahrhundert das Kind zum Gegenstand wissenschaftlicher Betrachtungen kam, wurde weiterhin eher über Kinder gelacht und ihr Lach-Verhalten als Ausdruck von Naivität abgetan. Erst Freud hat einen ersten Versuch unternommen, das komische Verhalten von Kindern zumindest in eine innerpersonale Entwicklung des Menschen einzubetten. So nimmt er zwar das Lachen von Kindern wahr, spricht ihnen aber jegliches Verständnis für Komik ab. Vorläufer des erwachsenen Verständnisses von Humor (bei Freud Witz) seien aber kindliches Spielen und Scherzen. Jugendliche in der Pubertät würden, da sie nicht mehr unbedarft spielen und scherzen dürften, durch verbale Verfeinerungen aus purem Unsinn Sinn stiften (und dadurch weiterhin Lust am Unsinn behalten), während Erwachsene ihren scherzenden Aussagen obszöne oder aggressive Tendenzen beimischten. Das Lachen darüber sei Ausdruck einer nun erwachsenen „Spiellust“. Auch Freuds Schülerin Martha Wolfenstein überträgt in der ersten Monographie zum kindlichen Humor (Wolfenstein 1954) Phänomene des erwachsenen Humors auf Kinder und spricht ihm dadurch eine ganz eigene kindgemäße Funktion ab. (Helmers 1971, S. 17)
2.2 ...bis Helmers
Humor ist in allen Kulturen zu beobachten und hat dort eine jeweils unterschiedliche Funktion. Er ist an die psychische Entwicklung des Individuums geknüpft und gesellschaftlich determiniert. Es handelt sich also um die jeweils altersgemäße Auseinandersetzung des Individuums mit seiner gesellschaftlichen Umgebung. Erst als Humor und sein Ausdrucksmittel, das Lachen, als soziales Phänomen erkannt und beschrieben wurden, rückten kindliche Verhaltensweisen in den Blickpunkt. Nach Helmers lassen sich Phänomene des Komischen „dort besonders günstig (...) finden, wo die Auswirkungen des Humors in der Sprache analysiert wird, wo mithin Sprachkomik untersucht wird. Da Sprache durch den Menschen die gesellschaftliche Wirklichkeit widerspiegelt, muß sich eine spezifische Verhaltensweise dieser Widerspiegelungstätigkeit, wie sie der Humor darstellt, in der Sprache auffinden lassen.“ (Helmers 1971, S. 18)
Den Zusammenhang zwischen kindlichem Lachen und seinen Motivationen auf der einen und der Sprachentwicklung des Kindes auf der anderen Seite hat erstmals HELMERS in den Mittelpunkt seiner Beobachtungen gestellt und seine Forschungsergebnisse 1965 veröffentlicht (Helmers 1965). Er sammelte zwischen 1955 und 1964 über 2000 Äußerungen von Kindern und Jugendlichen, bei denen ein Anlass zum Lachen registriert wurde und stellte auf dieser Grundlage eine genetische Theorie von Humor und Komik auf. Voruntersuchungen und Vorbereitungen und dieser Studie sollen hier nicht im einzelnen referiert werden. Zusammenfassend lässt sich als ein wichtiges Ergebnis festhalten, dass „ein überwiegender Prozentsatz der Motivationen des Lachens sprachlicher Art (ist)“. (Helmers 1969, S. 481). Nach Helmers lachen Kinder, wenn sich ihre Heiterkeit an sprachlichen Verhaltensweisen entzündet, nun aber nicht „einfach so“. Die kindliche Sicht der Welt ist gekennzeichnet von einem Gefühl, in einer „streng geordneten Welt“ (Helmers 1969, S. 482) zu leben. Besonders durch Sprache wird dem Kind das So-und-nicht-anders-sein der Welt vermittelt. Dennoch macht das Kind permanent und mit zunehmendem Lebensalter immer häufiger die Erfahrung, dass diese seine Welt veränderlich ist. Damit diese Erfahrungen nicht zu einer allzu großen Bedrohung werden, versichert sich das Kind schon sehr früh mit Hilfe des Lachens genau dieser kindlichen Weltordnung. „Das Lachen entzündet sich an jenen Punkten, die durch eine leichte Grenzverschiebung die Ordnung besonders deutlich erkennen lassen.“ (ebd. S. 481). Dabei können sowohl aus Zufall als auch aus Absicht oder im Spielen mit Sprache Anlässe zum Lachen entstehen. Wichtig ist für das Kind vor allem, dass es einen Lach-Partner hat. Im gemeinsamen, sozialen Kommunikations- und Lachakt kann es Abweichungen in seiner Weltordnung verarbeiten, wieder einordnen und sich so der Regelhaftigkeit seiner Welt (und deren Widerspiegelung in Sprache) rückversichern.
3. Entwicklungsschritte des kindlichen Humors
Ausgehend von der Überlegung, dass das Kind sich mit Hilfe von Humor (und seinem äußeren Zeichen, dem Lachen) spielerisch dessen versichert, was als gesellschaftliche Norm, als „richtig“ gilt, verändert und erweitert sich der Radius dessen, was ein Kind „ungefährdet“ wahrnehmen und auch wie und worüber es lachen kann. Neben diesem entwicklungspsychologischen Moment ist die Entstehung und Weiterentwicklung des Humors an den Spracherwerb und somit auch an die kognitive Entwicklung des Kindes gekoppelt. Nachdem ein neues Stadium des Spracherwerbs erreicht ist, spielt das Kind dann mit den jeweils erworbenen Fähigkeiten und erweitert und vertieft dabei auch sein Humor-Repertoire. Dieser Zusammenhang zwischen kindlichem Humor und Sprachentwicklung soll im Folgenden nachgezeichnet werden. Dabei bauen die beschriebenen Entwicklungsschritte zwar auf einander auf, aber die beschriebenen Phasen überlappen sich zeitlich und individuell.
3.1. Vorsprachlicher Humor
Im ersten Lebensjahr des Kindes werden die Grundlagen für Sprach- und Humorentwicklung des Kindes vor allem durch Verhaltensweisen seiner Bezugspersonen geprägt und entwickelt. Neben der freundlichen Ansprache und möglichst selbstverständlicher Befriedigung unmittelbarer Bedürfnisse sind es schon erste Erfahrungen von Normabweichungen (z.B. die auf dem Boden krabbelnde Mutter oder der Anblick des Vaters mit einer komischen Kopfbedeckung), die das Kleinkind zum Lachen bringen. Vor allem aber entwickeln sich erste Erfahrungen mit Sprachelementen zu einer erlebten Struktur und Norm. Diese bilden die Basis dafür, dass sich Lachelemente schon bald auch an Sprache entzünden können.
Voraussetzungen für eine erfolgreiche Entwicklung des kindlichen Humors in der vorsprachlichen Phase sind demnach zum einen die Erfahrung von sprachlichen Strukturempfindungen, hervorgerufen durch Wiederholungen und geprägt vom Rhythmus der Sprache. Zum anderen muss das Kind das ihm zur Verfügung stehende Sprachmaterial, die Sprachlaute als „biegsam“, als bespielbar erleben. Lachen erfährt es dabei als artikulatorische Variante des sozialen Kontaktes und als emotionale Möglichkeit von Kommunikation.
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- Mareke Dreyer (Author), 2006, Spielen mit Sprache - zum Zusammenhang von Humor und Sprachentwicklung bei Kindern, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62423
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