„Die Frage nach der Technik“ , so lautet ein Vortrag des Philosophen Martin Heideggers von 1953. Obwohl Heidegger die Neuerungen des Computer-zeitalters, der Gentechnik oder gar der Nanotechnologie zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigen konnte, ist sein Text eine scharfsinnige Analyse der Beziehung des Menschen zu seiner Technik. Das liegt vor allem an Heideggers Versuch, „das Wesen der Technik“ zu ergründen. In der Tat hat sich seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts an der grundsätzlichen Bedeutung der Technik für unser Leben kaum etwas geändert. Ich werde im Folgenden auf einige Gedanken dieses Textes zurückgreifen, die nicht nur von Heidegger, sondern auch von anderen großen Theoretikern des 20. Jahrhunderts behandelt wurden.
Ist Technik die Zukunft der menschlichen Natur?
„Die Frage nach der Technik“[1], so lautet ein Vortrag des Philosophen Martin Heideggers von 1953. Obwohl Heidegger die Neuerungen des Computerzeitalters, der Gentechnik oder gar der Nanotechnologie zu diesem Zeitpunkt nicht berücksichtigen konnte, ist sein Text eine scharfsinnige Analyse der Beziehung des Menschen zu seiner Technik. Das liegt vor allem an Heideggers Versuch, „das Wesen der Technik“ zu ergründen. In der Tat hat sich seit den 50er Jahren des letzten Jahrhunderts an der grundsätzlichen Bedeutung der Technik für unser Leben kaum etwas geändert. Ich werde im Folgenden auf einige Gedanken dieses Textes zurückgreifen, die nicht nur von Heidegger, sondern auch von anderen großen Theoretikern des 20. Jahrhunderts behandelt wurden.
Zunächst einmal stellt sich die Frage, was wir überhaupt meinen, wenn wir von Technik sprechen. In der freien Enzyklopädie Wikipedia wird Technik zum Beispiel folgendermaßen definiert: „Unter Technik […] versteht man Verfahren und Fähigkeiten zur praktischen Anwendung der Naturwissenschaften und zur Produktion industrieller, handwerklicher oder künstlerischer Erzeugnisse.“[2] Das altgriechische Wort τέχνη [téchne], auf das unser Wort Technik zurückgeht, bezeichnet nicht nur die Herstellung von Werkzeugen und Werkstoffen, sondern in seiner eigentlichen Bedeutung all die Fähigkeiten, die der Mensch dank seines Intellekts besitzt. Techne meint also im Grunde jede Form von Wissen und ist damit eng verbunden mit dem Begriff der Kultur. Dieser Begriff hat heute im alltäglichen Gebrauch eine relativ eingeschränkte Bedeutung, wir verbinden ihn mit gesellschaftlichen Inhalten oder dem Themenbereich des Feuilletons. Dabei meint Kultur eigentlich viel mehr. Kultur ist alles, was nicht durch die Biologie vorgegeben ist: erlerntes Verhalten, erlernte Gesellschaftsformen, erlernte Techniken und Werkzeuge, erlerntes Wissen. In der Biologie bezeichnet das „kulturelle Verhalten“ daher diejenigen Verhaltensmuster, die nicht angeboren sind, sondern die innerhalb eines sozialen Verbundes durch Kommunikation über Generationen weitergegeben werden. Auch Tiere zeigen somit kulturelles Verhalten, wenn sie ihr erlerntes Wissen um gute Futterquellen, mögliche Gefahren oder – in wenigen Fällen – sogar um die Nutzung simpler Werkzeuge an die nachfolgende Generation weitergeben. Dieses Wissen ist flüchtiger als die genetischen Informationen des Erbguts, es kann verloren gehen, wenn seine Weitergabe an die nachfolgende Generation aus irgendeinem Grund verhindert wird. Die Evolution des Menschen zeigt uns jedoch, wie sich Biologie mit Kultur vermischen und wie sich Kultur allmählich sogar im Erbgut verfestigen kann. Der Begriff der Evolution beinhaltet nämlich nicht nur die biologische, also genetische Entwicklung von Lebewesen, sondern im Falle des Menschen auch eine kulturelle Entwicklung, die sich auf eigentümliche Art und Weise mit der biologischen Entwicklung verbunden hat. Man kann davon ausgehen, dass sich die Evolution des Menschen lange Zeit als ein Wechselspiel zwischen kultureller und biologischer Evolution vollzogen hat. Kulturelle Errungenschaften führten womöglich zu Vorteilen im Kampf um knappe Ressourcen und sorgten so dafür, dass sich die kulturell überlegene Gruppe fortpflanzen konnte; außerdem hinterließen kulturelle Praktiken beim angehenden Menschen Spuren, die sich im Laufe von Jahrmillionen allmählich in sein Erbgut geprägt haben mögen.[3]
Unser grundlegendstes Werkzeug etwa, die Sprache, hat sich unmerklich mit uns verwoben. Der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky legt den Schluss nahe, dass der Mensch eine angeborene Neigung zur Sprache besitzt, eine universelle Grammatik, die ihm das Erlernen einer Sprache nach allgemein gültigen Regeln ermöglicht.[4] Das bedeutet, dass die Veranlagung zur Sprache bereits im genetischen Programm des Menschen verankert ist. Dennoch wird dieses „Sprachprogramm“ (ich verwende diesen Begriff aus der Computersprache rein metaphorisch, wohl wissend, dass das menschliche Gehirn nicht mit einem Computer zu vergleichen ist) während des Heranwachsens nicht automatisch abgerufen. Wie wir an den Beispielen der so genannten „Wolfskinder“ sehen, die erst im fortgeschrittenen Alter in Kontakt mit Menschen kamen und nie wirklich sprechen lernten, bedarf es zum Erlernen der Sprache einer sprachlichen Umgebung, sonst wird diese Begabung nicht voll entfaltet. Dies leuchtet ein, denn Sprache ist ja gerade das Werkzeug, das den Menschen befähigt, sich mit Artgenossen zu verständigen.
Sprache ist also sowohl ein biologisches als auch ein soziales Merkmal. Sie ist ein Mittel, unsere Welt gemeinsam mit anderen hervorzubringen. Gleichzeitig entsteht erst durch die Sprache das, was wir als Selbstbewusstsein bezeichnen, wie die beiden chilenischen Biologen Humberto Maturana und Francisco Varela postulieren. „Selbstbewußtsein, Bewußtheit, Geist – das sind Phänomene, die in der Sprache stattfinden.“[5] Das Subjekt, unser Gefühl eines zusammenhängenden Selbst, das sich von der Außenwelt abgrenzt, ist also ein Konstrukt. Sprache ist einerseits eine natürliche Eigenschaft des Menschen, andererseits bilden die sozialen Vernetzungen, die durch Sprache entstehen, die Grundvoraussetzung für eine komplexe Kultur wie die menschliche. Heidegger nennt dieses kulturelle Grundgerüst Gestell, während es in der Psychoanalyse des Freud-Epigonen Jacques Lacan als „das Symbolische“ bezeichnet wird. Mit beiden ist ungefähr das Gleiche gemeint: Kultur – und damit auch Technik – umgibt den Menschen als ein dichtes Geflecht aus Interdependenzen und Symbolen.
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[1] In: Heidegger, Martin. Die Technik und die Kehre. Klett-Cotta, Stuttgart 2002.
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Technik
[3] Ohne sich näher mit Paläoanthropologie zu befassen, ist ein Nachweis dieser von mir angestellten Vermutungen nur schwer zu erbringen, jedoch auch nicht Aufgabe dieses Essays.
[4] Siehe: Chomsky, Noam. Sprache und Geist. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999.
[5] Maturana, Humberto & Francisco Varela. Der Baum der Erkenntnis. Goldmann, München 1987. S. 249
- Arbeit zitieren
- Thorsten Felden (Autor:in), 2006, Ist Technik die Zukunft der menschlichen Natur?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62364
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