In dieser Arbeit über William Lottig und die Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen werden die Daten der eingerichteten Versuchsschulen, sowie das Konzept, bzw. die Idee dieser Schulen dargelegt. In Bezug auf das Schulkonzept wird zuerst auf die theoretischen Grundideen und danach auf die Unterschiede zwischen dieser Theorie und der Schulwirklichkeit eingegangen, wobei sich an dieser Stelle über jeden Punkt der Reform eine eigene Arbeit schreiben ließe, welche die Unterschiede zwischen der Reformidee und der tatsächlichen Realität in der Schulpraxis beleuchten. Um den Rahmen dieser Ausarbeitung nicht zu sprengen, wurden an dieser Stelle die beiden relevantesten und auch widersprüchlichsten Bereiche der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen herausgenommen um die Diskrepanz von Reformansätzen und Wirklichkeit näher zu erläutern. Anschließend wird auf einzelne Gründe des Scheiterns der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen anhand der Tagebuchaufzeichnungen Lottigs eingegangen. Der Bezugsteil schlägt einen Bogen zu meinem Hauptstudienfach Kunst. Hier werde ich mich mit der pädagogischen Idee Lottigs und der pädagogischen Wirklichkeit in Bezug auf das Fach Kunst näher auseinandersetzen. Dieser Teil bildet sogleich auch den Schlusspunkt der Arbeit, da er einen Ausblick und eine Kritik an der Lebensgemeinschaftsschule Lottigs beeinhaltet.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Daten zu den Versuchsschulen
3. Das Konzept der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen
3.1 Theoretische Grundideen
3.2 Zwischen Reformidee und Wirklichkeit
3.2.1 Die Lebensgemeinschaft
3.2.2 Vom „Wachsen lassen“ und die Erziehung „Vom Kinde aus“
3.2.3 Das Scheitern der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen
4. Lottigs Ideen in Übertragung auf den Kunstunterricht – Damals und Heute
4.1 Ein Versuch der Rekonstruktion vom „Kunstunterricht“ an den Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen
4.2 Modelle des Kunstunterrichts
4.2.1 Entdeckendes Lernen im Kunstunterricht
4.2.2 Erfahrungsbezogener Unterricht
4.2.3 Offener Unterricht
4.2.4 Handlungsorientierter Unterricht
4.3 Kunstunterricht heute
4.4 Gedanken zum Kunstunterricht der Zukunft unter Berücksichtigung der Ideen der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen
1. Einleitung
In dieser Arbeit über William Lottig und die Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen werden die Daten der eingerichteten Versuchsschulen, sowie das Konzept, bzw. die Idee dieser Schulen dargelegt. In Bezug auf das Schulkonzept wird zuerst auf die theoretischen Grundideen und danach auf die Unterschiede zwischen dieser Theorie und der Schulwirklichkeit eingegangen, wobei sich an dieser Stelle über jeden Punkt der Reform eine eigene Arbeit schreiben ließe, welche die Unterschiede zwischen der Reformidee und der tatsächlichen Realität in der Schulpraxis beleuchten. Um den Rahmen dieser Ausarbeitung nicht zu sprengen, wurden an dieser Stelle die beiden relevantesten und auch widersprüchlichsten Bereiche der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen herausgenommen um die Diskrepanz von Reformansätzen und Wirklichkeit näher zu erläutern. Anschließend wird auf einzelne Gründe des Scheiterns der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen anhand der Tagebuchaufzeichnungen Lottigs eingegangen. Der Bezugsteil schlägt einen Bogen zu meinem Hauptstudienfach Kunst. Hier werde ich mich mit der pädagogischen Idee Lottigs und der pädagogischen Wirklichkeit in Bezug auf das Fach Kunst näher auseinandersetzen. Dieser Teil bildet sogleich auch den Schlusspunkt der Arbeit, da er einen Ausblick und eine Kritik an der Lebensgemeinschaftsschule Lottigs beeinhaltet.
2. Daten zu den Versuchsschulen
Die Lehrer, welche in der Hamburger Schulsynode mitarbeiteten, gründeten 1919 die ersten Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen. Zu diesem Zweck wurden sechs staatliche Schulen zu Lebensgemeinschaftsschulen im Sinne Lottigs und seiner Mitstreiter erklärt. Bei diesen Schulen handelte es sich um die „Wendeschule“, die Schule in der Telemannstraße, die „Berliner-Tor-Schule“, die Gemeinschaftsschule am Tieloh, die Schule in der Siedlung Langenhorn und die „Lichtwarkschule“, wobei letztere als einzige höhere Schule in das Programm aufgenommen wurde.
Bereits 1925 verzichteten die „Wendeschule“ und die Schule an der Telemannstraße freiwillig auf den Status als Versuchsschule. Nur fünf Jahre später, 1930, schloss die „Berliner-Tor-Schule“, welche unter der Leitung Lottigs stand, wegen Schülermangel. Damals beschloss das Kollegium keine neuen Klassen mehr zu eröffnen. Auch die Schließung der Schule in der Siedlung Langenhorn und der „Lichtwarkschule“ folgte kurze Zeit später. 1933 konnte auch die letzte Schule, die Schule am Tieloh, der Schließung nicht mehr entgehen.
3. Das Konzept der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen
3.1 Theoretische Grundideen
Aufbauend auf den Reformansätzen von 1916, wie anfangs schon berichtet, wurde das Schulkonzept gestaltet, wobei hier angemerkt werden muss, dass es ein Schulkonzept im eigentlichen Sinne nicht gab. Deshalb wird im Folgenden von „Ideen“ gesprochen.
Es gab keinen Lehrplan, keinen Stundenplan, keinen spezifischen Konfessionsunterricht und die Schule war weiterhin darauf bedacht politisch neutral zu bleiben. Es sollte also keine politische Erziehung hin zu einer bestimmten Richtung stattfinden. Zur Begründung des Wegfalls von Lehr- und Stundenplan ist in den Aufzeichnungen folgendes zu finden:
„Fruchtbar geistig-seelisches Wachstum fördernd ist nur das mit Neigung und Willen erarbeitete Gut, das der Wesensart und der augenblicklichen Reife gemäß ist. Alles andere geht spurlos, und wenn mit Zwang aufgedrängt, ohne bedeutende Eindrücke zu hinterlassen, vorüber. Bildung ist einzig das eigene Erarbeiten. Solche Bildung erfolgt bei der Vielgestaltigkeit menschlicher Charaktere und der Wechselhaftigkeit ihrer Umgebung abseits von jeder Norm eines Lehrplans. Ein Lehrplan muß sein Ziel auf einen Durchschnittsmenschen einer Durchschnittsumgebung beziehen. Seine Zielsetzung bestimmt in jedem Fall schon Zeit und Weg der Arbeit. Soll der Boden bereitet werden, soll Zeit gewonnen werden für eine verinnerlichte Erarbeitung im Sinne und in der Idee der Arbeitsschule, dann muß jeglicher Lehrplan als Bindung fallen. Dann erst kann sich die Lehrerpersönlichkeit, können sich die Persönlichkeiten der anderen erwachsenen Glieder der Schulgemeinde voll entfalten.“[1]
Die Schulgemeinde, welche aus den Lehrern, den Schülern und den Eltern bestand, hatte in der Schule eine große Bedeutung. Sie sollte u. a. die traditionelle direktorale Schulleitung durch eine kollegiale Schulverwaltung ablösen, neue partnerschaftliche Umgangs- und Arbeitsformen fördern und die künstlichen Grenzen zwischen Schule und Leben aufheben. Neu war, dass vor allem die Eltern stärker in den Schulalltag miteinbezogen werden sollten. So sollte es u. a. die Aufgabe der Eltern sein „Vertrauensausschüsse“, einen „Elternrat“ sowie einen „Sozialen Ausschuss“ zu bilden. Hier hatten sie aktives Mitspracherecht und auch Verantwortung und Pflichten innerhalb der Schule.
Weiterhin wurde die Idee der Einheitsschule verfolgt. Die Versuchsschulen sollten zu allgemeinen deutschen Volksschulen umstrukturiert werden und damit über die gemeinsame vierjährige Grundschule hinaus bis hin zur Studierfähigkeit führen.
Die Lebensgemeinschaftsschulidee beinhaltete darüber hinaus auch den Gedanken der Koedukation. Jungen und Mädchen sollten gemeinschaftlich, ihren Interessen und Fähigkeiten nach, erzogen werden. Um eine Erziehung nach Interessen und Fähigkeiten zu erzielen, wurden Fächergrenzen aufgehoben und der Arbeitsunterricht eingeführt. Dieser ermöglichte, im Gegensatz zum bisher üblichen Frontalunterricht, eine Individualisierung des Lehrens und Lernens. Somit bot er die größtmögliche Bewegungsfreiheit für die Lehrer und die Schüler. Auch gab es keinen Klassenverband im üblichen Sinne mehr, sondern flexible Lerngruppen und Kurse, die sich um die einzelnen Lehrer bildeten. Die Schüler und Schülerinnen sollten die Gruppen selbstständig nach fachlichen Interessen und kameradschaftlichen Neigungen bilden. Innerhalb dieser Lerngruppen und Arbeitsgemeinschaften sollten Schüler und Lehrer zu einer Lebensgemeinschaft zusammenzuwachsen, welche sich innerhalb ihres Arbeitsumfeldes selbst organisiert und selbst reguliert. In den Lerngruppen sollte an konkreten Situationen und an Fragestellungen, welche sich aus ihnen ergeben, gelernt werden, da es keinen Lehrplan gab, und somit auch keinen abzuarbeitenden Lernstoff. Die Rolle des Lehrers in den Lerngruppen und Arbeitsgemeinschaften entsprach der eines „Führers“, welcher nur dann in das Unterrichtsgeschehen eingreifen sollte, wenn Fragen auftraten oder Hilfe benötigt wurde.
Auf erzieherische und unterrichtliche Zielsetzungen wurde, wenn man die Aussagen der reformpädagogisch engagierten Lehrer betrachtet, weitestgehend verzichtet.[2]
3.2 Zwischen Reformidee und Wirklichkeit
3.2.1 Die Lebensgemeinschaft
Als wichtigstes Reformziel der Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen ist das Streben nach Gemeinschaft zu nennen, auch wenn viele der Reformer behaupten es gäbe keine Ziele.
„Die Schule lehnt den von außen gekommenen Begriff Gemeinschaft als Ziel ab, [...], für sie gelten nach wie vor Paulsens Grundsätze, die Kräfte der Kinder reif zu machen und die Schule eine Lebensstätte der Jugend sein zu lassen.“[3]
Der Gemeinschaftsbegriff, für den trotzdem immer geworben wurde, wenn auch nicht explizit als Zielsetzung, beinhaltete natürlich zuerst die Gemeinschaft zwischen den Schülern und Lehrern der jeweiligen Schule. Diese Form des Zusammenseins in der Schule sollte das traditionelle Autoritätsgefälle hin zu einem, auf persönlicher Zuwendung beruhendem Lehrer-Schüler-Verhältnis, überführen. Aus der so entstehenden Arbeitsgemeinschaft sollte sich im Anschluss eine „Lebensgemeinschaft“ entwickeln, welche die Lehrer und Schüler untereinander verbindet und stärkt. F. Jöde kommentierte das Streben nach Gemeinschaft folgendermaßen:
„Wenn ich das Wort Gemeinschaft gebrauche, so denke ich dabei nicht in erster Linie – ob ich es natürlich auch als Selbstverständlichkeit einbeziehe – an eine Arbeitsgemeinschaft mit ihren glücklich verteilten Arbeitskräften, bei der isoliert doch immer wieder auf die Einzelleistung (nämlich die Leistung für den späteren Lebenskampf) das liebende Auge gerichtet ist; denn Arbeit darf niemals Ziel sein. Sondern stärker und tiefer an die Lebensgemeinschaft, die sich nicht in der Arbeit eines anderen erschöpft, die Einssein, Brudersein im Geiste bedeutet. Das erste Kennzeichen einer solchen Gemeinschaft in der Schule ist eben, daß sie sich nicht in Arbeit erschöpft.“[4]
[...]
[1] Benner, D./Kemper, H. (Hrsg.): Quellentexte zur Theorie und Geschichte der Reformpädagogik – Teil 2: die pädagogische Bewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik. Weinheim/Basel 2001. (im Folgenden zitiert als: Benner/Kemper: Quellentexte 2001) S. 324-325
[2] Vgl.: Benner, D./Kemper, H. (Hrsg.): Theorie und Geschichte der Reformpädagogik – Teil 2: Die pädagogische Bewegung von der Jahrhundertwende bis zum Ende der Weimarer Republik. Weinheim/Basel 2003. (im Folgenden zitiert als: Benner/Kemper 2003.) S. 142
[3] Benner/Kemper: Quellentexte 2001. S. 332
[4] Benner/Kemper: Quellentexte 2001. S. 316
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- Katja Staats (Autor), 2004, William Lottig - Hamburger Lebensgemeinschaftsschulen, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62334
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