Seit BGHSt. 3, 132 f. ist ein Tötungsbeweggrund i.S.d. Generalklausel des § 211 II StGB "sonst aus niedrigen Beweggründen" niedrig, "der nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe steht, durch hemmungslose, triebhafte Eigensucht bestimmt und deshalb besonders verwerflich, ja verächtlich ist". Diese pathetisch überladene Definition ist in ihrer Ausfüllungsbedürftigkeit und Maßstablosigkeit für den Rechtsanwender allerdings keine große Hilfe und bürgt durch das Abstellen auf die sozialethische Verwerflichkeit die Gefahr in sich, einen Maßstab zu bilden, der unterschiedliche Bewertungen bezüglich der Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag zulässt. Diese Arbeit wird zunächst typische Fallgruppen der BGH Rechtsprechung darstellen, um danach ihre Ergebnisse zu interpretieren und auf ihre dogmatische Konsistenz hin zu überprüfen.
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Inhaltsverzeichnis
- I. Einleitung
- II. Bildung von Fallgruppen bezüglich BGH Rechtsprechung
- 1. Missverhältnis zwischen Tatanlass und Tat, Missachtung des personalen Eigenwerts des Opfers
- 2. Rassenhass, Tötung eines politischen Gegners
- 3. Familienfehde, Blutrache, kulturelle Anpassung
- 4. Motivbündel
- 5. Einschränkungen der sozialethischen Verwerflichkeitsprognose
- 6. Subjektive Seite
- III. Verfassungskonforme Einschränkung des Mordes
- IV. Kritikpunkte an der Verwerflichkeitsbetrachtung des BGH und des Merkmals der ,,niedrigen Beweggründe“ im allgemeinen
- 1. Aporem: „niedrigen Beweggründe“ und historische Einordnung
- 2. Die polemische Bewertung der Tat durch die Rechtsprechung
- V. Versuch einer Rationalisierung des Mordmerkmals „sonst aus niedrigen Beweggründen“
- 1. Analyse des Merkmals „,Beweggrund“
- 2. Beweggründe als Motivationstrias
- a) Primär intentionale Motivformen
- b) Primär reaktive Motivformen
- c) Primär zuständliche Motivationsformen
- d) Zusammenfassung
- 3. Die Bewertung eines Motivs als „niedrig“
- a) Die besondere Verwerflichkeit als übergeordneter Gesichtspunkt der Interpretation
- b) Die Gefährlichkeit des Täters als Richtlinie der Interpretation
- c) Das Missverhältnis zwischen Mittel und Zweck als Grundprinzip
- d) Niedrige Beweggründe als Ausdruck solipsistischer Rücksichtslosigkeit
- e) Ergebnis bzgl. des Leitprinzips für die Auslegung
- 4. Zusätzliche Erklärungsansätze
- a) Indikatoren für eine besondere Rücksichtslosigkeit der Motivverwirklichung
- b) Wertungsmuster zur Einschränkung der Motivationsklausel
- VI. Ergebnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe im deutschen Strafrecht. Ziel ist es, das Mordmerkmal im Kontext der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu analysieren und zu bewerten. Dabei werden insbesondere die Schwierigkeiten bei der Auslegung und die Abgrenzung zu anderen Mordmerkmalen beleuchtet.
- Analyse der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe
- Kritik an der Verwerflichkeitsbetrachtung und den Interpretationsansätzen des BGH
- Rationalisierung des Mordmerkmals durch Einbezug von Motivationsformen und Bewertungskriterien
- Untersuchung der besonderen Verwerflichkeit, der Gefährlichkeit des Täters und des Missverhältnisses zwischen Mittel und Zweck als Leitprinzipien für die Auslegung
- Identifizierung von Indikatoren für eine besondere Rücksichtslosigkeit der Motivverwirklichung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die das Thema und die Zielsetzung der Arbeit einführt. Im zweiten Kapitel werden Fallgruppen der Rechtsprechung des BGH zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe dargestellt und analysiert. Es werden verschiedene Motivgruppen wie Rassenhass, Familienfehde und Motivbündel betrachtet. Das dritte Kapitel diskutiert die verfassungskonforme Einschränkung des Mordes.
Kapitel IV kritisiert die Verwerflichkeitsbetrachtung des BGH und die Auslegung des Merkmals der niedrigen Beweggründe. Es wird der historischen Einordnung des Merkmals und der polemischen Bewertung der Tat durch die Rechtsprechung nachgegangen. Das fünfte Kapitel unternimmt einen Versuch der Rationalisierung des Mordmerkmals, indem es das Merkmal „Beweggrund“ in verschiedene Motivationsformen unterteilt und verschiedene Bewertungskriterien für die Beurteilung der „Niedrigkeit“ eines Motivs untersucht.
Zusätzliche Erklärungsansätze für die Bewertung von niedrigen Beweggründen werden im letzten Kapitel diskutiert. Die Arbeit schließt mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse.
Schlüsselwörter
Mordmerkmal, niedrige Beweggründe, Bundesgerichtshof, Verwerflichkeitsbetrachtung, Motivationsformen, Bewertungskriterien, Indikatoren, Strafrecht, Auslegung, Rationalisierung, Gefährlichkeit, Missverhältnis, Solipsismus.
- Quote paper
- Gregor Scholze (Author), 2000, Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6232