Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer tut das.Nietzsche, Götzen-Dämmerung, S. 6. Die Überlegung, eine Handlung nach ihren Handlungsfolgen und im besonderen nach dem Glück, das diese mit sich bringen, zu beurteilen, ist nicht neu. Bereits die antike griechische Philosophie kannte solche ethischen Konzepte. Später als die antike Philosophie in Vergessenheit geriet, war das Christentum Maß aller Dinge in ethischen Fragen. Jetzt kam es nicht mehr auf die Handlungsfolgen an, sondern nur noch auf die Befolgung von Handlungsvorschriften wie den Zehn Geboten. Erst in der Neuzeit, als die Philosophie der Antike wiederentdeckt wurde und die Kirche langsam an Autorität verlor, erwachte auch die Idee einer säkularen konsequentialistischen Ethik wieder zum Leben. Einen ersten Höhepunkt hatte diese Idee in der Zeit der Aufklärung, als man sich die Vernunft auf die Fahnen schrieb und wagte die bisherigen moralischen und politischen Ideen zu hinterfragen. Ziel der damaligen Philosophen war, eine Ethik zu schaffen, welche sich nicht mehr auf Gott und die Bibel berief, sondern auf die Fähigkeit des Menschen sich seines Verstandes zu bedienen. Außerdem entwickelte sich in jener Zeit die Gleichheit aller Menschen, welche eine Idee des Christentums ist, zu einer politischen Maxime. Die Menschen sollten vor dem Gesetz gleich sein unabhängig von ihrer Herkunft und ihres Vermögens. So entwickelte sich in jener Zeit eine Ethik die, wie in der Antike, das Glück zum Ziel hatte, allerdings nicht mehr das individuelle Glück, sondern das Glück aller Menschen. Diese Ethik, der Utilitarismus, berief sich nicht mehr auf einen Gott und die Gesetze der Kirche, sondern auf den Menschen und seine Bedürfnisse. Wenn sich diese Ethik in den darauf folgenden Jahrhunderten auch nicht als allgemeine Moral durchgesetzt hat, so lohnt es sich dennoch sie näher zu betrachten, denn auch heute noch bildet sie eine interessante Alternative oder Ergänzung zu unserem bestehenden System. Daher werde ich im Folgenden den Utilitarismus, seine Vor- und Nachteile und seine Hauptvarianten vorstellen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Definition des klassischen Handlungsutilitarismus
3. Problemfelder des klassischen Handlungsutilitarismus
3.1 Entscheidung zwischen Hedonismus und Eudaimonismus
3.2 Gewichtung von Eigennutzen gegenüber Gemeinnutzen
3.3 zentrale und dezentrale Glücksbestimmung
3.4 Das Glückskalkül
4. Varianten des Utilitarismus
4.1 Regel-Utilitarismus
4.2 Gerechtigkeitsutilitarismus nach Trapp
4.3 negativer Utilitarismus
4.4 theologischer Utilitarismus
5. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Der Mensch strebt nicht nach Glück; nur der Engländer tut das.
Nietzsche, Götzen-Dämmerung, S. 6.
Die Überlegung, eine Handlung nach ihren Handlungsfolgen und im besonderen nach dem Glück, das diese mit sich bringen, zu beurteilen, ist nicht neu. Bereits die antike griechische Philosophie kannte solche ethischen Konzepte. Später als die antike Philosophie in Vergessenheit geriet, war das Christentum Maß aller Dinge in ethischen Fragen. Jetzt kam es nicht mehr auf die Handlungsfolgen an, sondern nur noch auf die Befolgung von Handlungsvorschriften wie den Zehn Geboten. Erst in der Neuzeit, als die Philosophie der Antike wiederentdeckt wurde und die Kirche langsam an Autorität verlor, erwachte auch die Idee einer säkularen konsequentialistischen Ethik wieder zum Leben. Einen ersten Höhepunkt hatte diese Idee in der Zeit der Aufklärung, als man sich die Vernunft auf die Fahnen schrieb und wagte die bisherigen moralischen und politischen Ideen zu hinterfragen. Ziel der damaligen Philosophen war, eine Ethik zu schaffen, welche sich nicht mehr auf Gott und die Bibel berief, sondern auf die Fähigkeit des Menschen sich seines Verstandes zu bedienen. Außerdem entwickelte sich in jener Zeit die Gleichheit aller Menschen, welche eine Idee des Christentums ist, zu einer politischen Maxime. Die Menschen sollten vor dem Gesetz gleich sein unabhängig von ihrer Herkunft und ihres Vermögens. So entwickelte sich in jener Zeit eine Ethik die, wie in der Antike, das Glück zum Ziel hatte, allerdings nicht mehr das individuelle Glück, sondern das Glück aller Menschen. Diese Ethik, der Utilitarismus, berief sich nicht mehr auf einen Gott und die Gesetze der Kirche, sondern auf den Menschen und seine Bedürfnisse. Wenn sich diese Ethik in den darauf folgenden Jahrhunderten auch nicht als allgemeine Moral durchgesetzt hat, so lohnt es sich dennoch sie näher zu betrachten, denn auch heute noch bildet sie eine interessante Alternative oder Ergänzung zu unserem bestehenden System. Daher werde ich im Folgenden den Utilitarismus, seine Vor- und Nachteile und seine Hauptvarianten vorstellen.
2. Definition des klassischen Handlungsutilitarismus
Eine allgemeine Definition für den Utilitarismus zu geben ist schwierig, da es in seiner Geschichte stets eine Vielzahl von Varianten gab, deren Unterschiede so groß sind, daß man nicht von dem Utilitarismus sprechen kann. Trotzdem hat sich in der Literatur eine Definition durchgesetzt, welche festlegt, was unter dem klassischen (Handlungs-)Utilitarismus zu verstehen ist. Diese Definition besagt, daß eine Handlung um so besser ist, je mehr Gesamtnutzenzuwachs ihre Handlungsfolgen erzeugen. Der so definierte Utilitarismus hat einige Eigenschaften, welche bereits in der klassischen Debatte um diesen nicht unumstritten waren, weshalb es problematisch ist ihn als klassisch zu deklarieren. So geht die Definition zur Bestimmung des Nutzens von einem quantitativen Hedonismus aus, während stets auch zahlreiche Philosophen für einen qualitativen Hedonismus eintraten. Zum Beispiel James Stuart Mill, der schreibt: “ Es wäre unsinnig anzunehmen, daß der Wert einer Freude ausschließlich von der Quantität abhängen sollte, wo doch in der Wertbestimmung aller anderen Dinge neben der Quantität auch die Qualität Berücksichtigung findet.“[1] Auch fand das implizierte Prinzip der Gleichheit aller Menschen nie einhellige Zustimmung. So schreibt Hutcheson: "that in equal Degrees of Happiness, expected to proceed from the Action, the Virtue is in proportion to the Number of Persons to whom the Happiness sall extend; (and here the Dignity, or moral Importance of Persons shall compensate Numbers)..."[2] . Ebenso war es umstritten, ob der Gesamtnutzen oder der Durchschnittsnutzen das Maß für die Entscheidung sein soll und ganz verloren geht die Berücksichtigung der Anzahl der Handlungsbetroffenen, welche sich bereits bei Hutcheson und Bentham in der Formel „the greatest happiness for the greatest number“ findet, obwohl diese als die Basis des klassischen Utilitarismus gilt. Wie man sieht gehen die Ansichten der Vertreter des Utilitarismus in einzelnen Punkten stark auseinander. Daher werde ich im folgenden Kapitel, die unterschiedlichen Auffassungen zu den kritischen Punkten dieser Theorie näher betrachten und ihre Vor- und Nachteile aufzeigen.
3. Problemfelder des klassischen Handlungsutilitarismus
3.1 Entscheidung zwischen Hedonismus und Eudaimonismus
Die Unterscheidung zwischen Hedonismus und Eudaimonismus findet man in der Literatur auch unter dem Begriffspaar quantitativer und qualitativer Hedonismus. Ich halte aber die Unterscheidung zwischen Hedonismus und Eudaimonismus für treffender. Unter Hedonismus versteht man eine ethische Haltung, die darauf beruht, Lust oder Freude zu steigern, ohne Unterschiede darin zu machen, um welche Art von Freude es sich handelt. Eine solche Ethik wird häufig Epikur (342 – 270 v. Chr.) zugeschrieben, was allerdings nicht ganz stimmt, da Epikur sehr wohl verschiede Arten von Freuden unterschied. So ist bei ihm ein Leben ohne Leiden, zwar die Grundvoraussetzung für eine glückliches Leben, aber das größte Glück lag seiner Meinung nach darin, mit einigen Freunden in entspannter Atmosphäre über Philosophie zu reden. Der Eudaimonismus dagegen hat neben der reinen Freude noch andere Werte, wie ein tugendhaftes Leben oder die Verbesserung des persönlichen Charakters. Auf Grund dieser weiteren Werte gibt es innerhalb der Freuden eine Hierarchie, welche die Freuden in höhere und niedere unterteilt. Der bekannteste Vertreter dieses Systems in der Antike ist Aristoteles (384 – 322 v. Chr.). Man kann aber weder Epikur noch Aristoteles zu den Utilitaristen rechnen, da bei ihnen, wie allgemein in der antiken Philosophie, der universalistische Ansatz fehlt. Das heißt, das Glück anderer ist bei ihnen nur dann von Interesse, wenn es dienlich ist, um das eigene Glück zu steigern. Bei den Vertretern des Utilitarismus finden sich, wie in der Antike, hedonistische und eudaimonistische Ansätze. Zu den prominentesten Anhängern des Hedonismus gehören Jeremy Bentham (1748 - 1832) und Julien-Offray de la Mettrie (1709 - 1751). Der wohl bekannteste Vertreter des Eudaimonismus ist John Stuart Mill (1806 - 1873) dessen Position durch das Zitat im vorhergehenden Kapitel dargelegt wird. Beide Varianten besitzen sowohl Vor-, als auch Nachteile. Beim eudaimonistischen Utilitarismus haben neben dem Glück auch noch andere Dinge einen direkten Wert. Das heißt, man verfolgt diese Dinge um ihrer selbst willen. Welche dies sind ist unterschiedlich, häufig findet man zum Beispiel die Verbesserung des Charakters, die Aneignung von Wissen oder wohltätiges Verhalten erwähnt. Eine derartige Differenzierung finden wir durchaus auch in unserer Alltagsmoral, welche ebenfalls höhere und niedere Freuden unterscheidet. So haben wir in unserer Gesellschaft ein wohlwollendes Verhältnis gegenüber Freuden welche aus Handlungen entstehen, die eine Tendenz dazu haben das allgemeine Glück zu steigern, wie zum Beispiel die Freude daran Mitmenschen zu helfen. Auf der anderen Seite lehnen wir Freuden ab, die aus Handlungen entstehen, welche eine gegenteilige Tendenz haben, zum Beispiel sadistische Freuden. Um die verschiedenen Freuden in höhere und niedere einteilen zu können, sind allerdings weitere Werte neben dem reinen Erlangen von Glück erforderlich, wodurch es in einigen Fällen zu Wertkonflikten kommen kann. So könnte eine Situation entstehen, in der man sich zwischen Sonnenbaden und Studieren entscheiden muß. Angenommen der Gesamtnutzen des Sonnenbades wäre geringfügig größer, das Studieren wäre aber eine höhere Freude, so stellt sich die Frage, ob nun der Wert des größeren Nutzens durch die niedere Freude, den Wert des kleineren Nutzens durch die höhere Freude überwiegt. Ein weiteres Problem dieser Variante ist die Frage, welche Dinge als direkte Werte angenommen werden, denn was wir für wichtig erachten, kann je nach unserem kulturellen und persönlichen Hintergrund sehr unterschiedlich sein. So findet sich bereits auf der Ebene einer Kultur häufig nur ein sehr schmaler intersubjektiver Wertekonsens, der noch schmaler wird, wenn wir weitere Kulturen mit einbeziehen. Was ganz nebenbei dagegen spricht, daß es so etwas wie ein angeborenes Wissen um das richtige Handeln gibt. Deshalb kann es schnell zu Konflikten zwischen Personen mit unterschiedlichen Wertvorstellungen kommen. Ebenso kann es auch zu einem Wertekonflikt bei nur einem Entscheider kommen, wenn in einem Fall zwei Werte miteinander konkurrieren. Wenn er zum Beispiel die Aufrichtigkeit als auch den Schutz des Lebens für einen Wert an sich erachtet, aber in einer Situation gezwungen ist zu lügen, um ein Leben zu retten.
Diese Probleme hat ein hedonistischer Utilitarismus nicht. Dadurch hat er einen klaren Vorteil gegenüber seiner eudaimonistischen Variante, wie auch gegenüber deontischen Ethiksystemen, in denen es ja auch zu Regelkonflikten kommen kann. Beim hedonistischen Utilitarismus zählt nur die Menge der Freuden, nicht ihr Ursprung. Dies führt natürlich dazu, daß Freuden, welche wir als höher ansehen, wie solche aus gemeinnützigen Handlungen, gleich bewertet werden mit niederen Freuden, zum Beispiel aus rein egoistischen Handlungen. Smart versucht dieses Problem mit der Feststellung zu entschärfen, daß die höheren Freuden in der Regel auch einen höheren Folgenutzen und damit einen höheren Gesamtnutzen erzeugen, wodurch eine solche Unterteilung unnötig sei.[3] Dies mag in den meisten Fällen richtig sein, allerdings lassen sich durchaus Beispiele konstruieren in welchen dies nicht der Fall ist. So müßte ein hedonistischer Utilitarist die Freuden eines Vergewaltigers bei einer Vergewaltigung, eins zu eins mit den Leiden des Opfers verrechnen und diese Handlung gut heißen, wenn er dabei eine positive Nutzenbilanz erhält, vorausgesetzt es gibt keine weiteren Betroffenen. Dies erscheint uns doch äußerst kontraintuitiv, weil wir gewisse Handlung für generell schlecht halten. Dies ist allerdings meiner Meinung nach lediglich eine Folge unserer deontischen Erziehung und somit nicht unbedingt ein Problem des Utilitarismus, da ein Mensch der utilitaristisch erzogen wurde keine Handlung per se verurteilen würde.
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[1] Mill, S. 15
[2] Scarre, S. 54
[3] Smart, S. 24f
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- M.A. Danny Riepenhusen (Author), 2002, Der Utilitarismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62163
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