Mit dem am 18. August 2003 im ghanaischen Accra verabschiedeten Friedensabkommen verbinden sich neuerlich Hoffnungen auf ein Ende, der seit mehr als zwanzig Jahren andauernden Konflikte in der ältesten Republik Afrikas. Liberia, bis 1980 zu den innenpolitisch stabilsten Ländern des afrikanischen Kontinents zählend , blickt auf einen beispiellosen Destabilisierungsprozess zurück, der nicht nur die endogenen Konfliktpotenziale und strukturellen Schwächen des liberianischen Staates offen legte und sich zu einem, die Stabilität ganz Westafrikas gefährdenden Konflikt ausweitete, sondern zudem auch beispielhaft die Bedeutung strategischer wie wirtschaftlicher Interessenlagen regionaler wie internationaler Akteure in einem Konflikt weitab von der OECD-Welt zu Tage treten ließ. Die Analyse der komplexen Struktur des Liberia-Konfliktes kann dabei nicht ohne eine Betrachtung der ethnischen Konfliktlinien und der neopatrimonialen Herrschaftsstrukturen Liberias erfolgen, muss aber zugleich die tiefe Zäsur des Ost-West-Konflikt-Endes und das internationale Engagement in diesem Konflikt berücksichtigen.
Als Ausgangspunkt der folgenden Konfliktanalyse, in deren Fokus der von Charles Taylor 1989 initiierte Bürgerkrieg und die daran anschließenden Entwicklungen in Liberia stehen werden, soll hier der Militärputsch von 1980 gewählt werden, im Zuge dessen es Samuel Kanyon Doe mit Hilfe der USA gelang, sich als neuer Präsident Liberias zu etablieren und die, bis zu diesem Zeitpunkt 150 Jahre andauernde, Kolonialherrschaft der „Americo-Liberianer“ über die einheimische Bevölkerung zu „beenden“. Dazu ist es unerlässlich zumindest skizzenhaft die gesellschaftlichen Strukturen Liberias vor 1980 darzustellen und auf den Klientelismus sowie den internen Kolonialismus der „Americo-Liberianer“ als Ursachen des Militärumsturzes einzugehen.
An die Analyse der politischen wie gesellschaftlichen Strukturen Liberias vor 1980 und der durch den Militärputsch von 1980 eingeleiteten neun Jahre währenden Militärdiktatur Does, knüpft schließlich eine eingehende Betrachtung der Zeitperiode 1989-2003 an, die mit dem Überfall von Charles Taylors NPFL auf Liberia begann und das Land in einen vernichtenden Bürgerkrieg mit immer wieder wechselnden Konfliktparteien stürzte. Im Zuge der Analyse dieser Zeitperiode gilt es vor allem auch, die verschiedenen Interessenlagen der beteiligten Akteure herauszuarbeiten und der Frage nach den tieferen Ursachen des Konfliktes und seiner Dauer nachzugehen.
Inhaltsverzeichnis
I Einleitung
II Die politische und gesellschaftliche Struktur Liberias vor 1980
III Die Militärdiktatur von Samuel Kanyon Doe (1980-1989)
IV Liberia unter Charles Taylor (1989-2003)
V. V Der liberianische Bürgerkrieg von 1989-1996
V.I Die wichtigsten Konfliktparteien im Überblick
V.I.I NPFL (National Patriotic Front of Liberia)
V.I.II INPFL (Independent National Patriotic Front of Liberia)
V.I.III AFL (Armed Forces of Liberia) unter der Befehlsgewalt von Doe
V.I.IV ULIMO (United Liberation Movement for Democracy in Liberia)
V.I.V ECOMOG (ECOWAS (= Economic Community of West African States) Ceasefire Monitoring Group)
V.I.VI IGNU (Interim Government of National Unity) Interimsregierung von Amos Sawyer
V.II Chronologie des Konflikts 1989-1996
V.III Der Bürgerkrieg (von 1989-1996) und seine
Auswirkungen auf Liberia
V.IV Der Konflikt im regionalen und internationalen Kontext
VI. Der liberianische Bürgerkrieg von 1999-2003
VI.I Die wichtigsten Konfliktparteien im Überblick
VI.I.I AFL unter Charles Taylor
VI.I.II LURD (Liberians United for Reconciliation and Democracy)
VI.I.III MODEL (Movement for Democracy in Liberia)
VI.II Chronologie des Konflikts 1999-2003
VI.III Der Bürgerkrieg (von 1999 bis 2003) und seine Auswirkungen auf Liberia
VI.IV Der Konflikt im regionalen und internationalen Kontext
VII Liberia nach der Ära Charles Taylor
VIII Literaturverzeichnis
I. Einleitung
Mit dem am 18. August 2003 im ghanaischen Accra verabschiedeten Friedensabkommen verbinden sich neuerlich Hoffnungen auf ein Ende, der seit mehr als zwanzig Jahren andauernden Konflikte in der ältesten Republik Afrikas. Liberia, bis 1980 zu den innenpolitisch stabilsten Ländern des afrikanischen Kontinents zählend[1], blickt auf einen beispiellosen Destabilisierungsprozess zurück, der nicht nur die endogenen Konfliktpotenziale und strukturellen Schwächen des liberianischen Staates offen legte und sich zu einem, die Stabilität ganz Westafrikas gefährdenden Konflikt ausweitete, sondern zudem auch beispielhaft die Bedeutung strategischer wie wirtschaftlicher Interessenlagen regionaler wie internationaler Akteure in einem solchen Konflikt, weitab von der OECD-Welt, zu Tage treten ließ. Die Analyse der komplexen Struktur des Liberia-Konfliktes kann dabei nicht ohne eine Betrachtung der ethnischen Konfliktlinien und der neopatrimonialen Herrschaftsstrukturen Liberias erfolgen, muss aber zugleich die tiefe Zäsur des Ost-West-Konflikt-Endes und das starke internationale Engagement in diesem Konflikt berücksichtigen.
Als Ausgangspunkt der folgenden Konfliktanalyse, in deren Fokus der von Charles Taylor 1989 initiierte Bürgerkrieg und die daran anschließenden Entwicklungen in Liberia stehen werden, soll hier der Militärputsch von 1980 gewählt werden, im Zuge dessen es, dem der autochthonen afrikanischen Mehrheit angehörenden, Samuel Kanyon Doe mit Hilfe der USA gelang, sich als neuer Präsident Liberias zu etablieren und die, bis zu diesem Zeitpunkt 150 Jahre andauernde, Kolonialherrschaft der „Americo-Liberianer“ über die einheimische Bevölkerung zu „beenden“. Dazu ist es unerlässlich zumindest skizzenhaft die gesellschaftlichen Strukturen Liberias vor 1980 darzustellen und auf den Klientelismus sowie den internen Kolonialismus der „Americo-Liberianer“ als Ursachen des Militärumsturzes einzugehen.
An die Analyse der politischen wie gesellschaftlichen Strukturen Liberias vor 1980 und der durch den Militärputsch von 1980 eingeleiteten neun Jahre währenden Militärdiktatur Does, knüpft schließlich eine eingehende Betrachtung der Zeitperiode 1989-2003 an, die mit dem Überfall von Charles Taylors National Patriotic Front of Liberia (NPFL) auf Liberia begann und das Land in einen vernichtenden Bürgerkrieg mit immer wieder wechselnden Konfliktparteien stürzte. Im Zuge der Analyse dieser Zeitperiode gilt es vor allem auch, die verschiedenen Interessenlagen der beteiligten Akteure herauszuarbeiten und der Frage nach den tieferen Ursachen des Konfliktes und seiner Dauer nachzugehen.
Abschließend sollen die aufgezeigten Entwicklungen und ihre Folgen nochmals reflektiert und ihre möglichen Implikationen für die weitere Entwicklung Liberias beleuchtet werden.
II. Die politische und gesellschaftliche Struktur Liberias vor 1980
Die Gründung der Kolonie Liberia im Jahre 1822 durch repatriierte Afroamerikaner lässt sich vor allem durch die strategischen Interessen der USA zu dieser Zeit erklären. So schöpfte die politische wie wirtschaftliche Unterstützung bei diesem Unternehmen ihre Motivation aus dem Versuch, die als gefährlich erachteten ehemaligen Sklaven zu repatriieren und zugleich einen Brückenkopf amerikanischer Wirtschaftsinteressen für die immer wichtiger gewordenen afrikanischen Rohstoffe zu schaffen.[2] Von den amerikanischen Unternehmen selbst ursprünglich als billige Arbeitskräfte für die Plantagen Liberias gedacht, gelang es den „Americo-Liberianern“ wichtige Zwischenpositionen in den Handelsbeziehungen zwischen den USA (später auch anderen Ländern) und Liberia einzunehmen. Im Zuge des Aufbaus des liberianischen Staates sicherten sie sich die wichtigsten politischen Schlüsselpositionen und bauten ein Klientelsystem auf, welches Liberia zu einem Zwei-Klassen-Staat machte. Während die Minderheit der „Americo-Liberianer“, die nur 3% der Gesamtbevölkerung stellte, Liberia bis 1980 unbestreitbar beherrschte, wurden die afrikanischen Ureinwohner Liberias mit der Erschließung des Hinterlandes und dem Aufbau riesiger Kautschukplantagen und Eisenerzminen durch amerikanische Großunternehmen zu großer Zahl zur Arbeit zwangsrekrutiert und dabei politisch wie wirtschaftlich vollständig marginalisiert.
Die in der Folgezeit in Liberia etablierten Herrschaftsstrukturen zeichnen sich vor allem durch ihre neopatrimonialen Züge aus, die in vielen afrikanischen Ländern der nachkolonialen Phase zu konstatieren sind.[3] Dabei verschwimmen private und öffentliche Sphäre in Regierung und Verwaltung miteinander. Die Person des Herrschers setzt sich mit seinem Amt gleich und etabliert sich überspitzt formuliert als „absolut“ herrschenden „Fürsten“, der sich zumeist auf seine Familie und ein eng geflochtenes Klientelsystem zur Herrschaftssicherung stützt, während ein Großteil der Bevölkerung von der politischen wie wirtschaftlichen Macht ausgeschlossen bleibt.[4] Das die Korruption begünstigende Patronagesystem[5], sowie die Etablierung eines De-facto-Einparteiensystems, welches als Spiegelbild der politisch unumschränkten Vormachtsstellung der „Americo-Liberianer“ verstanden werden muss, können genauso wie das in Liberia zu dieser Zeit auf Landbesitz beruhende Wahlrecht und die zentrale Stellung des Präsidenten als wesentliche Kennzeichen des politischen Systems Liberias vor dem Militärputsch von 1980 ausgemacht werden. Dazu kommt die Etablierung eines kapitalistischen Systems, welches auf der Ausbeutung der einheimischen Ethnien basierte und durch die „Nebenprodukte“ einer auf ausländischen Investitionen ausgerichteten Wirtschaftspolitik die Herrschaftsgrundlage der „Americo-Liberianer“ bildete.[6] Diese aus Besteuerungen und Gewinnbeteiligungen bestehenden Erträge erlaubten es der Elite der „Americo-Liberianer“ annähernd losgelöst von der liberianischen Gesellschaft zu leben und machte eine wie auch immer geartete politische Inklusion der einheimischen Bevölkerung überflüssig.
In den 1970er Jahren spitzte sich die Situation der afrikanischen Mehrheitsbevölkerung unter dem damaligen Präsidenten William Tolbert jedoch sichtlich zu, da diese, in erster Linie von der Subsistenzwirtschaft abhängig, die steigenden Bevölkerungszahlen nicht mehr ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgen konnte.[7] Dazu kam die weltweite Rezession zu dieser Zeit, deren negative Auswirkungen insbesondere die Rohstoffexportierenden Länder wie Liberia zu spüren bekamen. Die Preise für die wichtigsten Exportgüter Liberias Kautschuk und Eisenerz sanken beträchtlich und auch der Zugang zu Krediten gestaltete sich immer schwieriger. Folge dieses wirtschaftlichen Niedergangs waren zahlreiche Entlassungen und steigende Unzufriedenheitsbekundungen innerhalb der afrikanischen Bevölkerung, die immer wieder zu Protesten und Streiks führten. Liberias Präsident Tolbert reagierte mit Massenverhaftungen und sich zunehmend verschärfenden Repressionsmaßnahmen, wodurch sich der schwelende Konflikt weiter verschärfte.
Weiteres Konfliktpotenzial barg zudem das Auseinanderbrechen der die Herrschaft der „Americo-Liberianer“ stabilisierenden Klientelstrukturen. Auch diese Entwicklung kann auf die wirtschaftliche Schwäche des liberianischen Staates zurückgeführt werden, da den Bediensteten und Unterstützern des Regimes die materielle Basis zunehmend entzogen wurde und sich damit der Kreis der vom regierenden Regime Profitierenden sichtlich verkleinerte.
III. Die Militärdiktatur von Samuel Kanyon Doe (1980-1989)
Das Ende des Tolbert-Regimes und damit einhergehend das Ende der 150 Jahre währenden Kolonialherrschaft der „Americo-Liberianer“ wurde schließlich durch einen Militärputsch im April des Jahres 1980 eingeleitet, der das Ziel hatte die Kolonialherrschaft der „Americo-Liberianer“ zu beenden. Dieser ging von einer Gruppe von Unteroffizieren und Soldaten aus, die der afrikanischen Mehrheitsbevölkerung angehörten und unter denen sich Samuel K. Doe im Verlaufe des Putsches als Anführer herauskristallisierte. Doe war der Ethnie der Krahn zugehörig und damit der erste Präsident Liberias welcher der autochthonen afrikanischen Bevölkerung entstammte. Nach seiner Machtübernahme schaltete Doe nicht nur seine wichtigsten Verbündeten und die bisherige politische Elite um Tolbert aus, sondern vertrieb auch die „Americo-Liberianer“ weitestgehend aus allen wichtigen Positionen, wenngleich diese als dringend gebrauchte Technokraten teils bald wieder in den Herrschaftsapparat Does reintegriert wurden.
Die umgehende und nicht zu unterschätzende politische Unterstützung Does durch die USA bereits kurz nach dem Putsch lässt vor allem auf die als hinderlich erachtete Wirtschaftspolitik Tolberts schließen, der die amerikanischen Großkonzerne für den wirtschaftlichen Abstieg Liberias in den siebziger Jahren verantwortlich machte und dessen Wirtschaftspolitik die Interessen der Großkonzerne nicht mehr vorbehaltlos unterstützte.[8] Im Laufe der Jahre verzahnten sich die politischen wie wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Doe und der USA weiter und wurden zu einer wesentlichen Grundlage von Does Militärdiktatur. Die Interessen der USA waren dabei nicht nur wirtschaftlicher Natur, da es angesichts der Blockkonfrontation auch in der „Dritten Welt“ um jeden Preis Einflusssphären zu sichern galt, um den „Vormarsch“ des „kommunistischen Blocks“ zu verhindern. Dabei reichten die amerikanischen Beihilfen von militärischen Unterstützungsleistungen bis zu humanitärer Entwicklungshilfe, die in den achtziger Jahren mit rund 500 Millionen Dollar die Größten in ganz Afrika waren.[9]
Does Putsch bedeutete jedoch keine grundlegende Veränderung in den Herrschaftsstrukturen Liberias. Seine Herrschaft stütze sich ebenso wie die seiner „americo-liberianischen“ Vorgänger auf ein Patronagesystem an dessen Spitze Doe als Präsident unumschränkt herrschte und eine politische Partizipation größerer Bevölkerungsschichten ausschloss. Dazu kamen Elemente der Militärdiktatur, eine enorme Gewaltbereitschaft und eine mit der Ablehnung in der Bevölkerung steigende Ethnisierung der Politik, welche sich in wachsende soziale Ungleichheiten und politische Machtkämpfe zwischen den verschiedenen Ethnien manifestierte und die verhängnisvolle Auswirkungen für die weitere liberianische Geschichte haben sollte.[10]
1985 reagierte Doe auf die zunehmende Ablehnung der Bevölkerung gegen sein repressives Militärregime und nutzte von ihm gefälschte Wahlen, um sich den Anschein einer demokratisch gewählten Regierung zu geben.[11] Doch änderte sich nichts an dem Vorgehen Does, der im Anschluss an einen missglückten Putschversuch im November des Jahres 1985, im Zuge dessen auch erstmals Charles Taylor als ehemaliger Verwaltungschef und Vertrauter des Anführers des Putschversuches auftaucht, die Ethnien der Mano und Dan verfolgte und zahlreiche Massaker an ihnen verübte. Dazu kam auch eine verschärfte Isolierung der „Americo-Liberianer“, die sich nun genauso wie die Dan und die Mano einem repressivem Regime der Krahn gegenübersahen. Auch Taylor („Americo-Liberianer“) und der Anführer des Putschversuches Thomas Quiwonkpa (Dan) gehörten diesen Ethnien an, die in der Folgezeit immer stärker von der politischen und damit auch wirtschaftlichen Marginalisierung breiter Bevölkerungsschichten infolge des ununterbrochenen wirtschaftlichen Niedergangs Liberias betroffen waren. Die ökonomischen Ressourcen Does reichten nicht mehr aus die fragilen Klientelnetzwerke seines Herrschaftsapparates zu stabilisieren und so verließ sich Doe nunmehr fast ausschließlich auf seine eigene Ethnie zur Herrschaftssicherung.[12] Auf die wachsenden ethnischen Spannungen, die er selbst geschürt hatte, reagierte Doe mit immer brutaleren Methoden und so war das Massaker in Nimba Country von 1989 nur ein Höhepunkt in einer ganzen Reihe von Gräueltaten, welche die machtpolitisch orientierte und rücksichtslose Vorgehensweise Does manifestierten und den Hass auf sein Regime forcierten. Mit dem Angriff von Charles Taylors NPFL am 24. Dezember 1989 auf nordliberianisches Gebiet wurde schließlich das Ende der Militärdiktatur Does und der Anfang eines für Liberia vernichtenden Bürgerkriegs eingeläutet, der zeitweise auch auf Guinea, Sierra Leone und die Elfenbeinküste übergriff und die Instabilität dieser Region Westafrikas offenbarte.
Die Bilanz der neunjährigen Militärdiktatur Samuel Kanyon Does ist zugleich erschreckend und bezeichnend für die weitere Entwicklung Liberias. Doe trieb mit dem Ziel sich selbst und seine Ethnie zu bereichern den ökonomischen Ausverkauf des Landes voran und beschleunigte durch verfehlte Strukturmaßnahmen den wirtschaftlichen Bankrott Liberias, das Ende der achtzige Jahre mit 2 Milliarden Dollar hoffnungslos verschuldet war.[13] Der von Doe fokussierte und von der Weltbank und dem IWF im Rahmen von Strukturanpassungsprogrammen befürwortete Abbau staatlicher Strukturen sowie die Privatisierung der wichtigsten Staatsbetriebe schwächte die fragile Stabilität des politischen Systems Liberias weiter und ließ die Bedeutung des informellen Sektors bei der Überlebenssicherung großer Bevölkerungsteile immer zentraler werden[14].
Does rücksichtslose Macht- und Bereicherungspolitik sowie die damit verbundenen Konsequenzen müssen als wesentliche Determinanten des auf seine Amtszeit folgenden Bürgerkrieges und der dadurch offenbarten Konflikte verstanden werden. Erst Doe machte die verschiedenen afrikanischen Ethnien und die unter ihnen herrschenden Spannungen zu einem Instrument seiner Herrschaftssicherung und damit im Laufe der Jahre zu einer innerliberianischen Konfliktlinie die friedlich kaum mehr lösbar schien. Das von ihm fortgeführte Unvermögen und Desinteresse an der Herstellung politischer Legitimation und nationaler Integration offenbart genauso wie das Fehlen jeglicher ziviler Konfliktlösungsmechanismen die schon in der „americo-liberianischen“ Herrschaftszeit begründeten strukturellen Schwächen des liberianischen Staates, die auch heute noch Grund zum Zweifeln geben, wenn nach Taylors Exilgang von einem Neuanfang gesprochen wird.
Im internationalen Kontext ist vor allem die Rolle der USA als maßgeblicher finanzieller und politischer Unterstützer des Doe-Regimes hervorzuheben. Nur durch die umfangreiche Unterstützung der USA erlangte Doe innenpolitisch ausreichend Handlungsspielraum sein repressives Regime durchsetzen zu können. Offensichtlich waren die strategischen Interessen der USA im Ost-West-Konflikt entscheidend für das Vorgehen der USA in Liberia, welches sich Ende der achtziger Jahre unter zunehmenden Druck von exilierten Liberianern und vor allem in Folge der durch das Ost-West-Konflikt-Ende fundamental veränderten geostrategischen Lage wandelte.
Does machtpolitische Orientierung und sein rigoroses Vorgehen gegen die ehemalige politische Elite unter William Tolbert verschärfte zudem die regionalen Differenzen mit den Nachbarländern Sierra Leone, Elfenbeinküste und Burkina Faso. So waren Tolberts Familie und die politische Führungen der Elfenbeinküste und Burkina Fasos durch Verwandtschaftsverhältnisse miteinander verbunden, weshalb seine Tötung und die Ermordung seiner engsten Vertrauten durch Doe zu tiefen zwischenstaatlichen Unstimmigkeiten führte, die schließlich auch eine Rolle bei seinem Sturz 1989 spielen sollten.
IV. Liberia unter Charles Taylor (1989-2003)
Als Charles Taylor im Dezember des Jahres 1989 seinen Angriff auf Liberia von dem Gebiet der Elfenbeinküste aus begann, umfasste seine Rebellenbewegung kaum mehr als 200 Mann. Doch bereits wenige Monate später war das Land in einem Bürgerkrieg versunken, der bis Mitte der neunziger Jahre anhielt und zeitweise mehr als 20 Konfliktparteien zählte. Nach einer durch die Wahl Taylors zum liberianischen Präsidenten eingeleiteten Ruhephase von 1997 bis 1999 flammten die Kämpfe jedoch wieder auf und brachten Liberia erneut vier Jahre Bürgerkrieg, die erst mit dem Gang Taylors ins nigerianische Exil 2003 ein Ende fanden. Die hier als „Liberia unter Charles Taylor“ zusammengefasste Zeitperiode von 1989 bis 2003 lässt sich also systematisch in zwei Bürgerkriegskonflikte differenzieren, die im Folgenden separat betrachtet werden. Zur Analyse der beiden Konflikte werden zunächst jeweils die maßgeblichen am Kampf beteiligten Akteure betrachtet. Anschließend soll eine Chronologie des Konfliktverlaufs ein besseres Verständnis der Geschehnisse ermöglichen ohne dabei jedoch angesichts der Komplexität der Geschehnisse Vollständigkeit beanspruchen zu können. Die Kapitel „Der Bürgerkrieg und seine Auswirkungen auf Liberia“ und „Der Konflikt im regionalen und internationalen Kontext“ sollen schließlich eine sich auf einem breiteren Fundament stützende Analyse und Beurteilung beider liberianischen Bürgerkriege ermöglichen und die tieferen Ursachen des Konflikts und die Beweggründe der Akteure herauskristallisieren.
V. Der liberianische Bürgerkrieg von 1989-1996
Der erste Bürgerkrieg Liberias währte sechs Jahre und führte zur fast gänzlichen Auflösung des liberianischen Staates. Nach einer Vielzahl von Waffenruhen und fast ein Dutzend Friedensabkommen vermochte erst das 1995 auf Druck der UNO unterzeichnete Friedensabkommen die Lage zu stabilisieren und den Konflikt mit einem erneuten Waffenstillstand im Jahre 1996 zu beenden. Das Ergebnis der in diesem Zuge durchgeführten Wahlen machte Taylor 1997 zum neuen liberianischen Staatspräsidenten und beendete vorerst den innerliberianischen Krieg.
Bei der Suche nach den Ursachen für den Konfliktverlauf, seiner Eskalation und Wirkung auf ganz Westafrika müssen verschiedene relevante Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Zunächst ist hier der wirtschaftliche Niedergang Liberias zu nennen, welcher in Verbindung mit Liberias neopatrimonialen Herrschaftsstrukturen zu einer fast vollständigen Marginalisierung weiter Bevölkerungsschichten anhand von ethnischen Zugehörigkeiten führte. Die mangelnde politische Legitimation der Regierung Does und die bewusst außer Acht gelassene Integration aller Ethnien in die politische Entscheidungsfindung barg zahlreiches Konfliktpotenzial, welches den Konflikt als Triebfeder immer weiter verschärfte und zu seiner Eskalation und Brutalität beitrug. Die strukturellen Schwächen des liberianischen Staates, seien es die fehlenden zivilen Konfliktlösungsmechanismen oder die mangelnde Integration aller liberianischen Ethnien, müssen daher als wesentliche Rahmenbedingungen für den Bürgerkrieg und seinen Verlauf verstanden werden.
Eine wesentliche Rolle beim Zustandekommen und der Eskalation des Konfliktes ist auch dem direkten wie indirekten internationalen Engagement zuzusprechen. Das Ringen um politische wie wirtschaftliche Einflusssphären und die stark personalisierte Außenpolitik der westafrikanischen Staaten machte Liberia zum Austragungsort der verschiedensten Interessenkonflikte. Die Intensität des liberianischen Bürgerkrieges und seine Dauer sind daher ohne die Berücksichtigung der internationalen Allianzen und der wirtschaftlichen Verflechtungen der Bürgerkriegsparteien mit internationalen Konzernen und Regierungen nicht nachvollziehbar. Zumindest aufgezeigt werden soll in diesem Zusammenhang auch die Rolle der USA als traditionelle Schutzmacht Liberias, die das Regime Does bis Ende der achtziger Jahre stabilisierten, nach dem Ende des Ost-West-Konfliktes jedoch gänzlich andere geostrategische Schwerpunkte setzten. Aufgrund der veränderten strategischen Lage und der Verpflichtungen im Irak und Osteuropa waren die USA nicht bereit sich im liberianischen Bürgerkrieg zu engagieren und ermöglichten somit die Ausdehnung des Konfliktes, den sie durch die Unterstützung Does in den achtziger Jahren zum Teil selbst begründet haben. Die Suche nach den Ursachen und erheblichen Einflussfaktoren des ersten liberianischen Bürgerkrieg gestaltet sich angesichts der Komplexität des Konflikts und der Vielzahl von wirkenden Kräften also äußerst schwierig. Daher sollen die an die Konfliktchronologie anschließenden Kapitel diese Fragen nochmals aufgreifen und eingehender analysieren.
V.I Die wichtigsten Konfliktparteien im Überblick
Angesichts zahlreicher Abspaltungen von den ursprünglichen Konfliktparteien, konnten abgesehen von der ECOMOG zeitweise um die 20 Konfliktparteien (in erster Linie Abspaltungen von der NPFL und der ULIMO) im ersten liberianischen Bürgerkrieg ausgemacht werden.[15] Aufgrund dieses Umfangs sei die folgende Zusammenfassung der Übersicht halber auf die nach der Literatur maßgeblichen Konfliktparteien und ihr Kontext beschränkt.
V.I.I NPFL (National Patriotic Front of Liberia)
Die von Charles Taylor angeführte NPFL war der auslösende Faktor in dem Bürgerkrieg von 1989 bis 1995. Das Taylor sich an die Spitze der NPFL setzen konnte, verdankte er dabei vor allem seinen zahlreichen Verbindungen zu verschiedenen afrikanischen Herrschern von denen die NPFL umfangreiche Unterstützungsleistungen in ihrem Kampf gegen Doe erhielten . Vornehmlich aus den Ethnien der Gio, Dan und Mano sowie einigen Angehörigen der „Americo-Liberianer“ und Söldnern anderer afrikanischer Staaten bestehend, griff die NPFL die Regierungstruppen Does Ende 1989 an und erlangte zwischen 1990 und 1992 die Kontrolle über weite Teile Liberias. Zu Beginn sich aus wenigen in Libyen ausgebildeten Truppen zusammensetzend und von der Elfenbeinküste und Burkina Faso unterstützt wurde die NPFL anfänglich noch von der Bevölkerung als Befreiungsarmee gefeiert und erhielt regen Zulauf aus den ethnischen Gruppen der Dan und Mano, verlor diese Unterstützung jedoch wieder genauso schnell als Taylors brutale Vorgehensweise und seine Kriegsverlängernde Politik offensichtlich wurden. Als sich die Entscheidung des Bürgerkriegs aufgrund der Intervention der ECOMOG verzögerte trug Taylor den Konflikt auch in die angrenzenden Länder, wie zum Beispiel nach Sierra Leone, wo er die gegen die Regierung agierende Rebellentruppe RUF unterstützte oder nach Guinea, um die dorthin geflüchteten Doe-Anhänger zu verfolgen. Die finanzielle Basis für die Kriegsunternehmungen der NPFL lieferte die von Taylor aufgebaute und von internationalen Firmen in Europa und der USA geförderte Kriegsökonomie Taylors, die sich über Blutdiamanten aus Sierra Leone bis hin zu Tropenholz und Lizenzvergaben für den Kautschukexport an internationale Konzerne erstreckte. Für Taylor wurde der Bürgerkrieg selbst zu einer wichtigen Voraussetzung seiner Herrschaftssicherung, die es ihm erlaubte die ökonomische Ausbeutung des von ihm kontrollierten Gebietes voranzutreiben, um sich auf diese Weise die Treue seiner Gefolgsleute zu sichern.
[...]
[1] van den Boom, 1996, S. 100
[2] http://www.nowar-kreis-olpe.de/liberia.htm
[3] http://www.fes.de/internatl/dialog11/klaus.html
[4] http://www.fes.de/internatl/dialog11/klaus.html
[5] van den Boom, 1996, S. 102
[6] van den Boom, 1996, S. 101-102
[7] http://geb.uni-giessen.de/geb/volltexte/2000/324/pdf/s000001.pdf S. 3/6
[8] http://www.nowar-kreis-olpe.de/liberia.htm
[9] http://www.nowar-kreis-olpe.de/liberia.htm
[10] z.B. Schlichte, 1996a, S. 225; http://www.fes.de/internatl/dialog11/klaus.html
[11] http://www.nowar-kreis-olpe.de/liberia.htm
[12] http://www.fes.de/internatl/dialog11/klaus.html
[13] Worldbank, 1991, Grafiken S. 120 f.
[14] Kappel, Korte, 1993 , S. 282-285
[15] van den Boom, 1996, S. 103
- Arbeit zitieren
- Christian Blume (Autor:in), 2005, Konfliktanalyse. Diskussionspapier zum Liberia-Konflikt mit dem Fokus auf die Ära Charles Taylor 1989-2003, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62160
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