Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt eine Auseinandersetzung mit den vier wichtigsten wissenschaftstheoretischen Konzepten des 20. Jahrhunderts. Diese sind in chronologischer Reihenfolge: der Induktivismus, der Falsifikationismus, Kuhns Paradigmen und Lakatos’ Forschungsprogramme. Da die Mängel des Induktivismus bereits früh erkannt wurden, war bis in die sechziger Jahre der Falsifikationismus das vorherrschende wissenschaftstheoretische Konzept. Mit Kuhn begann eine neue, wissenschaftsgeschichtliche Herangehensweise an die Problematik. Diese deckte auf, dass Wissenschaften nicht in der Form arbeiten, wie es der Falsifikationismus von ihnen verlangt. Einen Versuch diese beiden Positionen miteinander zu vereinen stellen Lakatos’ Forschungsprogramme dar. Da allerdings alle Konzepte, meiner Meinung nach Mängel aufweisen, stelle ich im Fazit einen eigenen Ansatz vor. Ein wichtiger Teilaspekt der Wissenschaftstheorie ist die Frage nach einem Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft. Die verschiedenen Konzepte fanden unterschiedliche Antworten auf diese Frage, welche zusammen mit den Konzepten vorgestellt werden. Zum Abschluss dieser Arbeit wende ich mich noch kurz der Frage nach den Konsequenzen, die sich aus den zuvor ausgeführten wissenschaftstheoretischen Überlegungen ergeben, zu. [...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Wissenschaftstheoretische Konzepte
2.1 Induktivismus
2.2 Falsifikationismus
2.3 Kuhnsche Paradigmen
2.4 Lakatos’ Forschungsprogramme
3. Diskussion der Konzepte
4. Fazit
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Im Rahmen dieser Arbeit erfolgt eine Auseinandersetzung mit den vier wichtigsten wissenschaftstheoretischen Konzepten des 20. Jahrhunderts. Diese sind in chronologischer Reihenfolge: der Induktivismus, der Falsifikationismus, Kuhns Paradigmen und Lakatos’ Forschungsprogramme. Da die Mängel des Induktivismus bereits früh erkannt wurden, war bis in die sechziger Jahre der Falsifikationismus das vorherrschende wissenschaftstheoretische Konzept. Mit Kuhn begann eine neue, wissenschaftsgeschichtliche Herangehensweise an die Problematik. Diese deckte auf, dass Wissenschaften nicht in der Form arbeiten, wie es der Falsifikationismus von ihnen verlangt. Einen Versuch diese beiden Positionen miteinander zu vereinen stellen Lakatos’ Forschungsprogramme dar. Da allerdings alle Konzepte, meiner Meinung nach Mängel aufweisen, stelle ich im Fazit einen eigenen Ansatz vor.
Ein wichtiger Teilaspekt der Wissenschaftstheorie ist die Frage nach einem Abgrenzungskriterium zwischen Wissenschaft und Nichtwissenschaft. Die verschiedenen Konzepte fanden unterschiedliche Antworten auf diese Frage, welche zusammen mit den Konzepten vorgestellt werden.
Zum Abschluss dieser Arbeit wende ich mich noch kurz der Frage nach den Konsequenzen, die sich aus den zuvor ausgeführten wissenschaftstheoretischen Überlegungen ergeben, zu.
2. Wissenschaftstheoretische Konzepte
In diesem Kapitel stelle ich die vier wichtigsten Konzepte der Wissenschaftstheorie zunächst vor, bevor sie im nächsten Kapitel verglichen und diskutiert werden. Darüber hinaus sollen in diesem Kapitel die Kriterien für Wissenschaftlichkeit für jedes dieser Konzepte dargestellt werden.
2.1 Induktivismus
Das Konzept des Induktivismus beruht auf dem Prinzip, aus einer Reihe von Einzelaussagen allgemeine Gesetze abzuleiten, beziehungsweise allgemeine Gesetze durch Einzelaussagen zu verifizieren. Dieses Konzept war das Credo der Wissenschaft bis ins 20. Jahrhundert und geht unter anderen auf Francis Bacon (1561–1626) zurück. Er soll die Ansicht vertreten haben, dass es zur Entdeckung neuer Naturgesetze notwendig sei, zunächst systematisch eine möglichst große Anzahl von Beobachtungen zu sammeln, um aus diesen anschließend neue Erkenntnisse zu destillieren.[1] Wie dieser Prozess konkret ablaufen soll, wird nicht näher erläutert. Es ist lediglich davon die Rede, dass die Daten innerlich verarbeitet werden sollen. Auf der Basis dieser Vorstellung wurde im 17. Jahrhundert die Royal Society gegründet, welche sich unter anderem zum Ziel gesetzt hatte, möglichst viele Beobachtungen zu sammeln, um dadurch zu neuen Erkenntnissen zu gelangen.
Grundlage des Induktivismus bilden „wahre“ Beobachtungsaussagen. Zu denen ein „gesunder“ Beobachter kommt, wenn er die Welt „unvoreingenommen“ betrachtet.[2] Dieser Überzeugung liegt ein mechanistisches Weltbild zugrunde, nachdem unsere Wahrnehmungen bloße Spiegelbilder der Wirklichkeit sind. Die Aufgabe der Wissenschaft besteht darin, aus derartigen Einzelaussagen allgemeine Sätze abzuleiten. Beispiele:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Bedingungen, unter denen sich aus Einzelaussagen allgemeine Sätze ableiten lassen, fasst Chalmers wie folgt zusammen:
1. Verallgemeinerungen müssen auf einer großen Anzahl von Aussagen beruhen.
2. Die Beobachtungen müssen unter einer großen Vielfalt von Bedingungen wiederholt worden sein.
3. Keine Beobachtungsaussage darf im Widerspruch zu dem entsprechenden allgemeinen Gesetz stehen.[3]
Diese Methode von einer begrenzten Zahl von Einzelaussagen auf allgemeine Sätze zu schließen, nennt man induktives Schließen, den Prozess nennt man Induktion. Der Induktivist geht davon aus, dass wissenschaftliche Erkenntnis im Wesentlichen auf Induktion beruht. Der nächste Schritt ist die Deduktion, mit Hilfe derer aus allgemeinen Sätze wieder Einzelaussagen abgeleitet werden können. Die Deduktion ist rein logischer Natur und sagt selber nichts über den Wahrheitsgehalt der Deduktion aus. Das Schema der Deduktion ist recht einfach:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Wenn man solche abgeleiteten Einzelaussagen überprüft und sie der Überprüfung standhalten, so ist der allgemeine Satz für den Induktivisten verifiziert. Daraus lässt sich ableiten, dass eine Disziplin, um nach dem Konzept des Induktivismus wissenschaftlich zu sein, folgende Bedingungen erfüllen muss:
1. Sie muss auf Beobachtungen begründet sein.
2. Aus den Beobachtungen müssen sich allgemeine Sätze ableiten lassen.
3. Aus den allgemeinen Sätzen müssen sich neue Einzelaussagen ableiten lassen.
4. Diese neuen Einzelaussagen müssen überprüfbar sein.
5. Verläuft die Überprüfung positiv ist damit die Theorie verifiziert.
2.2 Falsifikationismus
Das Konzept des Falsifikationismus ist eng mit dem Philosophen Karl Popper (1902–1994) verbunden. Im Unterschied zum Induktivismus liefert dieses Konzept keine Aussagen zur Entstehung von Theorien. Für das Konzept ist es irrelevant, ob sie durch die Analyse von Beobachtungsdaten oder durch einen Geistesblitz entstanden sind. Wichtig ist nur, dass es einen steten Strom neuer Theorien gibt. Diese neuen Theorien werden veröffentlicht und müssen sich der kritischen Überprüfung durch andere Wissenschaftler stellen. Scheitern die Theorien bei der Überprüfung, so müssen sie entweder überarbeitet oder verworfen werden. Auf diese Weise ist die Wissenschaft beständig damit beschäftigt, neue Theorien aufzustellen und sie zu überprüfen. Besteht eine Theorie die Überprüfungen, so gilt sie als bewährt, bis sie einer Überprüfung nicht mehr standhält. Eine Bewährung ist also nicht endgültig und eine Theorie ist daher auch nicht wahr oder verifiziert, sie gilt immer nur bis auf Widerruf. Die logische Struktur ist recht einfach:
Prämisse 1 Ù Prämisse 2 Ù Prämisse 3 … Þ Konklusion
Erweist sich die Konklusion als falsch, so heißt das, dass mindestens eine der Prämissen falsch sein muss. Aus der bloßen Falsifikation lässt sich nicht ableiten, welche der Prämissen falsch ist. Es ist die Aufgabe der Wissenschaftler, dies durch geeignete Experimente herauszufinden.
Laut Chalmers gibt es zwei wichtige Fälle beim Konzept der Falsifikation, welche der Wissenschaft Vorschub leisten. Erstens, wenn eine „kühne“ Theorie aufgestellt wird und sie sich bewährt. Wobei „kühn“ definiert wird, als etwas, das angesichts des Hintergrundwissens jener Zeit als unwahrscheinlich gilt. Und zweitens, wenn eine bewährte Theorie falsifiziert wird.[4] Nur in diesen beiden Fällen wird unser Wissen erweitert. Wird dagegen eine neue kühne Theorie falsifiziert, so bringt uns das höchstens einen marginalen Erkenntnisgewinn und bewährt sich eine bereits gut bewährte Theorie wiedereinmal, so ist dies auch nicht weiter spektakulär.
Die Anforderungen des Falsifikationismus an die Wissenschaft sind damit klar: Eine gute Wissenschaft soll Theorien aufstellen, die falsifizierbar sind und diese überprüfen. Ein Beispiel für gute Wissenschaft ist die Entdeckung des Neptun. Im 19. Jahrhundert stellte man fest, dass die Umlaufbahn des Uranus von der durch Newtons Gesetze vorausberechneten abweicht. Nun standen eine Reihe verschiedener Prämissen zur Auswahl, welche falsch sein konnten, zum Beispiel die Beobachtungsdaten oder Newtons Gesetze. Leverrier und Adams stellten allerdings die kühne Theorie auf, dass die Prämisse, dass es nur sieben Planeten gibt, falsch sei. Sie behaupteten, es gäbe einen weiteren Planeten jenseits des Uranus und berechneten seine Position. Basierend auf diesen Berechnungen wurde kurze Zeit später der Neptun entdeckt.[5] Dies ist ein Beispiel für gute Wissenschaft, da hier eine kühne, falsifizierbare Theorie aufgestellt wurde, welche überdies sogar der Überprüfung standgehalten hat. Schlechte Wissenschaft wäre es gewesen, wenn der Planet nicht entdeckt worden wäre, zu behaupten er sei unsichtbar oder von vornherein zu sagen, die Bahnabweichung sei von Gott verursacht. Dies wäre schlechte Wissenschaft, weil die Theorien nicht überprüfbar sind. In so einem Fall spricht man von einer Immunisierung der Theorie, doch dazu später mehr.
[...]
[1] Röd 2000a, S. 455
[2] Chalmers 1999, S. 8
[3] Chalmers 1999, S. 10
[4] Chalmers 1999, S. 57–58
[5] Chalmers 1999, S. 56
- Arbeit zitieren
- M.A. Danny Riepenhusen (Autor:in), 2003, Wissenschaftstheorie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/62159
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