Ambrose Bierce wurde 1842 als zehntes von dreizehn Kindern In Ohio geboren. Im Alter von 17 Jahren nahm er am Bürgerkrieg teil. Er war an verschiedenen Schlachten beteiligt, darunter auch die Schlacht von Chickamauga. Aufgrund seines Lebenslaufs spürte er die Grausamkeiten des Krieges am eigenen Leibe; sein militärischer Werdegang endete mit einer Kopfverletzung im Juni 1864. Nicht lange nach seiner Genesung begann seine literarische Karriere. Er arbeitete für verschiedene Zeitschriften als Journalist und Kolumnist. 1872 erschien seine erste Kurzgeschichte, "The Haunted Valley". Bis zu seinem Tod blieb der Krieg das wichtigste Thema seiner Dichtung.
Neben Kriegsgeschichten und Geschichten, die sich mit dem Übernatürlichen befassen, veröffentlichte er auch eine Anzahl grotesker Erzählungen, die sich jeder Gattungseinordnung entziehen. Eine Anthologie seiner Kurzgeschichten teilt diese in drei Kategorien ein: "The World of Horror", "The World of War" und "The World of Tall Tales" .
"Bitter Bierce" war gefürchtet wegen seines Zynismus und seiner kritischen Äußerungen. Dieser Zynismus, gepaart mit dem Hang zum Grotesken findet sich in den meisten seiner Kurzgeschichten wieder, so auch in "Chickamauga". Während seine Horrorgeschichten menschliche Ängste häufig von der psychologischen Seite her betrachten, manifestiert sich der Schreck in den Kriegsgeschichten oft in der schonungslosen Schilderung der Grausamkeit des Krieges. Neben dieser expliziten Darstellung dieser Greuel verstand Bierce sich darauf, die psychologische Schrecken zu beschreiben, den seine Protagonisten in den Geschichten erleben.
Die beiden hier betrachteten Kurzgeschichten haben eine Sache gemeinsam: In beiden Geschichten wird dem Leser eine wichtige Information, die für ein Verständnis der Handlung essentiell ist, bis zum Schluß vorenthalten. Zwar werden unterschwellig Andeutungen gegeben, die auf diese Information hinweisen, aber erst bei erneutem Lesen der Geschichte kann der Leser diese Hinweise richtig einordnen. Um der Handlung einen Sinn abzugewinnen, ist also ein zweiter Lesevorgang unbedingt erforderlich. Folglich muß bei der Untersuchung der Geschichten einerseits die Wirkung betrachtet werden, die diese auf den Leser beim ersten Lesen hat; diese wird kontrastiert in Bezug auf die zahlreichen Hinweise, die sich dem Leser erst bei zweiten Lesen erschließen. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Chickamauga"
- Der erste Leseeindruck
- Der Rückblick
- "Occurrence at OWI Creek Bridge"
- Der erste Leseeindruck
- Der Rückblick
- Schlußbetrachtung
- Literatur
- Primärliteratur
- Sekundärliteratur
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Kurzgeschichten „Chickamauga" und „Occurrence at OWI Creek Bridge" von Ambrose Bierce, um die Erzähltechniken zu untersuchen, die der Autor einsetzt, um dem Leser wichtige Informationen bis zum Schluss der Geschichten vorzuenthalten. Dabei wird der Fokus auf die retrospektive Sinnstiftung gelegt, die sich durch die gezielte Manipulation der Leserperspektive und die Einarbeitung von textuellen Hinweisen ergibt.
- Retrospektive Sinnstiftung in Kurzgeschichten
- Erzähltechniken von Ambrose Bierce
- Manipulation der Leserperspektive
- Textuelle Hinweise und ihre Rezeption
- Didaktische Wirkungsintentionen
Zusammenfassung der Kapitel
„Chickamauga"
Die Geschichte beginnt mit der Schilderung eines Kriegsspiels eines Jungen, das in einer mit Kriegspropaganda durchzogenen Sprache dargestellt wird. Der Leser wird zunächst auf eine patriotische Grundtendenz der Geschichte eingestimmt. Der Junge, der sich zu neuen Heldentaten aufmacht, trifft jedoch auf einen Hasen, was einen Stil- und Perspektivenwechsel einleitet. Die Handlung wird nun aus der kindlichen Sicht des Protagonisten wiedergegeben, der sich im Wald verirrt und ängstlich nach dem Heimweg sucht. Erst als der Junge auf die ersten Verwundeten der Schlacht stößt, die stattgefunden hat, ohne dass er oder der Leser davon erfahren, erfolgt ein erneuter Perspektivenwechsel. Der Leser erhält nun zusätzliche Informationen über das Geschehen, während das Kind die Lage nicht zu deuten weiß. Der Erzähler schaltet sich ein und beschreibt die grausame Szenerie aus der Perspektive eines erwachsenen Beobachters, wobei die Ernsthaftigkeit der Situation erst allmählich deutlich wird. Es folgt ein groteskes Szenario, in dem das Kind die Verwundeten mit ihren blutverschmierten Gesichtern mit einem Clown vergleicht und die Situation als „merry spectacle" wahrnimmt. Das Feuer, das durch die Bäume scheint, wird vom Kind zunächst als „strange, red light" und später als „glowing splendour" wahrgenommen, während der Leser die Bedrohlichkeit der Situation erfassen kann. Der Höhepunkt dieser grotesken Szene ist erreicht, als der Junge sein Holzschwert nimmt und sich an die Spitze des grausigen Zuges setzt. Der Erzähler kommentiert dies zynisch mit den Worten: „Surely such a leader never before had such a following." Bis hierhin beschränkte sich der Erzähler vorwiegend auf die Schilderung der Geschehnisse aus der Perspektive des Jungen bzw. aus dem Blickwinkel eines unbeteiligten Beobachters. Der Leser kann nur spekulieren, was bisher tatsächlich geschah. Schließlich geht der Erzähler jedoch dazu über, einige Informationen, die außerhalb der Wahrnehmung des Protagonisten und des unbeteiligten Beobachters liegen, zu schildern. Er verfällt aber wieder in die verherrlichende Sprache der Propaganda. Der Leser erfährt nun, dass die Schlacht in unmittelbarer Nähe des schlafenden Kindes stattgefunden hat. Spätestens hier muss der Leser misstrauisch werden, erhält aber keine weitere Erklärung für diese unwahrscheinliche Begebenheit. Das Bild des Jungens als Heerführer wird konsequent beibehalten. Das Kind erreicht ein brennendes Anwesen und versucht, das Feuer zu schüren. Als es keine passenden Gegenstände findet, wirft es schließlich sein Holzschwert in die Flammen und beendet so seine „militärische Karriere". In diesem Moment muss es erkennen, dass es inmitten der brennenden Überreste seines Elternhauses steht. Aber erst, als das Kind die grausam verstümmelte Leiche seiner Mutter entdeckt, erhält der Leser endlich die essentielle Information, die ihm der Erzähler bis zum Schluss vorenthalten hat. Erst aufgrund dieser Information ist der Leser dazu in der Lage, der Geschichte einen Sinn abzugewinnen. Sämtliche Ungereimtheiten, die er vorher akzeptieren musste, lösen sich auf.
"Occurrence at OWI Creek Bridge"
Bierce nimmt in dieser Geschichte eine formale Dreiteilung vor. Der erste Teil wird dominiert durch Außenperspektive. Die Vorbereitungen für eine Hinrichtung werden in den ersten beiden Absätzen bis ins Detail beschrieben. Darauf folgt die äußerliche Beschreibung des Hinzurichtenden, der als sympathisch aussehender junger Mann mit angenehmen Gesichtszügen beschrieben wird. Die Sympathielenkung des Erzählers ist eindeutig. Aber die Distanzierung vom Geschehen folgt: „The liberal military code makes provision for hanging many kinds of persons, and gentlemen are not excluded." Mitten im dritten Absatz folgt dann der abrupte Wechsel in die Innenperspektive; die Sinneswahrnehmungen des Mannes kurz vor der Hinrichtung werden beschrieben. Der erste Teil endet damit, dass der Soldat von der Planke tritt, auf der auch der Hinzurichtende steht und somit das Todesurteil vollstreckt. Im zweiten Teil erfolgt eine explizite Charakterisierung des Protagonisten Peyton Farquhar. Der Leser erfährt die Vorgeschichte zum Geschehen auf der Brücke. Im dritten Teil der Handlung geht der Erzähler wieder zur Schilderung in der Innenperspektive über. Schwerpunkt sind die Sinneswahrnehmungen des Protagonisten, nachdem er mit dem Kopf in der Schlinge in die Tiefe stürzt. Zunächst werden die Schmerzen des Protagonisten geschildert; daraufhin die Erkenntnis Farquhars: „[Hle knew thatthe rope had broken and he had fallen into the stream." Anschließend wird beschrieben, wie er seine Hände befreit, den Kugeln der Soldaten ausweicht, um schließlich von einem Strudel an den rettenden Strand geworfen zu werden. Von dort aus macht er sich auf den langen Heimweg. Als er schließlich zuhause ankommt, will er voll Freude seine Frau begrüßen. „As he is about to clasp her he feels a stunning blow upon the back of the neck; a blinding white light blazes all about him With a sound like the shock of a cannon—then all is darkness and Hier endet die Schilderung aus der Perspektive von Peyton Farquhar. Der Erzähler enthüllt am Ende der Geschichte, was sich wirklich zugetragen hat: „Peyton Farquhar was dead; his body, With a broken neck, swung gently from Side to Side beneath the timbers of the OWI Creek bridge." Wie in „Chickamauga" hat Bierce dem Leser auch hier eine wichtige Information für das Verständnis der Geschichte bis zum Schluss vorenthalten. Im Laufe der Handlung gibt er aber ebenso eine ganze Anzahl von textuellen Hinweisen, die bei einem erneuten Lesen geradezu ins Auge springen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die retrospektive Sinnstiftung in Kurzgeschichten, die Erzähltechniken von Ambrose Bierce, die Manipulation der Leserperspektive, die Einarbeitung von textuellen Hinweisen, die Rezeption dieser Hinweise und die didaktischen Wirkungsintentionen des Autors. Die Analyse der Geschichten „Chickamauga" und „Occurrence at OWI Creek Bridge" beleuchtet die spezifischen Methoden, die Bierce einsetzt, um den Leser auf die falsche Fährte zu führen und ihn zum Nachdenken über die Bedeutung der Geschichte anzuregen.
- Arbeit zitieren
- Wolfgang Scholz (Autor:in), 2001, Retrospektive Sinnstiftung in den Kurzgeschichten An Occurrence at Owl Creek Bridge und Chickamauga von Ambrose Bierce, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6201
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