Am Beginn der Betrachtung der Stadtgeographie von Reykjavik soll die zunächst Frage stehen warum es überhaupt sinnvoll erscheint, sich mit diesem Themenkomplex im Rahmen eines landeskundlichen Seminars zu beschäftigen. Wenn man sich Reykjaviks Stellung im isländischen Staat betrachtet, so läßt sich unbestritten sagen, daß Reykjavik der kulturelle, wirtschaftliche sowie sozio-politische Mittelpunkt Islands ist. Somit handelt es sich hier gleichzeitig um den wichtigsten Siedlungsraum der Insel oder anders herum formuliert böte der Großraum Reykjavik bei einer humangeographischen Betrachtung Islands genügend Datenmaterial, um das moderne Island unter den eingangs genannten Aspekten weitestgehend darzustellen. In der Stadtgeographie zeigt sich nun ein enger Bezug zu Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur zum jeweiligen Betrachtungsraum. Somit wäre die Stadtgeographie ein geeignetes Medium um im Rahmen der Landeskunde Islands ein breites Spektrum an landeskundlich relevanten Bereichen anzusprechen, wobei das größte Augenmerk hier zweifelsohne auf humangeographische Aspekte fällt. Abgesehen davon bietet die Stadt Reykjavik, als nördlichste Hauptstadt der Welt einige Eigenheiten, die wohl einzigartig in der Welt sind. Zu nennen wäre hier, daß Reykjavik zu 98% mit geothermaler Energie versorgt wird, sowie daß der in Island weit verbreitete Geisterglaube sogar im Rahmen der Stadtplanung berücksichtigt wird. Im Rahmen einer stadtgeographischen Betrachtung Reykjaviks soll im Folgenden zunächst auf die historische Entwicklung der Stadt und die damit verbundene Siedlungsgeschichte der Insel eingegangen werden, was die Stellung Reykjaviks nochmals hervorhebt. Da auch in Reykjavik mit zunehmendem Stadtwachstum die Umweltprobleme zunehmen, scheint es sinnvoll auch einige Anmerkungen zur Stadtökologie Reykjaviks zu machen, um schließlich anhand dieser beiden Punkte abschließend ein Fazit so wie eine Prognose für die Zukunft zu erstellen.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1. Historische Genese Reykjaviks
1.1. Vorstädtische Phase von 877 – 1768
1.2. Die frühe Wachstumsphase von 1768 – 1920
1.3. Der Bauboom von 1918 – 1944
1.4. Die Stadtentwicklung ab 1944
2. Stadtökologie Reykjaviks
3. Fazit und Ausblick auf die weitere Entwicklung
Literaturverzeichnis
Einleitung
Am Beginn der Betrachtung der Stadtgeographie von Reykjavik soll die zunächst Frage stehen warum es überhaupt sinnvoll erscheint, sich mit diesem Themenkomplex im Rahmen eines landeskundlichen Seminars zu beschäftigen. Wenn man sich Reykjaviks Stellung im isländischen Staat betrachtet, so läßt sich unbestritten sagen, daß Reykjavik der kulturelle, wirtschaftliche sowie sozio-politische Mittelpunkt Islands ist. Somit handelt es sich hier gleichzeitig um den wichtigsten Siedlungsraum der Insel oder anders herum formuliert böte der Großraum Reykjavik bei einer humangeographischen Betrachtung Islands genügend Datenmaterial, um das moderne Island unter den eingangs genannten Aspekten weitestgehend darzustellen. In der Stadtgeographie zeigt sich nun ein enger Bezug zu Geschichte, Politik, Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur zum jeweiligen Betrachtungsraum. Somit wäre die Stadtgeographie ein geeignetes Medium um im Rahmen der Landeskunde Islands ein breites Spektrum an landeskundlich relevanten Bereichen anzusprechen, wobei das größte Augenmerk hier zweifelsohne auf humangeographische Aspekte fällt. Abgesehen davon bietet die Stadt Reykjavik, als nördlichste Hauptstadt der Welt einige Eigenheiten, die wohl einzigartig in der Welt sind. Zu nennen wäre hier, daß Reykjavik zu 98% mit geothermaler Energie versorgt wird, sowie daß der in Island weit verbreitete Geisterglaube sogar im Rahmen der Stadtplanung berücksichtigt wird. Im Rahmen einer stadtgeographischen Betrachtung Reykjaviks soll im Folgenden zunächst auf die historische Entwicklung der Stadt und die damit verbundene Siedlungsgeschichte der Insel eingegangen werden, was die Stellung Reykjaviks nochmals hervorhebt. Da auch in Reykjavik mit zunehmendem Stadtwachstum die Umweltprobleme zunehmen, scheint es sinnvoll auch einige Anmerkungen zur Stadtökologie Reykjaviks zu machen, um schließlich anhand dieser beiden Punkte abschließend ein Fazit so wie eine Prognose für die Zukunft zu erstellen.
1. Historische Genese Reykjaviks
Von einer Stadtgenese Reykjaviks im eigentlichen Sinne kann man erst seit dem 19. Jh. sprechen, da Reykjavik in den ersten 900 Jahren seines Bestehens nichts weiter als ein Gehöft darstellte auf dem die Nachfahren Ingolfur Arnarssons lebten.
1.1 Vorstädtische Phase von 877-1786
Aufgrund von politischen Spannungen im 9. Jh. brachen viele Norweger auf der Suche nach neuem Siedlungsraum nach Westen auf. Einer der ersten war Ingolfur Arnarsson, der im Jahre 877 die erste dauerhafte Siedlung Islands unter dem Namen Reykjavik, was soviel heißt wie „Rauchbucht“, gründete. In den folgenden 900 Jahren kam es jedoch noch zu keinem Wachstum dieser Siedlung, was mehrere historische Gründe hatte.[1] 1786 schließlich erhält Reykjavik die Stadtrechte und formell kann ab hier von einer Stadtentwicklung gesprochen werden. Tatsächlich besaß aber Reykjavik zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als 250 Einwohner.[2]
1.2 Die frühe Wachstumsphase von 1786-1920
Die Gründe für die Verleihung der Stadtrechte lagen daran, daß Reykjavik bzw. die der Stadt vorgelagerte Insel Holmur ein wichtiger Handelsort war, sowie einer Vergrößerung der Siedlung durch die Gründung von Textil- und Wollmanufakturen durch Skuli Magnusson.[3] Im Verlauf des 19. Jhds. erlangte Reykjavik zunehmend an Bedeutung, da sich wichtige politische Institutionen wie z.B. der Althing ansiedelten. Dies erklärt auch das mit dem Beginn des 19. Jhds. einsetzenden stetigen Stadtwachstums. Von einer industriellen Revolution wie sie in Mitteleuropa stattgefunden hatte, kann man hier noch nicht sprechen, denn eine vergleichbare Entwicklung setzt erst zu Beginn des 20. Jhds. ein. Zu dieser Zeit erlebte die Fischereiwirtschaft eine starke Konjunktur, was durch modernere Fischfangflotten, sowie dem Ausbau des Hafens bedingt war. Weiterhin wurden weitere wichtige öffentliche Einrichtungen gegründet (Theologisches Seminar als Vorläufer der Universität, Banken) und schließlich erlangte Island nach und nach mehr Autonomie, was eine Grundlage für den künftigen Ausbau der Infrastruktur darstellte. Diese Entwicklung der Stadtbevölkerung Reykjaviks ist gezeichnet durch einen sprunghaften Anstieg der Bevölkerungskurve ab ca. 1900. Verstärkt wurde dieses Wachstum noch von einer durch zunehmende Attraktivität Reykjaviks bedingte Landflucht, die vor allem den SW der Insel betraf.
1.3 Der Bauboom von 1918-1944
Zu Beginn der[4] 20er Jahre setzte als Reaktion auf die rasant steigende Stadtbevölkerung eine intensive Bebauungsphase ein. Das Stadtgebiet erfuhr seine erste bedeutende Expansionsphase. In Bezug auf die Bauweise dachte man in erster Linie pragmatisch und das in dieser Zeit am meisten verwendete Baumaterial war Wellblech, welches billig war und hervorragend gegen die Kälte isolierte. Die meisten älteren Häuser Reykjaviks stammen heute aus dieser Zeit. Zum ersten Mal in der Geschichte Reykjaviks sah man sich nun von einem unkontrollierten Stadtwachstum bedroht und die Stadt mußte reagieren, was sie in Form der 1. Generalsiedlungsplanes 1929 dann auch tat. Teil des 1. Generalsiedlungsplans[5] war die sogenannte Bodenvorratspolitik. Das bedeutete, daß die Stadt einer unkontrollierten Flächenexpansion entgegenkommen wollte, indem sie unbebautes Gelände im Osten der Stadt aufkaufte, um es später in Abstimmung mit dem Generalsiedlungsplans wieder zu verkaufen. Da in den 30er Jahren die Weltwirtschaftskrise auch Island nicht verschonte und Spanien als Hauptabnehmer des isländischen Kabeljaus in einen Bürgerkrieg verwickelt war, ging mit einer langjährigen wirtschaftlichen Rezession auch das allmähliche Ende des sogenannten Baubooms einher.[6]
1.4 Die Stadtentwicklung ab 1944
Schon während des zweiten Weltkrieges kam es in Reykjavik zur Stationierung von zuerst britischen und dann amerikanischen Truppen, was dazu führte, daß die Infrastruktur ausgebaut werden mußte. Dies wiederum führte dazu, daß viele Arbeitsplätze, sowohl bei den Streitkräften selbst, als auch im tertiären Sektor entstanden und Reykjavik eine erneute Wachstumsphase erlebte, die bis heute andauert. Erneut sah man sich mit einem unkontrollierten Stadtwachstum konfrontiert und zunächst konnte das Wohnungsangebot der rasanten Zuwanderung nicht standhalten. Im Bereich der Stadtperipherie kam es so zu Marginalsiedlungen, wo die Menschen zum Teil verlassene Militärbaracken bewohnten. Um das schlimmste zu vermeiden, baute man deshalb mehrstöckige Wohnblocks. Zu diesem Zeitpunkt erstreckte sich das Stadtgebiet schon bis zum östlich gelegenen Ellida-Fluß. Diese massive Wohnungsnot, die bis in die 60er Jahre hinein andauerte, führte schließlich dazu, daß 1965 ein neuer Generalsiedlungsplan erstellt wurde, der bis zum Jahre 1983 realisiert werden sollte. In diesem Plan wurde beschlossen, die Gebiete östlich des Ellidaar zu bebauen, um der Wohnungsnot Herr zu werden. So kam es in den 70er Jahren zu den Neubaugebieten Breidholt I-III und Arbaer. Als Folge davon verlagerte sich der Bevölkerungsschwerpunkt Reykjaviks immer weiter ostwärts, was wiederum neue Probleme mit sich brachte. Die Probleme bestanden nämlich darin, daß eine immer größer werdende räumliche und funktionale Diskrepanz zwischen dem Citybereich und den Neubaugebieten entstand. Die Entfernung vom Wohnort im Osten zu den Arbeitsplätzen, die vorwiegend im Westen waren, nahm zu. Auch fehlte es zunächst an Versorgungseinrichtungen in den neuen Wohngebieten. Diese Situation veranlaßte deshalb die Stadtplaner einen neuen, östlicher gelegenen City-Bereich zu schaffen, der diese Diskrepanzen etwas ausgleichen sollte.
Die Problematik der Stadtplanung hat sich also ab den 80er Jahren erneut verschoben. Das Bevölkerungswachstum, was zum einen natürlich und zum anderen durch die anhaltende Landflucht bedingt ist, hält an und die Stadt muß sich weiterhin bemühen neuen Wohnraum zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig aber müssen die neuen Wohngebiete besser an die Innenstadt sowie die Gewerbegebiete angeschlossen werden, was einen Interessenkonflikt in Bezug auf die erhaltenswerten, innerstädtischen Grünflächen bedeutet. Aufgrund dessen wurde abermals ein neuer Generalplan erstellt, der diese Probleme aufgreift und bis 2010 realisiert werden soll.
[...]
[1] Anm.: Gründe für diese Stagnation waren u.a.: Die Eingliederung Islands unter die dänische Krone, Vulkanausbrüche, Mißernten, Pest, schlechte Versorgung von außen, das dänische Handelsverbot, sowie die Verwicklung des Mutterlands Dänemark in große Kriege.
[2] Vgl.: Schnütgen, A.: Island, Köln 1988, S. 228
[3] ebenda
[4] Anm.: 1918 ist ein markantes Datum für die Stadtgeschichte Reykjaviks, da in diesem Jahr Island von Dänemark ein Autonomiestatus gebilligt wurde, womit Reykjavik nun endgültig seinen Status als Hauptstadt bekam. 1944 endete die Personalunion mit Dänemark und man rief im Thingvellir die Isländische Republik aus.
[5] Anm.: Im 1. Generalsiedlungsplan wurden weiterhin eine Bauhöhenbegrenzung, sowie ein Verbot der Hofbebauung festgelegt, was im Zusammenhang mit der Bodenvorratspolitik dazu führte, daß sich noch heute im Stadtbereich sehr viele Freiflächen finden lassen, sowie insgesamt eine sehr aufgelockerte Bebauung vorherrscht.
[6] Vgl.: Priebs, A., Ragnheidur, M.: Reykjavik in: Geographische Rundschau 1987, Nr. 4, S.191-197
- Quote paper
- M.A. pol. Simon Stumpf (Author), 2000, Stadtgeographie von Reykjavik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61587
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