„Jetzt hat die ARD ihr Watergate“ titelte Hanfeld (2005a, S. 1) im Juni 2005 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Schleichwerbeskandal scheint in der Tat zu den größten Herausforderungen zu zählen, mit denen die ARD in ihrer Geschichte bislang konfrontiert wurde. Das Phänomen Schleichwerbung ist in der Fernsehbranche nicht neu. Immer wieder tauchen vereinzelte Fälle von Produktplatzierungen in redaktionellen Programmen auf. Der ARD-Schleichwerbeskandal ist aber von einer neuen Qualität. Hanfeld (2005a, S.1) beschreibt die Beweislage hier als „extrem und erdrückend.“
Über zehn Jahre lang wurde in ARD-Produktionen schleichgeworben, besonders betroffen waren dabei die Vorabend-Serie „Marienhof“ und die Krimi-Reihe „Tatort“. Kapitel 2 fasst die Recherchen des epd-Redakteurs Lilienthal zu diesen Vorgängen zusammen und liefert eine knappe Chronologie der Ereignisse im ARD-Schleichwerbeskandal. Im Blickpunkt stehen dabei die Zusammenhänge zwischen der ARD, den verantwortlichen Produktionsfirmen und den Placement Agenturen, die den Kontakt zur geldgebenden Privatwirtschaft herstellten.
Anschließend soll die Frage beantwortet werden, was genau hinter den Begriffen „Werbung“ und „Schleichwerbung“ steht und wie diese voneinander abzugrenzen sind. Dazu werden Definitionen gewählt, die verschiedene Ansätze verfolgen, z.B. aus den Bereichen Rechtswissenschaft oder Wirtschaftswissenschaft. In Abschnitt 3 werden zudem einige prägnante Fälle von Schleichwerbung detailliert dargestellt. Kapitel 4 liefert eine rechtswissenschaftliche Betrachtung des Themas „Schleichwerbung“. Die Bestandsaufnahme der berufsethischen Richtlinien und der nationalen und europaweiten Rundfunkgesetzgebung beschäftigt sich insbesondere mit dem Trennungsgebot von Werbung und Programm und den Fragen nach journalistischer Glaubwürdigkeit und der Transparenz von redaktioneller Arbeit. Hier wird außerdem diskutiert, über welchen regulierenden Einfluss die bestehenden Kontrollgremien und Sanktionserwartungen auf die aktuellen (Schleich-)Werbemethoden in der deutschen Fernsehlandschaft verfügen.
Aktuelle Zahlen zur Mediennutzung und zu den Werbeumsätzen der öffentlichrechtlichen und privaten TV-Sender werden in Kapitel 5 vorgestellt. Sie belegen einerseits, dass Fernsehen ein wichtiges Medium zur Verbreitung werberelevanter Informationen darstellt.
Inhaltsverzeichnis:
1. Einleitung
2. Die Chronologie der aktuellen Ereignisse im ARD-Schleichwerbeskandal
3. Begriffsklärungen und Abgrenzungen zwischen Werbung und Schleichwerbung
3.1 Der Begriff „Werbung“
3.1.1 Die Definition von „Werbung“ im wirtschaftswissenschaftlichen und medienpolitischen Kontext
3.1.2 Die konstituierenden Kriterien für Werbung
3.1.3 Mögliche Erscheinungsformen von Werbung im Fernsehen
3.2 Der Begriff „Schleichwerbung“ („Placement“)
3.2.1 Die Definition von „Schleichwerbung“
3.2.2 Mögliche Erscheinungsformen von Schleichwerbung im Fernsehen
3.2.3 Klassifikationsschema zum Product Placement
3.3 Ausgewählte Beispiele von Product Placement im ARD-Schleich- werbeskandal
3.3.1 Visual und Verbal Placement in der ARD-Serie „Marienhof“
3.3.2 Verbal Placement in der ARD-Krimi-Reihe „Tatort“
3.4 Product Placement im Programm des ZDF
4. Der rechtliche Rahmen zur Rundfunkwerbung im Überblick
4.1 Die berufsethischen Richtlinien im deutschen Fernsehen zur Trennung von Werbung und Programm
4.1.1 Publizistische Grundsätze - Der Pressekodex
4.1.2 Die DRPR-Richtlinien über Product Placement und Schleichwerbung
4.1.3 Die Werberichtlinien von ARD und ZDF
4.1.4 Der Rundfunkrat als Kontrollgremium innerhalb der ARD-Anstalten
4.2 Die nationale und internationale Mediengesetzgebung zur Trennung von Werbung und Programm
4.2.1 Die EU-Richtlinie „Fernsehen ohne Grenzen“
4.2.2 Die Rundfunkstaatsverträge
4.2.3 Die Werberichtlinien der Landesmedienanstalten als Konkretisierung der rundfunkstaatlichen Anforderungen
4.2.4 Aufsichtsorgane, Kontrollverfahren und mögliche Sanktionen zur Durchsetzung des Trennungsgebots von Werbung und Programm
4.3 Die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks auf Grund- lage der Rundfunkurteile des Bundesverfassungsgerichts
5. Aktuelle Zahlen zur Medienrezeption und zu den Werbeumsätzen der TV-Sender
5.1 Die Mediennutzungsdauer pro Tag im Jahr 2005
5.2 Die durchschnittliche Fernsehnutzung im Tagesverlauf im Jahr 2004
5.3 Die Werbeumsätze der Medienbranchen im Jahr 2004
5.4 Aktuelle Umfragen zum Thema Schleichwerbung im deutschen Fernsehen
5.4.1 Umfrage von EMNID und „auf einen Blick“ zum Thema „Auffälligkeit und Legalisierung von Schleichwerbung im Fernsehen“
5.4.2 Umfrage von EMNID und des ddp zum Thema „Auffälligkeit von Schleichwerbung im Fernsehen“
6. Die Rezeption von Fernsehwerbung durch den Zuschauer
6.1 Das Werbewirkungsmodell nach MacInnis & Jaworski
6.2 Die Ebenen kommunikativer Abgrenzungen zwischen Werbung und Programm
6.2.1 Die Systematik werblicher Erscheinungsformen
6.2.2 Mögliche Abgrenzungsprobleme zwischen Werbung und Programm
6.3 Das Verhalten der Zuschauer bei Fernsehwerbung
6.4 Die Beurteilung von TV-Werbeformen durch den Zuschauer
6.5 Die „Theorie der Reaktanz“ als Erklärungsmodell für die negative Beurteilung von Fernsehwerbung durch den Rezipienten
6.6 Das Elaboration-Likelihood-Modell nach Petty & Cacioppo
7. Zusammenfassung und Ausblick
8. Abbildungsverzeichnis
9. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
„Jetzt hat die ARD ihr Watergate“ titelte Hanfeld (2005a, S. 1) im Juni 2005 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Der Schleichwerbeskandal scheint in der Tat zu den größten Herausforderungen zu zählen, mit denen die ARD in ihrer Geschichte bislang konfrontiert wurde. Das Phänomen Schleichwerbung ist in der Fernsehbranche nicht neu. Immer wieder tauchen vereinzelte Fälle von Produktplatzierungen in redaktionellen Programmen auf. Der ARD-Schleichwerbeskandal ist aber von einer neuen Qualität. Hanfeld (2005a, S.1) beschreibt die Beweislage hier als „extrem und erdrückend.“
Über zehn Jahre lang wurde in ARD-Produktionen schleichgeworben, besonders betroffen waren dabei die Vorabend-Serie „Marienhof“ und die Krimi-Reihe „Tatort“. Kapitel 2 fasst die Recherchen des epd-Redakteurs Lilienthal zu diesen Vorgängen zusammen und liefert eine knappe Chronologie der Ereignisse im ARD-Schleich-werbeskandal. Im Blickpunkt stehen dabei die Zusammenhänge zwischen der ARD, den verantwortlichen Produktionsfirmen und den Placement Agenturen, die den Kontakt zur geldgebenden Privatwirtschaft herstellten.
Anschließend soll die Frage beantwortet werden, was genau hinter den Begriffen „Werbung“ und „Schleichwerbung“ steht und wie diese voneinander abzugrenzen sind. Dazu werden Definitionen gewählt, die verschiedene Ansätze verfolgen, z.B. aus den Bereichen Rechtswissenschaft oder Wirtschaftswissenschaft. In Abschnitt 3 werden zudem einige prägnante Fälle von Schleichwerbung detailliert dargestellt.
Kapitel 4 liefert eine rechtswissenschaftliche Betrachtung des Themas „Schleichwerbung“. Die Bestandsaufnahme der berufsethischen Richtlinien und der nationalen und europaweiten Rundfunkgesetzgebung beschäftigt sich insbesondere mit dem Trennungsgebot von Werbung und Programm und den Fragen nach journalistischer Glaubwürdigkeit und der Transparenz von redaktioneller Arbeit. Hier wird außerdem diskutiert, über welchen regulierenden Einfluss die bestehenden Kontrollgremien und Sanktionserwartungen auf die aktuellen (Schleich-)Werbemethoden in der deutschen Fernsehlandschaft verfügen.
Aktuelle Zahlen zur Mediennutzung und zu den Werbeumsätzen der öffentlich-rechtlichen und privaten TV-Sender werden in Kapitel 5 vorgestellt. Sie belegen einerseits, dass Fernsehen ein wichtiges Medium zur Verbreitung werberelevanter Informationen darstellt. Andererseits stützen sie die Annahme, dass Schleichwerbung – zumindest im Umfeld der öffentlich-rechtlichen Anbieter – aus wirtschaftlichen Gründen motiviert ist. Im Anschluss daran werden Umfragen präsentiert, die sich mit der Zuschauerwahrnehmung von Schleichwerbung und der Frage der Legalisierung von Product Placement befassen.
Kapitel 6 beschäftigt sich mit theoretischen Ansätzen und einigen empirischen Befunden zur Rezeption von Fernsehwerbung durch den Zuschauer. In diesem Kontext stehen die Wahrnehmung und die Beurteilung der bisher gängigen Werbeformen im Fernsehen durch den TV-Konsumenten im Vordergrund. Die Ergebnisse sollen die Hypothese stärken, dass zur Platzierung von Werbeinformationen im redaktionellen Programm das ausweichende bzw. reaktante Verhalten der Fernsehzuschauer mitverantwortlich ist.
Abschließend werden die herausgearbeiteten Befunde und Erkenntnis gebündelt und zusammenfassend beschrieben. Dabei kristallisiert sich heraus, dass die Diskussion über den ARD-Schleichwerbeskandal vor allem die rechtlichen Instanzen, die Werbewirtschaft, die Programmveranstalter und auch den Zuschauer betrifft. Letztlich werden einige Aspekte zur Diskussion gestellt, die im Zusammenhang mit Schleichwerbung, der Entwicklung von Informationstechnologien und rechtlichen Gesichtspunkten relevant sind. Sie sollen einen Ausblick wagen, welche Aspekte zur Abgrenzung von Werbung und Programm bzw. Werbung und Schleichwerbung künftig stärker berücksichtigt werden könnten.
Diese Arbeit umfasst zwei wesentliche Schwerpunkte. Zum einen sollen klare begriffliche Abgrenzungen zwischen „Werbung“ und „Schleichwerbung“ vorgenommen werden. Das andere Ziel dieser Arbeit besteht darin, zwei Kausalitäten herauszuarbeiten, die das Entstehen von Schleichwerbung begünstigen. Zum einen spielen wirtschaftliche Interessen zum Tragen, zum anderen spielt das Zuschauerverhalten bei Fernsehwerbung eine Rolle. Zur Analyse dieser beiden Ursachen wird ein interdisziplinärer Ansatz verwendet. Es werden rechtswissenschaftliche Erkenntnisse, aber auch medienpsychologische und wirtschaftswissenschaftliche Aspekte herangezogen, um die zunehmende Verbreitung von werberelevanten Informationen in redaktionellen Fernsehprogrammen zu erklären.
2. Die Chronologie der aktuellen Ereignisse im ARD-Schleichwerbeskandal
Die Diskussion über das Trennungsgebot zwischen Werbung und Programm ist keine Neuheit. Bereits in der Vergangenheit war das Phänomen Schleichwerbung Gegen- stand zahlreicher juristischer und politischer Auseinandersetzungen. Die Recherchen des leitenden epd[1] -Redakteurs Volker Lilienthal enthüllten jedoch eine neue Dimension von professionell organisiertem Product Placement, insbesondere im Vorabendprogramm der ARD. Im Juni 2005 veröffentlichte Lilienthal das Ergebnis seiner langjährigen Untersuchungen. Allein in der ARD-Serie „Marienhof“ (siehe Kapitel 3.3.1) soll es über die Dauer von mehr als zehn Jahren zu 117 Fällen von Product- und Themen Placement gekommen sein. Auch weitere Produktionen im „Ersten“ waren betroffen. Laut Rosenbach und Wassermann (2005, S.12) waren unter anderem zwölf Fälle von Schleichwerbung „in der Sachsenklinik-Serie ‚In Aller Freundschaft’ entdeckt worden, sieben konkrete Verdachtsfälle in der prestigeträchtigen Krimi-Reihe ‚Tatort’.“
Für die genannten Formate sind u.a. die Produktionsfirma Bavaria Film GmbH, sowie deren Töchter Saxonia (Leipzig), Colonia Media (Köln) und Maran Film (Baden-Baden) verantwortlich. Die Platzierung einzelner Produkte im Programm organisierte u.a. die H+S Placement Agentur. Sie stellte die Kontakte zwischen den Werbetreibenden und den Produktionsverantwortlichen her. Die ARD ist in die Produktions- und Placementvorgänge nur indirekt involviert. Die besagten Firmen werden jedoch mehrheitlich öffentlich-rechtlich getragen. Rosenbach und Wassermann (2005, S. 12) halten fest, dass gegenwärtig im Aufsichtsrat der Bavaria „mit Fritz Pleitgen (WDR), Thomas Gruber (BR), Udo Reiter (MDR) und Peter Voß (SWR) vier ARD-Intendanten sitzen.“ Durch Gesellschafterausschüttungen fließen außerdem die durch die Bavaria erwirtschafteten Gelder wieder in die beteiligten ARD-Anstalten zurück. Die ARD hatte damit wesentlichen Einfluss auf die Kontrollinstanzen der Bavaria und war so auch für Produktionsvorgänge mitverantwortlich. Zum anderen profitierten WDR, BR, MDR und SWR über Umwege von den illegalen Mehreinnahmen, die durch Schleichwerbung erzielt wurden.
Nachdem die Schleichwerbevorwürfe bekannt wurden, reagierte die ARD zunächst in Form von sieben Abmahnungen gegenüber Bavaria-Mitarbeitern und der fristlosen Kündigung zweier verantwortlicher Produzenten, sowie des „Marienhof“-Chefdrama-turgen. Neben den personellen Konsequenzen veranlasste die ARD eine Überprüfung der Produktionen von Bavaria und deren Tochterfirmen. Die Wirtschaftsprüfer und internen ARD-Revisoren beschränkten sich hierbei auf den Zeitraum der zurückliegenden drei Jahre. Rosenbach und Wassermann (2005, S. 12) kritisieren dies, da es eher eine „Stichprobe als eine ultimative Bilanz“ sei.
Das Ausmaß des Schleichwerbeskandals geht in die siebenstelligen Summen. Hanfeld (2005b, S.1) verweist darauf, dass es allein in den Serien „Marienhof“ und „In aller Freundschaft“ im Zeitraum „zwischen Januar 2002 und Mai 2005 Schleichwerbung im Wert von 1,476 Millionen Euro gegeben“ hat. Der Großteil dieses Betrages geht auf die illegalen Fälle von Product- und Themen Placements im „Marienhof“ zurück. Hanfeld (2005b, S.1) nennt hier einen Anteil von „achtzig Prozent.“ Dabei unterscheiden sich die Preise für Werbeplatzierungen innerhalb der TV-Formate. So hat nach Hanfeld (2005b, S. 1) die „Schleichwerbung im ‚Marienhof’ im Einzelfall zwischen 7600 und 11.000 Euro“ gekostet. „Bei ‚In aller Freundschaft’, wo für medizinische und pharmazeutische Produkte schleichgeworben werden kann, lag der Einzelpreis mit 25.000 Euro noch bedeutend höher.“
Die anfänglich genannten Beträge stellten dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit nur einen Bruchteil des Gesamtwertes dar. Rosenbach und Wassermann (2005, S. 113) merken an, dass die Vorkommnisse deutlich weiter zurückreichen „als die geprüften drei Jahre.“ Die Enthüllungen im Schleichwerbeskandal kamen dabei nach und nach zu Tage, obwohl der ARD-Vorsitzende Gruber in der Spiegel-Ausgabe 27/2005 befürchtete, dass nichts schlimmer wäre, „als wenn scheibchenweise neue Fälle auftauchten.“ Weitere Ermittlungen im Zeitraum Juli und August 2005 brachten jedoch nicht nur weitere Fälle von Schleichwerbung hervor, sondern zeigten auch, dass die ARD stärker in die Vorgänge eingebunden war, als bis zu diesem Zeitpunkt öffentlich zugegeben wurde. Der öffentlich-rechtliche Programmveranstalter verwies in der Schuldfrage vor allem auf Produzenten und Agenturen. Tatsächlich informierte der Bavaria Chef-Produzent, Bechtle, den Geschäftsführer der Bavaria, Kleine, bereits im Jahr 2000 über die Vorgänge bei „Marienhof“. Die Lilienthal-Recherchen waren der Bavaria Film GmbH seit 2003 bekannt. Die H+S Placement-Agentur prozessierte 2003 zunächst erfolgreich gegen die Veröffentlichung der Ergebnisse mit dem Argument, Lilienthal habe auf unrechtmäßige Weise recherchiert. Das Oberlandesgericht München hob das Urteil am 20.01.2005 wieder auf[2].
Das Schleichwerbeproblem bei „Marienhof“ wurde ab 2003 auch im Umfeld des ARD-Programmdirektors Struve wahrgenommen. Laut Rosenbach und Wassermann (2005. S. 114) wussten von den Vorgängen bei „Marienhof“ „mindestens: ein BR-Jurist, eine BR-Redakteurin, der Chef der ARD-Werbung, der Leiter Marketing aus Struves Programmdirektion und spätestens nach dem 10. Mai 2004 auch der Programmchef selbst.“ Die Kenntnisse über die Schleichwerbepraktiken änderten zunächst nichts an den Produktionsvorgängen bei der Bavaria Film GmbH. Niggemeier (2005, S. 3) merkt ebenfalls an, dass auch „hernach weiter schleichgeworben“ wurde. Rosenbach und Wassermann (2005. S. 114) konkretisieren diesen Vorwurf: „Die letzten Abrechnungen (der H+S Placement Agentur) datieren aus dem Frühjahr 2005.“
Die nun folgende öffentliche Debatte um die Schleichwerbefälle veranlasste die ARD erste Maßnahmen gegen die illegalen Praktiken zu ergreifen[3]. Im August 2005 beschlossen die Sender-Intendanten die Einsetzung einer sogenannten Clearing-Stelle. Die Arbeitsgruppe unter Leitung des SWR-Justiziars Eicher sollte die Aufklärung der Schleichwerbungsfälle vorantreiben und ihre Bekämpfung koordinieren. Zu den Hauptaufgaben sollen kontinuierliche Programmbeobachtung, die Androhung von Vertragsstrafen, sowie eine Verpflichtung der Produzenten gehören, Details zur Zusammenarbeit mit Dritten offenzulegen.
Im Oktober 2005 wurden dennoch weitere Fälle von Schleichwerbung publik. Im ARD-Film „Brief eines Unbekannten“ mussten nachträglich verdächtige Szenen von Product Placements befreit werden. Auch andere Programmveranstalter sahen sich Schleichwerbevorwürfen ausgesetzt. Die „Haribo-Affäre“ im Magazin „hallo Deutschland“ (siehe Kapitel 3.4) beschäftigte den ZDF-Fernsehrat. Im Formel 1-Magazin des RTL wurden auffällig viele Präsentationen des Postunternehmens DHL beobachtet. Im Sat 1-Frühstücksfernsehen kauften Firmen eigene Experten in Service-Beiträge ein. Der Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telekommunikation, Doetz, räumte ein, dass es auch im privaten Fernsehen Schleichwerbung gegeben habe, hofft aber zugleich auf eine Freigabe von Product Placement durch die EU.
Die Pläne der Europäischen Union, die Werberegelungen zu lockern, stoßen jedoch
auch auf Kritik. Der CDU-Kulturstaatsminister Neumann betonte in einem Interview mit dem Evangelischen Pressedienst das „entschiedene Anliegen der Bundesregierung, dass die Programmgestaltung allein an redaktionellen Kriterien orientiert ist und die Trennung von Werbung und Programm strikt eingehalten wird.“ Die EU-Kommission für Informationsgesellschaft und Medien unter Leitung der luxemburgischen Kommissarin Reding hatte im Dezember 2005 einen Entwurf für die Neufassung der EU-Fernsehrichtlinie[4] (siehe Kapitel 4.2.1) verabschiedet. Unter anderem soll damit die Schleichwerbung für bestimmte Produkte zugelassen werden. Allerdings müssen die Fernsehzuschauer darüber zu Beginn der Sendung informiert werden.
In eine andere Richtung gehen die Überlegungen des SWR-Intendanten Voß[5]. Die Erwägung eines langfristigen Werbeverzichts im öffentlich-rechtlichen Rundfunk sieht er mithilfe einer schrittweisen Kürzung der Werbezeit in Verbindung mit entsprechenden Gebührenerhöhungen realisierbar. Allerdings soll das Sponsoring vor allem bei Sportübertragungen beibehalten werden, um die Wettbewerbsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Programme gegenüber den privaten Veranstaltern zu wahren. Eine solche Entwicklung sieht Voß zur Zeit aufgrund einer nötigen Gebührenerhöhung auf 18,27 Euro als politisch nicht durchsetzbar. Sie könnte jedoch unter Umständen die Einhaltung des Trennungsgebots von Werbung und Programm fördern, da die Quantität von Werbeinhalten zugunsten der redaktionell erstellten Programmelemente abnehmen würde.
3. Begriffsklärungen und Abgrenzungen zwischen Werbung und Schleichwerbung
Für die Differenzierung zwischen Werbung und Schleichwerbung im Fernsehen ist die Frage wichtig, auf welche Weise werberelevante Informationen in das Programm der Fernsehveranstalter integriert sind und so den Zuschauer erreichen können. Im folgenden Kapitel sollen klare Definitionen und die Darstellung möglicher Erscheinungsformen von „Werbung“ und „Schleichwerbung“ die Begriffe inhaltlich voneinander abgrenzen. Anschließend werden ausgewählte Beispiele von Placement dargestellt, darunter auch Fälle des aktuellen ARD-Schleichwerbeskandals.
3.1 Der Begriff „Werbung“
3.1.1 Die Definition von „Werbung“ im wirtschaftswissenschaftlichen und medien-politischen Kontext
Eine eindeutige Klärung des Begriffs „Werbung“ lässt sich nur schwer vornehmen. Woelke (2002, S. 50) konstatiert, dass „der Begriff Werbung in der Werbeforschung – unabhängig davon, ob diese kommunikations-, sprach-, wirtschafts- oder kulturwissenschaftlich angeleitet ist – nicht einheitlich bestimmt ist. Die Begriffsverwendung richtet sich nach dem Diskussionskontext. Im Zusammenhang mit dem ARD-Schleichwerbeskandal sind zwei Faktoren entscheidend. Zum einen muss eine Definition das wirtschaftliche Ziel der werbenden Handlung berücksichtigen, zum anderen muss sie aber auch auf den medialen Übertragungsweg eingehen. Hierzu bieten sich zwei ergänzende Beschreibungen von „Werbung“ an.
Moser (1990, S. 47) orientiert sich eher an wirtschaftspolitischen Aspekten. Er versteht „Werbung als Anbahnung von Beziehungen in Absatz- und Beschaffungsmärkten zur Auslösung von Kaufprozessen […]. Hierbei geht es um kurzfristige und langfristige Wirkungen in Form von Verhaltensbeeinflussungen (Kauf).“ Werbung im Fernsehen wird demnach der Wirtschaftswerbung gleichgesetzt.
Mefferts Definition (1986, S. 119) betont dagegen stärker den Aspekt der Übertragung werberelevanter Informationen. Seinem Verständnis nach ist Werbung „die absatzpolitischen Zwecken dienende, absichtliche und zwangsfreie Kundenbeeinflussung mit Hilfe spezieller (Massen-) Kommunikationsmittel.“
Werbung im Fernsehen kann sehr unterschiedlich ausgeprägt sein (siehe Kapitel 3.1.3). Dies ist auch in der Rechtsprechung von Bedeutung. Laut Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 55) ist für rundfunkrechtliche Einordnung „letztlich entscheidend, welche Formen der Instrumentaleinsatz annehmen kann.“ Sie berufen sich dabei auf Pepels (1996, S. 20), der als eine mögliche Form der Produktinformation die „unbewusste Werbung“ sieht, „bei der die Botschaft zwar wahrnehmbar ist, aber nicht als Werbung erkannt wird. Dies gilt etwa für Bereiche der Schleichwerbung, des Sponsorings und des Product Placement. Hier ist Werbung integrativer Bestandteil von Redaktion oder Ereignissen und partizipiert an deren Aufmerksamkeit.“ Die Definition von Pepels weist zwei wesentliche Besonderheiten auf: Product Placement wird hier zum einen mit der klassischen Form von Werbung gleichgesetzt, zum andern fällt Product Placement nicht in den Bereich der Schleichwerbung. Der Auslöser des aktuellen ARD-Schleichwerbeskandals waren jedoch vornehmlich Fälle von Product Placement. Nach Pepels sind die Redaktionen für Product Placement verantwortlich, in deren Aufgabenbereich jedoch primär die inhaltlichen Aspekte der Programmgestaltung fallen. Die Definition von Pepels weist somit eine – vermutlich beabsichtigte – Tendenz zur Vermengung und damit Trennungsunschärfe von Werbung und Programm auf. Das erkennen auch Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 55), denn die Intention dieses Definitionsansatzes entspricht derjenigen „der Werbewirtschaft, die neben der klassischen Spotwerbung programmorientierte werbliche Elemente per se als Nicht- Werbung deklarieren möchte.“
3.1.2 Die konstituierenden Kriterien für Werbung
Aus den oben genannten Definitionen lassen sich im Wesentlichen fünf zentrale Charakteristika von Werbung ableiten. Dazu zählen:
- Werbegegenstand, z.B. Produkte, Dienstleistungen, Unternehmen, oder Ideen,
- Werbeziel, z.B. Meinungen, Kognitionen, Emotionen, Motivationen, Verhaltensbeeinflussung,
- Werbeinstrument: systematisch und strategisch angewendete Gestaltungsmittel,
- Art der Kommunikation: Versuch, Werbeziel durch Beeinflussung zu erreichen,
- sowie Verbreitungskanäle: Verbreitungsmedien für die öffentliche Kommunikation.
Diese konstituierenden Merkmale von Werbung können dabei variieren. Sie müssen nicht alle parallel oder in gleichem Ausmaß vorhanden sein. Woelke (2002, S. 54) fällt ebenfalls auf, „dass die Kriterien nicht gleich häufig vorkommen.“ Dabei bestätigt er jedoch die in Kapitel 3.1.1 dargelegte Tendenz, Werbung im allgemeinen Sinne mit Absatzwerbung gleichzusetzen. Nach Woelke (2002, S. 55) trägt dazu entscheidend bei, dass als Zielkriterien „seltener außerökonomische, häufiger dagegen ökonomische (Absatz, Markenbindung) oder kommunikative (Bekanntmachung / Imageverbesserung) benannt“ werden. Dabei sollte bei aller Rücksichtnahme auf das Trennungsgebot zwischen Werbung und Programm nicht vergessen werden, dass Fernsehwerbung im wesentlichen zur Finanzierung ganz besonders der privaten, aber auch zu einem wichtigen Teil der öffentlich-rechtlichen Sender beiträgt und somit absatzpolitische Intentionen bei Fernsehwerbung im Vordergrund stehen müssen (siehe Kapitel 5.3).
3.1.3 Mögliche Erscheinungsformen von Werbung im Fernsehen
Die Erscheinungsformen von audiovisueller Fernsehwerbung sind sehr unterschiedlich ausgeprägt (vgl. Abbildung 1). Die Unterbrechungswerbung gilt dabei als die älteste Werbeform und findet innerhalb einer geschlossenen Programmeinheit statt. Woelke (2002, S. 14 f.) unterscheidet im Bereich der klassischen Werbespots „zwischen folgenden gestaltungsspezifischen Grundmustern:“
- Presenter / Spokesman: Produkte oder Dienstleistungen werden dabei von einer Person als besonderes empfehlenswert vorgestellt. Die Rolle des Presenters ist der eines Nachrichtenmoderators ähnlich
- Testimonial / Typical Person Endorser: Das Produkt wird hierbei von einer Person vorgestellt, die auf den Zuschauer sympathisch, glaubwürdig und kompetent wirken soll
- Drama / Story Telling: Dargestellt werden außergewöhnliche Situationen und Umgebungen oder fiktionale Gegebenheiten, z.B. Traumwelten. Die Produktinformationen erscheinen erst am Ende des Werbespots und auch meistens nur in Form eines Marken- oder Firmenlogos
- Slice-if-Life / Mainstream: Musterbeispiel sind hierbei das Symbol der glücklichen Familie. Die Szenen sind konventionell gestaltet und handeln in der Regel vom familiären Alltag
- Demonstration: Die Funktionsweise und Leistungen des Produktes werden aufgezeigt. Bisweilen finden auch Vergleiche mit anderen (Konkurrenz-) Produkten statt
- Problemlösung: Zu Beginn des Spots wird ein Problem skizziert. Das beworbene Produkt eignet sich zur Problemlösung
- Humor / Satire: Hier stehen humoristische Elemente oder Geschichten im Stil einer Comedy-Sendung im Vordergrund
- Musik: Die Werbeinformationen werden durch dominante Hintergrundmusik verstärkt oder von einem Darsteller vorgetragen, der das beworbene Produkt besingt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Erscheinungsformen von Fernsehwerbung
Quelle: Eigene Grafik (2005)
Die Entwicklung der Werbespots geht dabei hin zu neuen Präsentationsmöglichkeiten, die sich an den Produktionsmethoden verschiedener Fernsehformate orientiert. Das lässt sich vermehrt im Bereich der Sonderwerbeformen bzw. der sogenannten „hybriden Werbung“ beobachten. Diese Tendenz wird von Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 54) bestätigt. Sie weisen darauf hin, „dass die Erscheinungsformen der Werbung sich in jüngster Zeit immer mehr ausdifferenzieren und Präsentationsweisen anderer Fernsehgenres adaptieren.“
Außerdem wird die Entstehung neuer Werbeformen durch den technischen Fortschritt begünstigt. Eine besondere Rolle kommt dabei der digital aufbereiteten virtuellen Werbung zu. Sie ist nur für den Zuschauer am Bildschirm sichtbar und wird vornehmlich bei Fußballübertragungen eingesetzt. Zum Beispiel wird das Markenlogo der Sponsoren vor dem Spielbeginn in einer totalen Kameraeinstellung über der Fläche des Spielfeldes eingeblendet.
Woelke (2002, S. 28) ordnet der virtuellen Werbung drei wesentliche Merkmale zu. Zunächst besteht die Gefahr einer Vermischung von Werbung und Programm, da „die Werbebotschaft Bestandteil eines Ereignisses ist, das selbst nicht Objekt der Werbung ist, d.h. sie wird in redaktionelle Programmteile eingebunden.“ Die Werbetreibenden sind mittels der virtuellen Werbung in der Lage, ihre werberelevanten Information produkt- und zielgruppenorientierter einzusetzen, denn „am Veranstaltungsort ist eine andere Werbebotschaft wahrnehmbar als bei der Übertragung im Fernsehen. Unter Umständen ist am Veranstaltungsort überhaupt gar keine Werbebotschaft wahrnehmbar.“ Außerdem ist die Wirkung der Werbeinformationen bei virtueller Werbetechnik ungleich höher als bei normalen Werbeformen. Die Intensität der Produktbotschaften ist am Veranstaltungsort nur in dem Maße wahrnehmbar, wie für diese auch „real Platz“ vorhanden ist. In der digitalen Übertragung können dagegen „so viele Botschaften untergebracht werden, wie Signale zu den Empfangsgeräten gelangen“. Dabei muss jedoch berücksichtigt werden, dass Werbeinformationen zwar in hohen Taktfrequenzen übertragen werden könnten. Sie müssten jedoch auch von den Zuschauern kognitiv verarbeitet werden können. Die Fähigkeit des TV-Konsumenten zur Rezeption der Werbebotschaften setzt den Möglichkeiten der virtuellen Werbung Grenzen.
3.2 Der Begriff „Schleichwerbung“ („Placement“)
3.2.1 Die Definition von „Schleichwerbung“
Im Hinblick auf die Trennung von Werbung und Programm ist Schleichwerbung laut Rundfunksstaatsvertrag unzulässig und wird definiert als:
„[…] die Erwähnung oder Darstellung von Waren, Dienstleistungen, Namen, Marken oder Tätigkeiten eines Herstellers von Waren oder eines Erbringers von Dienstleistungen in Programmen, wenn sie vom Veranstalter absichtlich zu Werbezwecken vorgesehen ist und die Allgemeinheit hinsichtlich des eigentlichen Zweckes dieser Erwähnung oder Darstellung irreführen kann. Eine Erwähnung gilt insbesondere dann als zu Werbezwecken beabsichtigt, wenn sie gegen Entgelt oder eine ähnliche Gegenleistung erfolgt.“[6]
Das deutsche Rundfunkrecht kennt keine Unterscheidung zwischen Schleichwerbung und Product Placement. Dass diese beiden Varianten – beispielsweise von Vertretern des privaten Rundfunks oder der Werbeindustrie – definitorisch voneinander abgegrenzt werden, hängt unter anderem mit wirtschaftlichen Interessen zusammen. Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S.79) bestätigen das in Kapitel 2 beschriebene Bestreben, so „Product Placement als ein eigenständiges Instrument der Marketingkommunikation zu etablieren und langfristig zu legalisieren bzw. seine Duldung zu erreichen.“
In der Praxis kann Schleichwerbung auf zwei Arten stattfinden: Zum einen in beabsichtigter Form oder aber zum anderen durch Produktbotschaften, die unbeabsichtigt im Programm wiedergegeben werden. Woelke (2002, S. 24) spricht in diesem Kontext ebenfalls von Werbebotschaften im redaktionellem Programm, „die von Fernsehveranstaltern oder Redaktionen unbeabsichtigt und nicht kalkuliert sind.“ Er zählt hierzu beispielsweise „Markenembleme oder Firmenlogos, welche sich auf Kleidungsgegenständen von Interviewpartnern im Studio oder bei Übertragungen von Ereignissen und Events ‚vor Ort’ wieder finden.“ Demnach wäre Schleichwerbung eine „unbeabsichtigte und unbezahlte, quasi erschlichene Medialeistung.“ Grundsätzlich gilt dies als die seltenere Form der Schleichwerbung. Auch für Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 79) stellt diese „Einschleichung im Vergleich zum Gesamtkomplex der Schleichwerbung sicherlich den geringsten Anteil dar.“
Häufiger findet Schleichwerbung in Form von Produkt- und Markeneinblendungen statt, die von den Redaktionen absichtlich vorgenommen werden. Dies stellt eine honorierte Leistung dar, mit der Absicht die Positionierung des Produktes im bezahlten Anzeigenraum zu umgehen. Woelke (2002, S. 24) nennt als Beispiele „die expliziten Hinweise auf Kleidungsgegenstände von Moderatoren (Ausstatterhinweise), die von Studiogästen sowie am Beginn oder Ende einer Sendung vorgestellten Tonträger, Bücher, Videos etc. (Begleitmaterialien zur Sendung), sowie Erwähnung der an der Gestaltung einer Sendung beteiligten Partner.“ Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 79) klammern die unbeabsichtigte Form der Schleichwerbung in ihrer Definition aus. Sie konzentrieren sich auf die kalkulierte und vorbereitete Methode und definieren Schleichwerbung als „eine Produkt-, Marken- oder Firmendarstellung“, die eine Trennungsunschärfe zwischen Werbung und Programm erzeugt, indem sie „deutlich über eine einfach verbale oder visuelle Präsentation hinausgeht und eine Durchdringung ganzer Sendungen oder Beiträge mit werblichen Kommunikationsinhalten bewirkt.“
Diese kalkulierte und bezahlte Methode liegt in den meisten Fällen des ARD-Schleichwerbeskandals vor (siehe Kapitel 3.3).
3.2.2 Mögliche Erscheinungsformen von Schleichwerbung im Fernsehen
Schleichwerbung bzw. Placement gliedert sich in verschiedene Untergruppen (vgl. Abbildung 2). Weichert (1999, S. 3) zählt zusätzlich zu den unten beschriebenen Formen auch das Gemeinschafts-Placement, welches eine Kombination der einzelnen Placement-Kategorien darstellt. Dieses findet dann statt, „wenn verschiedene Produkte medial so präsentiert werden, dass unterschiedliche Placement Strategien miteinander verknüpft werden.“
Die Fälle im ARD-Schleichwerbeskandal drehen sich hauptsächlich um Product Placement. Volpers, Herkströter und Schnier (1998. S. 71) treffen hier eine wichtige Unterscheidung zwischen beabsichtigtem oder unbeabsichtigtem Product Placement. So meint Product Placement im weitesten Sinne „jedes Erscheinen von Markenprodukten im jeweiligen Medium, wobei offen bleibt, ob es sich hier um eine Platzierung oder um eine ungewollte Produktpräsentation handelt.“ Dagegen definieren sie Product Placement im engeren Sinne, als den gezielten „Einsatz von Marketingprodukten zu werblichen Zwecken im Rahmen eine Spielfilmhandlung oder Rundfunkproduktion, wobei die Platzierung gegen Entgelt oder geldwerte Leistungen erbracht wird und so erfolgt, dass der Markenartikel für den Zuschauer deutlich erkennbar wird.“ Sie orientieren sich am Rundfunkrecht und setzen Product Placement mit Schleichwerbung gleich.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Erscheinungsformen von Schleichwerbung im Fernsehen
Quelle: Eigene Grafik (2005)
3.2.3 Klassifikationsschema zum Product Placement
In Anbetracht der zahlreichen Ausprägungen von Product Placement empfiehlt sich eine Klassifizierung der einzelnen Formen, um einen Überblick zu gewinnen. Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 71) nehmen hier eine Einteilung nach folgenden Kriterien vor: „Art der Informationsübermittlung, Differenzierung nach Placement-Objekten, sowie Grad der Handlungsintensität“ (vgl. Abbildung 3).
Die Informationsübermittlung kann dabei akustisch oder verbal erfolgen, also in Form einer sprachlichen Erwähnung bzw. positiven Bewertung eines Produktes, aber auch virtuell bzw. optisch, wobei der Leistungsinhalt bildlich erwähnt, also sichtbar in die Handlung integriert wird.
Anschließend erfolgt eine Differenzierung nach Placement-Objekten, z.B. Generic- Placement oder Corporate Placement (vgl. Kapitel 3.2.3). Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 73) unterscheiden darüberhinaus noch zwischen zwei Stufen der Handlungsintensität. Das beworbene Produkt kann dabei aktiv oder passiv in die Handlung der Szene bzw. der Produktion integriert werden. Das Creative Placement oder aktive Placement „beschreibt die gezielte Verwendung bzw. Einbindung von Markenartikeln, wobei es zwischen dem Markenartikelhersteller und dem Filmproduzenten zu direkten Absprachen kommt.“ Das On-Set Placement dagegen bindet die beworbenen Artikel indirekt bzw. passiv in die Handlung der Szene ein. Hier „wird das Produkt bzw, der Markenartikel beim On-Set Placement lediglich als Beiwerk ohne zwingenden dramaturgischen Zusammenhang in die Handlung integriert, d. h. die Requisite bekommt keine Rollenzuweisung.“
Die in Kapitel 3.3 beschriebenen Fälle von Schleichwerbung in der ARD sind sowohl Beispiele für aktives Creative Placement, als auch für passives On-Set Placement.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Klassifikationsschema zum Product Placement
Quelle: Volpers, Herkströter und Schnier (1998, S. 74)
3.3 Ausgewählte Beispiele von Product Placement im ARD-Schleichwerbe-skandal
Die umstrittenen Fälle von Product Placement im ARD-Schleichwerbeskandal beziehen sich primär auf illegale Produktbotschaften in der Vorabend-Serie „Marienhof“, sowie in der Krimi-Reihe „Tatort“ (siehe Kapitel 2).
3.3.1 Visual und Verbal Placement in der ARD-Serie „Marienhof“
Die Recherchen von Volker Lilienthal enthüllten allein in der ARD-Serie „Marienhof“ 117 Fälle von Schleichwerbung. Als häufigste Form des Product Placement wurden dabei aktiv in die Handlungsdramaturgie eingebundene Visual- und Verbal-Place-ments verwendet. Die Produktion eröffnete beispielsweise im Mai 2003 ein neues Reisebüro als Spielkulisse, das seinem realen Vorbild auffallend ähnlich sah (vgl. Abbildungen 4 und 5). Die Requisite übernahm komplett visuelle und textliche Produktbotschaften des geldgebenden Reisebüros „L’tur“: die Markenfarbe Magenta, sowie den Firmenslogan „Nix wie weg“. Hanfeld (2005a, S. 2) bezeichnet diesen Vorgang als „Höhepunkt“ der Placement-Praktiken.
Die Produzenten integrierten die neue Kulisse zudem mehr als zwei Monate lang in die Dialoge, ehe die Vorgänge erkannt und gestoppt wurden. So betonten die Darsteller zum Beispiel: „Bei Andrea gibt es richtig geile Luxusreisen für total wenig Geld. Hotel mit Vollpension, Flug und allem Drum und Dran.“ Den Ausführungen von Hanfeld (2005a, S. 2) zufolge wurden „zehn Wochen lang eifrig Last-Minute-Angebote angepriesen, bis eine ARD-Redakteurin auf die Sache aufmerksam wurde und von dem damaligen Produzenten Stephan Bechtle verlangte, dies abzustellen.“
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Virtual Placement des Reisebüros „L’tur“ in „Marienhof
Quelle: ARD (2005)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Reisebüro-Slogan in „Marienhof“ im Vergleich
mit dem offiziellen Firmenlogo von „L’tur“
Quelle: ARD (2005) / http://www.ltur.de (2005)
In einem weiteren Fall von Corporate Placement hat der „Zentralverband Sanitär-Heizung-Klima“ nicht nur für die visuelle Platzierung seines Firmenlogos bezahlt. Die „Marienhof“-Figur des Klempnermeisters Töppers (vgl. Abbildung 6) bewarb die Produktpalette des Verbandes zusätzlich in einem Schulwettbewerb zum Thema „Energie sparen“.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Corporate Placement des „Zentralverbandes
Heizung Sanitär Klima“ in „Marienhof
Quelle: ARD (2005)
Hanfeld (2005a, S. 3) bestätigt, dass für diese optische und verbale Platzierung der Werbeinformationen Gelder flossen und daher auch in dem beschriebenen Fall die Kriterien von Schleichwerbung im Sinne von kalkuliertem Product Placement erfüllt sind: „Auftraggeber war […] der Zentralverband Sanitär-Heizung-Klima, der angegeben hatte mit der Schwestergesellschaft der Firma H+S (siehe Kapitel 2) mit dem innigen Namen ‚Kultur + Werbung’ bei mehreren ‚Marienhof’-Staffeln zwischen 1994 und 1998 zusammengearbeitet zu haben.“
[...]
[1] Weitere Informationen zum Evangelischen Pressedienst online verfügbar unter:
http://www.epd.de/index.html
(letzter Zugriff: 20.03. 2006)
[2] Urteilsbegründung und weitere Informationen zu dieser Entscheidung sind online verfügbar unter:
http://www.kanzlei-prof-schweizer.de/bibliothek/neu/index.html?suchworte=&datum=2005-06&p=2
(letzter Zugriff: 20.03.2006)
[3] weitere Informationen zu den Maßnahmen der ARD aus 08/2005 gegen die Schleichwerbevorwürfe unter:
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,367381,00.html
und
http://www.faz.net/s/Rub8A25A66CA9514B9892E0074EDE4E5AFA/Doc~E1E75F686356B4E52A5E088D2853D35B5~ATpl~Ecommon~Scontent.html
(letzte Zugriffe: 20.03.2006)
[4] Weitere Informationen zur geplanten neuen EU-Fernsehrichtlinie in: Focus, 50/2005, S. 221.
[5] Siehe Interview mit Peter Voß, SWR-Intendant, in: Focus, 05/2006, S. 144.
[6] Staatsvertrag über den Rundfunk im vereinten Deutschland: § 2 Begriffsbestimmungen, Abs. 6.
- Citar trabajo
- Clemens Schnur (Autor), 2006, Der ARD-Schleichwerbeskandal - Zu den Grenzen zwischen Werbung und Schleichwerbung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61446
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