Die Institution Schule soll ein Ort des Lernens sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen hier befähigt werden, den gegenwärtigen Anforderungen der Lebenswirklichkeit standzuhalten und sollen auf die zukünftige Lebensbewältigung vorbereitet werden. Deshalb sollte die Schule Bedingungen schaffen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler alle notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch Schlüsselqualifikationen, die in der Gesellschaft zunehmend wichtig werden, wie Sprachkompetenz, Selbstdisziplin, Konzentrationsfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Rücksichtnahme und verantwortungsvolles Handeln, aneignen können. All das sind wichtige Komponenten der Allgemeinbildung, die ein wichtiges Ziel der Institution Schule ist. Erfahrungen aus dem Schulalltag und entsprechende Untersuchungen wie TIMMS oder PISA zeigen jedoch, dass Schülerinnen und Schüler gerade in diesen Bereichen große Mängel und Defizite haben. Eine der Ursachen für diesen Zustand ist das lückenhafte methodische Handlungsrepertoire. Den Schülerinnen und Schülern fehlt es oft an Methoden, um sich mit Gegebenheiten auseinander setzen zu können. Der handlungsorientierte Unterricht, der seit 20 Jahren in deutschsprachigen Ländern diskutiert wird, könnte viel zur Lösung dieses Problems beitragen. Diese Unterrichtsform hilft den Schülerinnen und Schülern, ihre handlungsbezogene Leistungsfähigkeit zu erkennen und zu entwickeln, und durch die Schulung von Schlüsselqualifikationen das Lernen zu lernen. Es gibt viele allgemein- und fachdidaktische Veröffentlichungen zu diesem Thema. Auch im noch gültigen Bildungsplan 1994 wird der Handlungsbezug direkt angesprochen. Im neuen Bildungsplan 2004 werden beispielsweise der mit dem handlungsorientierten Unterricht in Bezug stehende Kompetenzerwerb und die vielfältigen anwendungs-, und problemorientierten sowie aktiv-entdeckenden Unterrichtsformen hoch geschätzt. [...]
Inhaltsverzeichnis:
Einleitung
1. Was ist handlungsorientierter Unterricht?
1. 1. Begriffsdefinitionen
1. 2. Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts
1. 3. Unterrichtsorganisation
2. Begründung handlungsorientierten Unterrichts
2. 1. Sozialisationstheoretische Begründung
2. 2. Lern- und entwicklungspsychologische Grundlage
2. 3. Pädagogische Begründung
3. Grenzen des handlungsorientierten Unterrichts
4. Handlungssituationen im Unterricht
4. 1. Spielen und Lernen
4. 2. Erkunden und Erforschen
4. 3. Herstellen von Produkten
4. 4. Tätigsein und Verantworten
5. Planung von handlungsorientiertem Unterricht
5. 1. Vorbereitungsphase
5. 2. Einstiegsphase
5. 3. Erarbeitungsphase
5. 4. Auswertungsphase
6. Praktische Umsetzung handlungsorientierten Unterrichts in der Grundschule am Beispiel: „Verkleinerung des Müllberges in der Schule“
6. 1. Vorbereitungsphase
6. 2. Einstiegsphase
6. 3. Erarbeitungs- und Auswertungsphase
Ausblick
Literatur
Einleitung
Die Institution Schule soll ein Ort des Lernens sein. Die Schülerinnen und Schüler sollen hier befähigt werden, den gegenwärtigen Anforderungen der Lebenswirklichkeit standzuhalten und sollen auf die zukünftige Lebensbewältigung vorbereitet werden.
Deshalb sollte die Schule Bedingungen schaffen, in denen sich die Schülerinnen und Schüler alle notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen, aber auch Schlüsselqualifikationen, die in der Gesellschaft zunehmend wichtig werden, wie Sprachkompetenz, Selbstdisziplin, Konzentrationsfähigkeit, Anstrengungsbereitschaft, Rücksichtnahme und verantwortungsvolles Handeln, aneignen können.[1] All das sind wichtige Komponenten der Allgemeinbildung, die ein wichtiges Ziel der Institution Schule ist.
Erfahrungen aus dem Schulalltag und entsprechende Untersuchungen wie TIMMS oder PISA zeigen jedoch, dass Schülerinnen und Schüler gerade in diesen Bereichen große Mängel und Defizite haben. Eine der Ursachen für diesen Zustand ist das lückenhafte methodische Handlungsrepertoire. Den Schülerinnen und Schülern fehlt es oft an Methoden, um sich mit Gegebenheiten auseinander setzen zu können.
Der handlungsorientierte Unterricht, der seit 20 Jahren in deutschsprachigen Ländern diskutiert wird, könnte viel zur Lösung dieses Problems beitragen. Diese Unterrichtsform hilft den Schülerinnen und Schülern, ihre handlungsbezogene Leistungsfähigkeit zu erkennen und zu entwickeln, und durch die Schulung von Schlüsselqualifikationen das Lernen zu lernen.[2]
Es gibt viele allgemein- und fachdidaktische Veröffentlichungen zu diesem Thema. Auch im noch gültigen Bildungsplan 1994[3] wird der Handlungsbezug direkt angesprochen. Im neuen Bildungsplan 2004[4] werden beispielsweise der mit dem handlungsorientierten Unterricht in Bezug stehende Kompetenzerwerb und die vielfältigen anwendungs-, und problemorientierten sowie aktiv-entdeckenden Unterrichtsformen hoch geschätzt.
In dieser Ausarbeitung soll das Konzept des handlungsorientierten Unterrichts kompakt dargestellt werden. Es sollen sowohl die theoretischen Grundlagen als auch ein Ansatz zur praktischen Umsetzung im Unterricht beschrieben werden.
Zu den theoretischen Grundlagen wird eine Definition vom handlungsorientierten Unterricht, die Merkmale und die Unterrichtsorganisation dieses Konzepts sowie seine Begründung und seine Grenzen gehören. Des Weiteren sollen zunächst einzelne Handlungssituationen und dann die Planung eines kompletten handlungsorientierten Unterrichts beschrieben werden und mit Hilfe eines ausgewählten Beispiels für den handlungsorientierten Unterricht aus der Grundschule soll schließlich versucht werden, die theoretischen Grundlagen in die Praxis umzusetzen.
1. Was ist handlungsorientierter Unterricht?
1. 1. Begriffsdefinitionen
Handlungsorientierter Unterricht besteht aus den Begriffen „Handlung“ bzw. „an einer Handlung orientiert“ und „Unterricht“. Um sich einer Definition des „handlungsorientierten Unterrichts“ zu nähern, sollen zunächst diese beiden Begriffe geklärt werden.
Der Unterricht wird als eine zielgerichtete, planmäßige, regelmäßige Vermittlung von Fähigkeiten, Wissen und Fertigkeiten, besonders in der Institution Schule beschrieben. Diese Vermittlung kann in einem bestimmten Fach oder in einem durch ein Bildungsziel geprägten Fächerkanon stattfinden.[5] Der Unterricht kann aus Belehrung, Übung und Anschauung bestehen und versucht beim Lernenden zum Beispiel durch Kommunikation und Information eine Verhaltensänderung zu bewirken. Der Unterricht ist der Prototyp organisierten und gezielten Lehrens und Lernens.[6]
Es gibt verschiedene Formen des Unterrichts. Dazu gehört der Frontalunterricht, der Vortrag, die Partnerarbeit, Gruppenarbeit und Einzelarbeit, der offene Unterricht, das entdeckende Lernen, der Projektunterricht, die Projekttage, die Projektwoche, die Freiarbeit, das Training, das Lehrergespräch und Schülergespräch, das Rollenspiel, Planspiel und Fallstudie, die Darbietung, das Frage-Antwort-Gespräch, die programmierte Instruktion, der programmierter Unterricht und schließlich die Diskussion.[7] Der Unterricht ist also geprägt durch unterschiedliche Unterrichtsmethoden, Unterrichts-, Sozial- und Organisationsformen.
Die menschliche Handlung bzw. das menschliche Handeln ist eine Lebenstätigkeit jedes Menschen. Es ist eine sinnhafte, bewusst gesteuerte, ziel- oder zweckgerichtete, aus irgendwelchen absichtlichen oder absichtslosen Anlässen, Überlegung oder Antrieben ergebene Einwirkung auf die Umwelt des Menschen. Handeln kann Tun, aber auch bewusstes Unterlassen einer Handlung sein und kann sich sowohl auf fassbares, praktisches Handeln als auch auf nicht fassbares, vergeistigtes Handeln beziehen. Zum Handeln kann also auch Gedankenarbeit, immaterielles Planen und Wünschen gehören.
Das Handeln im Hinblick auf den handlungsorientierten Unterricht und auf die Bedeutung in dieser Ausarbeitung soll expliziter beschrieben werden. In diesem Sinne meint Handeln eine bestimmte, politisch und pädagogisch geforderte und verantwortbare Praxis des Handelns im Unterricht.[8]
Bekannte Handlungen aus dem Unterricht wie das Ausschneiden, Einkleben oder Anmalen von Bildern ist für den handlungsorientierten Unterricht jedoch ein zu einseitiges Tätigsein. Im Gegensatz zum bloßen Tun sollte das Handeln im handlungsorientierten Unterricht mindestens einen Ernstcharakter haben, ein Handeln mit realen, gegenständlichen Objekten sein oder ein Handeln in bestehenden, gesellschaftlichen Situationen bedeuten[9].
Das Konzept „handlungsorientierter Unterricht“ ist noch kein ausführliches didaktisches Modell. Es handelt sich nur um eine Unterrichtsform, bei welcher die Schüler mit ihren Handlungen im Mittelpunkt stehen. Kennzeichnend für den handlungsorientierten Unterricht ist vor allem auch das Lernen mit allen Sinnen und die große Bedeutung der Unterrichtsergebnisse, welche für ihren großen Gebrauchswert hoch geschätzt werden.[10]
Der handlungsorientierte Unterricht ist ein Konzept des Lehrens und Lernens, welches sich gegen den lehrerzentrierten Frontalunterricht stellt. Die Unterrichtsinhalte werden nicht, wie im herkömmlichen Unterricht, angesichts einer Fachsystematik ausgesucht; Unterrichtsinhalte ergeben sich aus Problemen und Fragestellungen. Der handlungsorientierte Unterricht schließt die Fachsystematik jedoch nicht aus, sondern integriert sie. Unterrichtsphasen, welche nach der Fachsystematik strukturiert sind, sind wichtig, damit sich die Schüler zum Beispiel wichtige Kompetenzen aneignen oder damit aufkommende Probleme oder Konflikte gelöst werden können.[11]
Der bisherige Unterricht wird also um eine „aktiv handelnde Dimension“[12] erweitert und reicht über reines kognitives Lernen hinaus.
Zu den Zielen des handlungsorientierten Unterrichts gehören vor allem die Selbsttätigkeit, die Selbständigkeit und die Kooperationsfähigkeit der Schüler, welche durch die Beschäftigung mit Menschen, Sachen, Problemen und Zukunftsideen erreicht werden sollen.[13]
Eine kurze aber aussagekräftige Definition vom handlungsorientierten Unterricht findet man bei Jank, Meyer (2002).
„Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer und den Schülern vereinbarten Handlungsprodukte die Gestaltung des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der Schüler in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden.“[14]
Diese Definition wird in 1.2. durch die Darstellung wichtiger Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts ergänzt.
1. 2. Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts
Das Konzept des „handlungsorientierten Unterrichts“ ist eine Unterrichtsform, welche durch folgende Merkmale charakterisiert werden kann.
Zwei der wichtigsten Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts sind das Lernen mit allen Sinnen und die Ganzheitlichkeit. Bei dieser Unterrichtsform werden sehr viele Sinne aktiviert, das bedeutet, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur mit dem Kopf, sondern auch mit den Händen, Füßen, Augen, Ohren, Nase, Mund oder Zunge lernen. Der ganze Schüler soll in den Unterrichtsprozess mit einbezogen werden. Es wird versucht, Kopf- und Handarbeit der Schülerinnen und Schüler zu verbinden und beides gleichermaßen auszubalancieren. „Kopf- und Handarbeit der Schülerinnen und Schüler stehen im Lehr-Lern-Prozess in dynamischer Wechselwirkung zueinander.“[15] Theorie (geistiges Tun) und Praxis (körperliches Tun) wird verknüpft, die Theorie ergibt sich aus der Notwendigkeit der Praxis. Das bedeutet, dass die notwendigen Handlungen und die Ziele der Handlungen Sachinformationen und theoretisches Wissen liefern. Im Idealfall können Theorie und Praxis in der Schule ganzheitlich erlebt werden. Beispiele dafür sind das Drucken, das Brotbacken, das Spiel, Situationen in der Aktion, beim Fest oder im Projekt. Lebenswahrheiten und reale Gegebenheiten werden nicht mehr nur mitgeteilt, sondern sie werden handelnd erlebt und erfahren.[16]
Weitere kennzeichnende Merkmale des handlungsorientierten Unterrichts sind auch die Selbstverantwortung, die methodische Kompetenz der Schülerinnen und Schüler und die Schülerinteressen. Der handlungsorientierte Unterricht befähigt die Schülerinnen und Schüler zur Selbstorganisation und Selbstverantwortung und ist selbsttätig und schüleraktiv. Die Schülerinnen und Schüler sollen möglichst viel selbst erkunden, erforschen, experimentieren, ausprobieren, entdecken, aufklären, erörtern, deuten und planen.
Zunächst sollen die Schülerinnen und Schüler an der Unterrichtsorganisation mit beteiligt sein. Diese Verantwortung soll sich immer mehr steigern, bis die Schülerinnen und Schüler in die gesamte Planung, Durchführung und Auswertung des handlungsorientierten Unterrichts einbezogen werden[17] und Teile der traditionellen Lehrerrolle übernehmen. Durch diese wachsende Verantwortung und Mitbeteiligung am Unterrichtsgeschehen können die Schülerinnen und Schüler nach und nach auch ihre eigenen persönlichen Interessen und Bedürfnisse in den Unterricht integrieren und verwirklichen.
Subjektive Schülerinteressen im Unterricht sind besonders wichtig, da sie den Ausgangspunkt des Unterrichts darstellen. Hierbei sollte jedoch nicht nur das inhaltliche Interesse betrachtet werden, sondern vor allem auch der Methoden- und Handlungsbezug der Schülerinteressen. Schülerinnen und Schüler zeigen nämlich ein weitaus größeres Interesse daran, etwas selbst zu tun, als einfach nur inhaltliches Wissen zu erfahren. Schülerinteressen beziehen sich nicht nur auf ein Thema oder einen Inhalt, sondern tragen immer auch soziale und personale Aspekte mit sich. Außerdem entstehen Interessen häufig erst durch eigenes Handeln im Unterricht, weil die individuellen Interessen der Schülerinnen und Schüler oft durch Medien und Zeitgeschmäcke verdeckt sind. Durch Handlungserfahrungen mit neuen Inhalten, Problemen oder Fragestellungen sollen sich die Schülerinnen und Schüler ihrer eigenen Interessen bewusst werden, sie sollen dabei lernen diese kritisch zu durchdenken, auszubauen und weiterzuentfalten. Individuelle Interessen der Schülerinnen und Schüler können sich demnach entwickeln und verändern, dies sollte während der Planung des handlungsorientierten Unterrichts beachtet werden.[18]
Wie das Handeln, so ist auch der handlungsorientierte Unterricht zielgerichtet (siehe 1.1.). Bei der Planung des handlungsorientierten Unterrichts geht man meist vom Ziel aus. Bei Fragen wie „Was will man erreichen, was will man herstellen, welches Problem will man lösen? - Wie geht man vor, welche Hilfsmittel braucht man dazu, wer ist für welchen Bereich zuständig?“ wird offensichtlich, dass die Schülerinnen und Schüler sich Methodenkompetenz zueignen müssen.
Ein ebenfalls wichtiges Merkmal des handlungsorientierten Unterrichts ist die Produktorientierung. Unterrichtsergebnisse in Form von möglichst konkreten Handlungsprodukten gehören zu den bedeutendsten Zielen des handlungsorientierten Unterrichts. Solche Produkte können veröffentlichungsfähig, sinnlich-fassbar und konkret, szenisch und sprachlich sein, sie können auch einen greifbaren Gebrauchswert und einen Mitteilungswert haben, sie können also auch zukünftig noch brauchbar, anwendbar und nützlich sein. Im handlungsorientierten Unterricht spielt die Veröffentlichung dieser Produkte eine entscheidende Rolle. Die Unterrichtsergebnisse können zum Beispiel der Klasse, den Eltern oder der gesamten Schule präsentiert und vermittelt werden. Eine isolierte Handlung erreicht die Ziele des handlungsorientierten Unterrichts nicht. Erst durch die Präsentation oder Dokumentation des Handlungsproduktes, d.h. durch die Versprachlichung der Handlung, wird eine methodische Kompetenzerweiterung möglich, dabei wird das Denken mit dem Tun vereinigt. Die Präsentation des Handlungsproduktes kann entweder mit der Hilfe der Lehrerin oder des Lehrers organisiert (zum Beispiel Theaterstück, Rollenspiel, Planspiel, Musik, Tanz) oder von den Schülern selbst hergestellt (zum Beispiel Ausstellung, Zeitschrift, Collage, Plakate, Modell) werden.
Die Produkte ermöglichen aber auch eine von den Schülerinnen und Schülern selbstverantwortende Beurteilung und Kritik der eigenen Unterrichtsergebnisse.
Da sich die Schülerinnen und Schüler im handlungsorientierten Unterricht sehr intensiv und engagiert mit den Inhalten beschäftigen, und da sie oft auch ihre persönlichen Interessen damit verbinden können, ist es den Schülerinnen und Schülern möglich, sich mit diesen Handlungsprodukten zu identifizieren. Es entstehen weitere Fragen, welche zum Beispiel der anschließende fachsystematische Unterricht weiterführen kann, es findet „ein fruchtbarer Wechsel von handlungsorientierten und anderen Unterrichtseinheiten“[19] statt.
Kooperatives Handeln ist ebenfalls ein wichtiges Merkmal des handlungsorientierten Unterrichts, denn er fördert durch gemeinsames Handeln kooperative Arbeitsformen. Dazu gehören viele Unterrichtsformen wie Partner- und Gruppenarbeit, Gruppenpuzzel, entdeckendes Lernen, Projektunterricht, Rollenspiel und Klassendiskussion. Bei solchen Arbeitsformen lernen die Schüler zum Beispiel die Zusammenarbeit (Teamfähigkeit), die Rücksichtsnahme und Durchsetzung gegenüber anderen, die Konfliktlösung, den Beziehungsausbau und die Kommunikation. Die Schülerinnen und Schüler lernen voneinander und miteinander, es bilden sich Interaktionen zwischen den Schülern und die Zusammenarbeit und Kommunikation findet nicht nur zwischen Lehrer und Schüler statt.[20]
Die Kooperationen der Schülerinnen und Schüler sind genauso wichtig wie ein Handlungsprodukt, denn „was nützt das schönste Produkt, wenn unterwegs die Hälfte der Gruppe ,ausgestiegen’ ist, weil Konflikte nicht bearbeitet, sondern durch wenige dominante Schüler oder Schülerinnen einfach überspielt worden sind“.[21]
Schließlich ist auch der Lebensbezug bzw. die Öffnung der Schule im handlungsorientierten Unterricht wichtig. Bei der handlungsorientierten Unterrichtsform wird versucht, eine Beziehung zwischen dem schulischen Lernen und der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler zu knüpfen. Ein Ziel des handlungsorientierten Unterrichts ist es also, einen Lebensbezug für die Schülerinnen und Schüler zu schaffen. Dabei sollen die Schülerinnen und Schüler den gesellschaftlichen Zusammenhang der Inhalte und des Wissens aus der Schule erfahren und erkennen, damit die brüchige Beziehung von Schule und Lebenswirklichkeit verbessert werden kann.
Die Öffnung der Schule nach innen und außen[22] kann solch einen Lebensbezug herstellen. Mit der Öffnung der Schule nach innen ist eine Kooperation von Lehrer und Schüler gemeint. Beide sollen gemeinsam beispielsweise individuelle Lernwege finden und fördern, den fächerübergreifenden Unterricht ausdehnen oder das Schulleben voranbringen, um somit die Bedeutung der Schule dem einzelnen Schüler, der Klasse oder der Schule zu verdeutlichen. Für die Öffnung der Schule nach außen ist es notwendig, dass auch außerschulische Lernorte einbezogen werden. Denn um alle Informationen und Auskünfte für die Vorhaben und Projekte im handlungsorientierten Unterricht zu bekommen, müssen die Schülerinnen und Schüler die Möglichkeit haben, andere, interessante, spannende, informative, aufschlussreiche und bedeutsame Lernorte (zum Beispiel Post, Feuerwehr, Bauernhof, Wald, See) zu besuchen und diese zu erkunden. Außerschulische Lernorte sollten jedoch nicht unter einem pädagogischen Aspekt stehen. Zu nennen ist hier auch das situationsbezogene Lernen. Viele Erwachsene, die von ihrer Schulzeit erzählen, erinnern sich meistens an solche Unterrichtssituationen, die handlungsorientiert waren (zum Beispiel das Planen, Vorbereiten, Organisieren und Durchführen eines gesunden Frühstücks).
Zur Öffnung der Schule nach außen gehört auch die Kooperation mit Eltern, Museen, anderen Schulen, Verbänden oder Vereinen. Es sollte aber nicht jedes Mal nur die Schule verlassen werden, genau so wertvoll ist es auch, Handwerker, Künstler, Sportler oder Politiker in die Schule einzuladen.
Der handlungsorientierte Unterricht lehrt die Lebenswirklichkeit ganzheitlich, fächerübergreifend und interdisziplinär, ohne die Einteilung in unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen.[23]
Zusammenfassend sind die charakteristischsten Merkmale eines handlungsorientierten Unterrichts also die Ganzheitlichkeit, das ausgewogene Verhältnis zwischen Kopf- und Handarbeit, die Schüleraktivität, die Schülerorientierung, die Selbstverantwortung, die Beteiligung der Schüler an der Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts, die Kompetenzentwicklung, die Herstellung eines Handlungsprodukts und die Öffnung der Schule.
1. 3. Unterrichtsorganisation
Die Unterrichtsorganisation des handlungsorientierten Unterrichts bedeutet eine große Umgestaltung und Veränderung des Unterrichts bzw. der Schule.
Das Wichtigste ist dabei vor allem die Kürzung des Fachunterrichts. Der handlungsorientierte Unterricht stellt sich dabei jedoch nicht gegen den Fachunterricht, sondern sieht sich als Ergänzung zum selbigen (siehe 3.). Der bisher meist allein vorherrschende Fachunterricht wird durch eine Dreigliederung ersetzt - durch den Fachunterricht, die Freiarbeit und das Projekt.
Der Fachunterricht bleibt im handlungsorientierten Unterricht daher in einer reduzierten Form erhalten. Die Lehrerin oder der Lehrer soll wie im gewohnten Fachunterricht die Führungsrolle bewahren und den Unterricht lehrgangsgemäß regeln. Zu den wichtigsten Sozialformen des Fachunterrichts gehört der lehrerzentrierte Frontalunterricht. Er ist wichtig für Informationsphasen und zur Einführung und Organisation von freier Arbeit und dem Projekt. Dieser kann jedoch auch durch andere Formen wie Gruppen-, Partner- und Einzelarbeit ergänzt werden.[24]
Die Freiarbeit ist ein stark individualisierter und lehrergeleiteter Unterricht. Sie ist angelehnt an die Tradition der Montessoripädagogik.[25] Die Freiarbeit gibt den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit, sich nach persönlichen Interessen und Lernmöglichkeiten mit vielgestaltigen Aufgaben, Inhalten, Gegenständen und Problemen selbständig und verantwortlich handelnd auseinander zu setzen. Die Schülerinnen und Schüler sprechen sich zusammen mit ihrer Lehrerin oder ihrem Lehrer über verbindliche Lernaufgaben und Zeiten ab. Zu welchem Zeitpunkt diese Aufgaben gemacht werden, bleibt den Schülerinnen und Schülern jedoch selbst überlassen. Die Schüler können über den Arbeitsrhythmus und über die Sozialform selbst entscheiden, manchmal legen sie auch die Ziele selbst fest. In der Freiarbeit lernen die Schülerinnen und Schüler, eigene Aktivitäten und Interessen zu entfalten und die Verantwortung für ihr Handeln zu tragen.[26] Die Freiarbeit dient der Leistungsdifferenzierung, der Integration, der selbständigen Erarbeitung neuer Themen und Aufgabenfelder, dem vertiefenden Üben oder als Zusatzaufgabe.[27]
Das Projekt ist eine der wichtigsten Formen des handlungsorientierten Unterrichts. Es stellt eine Alternative zum lehrgangsartigen und lehrerzentrierten Unterricht dar und beteiligt die Schülerinnen und Schüler aktiv an der Organisation, der Zielsetzung, der Planung, der Ausführung und der Überprüfung der Projektarbeit.[28] Die Schülerinnen und Schüler führen im gemeinsamen Unterricht kleine oder große Vorhaben durch und erproben praktische Anwendungen und Problemlösungen. Dies stellt eine besondere Anforderung an die Schülerinnen und Schüler dar und fördert damit die Selbstverantwortung, die Teamfähigkeit und weitere Kompetenzen[29] (siehe 2.3. - Kompetenzen, welche ebenfalls im handlungsorientierten Unterricht erreicht werden können). Der Fachunterricht und die Freiarbeit bekommen „Zuliefer-Funktionen“, dies besagt jedoch nicht, dass dadurch der Fachunterricht und die Freiarbeit ihre Autonomie verlieren.[30]
Die Freiarbeit und das Projekt ermöglichen ein fächerverbindendes und an die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler gebundenes Lernen. Es werden verschiedene Lernbereiche miteinander verbunden, so dass die Vielfalt der Lebenswirklichkeit erkennbar wird.[31]
[...]
[1] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 114.
[2] Gudjons, H.: Handlungsorientiert lehren und lernen, Schüleraktivierung – Selbständigkeit –
Projektarbeit, Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1994, S.59.
[3] Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg, Bildungsplan für die Grundschule, Neckar-
Verlag, Villingen-Schwenningen, 1994, S. 10.
[4] http://www.bildungsstandards-bw.de/, 05.03.2004.
[5] Schwachulla, W.: Der Brockhaus in einem Band, Brockhaus, Leipzig, 1998, S. 939.
[6] Schaub, H., Zenke, K.: Wörterbuch zur Pädagogik, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1995,
S. 348 – 357.
[7] Kron, F., W.: Grundwissen Didaktik, Ernst Reinhardt Verlag, München, 2000, S. 270.
[8] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 2002, S. 315.
[9] Kaiser, A.: Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts, Scheider Verlag Hohengehren,
Baltmannsweiler, 1997, S. 185.
[10] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 354.
[11] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 357.
[12] Kaiser, A.: Einführung in die Didaktik des Sachunterrichts, Scheider Verlag Hohengehren,
Baltmannsweiler, 1997, S. 185.
[13] Schaub, H., Zenke, K.: Wörterbuch zur Pädagogik, Deutscher Taschenbuch Verlag, München, 1995,
S. 171.
[14] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 2002, S. 315.
[15] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 2002, S. 317.
[16] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 115-116.
[17] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 358.
[18] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 116-117.
[19] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 117.
[20] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 117.
[21] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 118.
[22] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 358.
[23] Gudjons, H.: Didaktik zum Anfassen: Lehrer/in – Persönlichkeit und lebendiger Unterricht, Verlag
Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 1997, S. 118.
[24] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 361.
[25] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 361.
[26] Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg, Bildungsplan für die Grundschule, Neckar-
Verlag, Villingen-Schwenningen, 1994, S. 12.
[27] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 361 – 362.
[28] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 362.
[29] Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg, Bildungsplan für die Grundschule, Neckar-
Verlag, Villingen-Schwenningen, 1994, S. 12.
[30] Jank, W., Meyer H.: Didaktische Modelle, Cornelsen Verlag Scriptor, Berlin, 1994, S. 362.
[31] Ministerium für Kultus und Sport Baden-Württemberg, Bildungsplan für die Grundschule, Neckar-
Verlag, Villingen-Schwenningen, 1994, S. 12, 23.
- Arbeit zitieren
- Simone Effenberk (Autor:in), 2004, Handlungsorientierter Unterricht. Theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61434
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