Die Europäische Union steht derzeit vor ihren größten Herausforderungen. In den nächsten Jahren wird sich die Gemeinschaft der 15 europäischen Staaten auf 27 erweitern. Nicht nur die Integration der neuen Mitglieder, sondern auch die Umstrukturierung der europäischen Institutionen, um auch in Zukunft handlungs- und entscheidungsfähig zu sein, die politische Tagesordnung bei den Treffen der EU-Regierungschefs, der Minister und den Sitzungen von Kommission und Parlament. Es sind also aufregende Zeiten, allerdings zeigt sich die öffentliche und veröffentlichte Meinung in den Mitgliedsstaaten der EU oft negativ. Unverständnis über bürokratische Entscheidungen, Kritik an mangelnder Einigkeit und an der sog. Verschwendung von Steuergeldern usw. prägen das heutige Bild einer vorangeschrittenen europäischen Integration. Doch ist diese Sicht auf Europa nur ein aktuelles Dilemma? Oder ist die negative Wahrnehmung derartiger Veränderungen ein Normalzustand? Erkenntnisse darüber verspricht eine Rückschau auf die Entwicklung der EWG.
In dieser zeitgeschichtlichen Hausarbeit soll zunächst der Beginn der europäischen Integration ab 1945 nachvollzogen werden und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Mittelpunkt stehen. Das Hauptaugenmerk liegt nach einem darstellenden Teil auf der Wahrnehmung der EWG in der deutschen Öffentlichkeit. Zwei Leitfragen führen durch diese Arbeit: 1. Welche Informationen wurden der deutschen Bevölkerung durch die Presse und mit welcher Intention angeboten und 2. wie viel wussten die Deutschen von der EWG und wie bewerteten sie diese? Zur Beantwortung dieser Fragen wird auf überregionale Zeitungen und Zeitschriften zurückgegriffen, sowie auf empirische Erhebungen. Die Untersuchung der Printmedien fokussiert sich auf die entscheidenden Termine zur EWG. Das sind hier die Unterzeichnung der Verträge vom 25. März 1957, die Ratifizierung im Deutschen Bundestag vom 5. Juli 1957 und der 1. Januar 1958, als Tag des Inkrafttretens. Zu diesen Terminen wird eine gebündelte Berichterstattung quer durch alle Medien erwartet, was Vergleiche ermöglichen und vereinfachen wird. Andere Artikel zum Thema EWG außerhalb dieses Zeitrahmens bleiben deshalb unbehandelt. Die empirischen Erhebungen beziehen sich ebenfalls auf die Jahre 1957/58, mit denen auch die Darstellung endet.
Inhalt
1. Einleitung
2. Vorgeschichte: Der Beginn der europäischen Integration nach 1945
2.1. Die ersten Schritte zur europäischen Integration durch die Europäer – Die Europäische Bewegung und der Europarat
2.2. Die großen Projekte (EGKS / EVG / EPG) 1951-1954
2.2.1 Der Erfolg – Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS / Montanunion)
2.2.2. Das Scheitern – Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG)
3. Darstellung: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
4. Analyse: Die EWG in der veröffentlichten Meinung der deutschen Presse von 1957/58
4.1. Die „Bild“
4.2. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (FAZ)
4.3. Das „Handelsblatt“
4.4. „DIE WELT“
4.5. „DIE ZEIT“
4.6. „DER SPIEGEL“
4.7. Zusammenfassung und Ergebnisse
5. Analyse: „Haben Sie schon einmal die Bezeichnung ‚Gemeinsamer Markt’ gehört oder gelesen?“ – Eine empirische Erhebung zur EWG in Deutschland 1957/58
6. Ergebnisse
7. Anhang
8. Zeitleiste
9. Quellen
10. Literatur
1. Einleitung
Die Europäische Union steht derzeit vor ihren größten Herausforderungen. In den nächsten Jahren wird sich die Gemeinschaft der 15 europäischen Staaten auf 27 erweitern. Nicht nur die Integration der neuen Mitglieder, sondern auch die Umstrukturierung der europäischen Institutionen, um auch in Zukunft handlungs- und entscheidungsfähig zu sein, die politische Tagesordnung bei den Treffen der EU-Regierungschefs, der Minister und den Sitzungen von Kommission und Parlament. Es sind also aufregende Zeiten, allerdings hat dies bisher noch nicht zu einer breiten Diskussion in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union geführt. Europäische Fragen führen immer noch ein Schattendasein neben den großen nationalen Themen. Während heute im Allgemeinen Politikverdrossenheit, die Verschwendung von Steuergeldern oder eine alles überwuchernden Bürokratie das Desinteresse an europäischer Politik erklären, stellte sich zu Beginn der europäischen Integration eine völlig andere Ausgangslage dar. Der Zweite Weltkrieg schien alle Hoffnungen auf ein friedliches Miteinander in Europa zunichte gemacht zu haben, hatte aber den Willen, ein gemeinsames Europa zu schaffen, doch nicht besiegt.
In dieser zeitgeschichtlichen Hausarbeit soll zunächst der Beginn der europäischen Integration ab 1945 nachvollzogen werden und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) im Mittelpunkt stehen. Das Hauptaugenmerk liegt nach einem darstellenden Teil auf der Wahrnehmung der EWG in der deutschen Öffentlichkeit. Zwei Leitfragen führen durch diese Arbeit: 1. Welche Informationen wurden der deutschen Bevölkerung durch die Presse und mit welcher Intention angeboten und 2. wie viel wussten die Deutschen von der EWG und wie bewerteten sie diese? Zur Beantwortung dieser Fragen wird auf überregionale Zeitungen und Zeitschriften zurückgegriffen, sowie auf empirische Erhebungen. Die Untersuchung der Printmedien fokussiert sich auf die entscheidenden Termine zur EWG. Das sind hier die Unterzeichnung der Verträge vom 25. März 1957,[1] die Ratifizierung im Deutschen Bundestag vom 5. Juli 1957 und der 1. Januar 1958, als Tag des Inkrafttretens. Zu diesen Terminen wird eine gebündelte Berichterstattung quer durch alle Medien erwartet, was Vergleiche ermöglichen und vereinfachen wird. Andere Artikel zum Thema EWG außerhalb dieses Zeitrahmens bleiben deshalb unbehandelt. Die empirischen Erhebungen beziehen sich ebenfalls auf die Jahre 1957/58, mit denen auch die Darstellung endet.
Zu den 50er Jahren der Bundesrepublik, wie zur europäischen Integration, ist mittlerweile eine Fülle von Literatur verfügbar. Auch die Quellenlage ist bei der hier ausgewählten Methode der Zeitungsanalyse problemlos. Problematisch ist allerdings die Lage der Erhebungen für diesen Zeitraum und die Thematik. Denn nur die Analyse der Ergebnisse eines Meinungsforschungsinstitutes war aufgrund mangelnder Kooperation möglich. Im Hinblick auf die Zeitungen ergibt sich das Problem einer fundierten Quellenkritik, da die Charakterisierung von Zeitungen in den 50er Jahren erst ihren Anfang nahm.[2]
Im Folgenden wird erst die europäische Integration dargestellt und im Kapitel 3 explizit auf die Gründung und Entwicklung der EWG Bezug genommen. Kapitel 4 und 5 beinhalten mit der Analyse von Printmedien und Erhebungen den Hauptteil der Arbeit, deren Ergebnisse in Kapitel 6 abschließend festgehalten werden. Der Arbeit sind ein umfangreicher Anhang mit den hier analysierten Quellen, sowie eine Zeitleiste zur Orientierung beigeordnet.
2. Vorgeschichte: Der Beginn der europäischen Integration nach 1945
„Wir müssen etwas wie die Vereinigten Staaten von Europa schaffen. Nur so können Hunderte von Millionen schwer arbeitender Menschen wieder die einfachen Freuden und Hoffnungen zurückgewinnen, die das Leben lebenswert machen. ... Der erste Schritt bei der Neugründung der europäischen Familie muss eine Partnerschaft zwischen Frankreich und Deutschland sein. ... Die Struktur der Vereinigten Staaten von Europa, wenn sie gut und echt errichtet wird, muss so sein, dass die materielle Stärke eines einzelnen Staates von weniger großer Bedeutung ist. Kleine Nationen zählen ebensoviel wie große und erwerben ihre Ehre durch ihren Beitrag zur gemeinsamen Sache. ... Gegenwärtig haben wir eine Atempause. Die Geschütze schweigen. Der Kampf hat aufgehört, aber nicht die Gefahren. Wenn es uns gelingen soll, die Vereinigten Staaten von Europa, oder welchen Namen sie auch immer tragen werden, zu errichten, müssen wir jetzt damit beginnen.“[3]
Schon am 19. September 1946 wurde die Idee eines gemeinsamen Europas von Winston Churchill, bis 1945 britischer Premierminister und einem der einflussreichsten Politiker der Zeit, wieder aufgegriffen. Welche Gestalt das neue Europa haben sollte, war zunächst zweitrangig. Wichtiger war nur, dass überhaupt ein Weg eingeschlagen wurde, denn die Gefahren und Probleme Europas waren durch den Sieg der Alliierten über das nationalsozialistische Deutschland keineswegs verschwunden. Überall auf dem Kontinent litten Menschen unter den Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs. Nahrung, Wohnung und Arbeit waren standen meist nicht in ausreichender Anzahl zur Verfügung. Zwischen den Siegern des Krieges, den USA und der Sowjetunion, kam es öfter zu Meinungsverschiedenheiten[4] und über allem stand die politische Forderung „Künftige Geschlechter vor der Geißel des Krieges zu bewahren, die zweimal ... unsagbares Leid über die Menschheit gebracht hat“.[5] Churchill hatte also Anlässe genug, auch für Europa eine Art Vereinte Nationen (gegründet 1945) zur Friedenssicherung und Wohlstandsentwicklung zu fordern.
Churchill hatte schon früher ein Konzept für das Zusammenleben auf dem europäischen Kontinent formuliert. Bereits in seiner Rede vom 21. März 1943 hatte er für die Nachkriegszeit den Plan eines europäischen Staatenbundes unter britischer Führung und unter Ausschluss der Sowjetunion vorgestellt, der aber vom US-Präsidenten Roosevelt abgelehnt wurde, weil er auf eine abermalige Aufteilung der Welt in Mächtegruppen abzielte, deren Vorläufer sich bisher als so unheilvoll für die Welt erwiesen hatten.[6] Die USA verfolgten stattdessen das Ziel „eine universelle Organisation [zu schaffen], der die dauerhafte Sicherung des Friedens anvertraut werden sollte ... Die Eingliederung Deutschlands in eine gesamteuropäische Ordnung sollte [nach der Neutralisierung des Nationalsozialismus] die letzte Etappe der Befriedigung des Kontinents werden.“[7] Diese ‚One-World-Strategie’, d.h. die Verantwortlichkeit einer Organisation für den Weltfrieden, blieb auf amerikanischer Seite dominierend.
Dabei verkannten die USA allerdings die Kraft und Entschlossenheit zur Weltrevolution des westwärts vordringenden Kommunismus. Es kam über die Frage von Ländergrenzen hinweg zu einer gesellschafts-ideologischen Konfrontation der Lebensformen. Dies war eine Entwicklung, die von keiner Weltorganisation beherrschbar war. Das Problem Europa hatte sich also mit dem Sieg über Nazi-Deutschland noch nicht gelöst, sondern nur verlagert. Wie sollten die westlichen Staaten politisch mit einer expandierenden, kommunistischen Sowjetunion umgehen?
Die Sowjetunion verfolgte bis in den Zweiten Weltkrieg hinein eine Politik, die die eigene Sicherheit gewährleisten und gleichzeitig einen möglichst großen Einfluss auf die Nachbarstaaten bringen sollte.[8] Gasteyger sieht fünf Ziele, die Stalin nach dem Krieg verwirklichen wollte und die das europäische Staatengefüge erheblich beeinflussten. Das waren erstens der Versuch, die an der russischen Westgrenze liegenden Staaten dem Einflussbereich Deutschlands zu entziehen; zweitens, die osteuropäischen Staaten nicht unter die Kontrolle ‚feindlicher’ Mächte geraten zu lassen; drittens sollte das in Zentraleuropa gewonnene Wirtschaftspotential durch die Errichtung eines umfassenden Kontrollmechanismus für den eigenen Wiederaufbau verwendet werden (eine Teilnahme der osteuropäischen Staaten am Marshall-Plan war damit von vornherein ausgeschlossen); viertens, die Abschirmung der Osteuropäer von dem Einfluss der westlich-kapitalistischen Welt und fünftens, die Erweiterung des kommunistischen Machtbereichs im Sinne der kommunistischen Weltrevolution.[9]
So ergaben sich am Ende des Zweiten Weltkriegs für ganz Europa nicht in Übereinstimmung zu bringende Konzepte. Wirklich Gewicht hatten dabei nur die USA und die UdSSR. Eine Aufteilung Europas war unumgänglich, wollte man nicht so kurz nach einem vernichtenden Krieg einen neuen über die Vorherrschaft in Europa beginnen.
Zunächst drängte der wirtschaftliche Zusammenbruch und die Versorgung mit den notwendigsten Dingen des Alltags zu Hilfsmaßnahmen. 1946 wurde von den Vereinten Nationen aus die Europäische Wirtschaftskommission gegründet (Economic Commission for Europe -ECE). Doch schon bald übertrugen sich die politischen und ideologischen Meinungsverschiedenheiten zwischen den USA, Großbritannien und der expandierenden UdSSR in diese Organisation, wodurch sie als Instrument für eine wirtschaftliche Zusammenarbeit aller europäischer Staaten unwirksam blieb. Spätestens jetzt mussten die USA erkennen, dass die bisherige ‚One-World-Politik’ scheitern musste. „Die Spaltung des Kontinents [war] bereits so weit fortgeschritten, dass das Ideal einer gesamteuropäischen Friedensordnung auf die Realität einer westeuropäischen Notgemeinschaft zusammengeschrumpft war.“[10]
Diejenigen, um die es eigentlich ging, die unter das ‚Gesamtkonzept Europa’ fallen sollten, die Europäer, spielten also zunächst eine untergeordnete Rolle. Entweder zu den Kriegführern oder zu den Angegriffenen gehörend und wirtschaftlich am Boden liegend, mussten die europäischen Staaten zunächst zuschauen, welche Zukunft die Alliierten für sie erdachten.[11] „Europa [hatte] seine Handlungsfähigkeit verloren ... und [war] zum Einflußgebiet und Kampffeld der großen Mächte geworden“.[12] Allerdings waren deren Europa-Konzepte, wenigstens im Prinzip, kein von oben oktroyiertes Gebilde, das in den betroffenen Staaten keinen Widerhall fand.
Die Idee einer europäischen Integration war nicht neu.[13] Schon in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts war eine Massenbewegung zur Einigung Europas, die Paneuropa-Union, von dem Österreicher Graf Coudenhove-Kalergi ins Leben gerufen worden, der 1922 das politische Manifest „Paneuropa, Ein Vorschlag“ herausgegeben hatte und sich nach 1945 schon bald wieder der Europa-Idee zuwandte.[14] Auch während des Nationalsozialismus beriefen sich Teile des Widerstands auf den Europagedanken,[15] so z.B. in der Schweiz, in den Niederlanden, in Polen und Dänemark, Italien, aber auch im deutschen Widerstand. Die Europa-Idee wurde durch den Totalitarismus auf dem Kontinent nicht nachhaltig zerstört und konnte in der Nachkriegszeit wieder aufgegriffen werden.[16] Aus dem Grund schalteten sich auch die Europäer in der Nachkriegszeit in die Debatte ein, wie ein neues Europa aussehen sollte. Deutlich wurde dabei die Kontroverse über den politischen Zusammenschluss der europäischen Staaten. Während die ‚Föderalisten’ ein politisch geeintes Europa (Bundesstaat) forderten, sahen die ‚Realisten’ in einer engeren Kooperation der Nationalstaaten (Staatenbund) die einzige Möglichkeit zum Schutz vor der kommunistischen Bedrohung. Die Abgabe von Souveränitäten und gar deren Übergabe an supranationale Institutionen war dafür seitens der ‚Realisten’ nicht notwendig und nicht gewollt.[17] Unter diesem Blickwinkel fällt auch die eingangs zitierte Rede Winston Churchills, die eine eindeutige Absage an den Föderalismus und zugleich die Wahrnehmung und Zementierung der Teilung Europas bezeugt.[18]
Als sich vom 7. bis 10. Mai 1948 verschiedene europäische Organisationen in Den Haag trafen und die beiden Europa-Konzepte der ‚Föderalisten’ (föderalistisch-sozialistisch) und der ‚Realisten’ (konservativ-nationalstaatlich) erstmals offen aufeinander trafen, hatte die Konsolidierung der sowjetischen Kontrolle in Osteuropa schon für feste (Landes-)Grenzen gesorgt und den ‚Föderalisten’ die Argumentationsgrundlage für einen gesamteuropäischen Zusammenschluss entzogen. So rückte „Churchills Plan für eine Westeuropäische Union ... dagegen als einzige Alternative in den Vordergrund.“[19]
2.1. Die ersten Schritte zur europäischen Integration durch die Europäer – Die Europäische Bewegung und der Europarat
Von Oktober 1948 bis Mai 1949 schlossen sich fast alle Europaorganisationen zur Europäischen Bewegung (European Movement) als Dachorganisation zusammen.[20] Der im Februar veranstaltete erste Kongress konnte sich schon auf die Beschlüsse des Brüsseler Paktes[21] beziehen, die die Einsetzung eines europäischen Ministerrates und einer Europäischen Beratenden Versammlung als Organe eines künftigen Europarates vorsahen. Die auf dem Kongress gefundenen Richtlinien beinhalteten trotz des beherrschenden Ost-West-Konfliktes ein Bekenntnis zu einem gemeinsamen Europa inklusive Osteuropa.
Die Europäische Bewegung erreichte also nur wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg die Schaffung des Europarates, forderte einen Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte und initiierte Institutionen des Europa-Kollegs in Brügge und des Europäischen Kulturzentrums in Genf. Diese Leistungen können sowohl als erster großer Schritt auf ein vereintes Europa zu verstanden, als auch als kleinster gemeinsamer Nenner und verpasste Chance aufgefasst werden, denn Gasteyger meint zu der Bilanz:
„Der fast revolutionäre Idealismus der europäischen Föderalisten aus der Widerstandsbewegung musste dem nüchternen Pragmatismus jener Politiker weichen, für die nationale Interessen immer noch den Vorrang hatten und deren Europapolitik sich – vielleicht zu rasch – mit der Spaltung des Kontinents abfand.“[22]
Immerhin war auch institutionell durch die Schaffung des Europarates am 5. Mai 1949 ein Weg eingeschlagen, um für „eine engere Verbindung zwischen seinen Mitgliedern [zu sorgen], zum Schutze und zur Förderung der Ideale und Grundsätze, die ihr gemeinsames Erbe bilden, und [um] ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt zu fördern“.[23] Die Brüsseler-Pakt-Staaten (Frankreich, Großbritannien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg) sowie Dänemark, Irland, Italien, Norwegen und Schweden waren die Gründungsmitglieder, des sich bald (auch um Ostblockstaaten) erweiternden Rates.[24] Zu den Errungenschaften im Rahmen des Europarates gehörten die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte. Institutionen des Rates waren/sind die Europäische Parlamentarische Versammlung mit nationalen Parlamentariern, ein Ministerkomitee, bestehend aus den nationalen Außenministern, und das Generalsekretariat.[25] Entscheidungskompetenzen hatte allein das Ministerkomitee (Einstimmigkeitsprinzip), während die Versammlung ausschließlich eine beratende Funktion innehatte. Auch wenn der Europarat nicht als legislatives Organ mit Entscheidungsbefugnissen zu verstehen ist, war er doch die erste organisatorische Möglichkeit neben den Vereinten Nationen, sich über Länder- und Ideologiegrenzen hinweg auszutauschen und gemeinsame Ziele für Europa anzustreben – um es mit Theodor Schieders Worten auszudrücken: „der Europarat [ist] die umfassendste europäische Organisation, aber sie geht nicht über einen politischen Rahmen für die Förderung des europäischen Gedankens hinaus.“[26] Und obwohl der Rat eigentlich keine tagesaktuellen Themen diskutieren durfte (dies war in der Satzung nicht vorgesehen), was natürlich zu dessen Zustimmung und Anerkennung im Westen, bei den Ostbockstaaten und – nicht vergessen – bei den neutralen Staaten Europas führte, benutzten immer wieder Abgeordnete das Gremium, um politische Forderungen zu stellen. Im Großen und Ganzen ging und geht es in diesem Forum aber um die Ausarbeitung gemeinsamer Abkommen auf kulturellem, sozialen, wirtschaftlichem und rechtlichem Gebiet, „Da er“, wie es Fritzler und Unser knapp und prägnant ausdrücken, „über keine echten Machtbefugnisse verfügt“.[27]
Neben dieser von den Europäern gegründeten Institution gab es noch andere, die hier nur kurz Erwähnung finden sollen. Dies waren 1948 die Organisation für Europäische Wirtschaftliche Zusammenarbeit (OEEC), eine europäisch-transatlantische Organisation, die von den USA eingerichtet wurde, um den europäischen Wiederaufbau (Marshall-Plan) zu fördern[28] und 1949 die NATO. 1951 kam eine weitere europäische Institution hinzu, die zum ersten Mal Hoheitsrechte der beteiligten Länder übernahm – die erste supranationale Organisation Europas, die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS). Weidenfeld sieht fünf Motive im Vordergrund, die die Europäer das Abenteuer Integration verfolgen ließen: Erstens, der Wunsch nach einem neuen, gemeinsamen Selbstverständnis in Europa nach den nationalsozialistischen Verirrungen; zweitens, der Wunsch nach Sicherheit und Frieden, weil es schien, dass nach dem Versagen der Nationalstaaten nur eine Gemeinschaft vor einem weiteren Krieg und dem Kommunismus schützen konnte; drittens, der Wunsch nach Freiheit und unbegrenzter Mobilität von Personen, Informationen, Meinungen, Geld und Waren; viertens, der Wunsch nach wirtschaftlichem Wohlstand, d.h. Stabilität und Wachstum in einem gemeinsamen Markt und fünftens die Erwartung gemeinsamer Macht, da sich die einzelnen Staaten Europas langfristig alleine nicht gegen die Mächte USA und UdSSR behaupten konnten.[29]
2.2. Die großen Projekte (EGKS / EVG / EPG) 1951-1954
2.2.1 Der Erfolg – Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS / Montanunion)
Der sich seit der Gründung beider deutscher Staaten 1949 verhärtende Ost-West-Konflikt, das Auslaufen des Marshall-Plans und die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in Europa trieben die Integration voran. Im Ergebnis entstand eine wirtschaftliche Gemeinschaft von sechs europäischen Staaten, die zunächst auf den Kohle- und Stahlsektor begrenzt blieb. Aber das Bemerkenswerteste an dieser Gemeinschaft war: „Erstmals gelingt hier die supranationale Organisation eines zentralen Politikbereichs, der bislang allein in nationalstaatlicher Kompetenz gelegen hatte“.[30]
Der damalige französische Außenminister Robert Schuman und der Leiter des Amtes für wirtschaftliche Planung Jean Monnet ergriffen 1950 die Initiative zum Aufbau einer supranationalen Organisation zwischen Frankreich und Deutschland, die allen anderen europäischen Staaten offen stand. Am 18. April 1951 unterschrieben die Regierungen von Frankreich, Deutschland, Belgien, Italien, Luxemburg und den Niederlanden den so genannten Montanvertrag in Paris, der die Bildung eines gemeinsamen Marktes für die damaligen Schlüsselindustrien Kohle und Stahl vorsah.[31]
Die Frage, warum gerade die Franzosen nur fünf Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg bereit waren, Deutschland in diese Organisation aufzunehmen, lässt sich wirtschaftlich und politisch beantworten. Erstens konnte man die Industrien an Rhein und Ruhr, besonders die Stahlindustrie, die wesentlich zur Aufrüstung des Deutschen Reiches beigetragen hatte, unter europäische Kontrolle bringen, und zweitens war Frankreich auf die deutsche Kohle angewiesen, um selber Eisenerz schmelzen zu können.[32] Fritzler und Unser stellen als weiteren Grund die sich anbahnende deutsch-französische Versöhnung heraus und geben den politischen Willen an, die Montanunion als ersten Schritt zu einer europäischen Föderation, eines europäischen Bundesstaates zu sehen.[33] Demzufolge ging man nach dem funktionalistischen Integrationsprinzip vor, d.h. die politisch Verantwortlichen gingen davon aus, dass sich, wenn ein Wirtschafts- oder Politikbereich erst einmal integriert war, sich sachlogisch weitere Teile anschließen würden.[34] Dem Kohle- und Stahlsektor sollten bald weitere Sektoren bis zur politischen Einigung folgen.
Auf deutscher Seite war sowohl der Beitritt als auch die Abgabe von Hoheitsrechten für Bundeskanzler Adenauer trotz Widerspruchs im Land, besonders bei der SPD, die den „Schuman-Plan ... wegen vermeintlicher wirtschaftlicher Nachteile für die Bundesrepublik (‚Europa-AG’) leidenschaftlich, aber erfolglos“ bekämpfte,[35] keine Frage, konnte er doch so die junge Bundesrepublik wieder in das Orchester des europäischen Staaten zurückholen, „kam von den diskriminierenden Belastungen durch die Internationale Ruhrbehörde ... frei“[36] und konnte ebenfalls das Ziel der deutsch-französischen Aussöhnung verfolgen.[37]
Bereits dieser begrenzte Versuch der Abtretung hoheitlicher Kompetenzen fand in Großbritannien keinen Zuspruch. Dem Föderalismus skeptisch gegenüber eingestellt, schlossen sie lediglich ein Assoziierungsabkommen mit der Montanunion. Graml zählt dies zu den „Schattenseiten“ der Montanunion, zieht aber trotzdem ein positives Fazit, denn „der Erfolg des Schuman-Plans, der sich schon früh abzeichnete, [gab] der westeuropäischen Einigungsbewegung fraglos neue Impulse.“[38]
Die Abbildung 1 zeigt die Struktur der neuen Gemeinschaft:[39]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die oberste Aufsicht über den Stahl- und Kohlemarkt wurde im Rahmen der EGKS einer Hohen Behörde unterstellt, die exekutive Aufgaben wahrnahm. Sie bestand aus neun Mitgliedern, war eine von den Mitgliedsstaaten unabhängige Behörde in Luxemburg und hatte für das Ziel des Zusammenschlusses, für Förderung und Verbesserung des zwischenstaatlichen Handels durch Verbot der Zölle und für andere Mittel, wie die mengenmäßige Festlegung des Handelsvolumens, zu sorgen.[40] Eine Gemeinsame Versammlung, die aus Parlamentariern der nationalen Parlamente gebildet wurde, besaß die Qualität eines Diskussionsgremiums mit eingeschränkten Kontrollrechten. Beim Ministerrat lagen die Richtlinien- und Legislativrechte und ein elfköpfiger Gerichtshof überwachte die Einhaltung der Verträge und sorgte für Klarheit bei Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern. Außerdem wurde ein beratender Ausschuss mit Vertreten der beteiligten Interessengruppen eingeführt.
Interessant bei diesen Strukturen ist, dass man ursprünglich nur die Hohe Behörde als Organ vorgesehen hatte. Doch schon früh wurden Bedenken wegen deren unkontrollierbarer Machtfülle laut, so dass erst der Ministerrat als Leit- und Kontrollorgan der Regierungen und dann die Gemeinsame Versammlung als politisch schwaches Organ der nationalen Parlamente hinzukam.
Trotz allem erwies sich die Struktur der europäischen Organe als ‚Erfolgsmodell’. Sie wurde, trotz vieler Vertragsänderungen und -zusammenschlüsse, bis in die Gegenwart hinein beibehalten.
2.2.2. Das Scheitern – Die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG)
Ebenfalls von Frankreich wurde 1951 ein Vorschlag über eine gemeinsame Armee unter einem europäischen Verteidigungsminister vorgestellt. Auslöser dafür waren der sich verschärfende Ost-West-Konflikt, der Ausbruch des Korea-Krieges 1950 und die auf Druck der USA wieder aufgeworfene Frage über deutsche Streitkräfte, die nun aber vor allem aus französischer Sicht unter ein europäisches Kommando gestellt werden sollten.[41] Am 25. Juni 1950 schlug erstmals Winston Churchill in der Versammlung der Europarates die Bildung einer europäischen Armee vor, worüber auf einer Konferenz in New York (12.-18.9.1950) zwischen den USA, Großbritannien und Frankreich beraten wurde. U.a. stand das Problem einer deutschen Wiederbewaffnung und Teilhabe an der Armee auf der Tagesordnung. Man einigte sich und schon im Oktober stellte der französische Ministerpräsident René Pleven einen Vorschlag vor, der als Verhandlungsgrundlage für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) diente. Dieser Vertrag wurde am 27. Mai 1952 von den sechs EGKS-Staaten unterzeichnet und in einigen Parlamenten gebilligt.
Von der Euphorie des Erfolgs getragen sollte nun der endgültige Schritt in Europa getan werden, der Schritt zu einer Europäischen Politischen Gemeinschaft (EPG) mit gemeinsamen politischen Organen, um die Staaten politisch und wirtschaftlich zusammenzuführen. Doch der Wille zu so einer tiefgreifenden europäischen Integration war noch nicht bei allen Teilnehmern vorhanden. Der Ost-West-Konflikt, der vor kurzem noch ein Grund für die Diskussion über eine EVG gewesen war, entspannte sich. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Armee gegen die Sowjetunion wurde zusehends in Frage gestellt, und eine Kontroverse über die Wiederbewaffnung der deutschen Bundeswehr verdrängte die Angst vor dem Osten. Gasteyger berichtet von einem gezielten Schachzug der sowjetischen Politik, indem die Verhandlungen über Deutschland und Europa just in dem Moment wieder aufgenommen wurden, als die Gefahr bestand, die westlichen Staaten Europas könnten sich zu einer Militärallianz gegen die UdSSR zusammenschließen.[42] Weidenfeld sieht auch einen noch nicht genug ausgeprägten Europa-Gedanken, denn „Zu groß wäre offenbar der nationale Souveränitätsverzicht gewesen, als dass er sich zu diesem Zeitpunkt mit der Unterschiedlichkeit des europäischen Selbstverständnisses hätte vereinbaren lassen.“[43] Die politische Folge blieb nicht aus. Im August 1954 verweigerte die Französische Nationalversammlung die Ratifizierung.[44] Die EVG war gescheitert.[45] Das Parlament stellte sich gegen die Vorhaben der eigenen Regierung, worauf die anderen Länderparlamente nicht mehr zur Abstimmung übergingen. Mit dem Scheitern der EVG war auch das weiterführende Ziel der EPG verloren, und mit der EPG war die schon fertig ausgearbeitete europäische Verfassung nichtig geworden.[46] Nach heutigem Kenntnisstand ist bekannt, dass erst im Jahre 2002, also nach mehr als 50 Jahren wieder ein ernsthafter Versuch unternommen werden sollte, um den europäischen Völkern eine gemeinsame Verfassung zu geben.
Obwohl der Integrationsprozess erst einmal gestoppt war, konnte der politische Wille zur engen Zusammenarbeit doch nicht gebrochen werden. Die sechs Montanstaaten suchten nach einem Ausweg, der ein schrittweises Vorankommen ermöglichte. So kehrte man dorthin zurück, wo der Integrationsprozess begonnen hatte, auf das Gebiet der Wirtschaft.
3. Darstellung: Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG)
Ende 1954 forderte die Gemeinsame Versammlung der EGKS, die eigentlich aufgrund ihrer Statuten und beschränkten Rechte wenig zu fordern hatte, die Einsetzung einer Sonderkommission, welche die Stärkung der Gemeinschaft und die Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit prüfen sollte. Ein weiterer Impuls ging von den Benelux-Staaten aus. Der niederländische Außenminister stellte im April 1954 fest:
„Wenn wir zum politischen Zusammenschluss gelangen wollen, müssen wir an das Problem unter dem Gesichtswinkel der Gesamtwirtschaft herangehen; denn die Wirtschaftsmacht stellt die für die Aufrechterhaltung der politischen Einheit Europas notwendige Infrastruktur dar.“[47]
So sollte „Die immer engere wirtschaftliche Zusammenarbeit ... der Motor und Wegbereiter für die später folgende politische Einheit sein.“[48]
Auf einer Konferenz in Messina im Juni 1955[49] beschlossen die sechs Außenminister trotz des Rückschlags im Einigungsprozess Europas, die EGKS als Vorbild für eine ausgedehntere, weitere Bereiche umspannende wirtschaftlichen Vereinigung zu nutzen. Sie bereiteten eine Regierungskonferenz über eine Zollunion und eine Organisation für die Entwicklung und Nutzung der Kernenergie vor. „Hinzu kam, dass in Anbetracht der dominierenden Stellung der USA auf dem Weltmarkt ein engeres wirtschaftliches Zusammenrücken Westeuropas geboten schien.“[50] Der belgische Außenminister Paul Henri Spaak wurde zum Vorsitzenden einer Kommission ernannt, die die in Messina ausgearbeiteten Richtlinien auf ihre praktische Verwirklichung hin prüfen sollte. Der so genannte Spaak-Bericht wurde im Februar 1956 den zuständigen Ministern übergeben.
Am 25.März 1957 wurden schließlich in Rom[51] die Verträge zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und zur Europäischen Atomgemeinschaft (EAG bzw. EURATOM) unterzeichnet.[52] Bei den EWG- und EAG-Verträgen lässt sich ein Merkmal europäischer Integrationspolitik erkennen, das bis in die Gegenwart Bestand hat – nämlich das ‚Schnüren von Paketen’.[53] Damit ist gemeint, dass kaum eigenständige Verträge zustande kommen, sondern dass sie immer an andere gekoppelt sind, um Kompromisse zwischen den Mitgliedsstaaten zu vereinfachen. Praktisch hieß das: Keine EWG ohne EAG oder keine EPG ohne EVG – wie man leidvoll erfahren hatte.
Am 1. Januar 1958 traten die neuen Verträge in Kraft und führten zu einer Veränderung der europäischen Institutionen unter Beibehaltung der von der EGKS her bekannten Strukturen. Die Abbildung 2 zeigt schematisch die Einrichtungen der EWG.[54]
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Ministerrat setzte sich aus den jeweiligen nationalen Fachministern zusammen und entschied per Mehrheitsbeschluss. Nur in Ausnahmefällen war eine qualifizierte Mehrheit erforderlich, bei der das Gewicht der einzelnen Länder zum Tragen kam. Das Europäische Parlament hatte, wie die Gemeinsame Versammlung, nur beratende und kontrollierende Funktion, die Mitglieder wurden von den nationalen Parlamenten entsandt. Im Zuge der europäischen Integration stieg die Abgeordnetenzahl stark an. Erst im Jahr 1979 durften die Bürger der EG das Parlament direkt wählen. Die Kommission bestand nach der Gründung der EWG aus neun Kommissaren mit einem beigeordneten Sekretariat.
[...]
[1] Zu diesem Termin gehört auch die Abbildung auf Seite 1 aus Fritzler, Unser 2001, S. 22. Die „Süddeutsche Zeitung“ findet hier allerdings keine weitere Beachtung.
[2] So muss man sich beispielsweise mit Beschreibungen wie „Unabhängig, überparteilich“ zufrieden geben und auf die Darstellung des Rezensentenkreises mangels fehlender Umfragen fast vollständig verzichten.
[3] R.S. Churchill, The Sinews of Peace. Post-War Speeches by W.S.Churchill, Cambridge 1949, S. 198f, zitiert nach der deutschen Übersetzung des Auswärtigen Amtes aus Gasteyger, Curt: Europa von der Spaltung zur Einigung, Darstellung und Dokumentation 1945-2000, vollst. überarb. Neuaufl., Bonn 2001, S. 43f.
[4] Weidenfeld sieht aber gerade in der Konfrontation zwischen den USA und der UdSSR einen Motor zur Integration, einen Zwang zur Gemeinsamkeit, wenn er sagt: „Natürlich wäre sie [die europäische Integration; B.B.] ohne die geschichtliche Sondersituation des Niedergangs der europäischen Staaten im Zweiten Weltkrieg und ihrer unmittelbar danach entstandenen Frontstellung zur Sowjetunion nur schwer vorstellbar gewesen.“ (Weidenfeld, Werner: Europa – aber wo liegt es?, in ders., Handbuch-Europa, Bonn 2002, S. 21.)
[5] Aus der Präambel der Charta der Vereinten Nationen (Zitiert nach: http://www.uno.de/charta/charta.htm; Download: 31.3.03).
[6] Vgl. Gasteyger 2001, S. 31. Gasteyger betont, dass sich Churchills Äußerung nicht primär gegen die Sowjetunion gerichtet hätte, sondern dass Europa eine ausgleichende Funktion zwischen den Großmächten (USA, Sowjetunion, Großbritannien) einnehmen sollte.
[7] Gasteyger 2001, S. 32.
[8] Als Beispiel dafür dient z.B. der Hitler-Stalin-Pakt vom August 1939, der sowohl einen Nichtangriffspakt wie die Aufteilung Polens besiegelte.
[9] Vg. Gasteyger 2001, S. 45f.
[10] Gasteyger 2001, S. 33f.
[11] Einige Staaten mussten natürlich auch erst einmal wiederhergestellt werden und waren bei Kriegsende faktisch nicht mehr vorhanden.
[12] Schieder, Theodor: Europa im Zeitalter der Weltmächte, Europäische Bewegung und europäische Institutionen, in: ders. Handbuch der europäischen Geschichte, Europa im Zeitalter der Weltmächte, Stuttgart 1979, Bd. 7, S. 324.
[13] Würde man sich auf die Suche des Ursprungs einer europäischen Identität machen, müsste man sich bis in die Antike begeben und die Zeit bis zur Gegenwart untersuchen. Zu dem Begriff Europa und seinen Abgrenzungen, sowie zu den Wurzeln einer europäischen Identität siehe Weidenfeld 2002.
[14] Für ausführliche Erläuterungen siehe Schieder 1979, S. 323f.
[15] Vgl. Schieder 1979, S. 324f.
[16] Vgl. Gasteyger 2001, S. 29ff.
[17] Diese Kontroverse durchzieht die europäische Integration bis zur EU und bis zu einer möglich Verfassung im Jahre 2004 (oder später). Es stellt sich immer wieder die Frage, ob die Nationalstaaten bereit sind, eigne Souveränitätsrechte aufzugeben und sie europäischen Institutionen zu unterstellen.
[18] Wichtig zu erwähnen ist, dass der Bundesstaat europäischer Nationalstaaten (inklusive Deutschlands) mit einem gemeinsamen Rat als übergeordnetem Organ selbstverständlich ohne Großbritannien selbst gebildet werden sollte. Die Abgabe britischer Souveränitätsrechte war im Empire schlichtweg eine Unmöglichkeit. Churchill hatte in seiner Zukunftsvision die Aufteilung der Welt in Machtkreise vor Augen, die mindestens Nordamerika, Europa, Großbritannien und die Sowjetunion ausmachten.
[19] Gasteyger 2001, S. 36.
[20] Zu den Schwierigkeiten und Kontroversen innerhalb der Bewegung, wie z.B. der Frage nach Bundesstaat oder Staatenbund kam hinzu, dass die Europäische Bewegung die Vereinigten Staaten von Europa schon fast als konstituiert ansah, während die europäischen Regierungen rein gar nichts in diese Richtung unternahmen. Siehe dazu Graml, Hermann: Anfänge europäischer Einigung, in: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann (Hrsg.): Europa nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1982, Das Zwanzigste Jahrhundert II, Frankfurt a.M. 1983, S. 65ff. Außerdem sieht Graml sogar die Tendenz eines Auseinanderbrechens, einer Zersplitterung in Einzelgruppen, der Bewegung ab 1948, das nur durch das Engagement Winston Churchills verhindert worden sei (vgl. ebenda, S. 66). Auch die Europa-Bewegung war nicht frei von individuellen Ausprägungen und Forderungen.
[21] Der Brüsseler Pakt von 1948 (auch Westunion und ab 1954 Westeuropäische Union - WEU) war ein von Frankreich, Großbritannien, Belgien, den Niederlanden und Luxemburg geschlossenes Sicherheitsbündnis zur kollektiven Verteidigung und zur wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Zusammenarbeit (vgl. Schieder 1979, S. 326).
[22] Gasteyger 2001, S. 36.
[23] Weidenfeld, Werner; Wessels, Wolfgang (Hrsg.): Europa von A bis Z, Taschenbuch zur europäischen Integration, 8. Aufl., Bonn 2002, S. 202f. Zu den frühen Mitgliedern gehörten 10 Staaten, die Bundesrepublik kam am 13. Juli 1950 dazu. Der Europarat ist heute eine Organisation, die weit über die Grenzen der Europäischen Union hinaus geht. Für weitere Informationen siehe ebenfalls Weidenfeld, Wessels 2002 bzw. die dort angebotene Bibliographie und Internet-Adressen.
[24] Dazu im Anhang die Karte in Anlage I.
[25] Zum Aufbau und den 2001 aktuellen Mitgliedsstaaten siehe die Abbildung in Anlage II im Anhang.
[26] Schieder 1979, S. 326.
[27] Fritzler, Marc; Unser, Günther: Die Europäische Union, 2. überarb. u. aktualis. Aufl., Bonn 2001, S. 20.
[28] Siebzehn europäische Staaten beteiligten sich: Belgien, Dänemark, Frankreich, Griechenland, Großbritannien, Irland, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Österreich, Portugal, Schweden, die Schweiz, die Türkei und die drei westlichen Besatzungszonen Deutschlands. Es war kein Zufall, dass kein späterer Ostblockstaat dazugehörte. Die Mitgliedschaft wurde von Stalin quasi verboten. So konnten diese Länder nicht, wie die westlichen, als Partner der US-amerikanischen Economic Cooperation Administration an der Verteilung der Marshall-Plan-Gelder mitwirken. Die OEEC war zwar wirtschaftlich ein Erfolg, aber politisch führte sie nicht zu einem Zusammenwachsen, wie es die ‚Föderalisten’ gehofft hatten. Aus der OEEC gingen vier Institutionen hervor: 1. Die Europäische Zahlungsunion (EZU) im September 1950, 2. die Europäische Kernenergie-Agentur im Dezember 1957, 3. im Jahr 1952 die Europäische Konferenz der Verkehrsminister (CEMT) und 4. die Europäische Produktivitätszentrale (EPZ) 1953. Die hier geschaffenen europäischen Institutionen waren nicht föderativ, sondern lediglich durch zwischenstaatliche Vereinbarungen zustande gekommen.
[29] Vgl. Weidenfeld 2002, S. 21f.
[30] Weidenfeld 2002, S. 22.
[31] Der Vertrag trat 1952 in Kraft und lief im Jahr 2002 auch aufgrund der abnehmenden Bedeutung dieses Marktes aus.
[32] Vgl. Fritzler, Unser 2001, S. 19 und Weidenfeld, Wessels 2001, S. 14.
[33] Vgl. Fritzler, Unser 2001, S. 19f. In der Gewichtung sind sich die Zeithistoriker uneinig. So sehen Weidenfeld und Wessels an erster Stelle die Beseitigung der deutsch-französischen Erbfeindschaft und an zweiter Stelle die Schaffung eines Grundsteins für eine europäische Föderation (vgl. Weidenfeld, Wessels 2001, S. 14).
[34] Vgl. u.a. Weidenfeld 2002, S. 22.
[35] Morsey, Rudolf: Die Bundesrepublik Deutschland, Entstehung und Entwicklung bis 1969, München 1987, S. 26.
[36] Schieder 1979, S. 327.
[37] Vgl. Gros 2002, S. 100f.
[38] Graml 1983, S. 77.
[39] Quelle: http://www.laurentianum.waf-online.de/rap2k/euroins2.htm; Download: 31.3.2003.
[40] Vgl. Schieder 1979, S. 327.
[41] Vgl. Fritzler, Unser 2001, S. 20 und Hillgruber, Andreas: Europa in der Weltpolitik der Nachkriegszeit (1945-1963), 3. neu barb. Aufl., München 1987 1987. S. 57. Graml stellt die Situation um den Korea-Krieg zum Greifen nahe da, er sagt: „ Die Frage [einer militärischen Einigung; B.B.] gewann den Anschein der Unaufschiebbarkeit, als der Korea-Krieg, den der nordkoreanische Überfall auf das erst im Juni 1949 von den USA geräumte Südkorea am 25. Juni 1950 eröffnete, auch in Westeuropa eine neue Welle der Furcht vor dem sowjetischen Imperialismus aufschäumen ließ.“ (Graml 1983, S. 77)
[42] Vgl. dazu auch Loth, Wilfried: Europa nach 1945: Die Formation der Blöcke, in: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann (Hrsg.): Europa nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1982, Das Zwanzigste Jahrhundert II, Frankfurt a.M. 1983, S. 50ff. Loth bezeichnet die sowjetische Politik während der EVG-Verhandlungen folgendermaßen: „Indessen versuchte nun die Sowjetführung, der Entwicklung zu einem rüstungsintensiven, das wahre Potential voll erschließenden Militärblock an der Westgrenze ihres Imperiums die Spitze abzubrechen, indem sie den Westdeutschen die Wiedervereinigung ihres Landes zu erheblich günstigeren Bedingungen als bisher in Aussicht stellte und sich auch im übrigen wieder betont kooperativ und entspanntbereit gab.“ (S. 50)
[43] Weidenfeld 2002, S. 23. Obwohl der sowjetische Versuch nicht von Erfolg gekrönt war, sorgte er doch in Frankreich und Großbritannien für vage Hoffnungen auf einen Abbau der Ost-West-Konfrontation und sie erwogen eine ernsthafte Prüfung der sowjetischen Angebote.
[44] Zur französischen Innen- und Europapolitik zur Zeit der EVG siehe genauer den Artikel von Klaus-Dietmar Henke in: Benz, Wolfgang; Graml, Hermann (Hrsg.): Europa nach dem Zweiten Weltkrieg 1945-1982, Das Zwanzigste Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1983, S.108-124.
[45] Militärisch schutzlos blieb Westeuropa allerdings nicht. Es kam zu einer Verbindung und Verträgen zwischen den Staaten und der NATO sowie der WEU, worauf aber in diesem Rahmen nicht genauer eingegangen wird. Auf alle Fälle bezeugt die Einbindung der Bundesrepublik, dass es vor allem Frankreich nicht mehr um die Frage einer deutschen Bewaffnung und eines deutschen militärischen Beitrags ging, sondern dass allein Fragen der Supranationalität über das Nein zur EVG entschieden hatten (vgl. Graml 1983, S. 79f).
[46] Des Weiteren sollte die neue Gemeinschaft über Zuständigkeiten im Montanbereich, in Verteidigungsfragen verfügen, sowie die Koordinierung der Außenpolitik der Mitgliedsstaaten sichern. Die Ziele waren die Entwicklung des gesamten Marktes, die Anhebung des Lebensstandards und die Steigerung der Beschäftigung. Nach der Verfassung sollte es ein Parlament mit zwei Kammern, einen Exekutivrat, einen Rat der nationalen Minister, einen Gerichtshof und einen Wirtschafts- und Sozialrat geben (vgl. Weidenfeld, Wessels 2001, S. 15).
[47] Zitiert nach Gasteyger 2001, S. 146.
[48] Gasteyger 2001, S. 146f.
[49] Zu der Schlusserklärung der Konferenz siehe den Ausschnitt in Anlage III im Anhang.
[50] Fritzler, Unser 2001, S. 22.
[51] Daher wird die EWG auch oft als ‚Römische Verträge’ bezeichnet. Zum EWG-Vertrag siehe die Präambel in Anlage IV im Anhang.
[52] Zu EAG bzw. EURATOM soll hier nur kurz erwähnt werden, dass diese Gemeinschaft dem Zweck dienen sollte, „Aufbau und Entwicklung der Nuklearindustrie in den sechs Mitgliedstaaten zu fördern.“ (Weidenfeld, Wessels 2001, S. 16.)
[53] Vgl. Weidenfeld 2002, S. 23.
[54] Quelle: Das moderne Lexikon in zwanzig Bänden, hrsg. vom Lexikon Institut Bertelsmann in Zusammenarb. Mit Dr. Hans F. Müller, Berlin u.a. 1971, Bd. 5, S. 367.
- Citation du texte
- Björn Böhling (Auteur), 2002, Die EWG als Etappe in der europäischen Integration und ihre Perzeption in der deutschen Öffentlichkeit 1957/58, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/61344
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